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Montaigne Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst - Seminar für ...

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These hat aufgrund <strong>der</strong> Herausarbeitung <strong>der</strong> Unterschiede in den drei zeitlich aufeinan<strong>der</strong><br />

folgenden Haupteditionen (1580, 1588 und <strong>der</strong> von Marie de Gournay besorgten Ausgabe von<br />

1595) durch Villey viele Anhänger gefunden und galt lange (und gilt mitunter auch heute<br />

noch) als bestmögliche Interpretation <strong>der</strong> Essais. Erst Arthur Amingaud hat dieser These in<br />

dem Vorwort seiner Edition 164 <strong>der</strong> Werke <strong>Montaigne</strong>s wi<strong>der</strong>sprochen, und die Essais als<br />

prinzipiell einheitliches Werk beschrieben, in dem sich best<strong>im</strong>mte Annahmen und<br />

Vorstellungen nicht än<strong>der</strong>n würden. 165<br />

So berechtigt diese Ansätze, denen sich aufgrund <strong>der</strong> umfassenden Sekundärliteratur<br />

über <strong>Montaigne</strong> noch zahlreiche hinzufügen ließen, sind, wird in ihnen m. E. ein wichtiges<br />

und grundlegen<strong>des</strong> Charakteristikum <strong>der</strong> Essais übersehen: Es ist gerade die Offenheit <strong>des</strong><br />

Essays, <strong>der</strong> Möglichkeitssinn, das literarische Spiel, die coincidentia oppositorum, die die<br />

Essais zu einem philosophischen Werk <strong>der</strong> <strong>Welt</strong>literatur gemacht haben. Deshalb geht je<strong>der</strong><br />

Systematisierungsansatz am Grundanliegen <strong>Montaigne</strong>s vorbei. <strong>Die</strong> Essais sind eine<br />

literarische Konstruktion, die mit den textuellen Differenzen spielt. <strong>Die</strong>se Differenzen zu<br />

vereinheitlichen hieße, dem Grundanliegen <strong>Montaigne</strong>s, das ja gerade darin besteht, die<br />

Differenzen innerhalb <strong>des</strong> Textes nicht aufzulösen, son<strong>der</strong>n sie in ihrer geformten Zufälligkeit<br />

nebeneinan<strong>der</strong> stehen zu lassen, nicht gerecht zu werden. Man sollte die Vielfalt <strong>der</strong><br />

Ansichten und theoretischen Konzepte in den Essais akzeptieren, ohne sie systematisieren zu<br />

wollen. 166<br />

<strong>Montaigne</strong> war nicht zuerst ein Stoiker, <strong>der</strong> aufgrund einer skeptischen Krise am Ende<br />

seines Lebens zum Epikureer geworden ist. Er war kein Anhänger irgendeiner<br />

philosophischen Schule, son<strong>der</strong>n Eklektiker und ein gentilhomme, den alle philosophischen<br />

Strömungen <strong>der</strong> Antike zum selben Ziel führen sollten (doch auch dies ist nur eine<br />

Interpretation): Antworten auf die drängenden Fragen <strong>der</strong> eigenen Endlichkeit und <strong>der</strong><br />

Zufälligkeit <strong>des</strong> Gewordenen zu finden und persönlich inmitten <strong>der</strong> chaotischen <strong>Welt</strong> ein<br />

glückliches Leben führen zu können. <strong>Die</strong>ses Ziel verband <strong>für</strong> ihn alle antiken philosophischen<br />

Schulen und war ihm ein Grundanliegen <strong>der</strong> Philosophie überhaupt.<br />

164Arthur Armingaud (Hrsg.), Oeuvres complètes de Michel de <strong>Montaigne</strong>, Conard, Paris 1924-27<br />

165Ebd., S. 89 ff: „Si on s`arrete au principaux traits de sa pensée, on constate que la plupart <strong>des</strong> opinions et<br />

max<strong>im</strong>es qui lui sont le plus familières sont non seulement stables, mais presque invariables [...] sur la plus<br />

grande partie de ses opinions, et sur les principaux sent<strong>im</strong>ents qu`il a manifestés, <strong>Montaigne</strong> n`a jamais varié<br />

[...] <strong>Montaigne</strong> n`était, sur les points essentiells qui touchent au fond du caractère et qui créent la personalité,<br />

ni changeant, ni ondoyant, ni divers“<br />

166<strong>Die</strong>ser Ansicht ist auch Alexandre Micha: „Et l`analyse nous oblige parfois à présenter comme successif ce<br />

qui en, en fait, s<strong>im</strong>ultané: l`activité de l`esprit n`est pas unilinéaire, elle se compose d`une foule de<br />

déclanchements <strong>im</strong>prévus, de transmissions secrètes, d`intermittences, surtout chez <strong>Montaigne</strong>.“ (a. a. O., S.<br />

9)<br />

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