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Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig

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erraten; wie sich aber Gelegenheit ergab ins Ohr zu sehen, da entdeckt ich's gleich, eine Spinne<br />

hatte ihr Netz ins Ohr aufgestellt, eine Fliege war drin gefangen und verzehrt, und ihre Reste<br />

hingen noch im unverletzten Gewebe; daraus wollte der Franz das versteinerte langweilige Leben<br />

recht deutlich erkennen, ich aber erkannte es auch am Tintefaß, das so pelzig war und so wenig<br />

Flüssiges enthielt. Das ist aber nur die eine Hälfte dieses Lochs der Einsamkeit. Man sollt's nicht<br />

meinen, aber geht man langsam in die Runde, so kommt man an eine Schlucht. Am Morgen, wie<br />

eben die Sonne aufgegangen war, entdeckte ich sie, ich ging hindurch, da befand ich mich<br />

plötzlich auf dem steilen höchsten Rand eines noch tieferen und weiteren Talkessels, sein<br />

samtner Boden schmiegt sich sanft an die ebenmäßigen Bergwände, die es rund umgeben und<br />

ganz besäet sind mit Lämmer und Schafen; in der Mitte steht das Schäferhaus und dabei die<br />

Mühle, die vom Bach, der mitten durchbraust, getrieben wird. Die Gebäude sind hinter uralten<br />

himmelhohen Linden versteckt, die grade jetzt blühen, und deren Duft zu mir heraufdampfte und<br />

zwischen deren dichtem Laub der Rauch des Schornsteins sich durchdrängte. Der reine blaue<br />

Himmel, der goldne Sonnenschein hatte das ganze Tal erfüllt. Ach lieber Gott, säß ich hier und<br />

hütete die Schafe und wüßte, daß am Abend einer käm, der meiner eingedenk ist, und ich wartete<br />

den ganzen Tag, und die sonneglänzenden Stunden gingen vorüber, und die Schattenstunden mit<br />

der silbernen Mondsichel und dem Stern brächten den Freund, der fänd mich an Bergesrand ihm<br />

entgegenstürzend in die offne Arme, daß er mich plötzlich am Herzen fühlte mit der heißen<br />

Liebe, was wär dann nachher noch zu erleben? Grüß Sie Ihren Sohn und sag Sie ihm, daß zwar<br />

mein Leben friedlich und <strong>von</strong> Sonnenglanz erleuchtet ist, daß ich aber der goldnen Zeit nicht<br />

achte, weil ich mich immer nach der Zukunft sehne, wo ich den Freund erwarte. Adieu leb Sie<br />

wohl. Bei Ihr ist Mitternacht eine Stunde der Geister, in der Sie es für eine Sünde hält, die Augen<br />

offen zu haben, damit Sie keine sieht; ich aber ging eben noch allein in den Garten durch die<br />

langen Traubengänge, wo Traube an Traube hängt vom Mondlicht beschienen, und über die<br />

Mauer hab ich mich gelehnt und hab hinausgesehen in den Rhein, da war alles still. Aber weiße<br />

Schaumwellen zischten, und es patschte immer ans Ufer, und die Wellen lallten wie Kinder.<br />

Wenn man so einsam nachts in der freien Natur steht, da ist's, als ob sie ein Geist wär, die den<br />

Menschen um Erlösung bäte. Soll vielleicht der<br />

Bettine<br />

An Bettine<br />

Frankfurt, am 28. Juli<br />

Gestern war Feuer am hellen Tag hier auf der Hauptwach, grad mir gegenüber, es brannte<br />

wie ein Blumenstrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinenpfort. Da war mein best Pläsier die<br />

Gassenbuben mit ihren Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten helfen, der Hausbesitzer<br />

wollt nichts retten lassen, denn weil das Feuer gleich aus war, da wollten sie ein Trinkgeld haben,<br />

das hat er nicht geben, da tanzten sie und wurden <strong>von</strong> der Polizei weggejagt. – Es ist viel<br />

Gesellschaft zu mir kommen, die wollten alle fragen, wie ich mich befind auf den Schreck, und<br />

da mußt ich ihnen immer <strong>von</strong> vorne erzählen, und das ist jetzt schon drei Täg, daß mich die Leut<br />

besuchen und sehen, ob ich nicht schwarz geworden bin vom Rauch. Dein Melinchen war auch<br />

da und hat mir ein Brief gebracht <strong>von</strong> Dir, der ist so klein geschrieben, daß ich ihn hab müssen<br />

vorlesen lassen, rat einmal <strong>von</strong> wem? –<br />

Die Meline ist aber einmal schön, ich hab gesagt, die Stadt sollt sie malen lassen und sollt<br />

sie auf dem Ratsaal hängen, da könnten die Kaiser sehen, was ihre gute Stadt für Schönheiten hat.<br />

Deine Brüder sind aber auch so schön, ich hab meiner Lebtag keine so schöne Menschen gesehen

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