Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig
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nicht; die andern sollen nur keine weitere Prätensionen machen. Sie frägt zwar, ob ich ihn allein<br />
gepachtet habe? – Ja, Fr. Rat, darauf kann ich Ihr antworten. Ich glaub, daß es eine Art und Weise<br />
gibt, jemand zu besitzen, die niemand streitig machen kann; diese üb ich an Wolfgang, keiner hat<br />
es vor mir gekonnt, das weiß ich, trotz allen seinen Liebschaften, <strong>von</strong> denen sie mir erzählt. – Vor<br />
ihm tu ich zwar sehr demütig, aber hinter seinem Rücken halte ich ihn fest, und da müßte er stark<br />
zappeln, wenn er los will.<br />
Fr. Rat! – Ich kenne die Prinzen und Prinzessinnen nur aus der Zauberwelt der<br />
Feenmärchen und aus Ihren Beschreibungen, und die geben einander nichts nach; dort sind zwar<br />
die schönsten Prinzessinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden sie durch einen<br />
Schneider erlöst und geheiratet. Das überleg Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Märchen<br />
erfindet, und geb Sie diesem Umstand eine moralische Erläuterung.<br />
Bettine<br />
(Die Antwort fehlt)<br />
Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier im Rheingau erhalten, er schreibt: »Halte<br />
meine Mutter warm und behalte mich lieb.« Diese lieben Zeilen sind in mich eingedrungen wie<br />
ein erster Frühlingsregen; ich bin sehr vergnügt, daß er verlangt, ich soll ihn lieb behalten; ich<br />
weiß es wohl, daß er die ganze Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menschen sehen wollen und<br />
sprechen, daß ganz Deutschland sagt: unser Goethe. Ich aber kann Ihr sagen, daß mir bis heute<br />
die allgemeine Begeistrung für seine Größe, für seinen Namen noch nicht aufgegangen ist. Meine<br />
Liebe zu ihm beschränkt sich auf das Stübchen mit weißen Wänden, wo ich ihn zuerst gesehen,<br />
wo am Fenster der Weinstock, <strong>von</strong> seiner Hand geordnet hinaufwächst, wo er auf dem<br />
Strohsessel sitzt und mich in seinen Armen hält; da läßt er keinen Fremden ein, und da weiß er<br />
auch <strong>von</strong> nichts als nur <strong>von</strong> mir allein. Frau Rat! Sie ist seine Mutter, und Ihr sag ich's: wie ich<br />
ihn zum erstenmal gesehen hatte, und ich kam nach Haus, da fand ich, daß ein Haar <strong>von</strong> seinem<br />
Haupt auf meine Schulter gefallen<br />
Leb Sie wohl und schreib Sie ihm <strong>von</strong> mir.<br />
Goethes Mutter an Bettine<br />
Frankfurt, am 12. Mai 1808<br />
Liebe Bettine! Deine Briefe machen mir Freude, und die Jungfer Lieschen, die sie schon<br />
an der Adresse erkennt, sagt: »Fr. Rat, da bringt der Briefträger ein Pläsier.« – Sei aber nicht gar<br />
zu toll mit meinem Sohn, alles muß in seiner Ordnung bleiben. Das braune Zimmer ist neu<br />
tapeziert mit der Tapete, die Du ausgesucht hast, die Farbe mischt sich besonders schön mit dem<br />
Morgenrot, das überm Katharinenturm heraufsteigt und mir bis in die Stube scheint. Gestern sah<br />
unsre Stadt recht wie ein Feiertag aus in dem unbefleckten Licht der Alba.<br />
Sonst ist noch alles auf dem alten Fleck. Um Deinen Schemmel habe keine Not, die Liese<br />
leidet's nicht, daß jemand drauf sitzt.<br />
Schreib recht viel, und wenn's alle Tag wär, Deiner wohlgeneigten Freundin<br />
Goethe<br />
Frau Rat!