Arnim, Bettina von - Lichtgeschwindig
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ist dein Strauß, wie angenehm duftet er, er soll mir blühen in meinem Garten, hier unter mein<br />
Fenster will ich ihn pflanzen;« und doch sind es nur wurzellose Feldblumen, die bald welken. Ich<br />
aber sehe mit Lust, wie Du mich in Dich aufnimmst, wie Du diese einfachen Blumen, die am<br />
Abend schon welken müßten, ins Feuer der Unsterblichkeit hältst und mir zurückgibst. – Nennst<br />
Du das auch übersetzen, wenn der göttliche Genius die idealische Natur vom irdischen Menschen<br />
scheidet, sie läutert, sie enthüllt, sie sich selbst wieder anvertraut, und so die Aufgabe, selig zu<br />
werden, löst? Ja, Goethe, so machst Du die Seufzer, die meine sehnende Liebe aushaucht zu<br />
Geistern, die mich auf der Straße der Seligkeit umschweben; ach, und wohl auch meiner<br />
Unsterblichkeit weit voraneilen.<br />
Welch heiliges Abenteuer, das unter dem Schutze des Eros sich kühn und stolz<br />
aufschwingt, kann ein herrlicher Ziel erreichen, als ich in Dir erreicht habe! Wo Du mir zugibst<br />
mit Lust: Gehemmt sei nun zum Vater hin das Streben. – O glaub es: nimmer trink ich mich satt<br />
an diesen Liebesergießungen; ewig fühl ich <strong>von</strong> brausenden Stürmen mich zu Deinen Füßen<br />
getragen, und in diesem neuen Leben, in dem meine Glückssterne sich spiegeln, vor Wonne<br />
untergehn.<br />
Diese Tränen, die meine Schrift verblassen, die möcht ich wie Perlen aufreihen und<br />
geschmückt vor Dir erscheinen und Dir sagen: vergleiche ihr reines Wasser mit Deinen andern<br />
Schätzen, und dann solltest Du mein Herz schlagen hören wie am Abend, wo ich vor Dir kniete.<br />
Am 2. Oktober<br />
Die Mutter ist listig, wie sie mich zum Erzählen bringt, so sagt sie: »Heute ist ein schöner<br />
Tag, heut geht der Wolfgang gewiß nach seinem Gartenhaus, es muß noch recht schön da sein,<br />
nicht wahr, es liegt im Tal?« – »Nein, es liegt am Berg, und der Garten geht auch bergauf, hinter<br />
dem Haus da sind große Bäume <strong>von</strong> schönem Wuchs und reich belaubt.« – »So! Und da bist Du<br />
abends mit ihm hingeschlendert aus dem römischen Haus?« – »Ja, ich hab's Ihr ja schon<br />
zwanzigmal erzählt;« – »so erzähl's noch einmal. Hattet ihr denn Licht im Haus?« – »Nein, wir<br />
saßen vor der Tür auf der Bank, und der Mond schien hell.« – »Nun! Und da ging ein kalter<br />
Wind?« – »Nein, es war gar nicht kalt, es war warm, und die Luft ganz still und wir waren auch<br />
still. Die reifen Früchte fielen <strong>von</strong> den Bäumen, er sagte: da fällt schon wieder ein Apfel und rollt<br />
den Berg hinab; da überflog mich ein Frostschauer; – der Wolfgang sagte: ›Mäuschen, du frierst',<br />
und schlug mir seinen Mantel um, den zog ich dicht um mich, seine Hand hielt ich fest, und so<br />
verging die Zeit; – wir standen beide zugleich auf und gingen Hand in Hand durch den einsamen<br />
Wiesengrund; – jeder Schritt klang mir wieder im Herzen, in der lautlosen Stille, – der Mond<br />
kam hinter jedem Busch hervor und beleuchtete uns, – da blieb der Wolfgang stehen, lachte mich<br />
an im Mondglanz und sagte zu mir: ›Du bist mein süßes Herz', so führte er mich bis zu seiner<br />
Wohnung und das war alles.« – »Das waren goldne Minuten, die keiner mit Gold aufwiegen<br />
kann«, sagte die Mutter, »die sind nur dir beschert, und unter Tausenden wird's<br />
Da holte mir die Mutter Deinen Brief und ließ mich lesen, was Du über mich geschrieben<br />
hast, daß es Dir ein großer Genuß sei, meine Mitteilungen über Dich zu hören; die Mutter meint,<br />
sie könne es nicht, es läg in meiner Art, zu erzählen, das Beste.<br />
Da hab ich Dir nun diesen schönen Abend beschrieben.<br />
Ich weiß ein Geheimnis: wenn zwei miteinander sind und der göttliche<br />
Genius waltet zwischen ihnen, das ist das höchste Glück.<br />
Adieu, mein lieber Freund.