Montaigne Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst - Seminar für ...
Montaigne Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst - Seminar für ...
Montaigne Die Vielheit der Welt im Spiegel des Selbst - Seminar für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Die</strong> Grundlage <strong>für</strong> <strong>Montaigne</strong>s Kosmopolitismus und seine Toleranz gegenüber<br />
an<strong>der</strong>en Völkern ist aber nicht von <strong>der</strong> Idee getragen, dass alle Völker durch natürliche Bande<br />
verbunden seien, son<strong>der</strong>n sie resultiert vielmehr aus seiner Überzeugung von <strong>der</strong><br />
Gleichwertigkeit aller Sitten, so unterschiedlich sie auch sein mögen. Man könnte diese<br />
Sichtweise eine an<strong>der</strong>e Art von Universalismus nennen als den von ihm zurückgewiesenen:<br />
An die Stelle <strong>der</strong> Behauptung von abstrakten Prinzipien, <strong>der</strong> Hypostasierung von Theoremen,<br />
ethischen Max<strong>im</strong>en und <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>im</strong>perialen Geste politischer und juristischer Anmaßung setzt<br />
er einen Universalismus <strong>der</strong> Indifferenz.<br />
<strong>Montaigne</strong> sieht sich dabei nicht <strong>des</strong>halb als <strong>Welt</strong>bürger, weil die Menschen von Natur<br />
aus überall gleich resp. gleich gut seien, son<strong>der</strong>n weil die Unterschiede zwischen ihnen<br />
gleich-gültig sind. In dieser Hinsicht übertrifft er sogar Sokrates: „(c) Ce que Socrates feit sur<br />
sa fin, d`est<strong>im</strong>er une sentence d`exil pire qu`une sentence de mort contre soy, je ne seray, à<br />
mon advis, jamais ny si cassé, ny si estroitement habitué en mon pais que je le feisse.“ (S.<br />
951)<br />
<strong>Die</strong>se tolerante Grundhaltung hat er auch in seinem Leben bewahrt. 93<br />
Bürgermeister von Bordeaux war er mustergültig objektiv, wenn er auch manches Mal <strong>für</strong><br />
seine Indifferenz kritisiert worden ist. In politischen Fragen war <strong>Montaigne</strong> äußerst<br />
zurückhaltend. Seine gemäßigte Haltung entspricht <strong>der</strong> Partei <strong>der</strong> „Politiker“, die es gefährlich<br />
fanden, die katholische Staatsreligion gegen den Protestantismus Calvins einzutauschen, die<br />
aber auch nicht an einer Allianz mit dem rückständischen Spanien interessiert waren.<br />
<strong>Montaigne</strong> hat als Diplomat sowohl Verhandlungen mit dem katholischen Hof in Paris als<br />
auch mit den Hugenotten geführt. Seine Essais sind zu seiner Zeit (erst später wurden sie auf<br />
den Index gesetzt) von Vertretern <strong>der</strong> Inquisition mit Wohlwollen aufgenommen worden und<br />
auch Heinrich IV. war von ihnen begeistert, als er <strong>Montaigne</strong> auf seinem Schloss besucht hat.<br />
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass <strong>Montaigne</strong> in einer unsicheren Zeit ein vorbildliches<br />
Leben geführt hat.<br />
An seinem Leben sieht man entgegen den Vorwürfen dogmatischer Philosophen, dass<br />
die skeptische Indifferenz <strong>des</strong> freien Geistes realiter angemessenes Handeln möglich macht,<br />
indem sie offen bleibt und situativ ist. Gegenüber <strong>der</strong> unsicheren und unüberschaubaren <strong>Welt</strong>,<br />
die – wie man auch an <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> verschiedenen Völker und Sitten sieht – durch<br />
keinerlei Prinzipien geordnet ist, nach denen man sein Handeln ausrichten kann, stellt die<br />
nature.“ (S. 951)<br />
93 Eine ausgezeichnete Biographie <strong>Montaigne</strong>s hat Jean Lacouture geschrieben: Jean Lacouture, Michel de<br />
<strong>Montaigne</strong>. Ein Leben zwischen Politik und Philosophie, Campus Verlag, Frankfurt-New York 1998<br />
Als<br />
44