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Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig

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Ich nickte ihm, er nahm ihn, daran zu riechen und küßte ihn; er steckte ihn in Busen und knöpfte<br />

die Weste darüber zu und seufzte, und da sah er, daß ich rot ward. – Sein Gesicht übergoß sich<br />

mit einem Schmelz <strong>von</strong> Freundlichkeit; er wendete es zu mir, ohne die Augen aufzuschlagen, als<br />

wolle er mich auffordern, seine wohlgefällige Bildung zu beachten; sein Fuß suchte wieder den<br />

meinen, und mit leiser Stimme sagte er: »Be good, fine girl.« – Ich konnte ihm nicht unfreundlich<br />

sein, und doch wollte ich gerne meine Ehre retten; da zog ich das eine End meines langen Gürtels<br />

um sein Bein und band es geschickt an dem Tischbein fest, ganz heimlich, daß es niemand sah; er<br />

ließ es geschehen, ich sagte: »Be good, fine boy.« – Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis<br />

zum End der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Lust zwischen uns; und ich ließ ihn sehr<br />

gern meine Hand an sein Herz ziehen, wie er sie küßte. –<br />

Ich hab meine Geschichte der Mutter erzählt, die sagt, ich soll sie Dir schreiben, es sei ein<br />

artig Lustspiel für Dich, und Du würdest sie allein schön auslegen; es ist ja wahr, Du! Der es<br />

weiß, daß ich gern den Nacken unter Deine Füße lege, Du wirst mich nicht schelten, daß ich der<br />

Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß gespielt hätte, keinen strengeren Verweis<br />

gab. – Du, der die Liebe erkennt und die Feinheit der Sinne, o wie ist alles so schön in Dir; wie<br />

rauschen die Lebensströme so kräftig durch Dein erregtes Herz und stürzen sich mit Macht in die<br />

kalten Wellen Deiner Zeit und brausen auf, daß Berg und Tal rauchen <strong>von</strong> Lebensglut, und die<br />

Wälder stehen mit glühenden Stämmen an Deinen Gestaden; und alles, was Du anblickst, wird<br />

herrlich und lebendig. Gott, wie gern möcht ich jetzt bei Dir sein! Und wär ich im Flug, weit über<br />

alle Zeiten und schwebte über Dir: ich müßte die Fittiche senken und mich gelassen der stillen<br />

Allmacht Deiner Augen hingeben.<br />

Die Menschen werden Dich nicht immer verstehen, und die Dir am nächsten zu stehen<br />

behaupten, die werden am meisten Dich verleugnen; ich seh in die Zukunft, da sie rufen werden:<br />

»Steiniget ihn!« Jetzt, wo Deine eigne Begeistrung gleich einem Löwen sich an Dich schmiegt<br />

und Dich bewacht, da wagt sich die Gemeinheit nicht an Dich.<br />

Deine Mutter sagte letzt: »Die Menschen sind zu jetziger Zeit alle wie Gerning, der<br />

immer spricht: ›Wir übrigen Gelehrten‹, und ganz wahr spricht; denn er ist übrig.« –<br />

Lieber tot als übrig sein! Ich bin es aber nicht, denn ich bin Dein, weil ich Dich erkenne in<br />

allem. – Ich weiß, daß, wenn sich auch die Wolken vor dem Sonnengott auftürmen, daß er sie<br />

bald wieder niederdrückt mit glänzender Hand; ich weiß, daß er keinen Schatten duldet als den er<br />

unter den Sprossen seines Ruhmes sich selber sucht. – Die Ruhe des Bewußtseins wird Dich<br />

überschatten; – ich weiß, daß, wenn er sich über den Abend hinwegbeugt, so erhebt er wieder im<br />

Morgen das goldne Haupt. – Du bist ewig. – Drum ist es gut mit Dir sein.<br />

Goethe! – Dann löst mich eine Rückerinnerung an Dich wieder auf; die Feuer- und<br />

Kriegszeichen gehen langsam an meinem Himmel unter, und Du bist wie der hereinströmende<br />

Mondstrahl. Du bist groß und herrlich und besser als alles, was ich bis heute erkannt und erlebt<br />

hab. – Dein ganzes Leben ist so gut.<br />

An Bettine<br />

Am 16. Juli 1807<br />

Was kann man Dir sagen und geben, was Dir nicht schon auf eine schönere Weise<br />

zugeeignet wäre; man muß schweigen und Dich gewähren lassen; wenn es Gelegenheit gibt, Dich<br />

um etwas zu bitten, da mag man seinen Dank mit einfließen lassen für das viele, was unerwartet<br />

durch Deine reiche Liebe einem geschenkt wird. Daß Du die Mutter pflegst, möchte ich Dir gern<br />

aufs herzlichste vergelten; – <strong>von</strong> dorther kam mir der Zugwind, und jetzt, weil ich Dich mit ihr<br />

zusammen weiß, fühl ich mich gesichert und warm.

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