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Zur Lage der Gruppe - Arbeiterstimme

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20 <strong>Arbeiterstimme</strong><br />

Winter 2005<br />

Linkspartei-Realos weiterhin, die entsozialdemokratisierte<br />

SPD könnte<br />

sich in wenigen Jahren – etwa bis zur<br />

Bundestagswahl von 2009 – vom Gegner<br />

zum Partner entwickeln. Sie ignorieren<br />

hierbei die historische Erfahrung,<br />

dass strategische Wandlungen<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie allenfalls in extremen<br />

Ausnahmesituationen, wie<br />

Hitlerdiktatur und zweiter Weltkrieg<br />

sie schufen, denkbar sind. Gleichzeitig<br />

fiel ihnen <strong>der</strong> von Anfang an wahrscheinlichste<br />

Ausweg <strong>der</strong> gerupften<br />

„Volksparteien“ CDU/CSU und SPD<br />

aus <strong>der</strong> durch ein neues Stimmenund<br />

Mandatsverhältnis im Bundestag<br />

resultierenden Klemme, die Große<br />

Koalition, nicht ein, und sie wurden<br />

erneut überrascht. Die für Sozialisten<br />

naheliegendste Schlussfolgerung<br />

wäre gewesen, dass bei dieser<br />

Koalition weitergehende Auflösungserscheinungen<br />

im SPD-Bereich so gut<br />

wie sicher sind und von <strong>der</strong> Linkspartei<br />

genutzt werden können. Darauf<br />

kamen die Realos ebenfalls nicht.<br />

Fraktionskonstituierung,<br />

Ringen zwischen<br />

Linkspartei und WASG<br />

vornehmlich in Berlin<br />

Im Ergebnis <strong>der</strong> Bundestagswahl<br />

war die Linkspartei mit ihren offenen<br />

Listen neben <strong>der</strong> FDP die einzig erfolgreiche.<br />

Ihre parlamentarische Vertretung<br />

konstituierte sich am 23. 9. 2005.<br />

Die 30 west- und 24 ostdeutschen Abgeordneten<br />

gaben <strong>der</strong> Fraktion den<br />

Namen „Die Linke“, was Gysi zufolge<br />

„schön und anmaßend“ sei und einem<br />

auch zustehe. Als Novum in <strong>der</strong> Parlamentsgeschichte<br />

wählten die Delegierten<br />

zwei gleichberechtigte Vorsitzende:<br />

Oskar Lafontaine und Gregor Gysi.<br />

Beide konstatierten, die Behauptung,<br />

„Die Linke“ drücke sich vor Regierungsverantwortung,<br />

sei falsch. Es gebe<br />

nur <strong>der</strong>zeit keine Partei, die wie die ihre<br />

die Agenda 2010 und Kriegseinsätze<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr ablehne. Das von<br />

rechts vorgebrachte Ansinnen, die<br />

Fraktionsmitglie<strong>der</strong> sollten sich einer<br />

Überprüfung auf ehemalige MfS-Mitarbeit<br />

unterziehen, konterte Gysi mit<br />

den Worten, nichts gegen die Überprüfung<br />

sämtlicher Bundestagsabgeordneter<br />

zu haben. „Aber eine Son<strong>der</strong>vorschrift<br />

nur für uns nehmen wir garantiert<br />

nicht an.“<br />

Bei aller Vorsicht im Herangehen,<br />

die daraus resultiert, dass viele<br />

<strong>der</strong> neuen MdB überregional nicht<br />

bekannt sind, lässt sich zur Zusammensetzung<br />

<strong>der</strong> Fraktion das Folgende<br />

sagen: Den stärksten politischen<br />

Block stellen Linksparteivertreter, die<br />

zur <strong>Gruppe</strong> <strong>der</strong> „Regierungssozialisten“<br />

gehören. Neben Prof. Bisky und<br />

Gysi sind dies insbeson<strong>der</strong>e ND-Geschäftsführer<br />

Dietmar Bartsch, Martina<br />

Bunge, Roland Claus, Dagmar<br />

Enkelmann, die beiden bisherigen<br />

MdB Lötzsch und Pau, Bodo Ramelow<br />

und Petra Sitte. Der Chef <strong>der</strong><br />

Türkischen Gemeinde Deutschlands,<br />

Prof. Hakki Keskin, dürfte dem Block<br />

hinzuzurechnen sein. Von <strong>der</strong> WASG<br />

kommen Oskar Lafontaine, Werner<br />

Dreibus, Klaus Ernst, Ulrich Maurer,<br />

Prof. Herbert Schui, Prof. Axel Troost,<br />

Alexan<strong>der</strong> Ulrich und Inge Höger-Neuling,<br />

die beiden Parteien angehört.<br />

Ähnlich diesen gewerkschaftszugehörigen<br />

o<strong>der</strong> –nahen Abgeordneten<br />

ist <strong>der</strong> Thüringer DGB-<br />

Vorsitzende Frank Spieth. Linke frühere<br />

PDS-Angehörige sind die Westdeutschen<br />

Ulla Jelpke, Dorothée<br />

Menzner und (mit Abstrichen)<br />

Diether Dehm. Linke aus <strong>der</strong> Ex-DDR<br />

sind ebenso wenig wie solche aus <strong>der</strong><br />

Berliner WASG im Zentralparlament<br />

vertreten. Zu den weiter erwähnenswerten<br />

MdB zählen die ALG II beziehende<br />

und mit einem 1-€-Job bedachte<br />

Elektroingenieurin Elke Reinke aus<br />

Sachsen-Anhalt, die Journalistin Luc<br />

Jochimsen, <strong>der</strong> Richter am Bundesgerichtshof<br />

Wolfgang Neskovic und <strong>der</strong><br />

Völkerrechtler Prof. Norman Paech.<br />

Am 30. 9./1. 10. traf sich die Fraktion<br />

zur Klausur in Berlin-Schmöckwitz.<br />

Auf Betreiben <strong>der</strong> männlichen<br />

Führungsspitze und solcher weiblichen<br />

Fraktionsangehörigen wie<br />

Dagmar Enkelmann wählte sie den<br />

Bundesvorsitzenden <strong>der</strong> Linkspartei-<br />

.PDS Lothar Bisky zum Kandidaten<br />

für das Amt eines stellvertretenden<br />

Bundestagspräsidenten, <strong>der</strong> mit seiner<br />

Wahl zugleich Mitglied <strong>der</strong> Fraktionsführung<br />

werden würde. Mit 36 :<br />

15 Stimmen triumphierte er über Gesine<br />

Lötzsch, die von den meisten<br />

Frauen <strong>der</strong> Fraktion unterstützt worden<br />

war. Bisky hatte danach das<br />

„Pech“, dass er am 18.10 und 8.11. in<br />

vier Wahlgängen von einer Mehrheit<br />

bürgerlicher und SPD-Abgeordneter<br />

als Vizepräsident des Bundestages<br />

zurückgewiesen wurde. Das geschah<br />

in einem einmalig provokanten Akt des<br />

primitivsten Antikommunismus, dem<br />

es gleich ist, ob sein Objekt überhaupt<br />

zu den Kommunisten gehört. Führende<br />

Vertreter <strong>der</strong> Linkspartei.PDS hätten<br />

daraus die Lehre ziehen können,<br />

dass jahrelanges Anbie<strong>der</strong>n an die<br />

Herrschenden und ihre Parteien<br />

nichts als Undank einbringt, sofern<br />

diese die neue, links firmierende Partei<br />

nicht unmittelbar zur Festigung<br />

o<strong>der</strong> Rettung ihrer eigenen Hegemonie<br />

brauchen. Wenn schon nicht aus<br />

prinzipiellen Gründen, hätten sie das<br />

Anbie<strong>der</strong>n mindestens deshalb unterlassen<br />

sollen.<br />

Wahlkampfleiter Ramelow erhielt<br />

mit 36 : 9 Stimmen bei acht Enthaltungen<br />

den neu geschaffenen Posten<br />

eines Ersten Stellvertretenden<br />

Fraktionsvorsitzenden. Zweite Stellvertreterin<br />

wurde Inge Höger-Neuling<br />

aus Nordrhein-Westfalen, die mit<br />

27 : 24 Stimmen und zwei Enthaltungen<br />

über den Spitzenmann <strong>der</strong><br />

WASG Klaus Ernst siegte. (Bei einer<br />

Klausurtagung des WASG-Vorstandes<br />

am 7./8. 10. stellte Ernst dazu fest,<br />

dass es die eigene Partei durch Kandidatur<br />

zweier Mitglie<strong>der</strong> gegeneinan<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Linkspartei ermöglicht<br />

habe, sie bei den Fraktionsvorstandswahlen<br />

unzureichend zu berücksichtigen.)<br />

Weitere, jeweils mit <strong>der</strong> Leitung<br />

eines Arbeitskreises verbundene<br />

Posten als Stellvertreter <strong>der</strong> Fraktionsvorsitzenden<br />

bezogen ausschließlich<br />

Frauen: Erstens Gesine<br />

Lötzsch (Regional- und Strukturpolitik,<br />

Ostdeutschland, Haushalt und<br />

Umwelt), zweitens die von Gysi favorisierte<br />

Barbara Höll (Arbeitskreis<br />

Wirtschaft, Arbeit und Finanzen) statt<br />

des Experten für alternative Wirtschaftspolitik<br />

Axel Troost, drittens<br />

Petra Sitte (Arbeitskreis Innovation,<br />

Bildung, Wissenschaft und Medien),<br />

viertens Martina Bunge (Arbeitskreis<br />

Gesundheit und soziale Sicherung),<br />

fünftens Petra Pau (Arbeitskreis BürgerInnenrechte<br />

und Demokratie),<br />

sechstens die einstige Mitgrün<strong>der</strong>in<br />

<strong>der</strong> Grünen Monika Knoche (Arbeitskreis<br />

Außenpolitik) statt des außenpolitischen<br />

Parteisprechers Wolfgang<br />

Gehrcke. Parlamentarische Geschäftsführer<br />

wurden Enkelmann<br />

und Ulrich Maurer, frauenpolitische<br />

Sprecherin Karin Bin<strong>der</strong>. Beim Treffen<br />

<strong>der</strong> Fraktionsfrauen am 22. 9. hatten<br />

die Teilnehmerinnen darauf gedrängt,<br />

Lötzsch als Bundestagsvizepräsidentin<br />

durchzusetzen. Nun<br />

freuten sie sich über die Quote von 9

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