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Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig

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schwer herauf, der Schmerz ließ sich nicht vom Denken bemeistern;<br />

Du! Mein Herr! – Du! – Flammender Genius über mir! Ich hab geweint; nicht über sie,<br />

die ich verloren habe, die wie warme frühlingbrütende Lüfte mich umgab; die mich schützte, die<br />

mich begeisterte, die mir die Höhe meiner eignen Natur als Ziel vertraute; ich hab geweint um<br />

mich, mit mir; hart muß ich werden wie Stahl, gegen mich, gegen das eigne Herz; ich darf es<br />

nicht beklagen, daß ich nicht geliebt werde, ich muß streng sein gegen dies leidenschaftliche<br />

Herz; es hat kein Recht zu fordern, nein, es hat kein Recht; – Du bist mild und lächelst mir, und<br />

Deine kühle Hand mildert die Glut meiner Wangen, das soll mir genügen.<br />

Gestern waren wir im laubbekränzten Nachen den Rhein hinabgefahren, um die<br />

hundertfältige Feier des Weinfestes an beiden Bergufern mitanzusehen; auf unserem Schiff waren<br />

lustige Leute, sie schrieben weinbegeisterte Lieder und Sprüche, steckten sie in die geleerten<br />

Flaschen und ließen diese unter währendem Schießen den Rhein hinabschwimmen; auf allen<br />

Ruinen waren große Tannen aufgepflanzt, die bei einbrechender Dämmerung angezündet<br />

wurden; auf dem Mäuseturm, mitten im stolzen Rhein ragten zwei mächtige Tannen empor, ihre<br />

flammenden durchbrannten Äste fielen herab in die zischende Flut, <strong>von</strong> allen Seiten donnerten<br />

sie und warfen Raketen, und schöne Sträußer <strong>von</strong> Leuchtkugeln stiegen jungfräulich in die Lüfte,<br />

und auf den Nachen sang man Lieder, und im Vorbeifahren warf man sich Kränze zu und<br />

Trauben; da wir nach Hause kamen, so war's spät, aber der Mond leuchtete hell; ich sah zum<br />

Fenster hinaus und hörte noch jenseits das Toben und Jauchzen der Heimkehrenden, und<br />

diesseits, nach der Seite, wo sie tot am Ufer gelegen hatte, war alles still, ich dacht, da ist keiner<br />

mehr, der nach ihr frägt, und ich ging hin, nicht ohne Grausen, nein, mir war bang, wie ich <strong>von</strong><br />

weitem die Nebel über den Weidenbüschen wogen sah, da wär ich bald wieder umgekehrt, es war<br />

mir, als sei sie es selbst, die da schwebte und wogte und sich ausdehnte; ich ging hin, aber ich<br />

betete unterwegs, daß mich Gott doch schützen möge; – schützen?Günderode zu erzählen, die oft<br />

freundlich bei ihnen eingesprochen und ihnen Almosen gegeben hatte; sie sagten, sooft sie dort<br />

vorbeigehen, beten sie ein Vaterunser; ich hab auch dort gebetet zu und um ihre Seele, und hab<br />

mich vom Mondlicht reinwaschen lassen, und hab es ihr laut gesagt, daß ich mich nach ihr sehne,<br />

nach jenen Stunden, in denen wir Gefühl und Gedanken harmlos gegeneinander austauschten.<br />

Sie erzählte mir wenig <strong>von</strong> ihren sonstigen Angelegenheiten, ich wußte nicht, in welchen<br />

Verbindungen sie noch außer mir war; sie hatte mir zwar <strong>von</strong> Daub in Heidelberg gesprochen<br />

und auch <strong>von</strong> Creuzer, aber ich wußte <strong>von</strong> keinem, ob er ihr lieber sei als der andre; einmal hatte<br />

ich <strong>von</strong> andern da<strong>von</strong> gehört, ich glaubte es nicht, einmal kam sie mir freudig entgegen und<br />

sagte: »Gestern hab ich einen Chirurg gesprochen, der hat mir gesagt, daß es sehr leicht ist, sich<br />

umzubringen«, sie öffnete hastig ihr Kleid und zeigte mir unter der schönen Brust den Fleck; ihre<br />

Augen funkelten freudig; ich starrte sie an, es ward mir zum erstenmal unheimlich, ich fragte:<br />

»Nun! – Und was soll ich denn tun, wenn Du tot bist?« – »O«, sagte sie, »dann ist Dir nichts<br />

mehr an mir gelegen, bis dahin sind wir nicht mehr so eng verbunden, ich werd mich erst mit Dir<br />

entzweien.« – Ich wendete mich nach dem Fenster, um meine Tränen, mein vor Zorn klopfendes<br />

Herz zu verbergen, sie hatte sich nach dem andern Fenster gewendet und schwieg; – ich sah sie<br />

<strong>von</strong> der Seite an, ihr Auge war gen Himmel gewendet, aber der Strahl war gebrochen, als ob sich<br />

sein ganzes Feuer nach innen gewendet habe; – nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte,<br />

konnt ich mich nicht mehr fassen, – ich brach in lautes Schreien aus, ich fiel ihr um den Hals und<br />

riß sie nieder auf den Sitz und setzte mich auf ihre Knie und weinte viel Tränen und küßte sie<br />

zum erstenmal an ihren Mund und riß ihr das Kleid auf und küßte sie an die Stelle, wo sie gelernt<br />

hatte das Herz treffen; und ich bat mit schmerzlichen Tränen, daß sie sich meiner erbarme, fiel<br />

ihr wieder um den Hals und küßte ihre Hände, die waren kalt und zitterten, ihre Lippen zuckten,<br />

sie war ganz kalt, starr und totenblaß und konnte die Stimme nicht erheben; sie sagte leise:<br />

»Bettine, brich mir das Herz nicht«; – ach, da wollte ich mich aufreißen und wollte ihr nicht

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