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Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig

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Ranken dazwischen, den Deckel bilden, mit den Füßen zu keltern. Die Knaben, die <strong>von</strong> allen<br />

Seiten herüberreichen, um ihre Gefäße mit Trauben auszuleeren, bilden einen wunderschönen<br />

Rand; die starken Männer am Fuß der Kelter, die die kleinen Knaben auf ihre Schultern heben<br />

und auf mannigfache Weise heraufhelfen, sind ganz außerordentlich herrlich, nackt, einem oder<br />

dem andern hängt ein Tigerfell über dem Rücken, sonst ganz ungeniert. Am Humpen sieht man<br />

auf einer Seite das Mainzer Wappen, auf der andern das <strong>von</strong> Köln.<br />

Der ganze Humpen steht auf einem Aufsatz, der wie ein sanfter Hügel gestaltet<br />

Eine Mutter gibt sich alle erdenkliche Mühe, ihr kleines unverständiges Kindchen<br />

zufriedenzustellen, sie kommt seinen Bedürfnissen zuvor und macht ihm aus allem ein<br />

Spielwerk; wenn es nun auf nichts hören will und mit nichts sich befriedigen läßt, so läßt sie es<br />

seine Unart ausschreien, bis es müde ist, und dann sucht sie es wieder <strong>von</strong> neuem mit dem<br />

Spielwerk vertraut zu machen. Das ist grade, wie es Gott mit den Menschen macht, er gibt das<br />

Schönste, um den Menschen zur Lust, zur Freude zu reizen und ihm den Verstand dafür zu<br />

schärfen. – Die Kunst ist ein so schönes Spielwerk, um den unruhigen, ewig begehrenden<br />

Menschengeist auf sich selbst zurückzuführen, um ihn denken zu lehren und sehen; um<br />

Geschicklichkeit zu erwerben, die seine Kräfte weckt und steigert. Er soll lernen, ganz der<br />

Unschuld solcher Erfindung sich hingeben und vertrauen auf die Lust und das Spiel der<br />

Phantasie, die ihn zum Höchsten auszubilden und zu reifen vermag. Gewiß liegen in der Kunst<br />

große Geheimnisse höherer Entwicklung verborgen; ja ich glaub sogar, daß alle Neigungen, <strong>von</strong><br />

denen die Philister sagen, daß sie keinen nützlichen Zweck haben, zu jenen mystischen gehören,<br />

die den Keim zu großen, in diesem Leben noch unverständlichen Eigenschaften in unsre Seele<br />

legen; welche dann im nächsten Leben als ein höherer Instinkt aus uns hervorbrechen, der einem<br />

geistigeren Element angemessen ist. –<br />

Die Art, wie jene in Gold und Silber getriebene Kunstwerke aufgestellt sind, ist auch zu<br />

bewundern und trägt sehr dazu bei, dieselben sowohl in ihrer Pracht mit einem Blick zu<br />

überschauen, als auch ein jedes einzelne bequem zu betrachten. Es ist eine Wand <strong>von</strong> schwarzem<br />

Ebenholz mit tiefen Kassetten, in der Mitte der Wand eine große, in welcher das Hauptstück<br />

steht, auf beiden Seiten kleinere, in denen die anderen Kunstwerke, als: Humpen, Becher usw.<br />

usw. stehen. An jeder Kassette hebt sich durch den Druck einer Feder der Boden heraus und läßt<br />

das Kunstwerk <strong>von</strong> allen Seiten sehen.<br />

Noch eines Bechers gedenke ich <strong>von</strong> Bronze, eine echte Antike, wie man behauptet: und<br />

man muß es wohl glauben, weil er so einfach ist und doch so majestätisch. Ein Jüngling:<br />

wahrscheinlich Ganymed, sitzt nachlässig auf einem Stein, der Adler auf der Erde zwischen<br />

seinen Knieen breitet Frau Rat, ich muß abbrechen, sonst könnte der Tag herankommen über<br />

meinem Extemporieren.<br />

Bettine<br />

An Bettine<br />

Fr. 7. Oktober 1808<br />

Die Beschreibung <strong>von</strong> Deinen Prachtstücken und Kostbarkeiten hat mir recht viel Pläsier<br />

gemacht; wenn's nur auch wahr ist, daß Du sie gesehen hast, denn in solchen Stücken kann man<br />

Dir nicht wenig genug trauen. Du hast mir ja schon manchmal hier auf Deinem Schemel die<br />

Unmöglichkeiten vorerzählt, denn wenn Du, mit Ehren zu melden, ins Erfinden gerätst, dann hält<br />

Dich kein Gebiß und kein Zaum. – Ei, mich wundert's, daß Du noch ein End finden kannst und<br />

nicht in einem Stück fortschwätzst, bloß um selbst zu erfahren, was alles noch in Deinem Kopf

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