Informatische Ideen im Mathematikunterricht - Gesellschaft für ...
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Systemorientierte Didaktik der Informatik — Sozio-technische Informatiksysteme als<br />
Unterrichtsgegenstand?<br />
gesellschaftlichen Anwendungsfeldern der Informationstechnik<br />
entstammen und von unterschiedlicher<br />
Komplexität sein. Als Erscheinungsformen<br />
derartiger Informatiksysteme <strong>im</strong> Erfahrungsumfeld<br />
der Schüler/innen sind z.B.<br />
• elektronische Geräte (Handys, MP3-Player,<br />
Spielkonsolen, . . . )<br />
• Verkehrsmittel (PKW, Verkehrsleitsysteme, . . . )<br />
• PCs mit Software (Lernsoftware, Lernplattform,<br />
Spielesoftware, . . . )<br />
• Automaten (Bankautomaten, Getränkeautomaten,<br />
Fahrkartenautomaten, . . . )<br />
• Informationssysteme (webbasierter Veranstaltungskalender,<br />
Fahrplanauskunft, Wettervorhersage,<br />
. . . )<br />
• Handels- und Tauschsysteme (Musiktauschbörsen,<br />
Homebanking, Internetauktionen, Partnersuche,<br />
. . . )<br />
• Kommunikationsmedien (Chat, Podcast, Wikis,<br />
Blog, . . . )<br />
zu nennen. In einer Vielzahl weiterer gesellschaftlicher<br />
Anwendungsfelder der Basistechnologie<br />
Mikroelektronik lassen sich Informatiksysteme<br />
identifizieren, die dem Kriterium der Schülerorientierung<br />
genügen.<br />
Unter einem Informatiksystem wird wegen<br />
der sozialen Implikationen des Softwareentwicklungsprozesses<br />
und der oben beschriebenen Sozialität<br />
der Produkteigenschaften von Software<br />
<strong>im</strong>mer ein sozio-technisches Informatiksystem<br />
verstanden. Als sozio-technisches Informatiksystem<br />
(IS) wird dabei die Einheit von Software,<br />
Hardware und assoziiertem sozialen Handlungssystem<br />
von Personen angesehen, die mit dem<br />
technischen Teil des Systems und miteinander interagieren.<br />
Zur Software zählt hierbei insbesondere<br />
auch die grafische Benutzungsoberfläche (GUI<br />
— Graphical User Interface) während der Hardware<br />
auch elektronische und mechanische Bauteile<br />
zur Steuerung peripherer technischer Prozesse<br />
(Embedded Systems) und zur Kommunikation<br />
mit anderen Informatiksystemen (Vernetzung) zugeordnet<br />
werden können. Es ist zu beachten, dass<br />
eine eindeutige Abgrenzung der Komponenten eines<br />
IS nicht <strong>im</strong>mer möglich ist, da z. B. Teile einer<br />
Software in einem Produkt auch in Form von<br />
Hardware realisiert werden könnten. Der technische<br />
Teil des Systems ist unauflöslich mit dem sozialen<br />
Handlungssystem verbunden. Die Software<br />
eines IS repräsentiert fundamentale <strong>Ideen</strong> und<br />
fachwissenschaftliche Methoden der Informatik,<br />
wie etwa Algorithmen, Kontroll- und Datenstrukturen,<br />
Entwurfsmuster, Automaten, Sprachkonzepte<br />
etc. Ferner beinhaltet die Software modellierte<br />
Abbildungen von Arbeitsabläufen, die den<br />
sozialen Kontext des Einsatzumfeldes des IS mit<br />
den dort angelegten Handlungsrollen von Perso-<br />
nen widerspiegeln und beeinflussen. Mittlerweile<br />
wird in zahlreichen Grundsatzpapieren, Lehrplänen<br />
und didaktischen Konzeptionen der Begriff<br />
‘Informatiksystem’ verwendet, um Gegenstandsbereiche,<br />
Zielsetzungen und auch die Methodik<br />
des Informatikunterrichts herzuleiten und<br />
zu begründen, z. B. Arbeitskreis 7.3.1 der G.I. e.V.<br />
(1993); Baumann (1996). Oft sind jedoch der wissenschaftstheoretische<br />
Hintergrund und die Einbindung<br />
des sozialen Handlungssystems in den<br />
technischen Part des Informatiksystems unklar.<br />
3.2 Theoretische Bezüge<br />
Auch <strong>im</strong> Rahmen dieses Beitrags ist eine umfassende<br />
Auseinandersetzung mit den techniksoziologischen<br />
und wissenschaftstheoretischen Hintergründen<br />
des Begriffs ‘sozio-technisches Informatiksystem’<br />
nur sehr begrenzt möglich. Der Begriff<br />
<strong>im</strong>pliziert die Existenz eines technischen und eines<br />
sozialen Subsystems, wobei der technische<br />
Part des Systems unauflösbar mit dem von interagierenden<br />
Personen gebildeten Handlungssubsystem<br />
verbunden ist. Die wissenschaftstheoretischen<br />
Wurzeln des Begriffs liegen nicht nur in der<br />
Informatik sondern auch in der Techniksoziologie.<br />
Die systemorientierte Technikwissenschaft<br />
hat ihre Ursprünge in der allgemeinen Systemtheorie<br />
von von Bertalanffy (1949) und in<br />
der Kybernetik von Wiener (Wiener, 1965). Beeinflusst<br />
wurde sie auch von Diskussionen um<br />
die Systemtheorie von Luhmann (1984). Syrbe<br />
(1995) hat in Anlehnung an Ropohl (z. B.<br />
Ropohl, 1999a) versucht, den Begriff des soziotechnischen<br />
Informatiksystems <strong>für</strong> die informatische<br />
Diskussion nutzbar zu machen. Er bezieht<br />
sich auf Ropohls Konzept eines abstrakten Handlungssystems.<br />
Ropohl unterscheidet vier Systemmodelle<br />
(vgl. z.B. Syrbe, 1995, S. 224):<br />
1. abstrakte Handlungssysteme (Instanz, die<br />
Handlungen vollzieht)<br />
2. menschliche Handlungssysteme (kooperierende<br />
Personen und Personengruppen, Organisationsmodelle)<br />
3. Sachsysteme/technische Systeme (künstlich<br />
hergestellte, planmäßig nutzbare, gegenständliche<br />
Gebilde)<br />
4. sozio-technische Systeme (soziale und personale<br />
Funktionsträger sind mit Sachsystemen<br />
aggregiert)<br />
In die letzte Gruppe fallen auch die soziotechnischen<br />
Informatiksysteme, die es daher auch<br />
hinsichtlich ihrer sozialen D<strong>im</strong>ensionen zu analysieren<br />
gilt (Ropohl, 1999b, S. 1):<br />
„The concept of the socio-technical<br />
system was established to stress the<br />
reciprocal interrelationship between<br />
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