DER ALLTAG IN DER SCHULE - EmScuola
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ge Unterricht wurde an zwei Nachmittagen erteilt,<br />
immer an anderen Tagen. Wir trafen uns<br />
auf Schloss Windegg, entweder in der Scheune<br />
oder in einem alten Zimmer, wo ein Tisch stand.<br />
Wenn es brenzlig wurde, gingen wir auch ins<br />
Herrenhaus, in das Wohnzimmer der Baronin.<br />
Denn unsere Lehrerin war eben die Baronin, die<br />
auf Schloss Windegg lebte und uns unterrichtete,<br />
weil sie gern unter uns Kindern war. Wir<br />
brauchten sie nicht einmal zu bezahlen.<br />
Wir gingen über die Felder und Wiesen hinter<br />
dem Schloss und betraten dann einzeln den Hof,<br />
ein Schüler alle zehn Minuten. Und genauso machten<br />
wir uns dann wieder auf den Heimweg.<br />
Gewöhnlich waren wir zu dritt, die Baronin<br />
brachte uns Deutsch lesen und schreiben bei. Sie<br />
erzählte uns viel von der österreichischen Geschichte<br />
und machte auch viele Diktate, bis wir<br />
fehlerlos schreiben konnten. Als Schulbuch benutzten<br />
wir ein Abc-Buch. Die Hefte bekamen<br />
wir von der Baronin, die sie auch immer bei sich<br />
hielt, denn auf dem Heimweg durften wir nichts<br />
bei uns haben, um nicht aufzufallen. Ich ging<br />
gern in die Katakombenschulen, aber wir lebten<br />
in ständiger Angst, verraten zu werden. Bei Gefahr<br />
unterbrach die Baronin den Unterricht und<br />
nahm ihn erst wieder auf, wenn sich die Lage<br />
beruhigt hatte. Ich lernte auch gern Italienisch,<br />
aber in der Schule musste man aufpassen, dass<br />
man die Buchstaben nicht verwechselte. Wir<br />
mussten auch die Balilla-Uniform tragen, sonst<br />
bekamen wir schlechte Noten. An den Nationalfeiertagen<br />
mussten wir auf dem Dorfplatz aufmarschieren<br />
und singen. Uns gefiel das, denn<br />
schließlich waren wir Kinder und verstanden<br />
nichts, aber zu Hause hörten wir Klagen über<br />
die Lage. Eine solche Zeit möchte ich nicht noch<br />
einmal durchmachen.<br />
Quelle: von Elena Gabrieli geführtes Interview<br />
gements und der Opferbereitschaft so vieler<br />
Intellektueller konnte die deutsche Sprache<br />
auch in den heikelsten Zeiten der faschistischen<br />
Verfolgung überleben. Tausende<br />
und Abertausende von Unterschriften, die<br />
Dorf um Dorf und Haus um Haus von den<br />
Südtiroler Müttern gesammelt und zusammen<br />
mit einer Bittschrift an den König und<br />
die Königin sowie an Mussolini geschickt<br />
worden waren, um die Wiederherstellung des<br />
muttersprachlichen Unterrichts zu erlangen,<br />
waren zwar nicht von unmittelbarem Erfolg<br />
begleitet, hatten aber zur Folge, dass die<br />
Südtiroler Gesellschaft sich enger zusammenschloss<br />
und mit größerer Hoffnung der Zukunft<br />
entgegenblickte.<br />
Maria Nicolussi<br />
Angela Nikoletti<br />
Zum Nachlesen:<br />
COSSETTO, M., Breve cronologia della storia della<br />
scuola in Provincia di Bolzano tra ‘700 e ‘900, in:<br />
Museo della scuola - Schulmuseum, Stadtgemeinde<br />
Bozen, Bozen 1997.<br />
COSSETTO, M., Per una storia della scuola in Italia<br />
1861-1993, in: Pädagogisches Institut Bozen und<br />
Pädagogisches Institut Innsbruck, Auf den Spuren<br />
der eigenen Schulgeschichte, Lana 1993.<br />
GATTERER, C., Im Kampf gegen Rom. Bürger, Minderheiten<br />
und Autonomien in Italien, Wien 1968, S.<br />
460.<br />
GRUBER, A., Südtirol unter dem Faschismus, Bozen<br />
1979<br />
TIROLER GESCHICHTSVERE<strong>IN</strong> (Hrsg.), Option - Heimat -<br />
Opzioni. Una storia dell’Alto Adige, Bozen 1989<br />
SEBERICH, R., Südtiroler Schulgeschichte, Bozen<br />
2000<br />
SOL<strong>DER</strong>ER, G. (Hrsg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol<br />
- Faschistenbeil und Hakenkreuz, Bozen 2000<br />
STE<strong>IN</strong><strong>IN</strong>GER, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, Innsbruck<br />
1997<br />
VILLGRATER, M., Katakombenschulen. Faschismus und<br />
Schule in Südtirol, Bozen 1994<br />
Josef Noldin<br />
Anmerkung<br />
kungen<br />
1 K.K. LANDESCHULRAT FÜR TIROL (Hrsg.), Jahrbericht des<br />
Volksschulwesens in Tirol 1913, Innsbruck 1913.<br />
vgl. SEBERICH, R., Südtiroler Schulgeschichte, Bozen<br />
2000.<br />
2 CREDARO, L., Le scuole popolari italiane dell’Alto<br />
Adige, in: “Rivista Pedagogica”, Jg. XVI, Heft 1-2,<br />
1923.<br />
3 FAGGIANA, D., I maestri in Alto Adige 1924-1945,<br />
Doktorarbeit, Bologna 2001. Vgl. Archiv des<br />
Landesschulamts.<br />
4 Mittelschule Kaltern. Die Schule und unsere Heimatgemeinde,<br />
Kaltern 1994, S. 26.<br />
Angela Nikoletti, am 31. Mai 1905 in Margreid (Bz) geboren. Der Vater, ein Landarbeiter, war in verschiedenen Gegenden zwischen Bozen und dem<br />
Unterland tätig; die Mutter war oft krank, sodass Angela bei Verwandten aufwuchs, um nach dem Tod der Mutter zu einer Tante nach Kurtatsch zu<br />
ziehen. Sie besuchte die Lehrerbildungsanstalt der Klosterfrauen in Zams. Als sie nach dem ersten Schuljahr nach Kurtatsch heimkehrte, wurde es ihr<br />
behördlicherseits verboten, nach Österreich zurückzukehren. Sie nahm später das Studium wieder auf und machte 1926 die Abschlussprüfung. Nach<br />
ihrer Rückkehr nach Kurtatsch nahmen Maria Nicolussi, Josef Noldin und der Lehrer Riedl Kontakte zu ihr auf und engagierten sie als Lehrerin für<br />
die Katakombenschulen. Nach wenigen Monaten wurde sie zuerst verwarnt, dann verfolgt, verhaftet und zu 30 Tagen Haft verurteilt, und ihr an sich<br />
schon schlechter Gesundheitszustand verschlechterte sich. Nach ihrer Haftentlassung wurde sie ständig von den Carabinieri vorgeladen, verhört,<br />
bedroht und verwarnt, um schließlich als gemeingefährliche Person aus allen Ortschaften ausgewiesen zu werden. Da sich ihr Gesundheitszustand<br />
ständig verschlecherte, kam sie im Herbst 1927 für vier Monate ins Bozner Krankenhaus. Sie starb Ende Oktober 1930.<br />
Josef Noldin, 1888 in Salurn geboren. Sein Vater stammte aus dem Trentiner Val di Non, seine Mutter aus Nordtirol. Nach dem Besuch der höheren<br />
Schulen in Trient, Feldkirch (Vorarlberg), Rovereto und schließlich bei den Franziskanern in Bozen promovierte er 1912 in Innsbruck zum Doktor der<br />
Rechte. Nach einer Praktikantenzeit in Trient und Mezzolombardo meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig bei den Kaiserjägern in Rovereto. Er<br />
wurde schwer verwundet, kam in russische Gefangenschaft und wurde in ein Arbeitslager in Sibirien verschleppt. Er kehrte erst im April 1920 wieder<br />
nach Südtirol zurück, wo er in Salurn und im Unterland bald zu einem regen Vorkämpfer für die Erhaltung der deutschen Sprache und Kultur wurde.<br />
Er leitete die Organisation des Geheimunterrichts im Bozner Unterland, wurde mehrmals verhaftet, verhört, mit Geldstrafen belegt, überwacht und<br />
schließlich 1927 zu fünfjähriger Verbannung auf die Insel Lipari geschickt, weil er die Katakombenschulen gefördert und organisiert hatte. Zwei Jahre<br />
später kehrte er nach Salurn zurück, starb aber bald nach seiner Entlassung im Dezember 1929 an Malaria.<br />
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