Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis WS 02/03 - Institut für ...
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• Literatur im Industriezeitalter. (Marbacher Katalog 42. Hg. v. Ulrich Ott) [Ausstellungskatalog des Deutschen<br />
Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum]. 2 Bde. Marbach am Neckar 1987.<br />
Proseminar II: Prof. Dr. Wolfgang Proß<br />
Vers oder Prosa? Christoph Martin Wieland zwischen Versepos und Roman<br />
Zeit: Dienstag 16-18<br />
Dauer: 29.10.20<strong>02</strong>-04.<strong>02</strong>.20<strong>03</strong><br />
ECTS-Punkte: 6<br />
Im 18. Jahrhundert stellt sich, mit dem Zuwachs des Buchdrucks und der literarischen Bildung, plötzlich<br />
die Frage: Was ist Literatur, und wie soll Literatur geschrieben werden? Ist Literatur nur, was in<br />
Versen geschrieben ist, oder ist auch Prosa »Kunst«? Die Frage gewinnt zusätzliche Bedeutung, als<br />
plötzlich das aus moralischen Gründen bedenkliche und aus der Optik der Autoren banale Genre des<br />
Romans ungeahnte Erfolge erzielt, vor allem in England. Defoe (Robinson), Swift (Gulliver), Richardson<br />
(Pamela) und Henry Fielding (Tom Jones) lancieren Bestseller, denen dann Laurence Sternes Tristram<br />
Shandy und Rousseaus Nouvelle Héloise folgen. In Deutschland erreicht die Insel Felsenburg<br />
von Schnabel den Status eines Volksbuches, und Autoren wie Gellert, Klopstock, Lessing oder Wieland<br />
müssen sich fragen , wie sie nun selbst in Zukunft vorgehen wollen. Auf literarischer Ebene stellt<br />
sich die Frage vor allem nach der Zukunft des großen epischen Gedichts. Im Zeitalter der spät entstehenden<br />
deutschen Nationalliteratur glaubte man zunächst, nur wenn die deutsche Sprache einen Autor<br />
vom Rang Homers hervorgebracht habe, könne man mit der Antike und den großen europäischen Literaturen<br />
konkurrieren. Aber was sollte der Stoff eines deutschen Heldengedichts sein? Sollte er aus der<br />
eigenen Geschichte kommen, oder – nach dem Vorbild des Engländers Milton (Paradise Lost) – aus<br />
dem Bereich des Religiösen?<br />
Im Werk des Schriftstellers Christoph Martin Wieland kommen alle diese Probleme zum Tragen. Zunächst<br />
glaubte Wieland, unter dem Einfluß von Bodmer und Klopstock, nur im Epos mit einem christlichen<br />
Thema liege die Entscheidung über die Zukunft der deutschen Literatur. Nach der Emanzipation<br />
von den großen Vorbildern und einem schwärmerischen Christentum, an der Lesing heilsamen Anteil<br />
hatte, entwickelt sich Wieland zu einem Pionier der deutschen Prosa und des Romans. Gleichzeitig<br />
macht er durch seine Verserzählungen und sein kleines Epos Oberon deutlich, dass sich eine Wende<br />
von geschichtsphilosophischer Bedeutung vollzogen hat: die Zeit des heldischen Epos ist vorbei, und<br />
der Roman ist die Kunstform der neuen Zeit par excellence. Unterstützt wird er hierin von der ersten<br />
deutschen Poetik des Romans, dem Versuch über den Roman von Friedrich von Blanckenburg, der anhand<br />
von Wielands Geschichte des Agathon Elemente einer Roman-Theorie entwickelt.<br />
Das Proseminar gibt damit nicht nur eine Einführung in das Werk eines bedeutenden und vor allem<br />
ausserordentlich spannenden Autors, sondern auch in Probleme der Geschichte der Poetik und Gattungstheorie.<br />
Keywords: Ästhetik, Aufklärung, Epos, Gattungspoetik, Romantheorie, Wieland.<br />
Literatur:<br />
• Klopstock, Der Messias. Gesang I-III (Reclam)<br />
• Wieland, Don Sylvio von Rosalva (Reclam)<br />
• Wieland, Geschichte des Agathon (Reclam)<br />
• Wieland, Musarion oder Die Philosophie der Grazien (Reclam)<br />
• Wieland, Oberon (Reclam)<br />
Proseminar II: Dr. Christian v. Zimmermann<br />
(kann auch als Kolloquium besucht werden)