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Gemeindeblatt Nr. 10 / 2009 (2,45 MB)

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welschnofen – <strong>10</strong>/<strong>2009</strong><br />

Sagen, Erzählungen und Geschehnisse rund um Welschnofen<br />

(chk) Sagen geben Einblick in die<br />

Seele eines Volkes und lassen dessen<br />

Ängste, Sorgen und Denkmuster<br />

erahnen. Es steht das<br />

Menschliche im Vordergrund und<br />

genau dies macht den Reiz dieser<br />

Überlieferungen aus.<br />

Mit dieser Reihe wollen wir altes,<br />

selten gehörtes und nahezu vergessenes<br />

Gedankengut wiedergeben<br />

– in neuem Schriftbild, aber<br />

in seiner ursprünglichen Schreibweise.<br />

Die Pest in Eggenthal<br />

und Wälschnoven<br />

Von der Pestzeit wissen die alten Leute<br />

im Eggenthal und in Deutsch- und<br />

Wälschnoven noch so manches zu erzählen.<br />

Doch beziehen sich diese Sagen<br />

größtentheils auf eine längst vergangene<br />

Pestzeit, wahrscheinlich auf<br />

das 14. Jahrhundert (1348). Einzelnes<br />

ist aus späterer Pestzeit, wohl aus dem<br />

17. Jahrhundert in diese älteren Sagen<br />

verflochten, z. B. die Erinnerung an den<br />

Pestfreithof im Siechenthal. Wir lassen<br />

die interessantesten Pestsagen hier folgen<br />

mit der Bemerkung, dass einzelnes<br />

sich als Erinnerung an wirkliche Begebenheiten<br />

aus dieser traurigen Zeit herausstellt.<br />

Zu Pestzeiten, sagen die Wälschnovner,<br />

sei noch keine Kirche und kein<br />

Freithof gewesen zu Wälschnoven.<br />

Die Todten wurden damals, wie dies<br />

auch historisch ist, über den Zischgl<br />

und über Tiers nach Völs geliefert. Später,<br />

als im näheren Tiers ein Friedhof errichtet<br />

worden war, gestattete man dem<br />

dortigen Seelsorger zeitweilig, die Todten<br />

aus Wälschnoven im Freithof seiner<br />

Kirche zu beerdigen; daher rührt für die<br />

Wälschnovener die Bezeichnung „lebendige<br />

Völser, todte Tierser“. (Von ein<br />

paar Höfen in Wälschnoven wurden<br />

die Verstorbenen über den „Toa“ (d. i.<br />

Tod) oberhalb des Kreuzwegers nach<br />

Steineck geliefert.) Im Winter nun,<br />

wenn die Bergwege ungangbar waren,<br />

schaffte man die Leichname bloß auf<br />

den Zischgl und verschloss sie da in eine<br />

große Truhe, die in einer geräumigen<br />

Grube sich befand. Auf dem Gstalthof,<br />

der übrigens abgekommen ist und<br />

leer steht, kann man diese riesige Todtenkiste<br />

mit den gewaltigen Eisenbändern<br />

noch gegenwärtig sehen. Darin<br />

hatten viele Todte Platz, und den Winter<br />

über verblieben die Leichname, welche<br />

natürlich gefroren, auf dem Zischgl,<br />

um im Frühjahr, wenn die Bergwege<br />

wieder offen standen, den weiten und<br />

überaus beschwerlichen Weg nach Völs<br />

(später Tiers) geliefert und dort beigesetzt<br />

zu werden. Zur Pestzeit nun habe<br />

man auch die noch lebenden Pestkranken<br />

frischweg mitgenommen, weil es<br />

so in einem gieng und dieselben doch<br />

schon auf dem Wege zum Zischgl hinauf<br />

starben.<br />

Allmählich jedoch wurden der Todten<br />

zu viele, und man scharrte sie<br />

nur mehr im Matschustermoos in<br />

Wälschnoven ein. Dies geschah immer<br />

in der Nacht. Nach und nach sei<br />

das ganze Thal ausgestorben bis auf<br />

den Moserhof; da hätte der Tod inne<br />

gehalten. Im Moserhof sei aber auch<br />

schon ein Knecht pestkrank geworden,<br />

und die Todtenträger hätten ihn<br />

im Vorbeigehen kurzweg mitgenommen<br />

und zu den Leichnamen in die<br />

Penne geworfen. Er jammerte und beschwor<br />

die Leute, ihn da zu lassen, er<br />

sei ja noch nicht gestorben. Die Männer<br />

aber sagten: „Deinetwegen fahren<br />

wir nimmer extra wieder her.“ Als er<br />

aber noch fortjammerte, warfen sie ihn<br />

endlich wieder heraus. Der Knecht ist<br />

wieder gesund worden.<br />

Andere erzählen, zur Pestzeit hätte<br />

es zuletzt nur mehr aus drei Höfen<br />

in Wälschnoven geraucht, denn<br />

die Leute schauten darnach aus, wo<br />

vom Kamin noch Rauch aufsteige, in<br />

ein fremdes Haus zu gehen, wagte keiner<br />

mehr. Diese drei Höfe seien der<br />

Grabmer, der Linderhof (später Kafmannhof<br />

genannt) und der Hof im Siechenthal<br />

gewesen. Die Leute getrauten<br />

sich bei Tage nicht mehr aufs Feld und<br />

schnitten zur Nachtszeit das Getreide,<br />

denn es war überaus heiß, und man<br />

glaubte, des Nachts sei der Mensch<br />

für den schwarzen Tod weniger empfänglich.<br />

Bei Tage wollte schon auch<br />

niemand mehr ins Freie, weil der Anblick<br />

der Sterbenden schrecklich war.<br />

Und oft geschah es, dass jemand mitten<br />

im Kornschnitt oder beim Heumachen<br />

umfiel und über und über<br />

schwarz wurde.<br />

So war denn die Bäurin beim Grabmer<br />

von der Scheuche verschont geblieben<br />

und begab sich in der Nacht<br />

aufs Feld, Weizen zu schneiden. Weil<br />

sie aber niemand mehr daheim hatte,<br />

der ihr etwas kochen und zum Essen<br />

hinausbringen konnte, hatte sie sich<br />

vorher Kücheln gebacken und trug sie<br />

frohen Muthes, da sie sich wohl bei<br />

Kräften fühlte, in ein Tüchlein eingebunden<br />

mit sich. Wie sie glücklich hinauskam<br />

und nichts spürte und rüstig<br />

war zum Schneiden, rief sie freudig<br />

aus: „Gott sei’s gedankt; es hebt einmal<br />

noch!“ Aber da kam das „Unkatl“ zu ihr<br />

und sagte zornig: „As scheint dar Mun,<br />

ober die Nàcht isch öt Tog; schneid du<br />

ba Toch, die Nàcht schneid i.“<br />

Auch in Eggen entvölkerte die Pest<br />

vor „gar langer Zeit“ viele Höfe. Unter<br />

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