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Montaigne Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst - Seminar für ...

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<strong>Die</strong> Expedition <strong>des</strong> Admirals Nicolas Durand de Villegaignon (1510-1571), von dem bei<br />

<strong>Montaigne</strong> die Rede ist, brach 1555 von Le Havre auf, um eine Gruppe überwiegend<br />

protestantischer Siedler nach Brasilien zu bringen. Dort gründete Villegaignon auf <strong>der</strong> Insel<br />

Guanabara (vor dem heutigen Rio de Janeiro) eine Siedlung, die er Fort Coligny nannte, die<br />

aber bereits fünf Jahre später von portugiesischen Truppen erobert wurde. 24 Im Gefolge von<br />

Villegaignon befand sich auch <strong>der</strong> Franziskanermönch André Thevet (1504?-1592), <strong>der</strong> den<br />

bedeutendsten Reisebericht <strong>des</strong> 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts in französischer Sprache veröffentlichte, aus<br />

dem <strong>Montaigne</strong> wesentliche Teile seiner Kenntnisse über die Neue <strong>Welt</strong> hatte: Les<br />

singularitez de la France antarctique autrement nommé Amérique: et de plusieurs terres et<br />

isles decouvertes de nostre temps.(1558) 25 Ebenso wichtig war <strong>für</strong> <strong>Montaigne</strong> auch <strong>der</strong><br />

Reisebericht <strong>des</strong> Genfer Calvinisten Jean de Léry, <strong>der</strong> die Schrift Histoire d`un voyage fait en<br />

la terre du Brésil (1578) verfasste, die <strong>Montaigne</strong> sicherlich auch gelesen hatte. 26<br />

In ihm wird das Bild <strong>des</strong> in einem natürlichen Schlaraffenland lebenden „edlen<br />

Wilden“ erstmals gezeichnet, das (nicht nur) die französische Literatur bis hin zu Rousseau<br />

beeinflussen wird:<br />

„Parquoy toutes les fois que l`<strong>im</strong>age de ce nouveau monde, que <strong>Die</strong>u m`a fait voir, se répresente devant<br />

mes yeux: et que je considère la sérénité de l`ayr, la diversité <strong>des</strong> an<strong>im</strong>aux, la variété <strong>des</strong> oyseaux, la<br />

beauté <strong>des</strong> arbres et <strong>des</strong> plantes, l`excellence <strong>des</strong> fruicts: [...] Bref, la terre est pleine de ta largesse.“ 27<br />

<strong>Die</strong> Entdeckung dieser „autre monde“, die <strong>für</strong> <strong>Montaigne</strong> durch die damalige Reiseliteratur<br />

präsent ist, führt ihn zu <strong>der</strong> Frage, ob es sich dabei um die von Platon erwähnte Insel Atlantis<br />

handeln könne, aber nach einigen Überlegungen, die dem Leser en passant die ständige<br />

Bewegung selbst <strong>der</strong> Kontinente vor Augen führen, kommt er zu dem Schluss: „Mais il n`y a<br />

pas grande apparence que cette Isle soit ce monde nouveau que nous venons de <strong>des</strong>couvrir;<br />

[...]“ (S. 201)<br />

Laut <strong>Montaigne</strong> ist <strong>der</strong> bisherigen abendländischen Tradition und<br />

Geschichtsschreibung diese neue <strong>Welt</strong> nicht bekannt, was <strong>für</strong> ihn ein weiterer Beleg da<strong>für</strong> ist,<br />

wie wenig von <strong>der</strong> äußeren Wirklichkeit dem Menschen, wie gelehrt er auch <strong>im</strong>mer sei,<br />

24 Zu den Einzelheiten zu dieser Expedition siehe: Frank-Rutger Hausmann, Französische Renaissance.<br />

Lehrbuch Romanistik, Verlag J. B. Metzler Stuttgart/We<strong>im</strong>ar 1997, S. 48 ff.<br />

25 <strong>Montaigne</strong> kannte diesen Reisebericht mit Sicherheit, weil er viele Informatioen daraus in den Essais<br />

verwendet. Pierre Villey geht davon aus, dass <strong>Montaigne</strong> dieses Buch in seiner Bibliothek hatte, siehe dazu:<br />

Les Essais de Michel de <strong>Montaigne</strong>, Hrsg. Pierre Villey, Bd. 1., Librairie Félix Alcan, Paris 1930, S. CXIII<br />

(Appendice au Catalogue <strong>des</strong> Livres de <strong>Montaigne</strong>)<br />

26 Ebd., S. CXVI<br />

27 Jean de Léry, zitiert nach Charles André Julien, Les Voyages de découverte et les premiers établissements<br />

(XV.-XVI. Siècles), Paris 1948, S. 402<br />

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