NEWSLETTER EHRENFELD - Köln-Vernetzt
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medizinischen Alltag sehr verbreitetes Problem, welches auch einheimische Patienten<br />
betrifft und unter diesen vor allem chronisch Kranke, ältere Patienten sowie solche mit<br />
unklaren Beschwerden oder mit schlechter Prognose nach Ausschöpfung aller therapeutischen<br />
Möglichkeiten. Zum anderen klagen auch Migranten mit guten deutschen Sprachkenntnissen<br />
über Kommunikationsprobleme, etwa im Sinne einer ungeduldigen oder gar<br />
abweisenden Behandlung von Seiten des Personals, wenn es ihnen nicht gelingt, kurz<br />
und prägnant die aus der professionellen Sicht „wesentlichen“ Informationen zu formulieren.<br />
Andere wiederum würden trotz guter Deutschkenntnisse aus medizinischer Hinsicht<br />
von muttersprachlichen Angeboten stark profitieren, zum Beispiel beim Vorliegen psychosomatischer<br />
Erkrankungen sowie bei chronischen Krankheiten oder bei Diagnosen mit<br />
schlechter bzw. lebensbedrohlicher Prognose. Denn gerade emotional sehr stark besetzte<br />
Themen wie Sterben und Tod sind oft in der Muttersprache besser auszudrücken als in<br />
einer Fremdsprache. Auch im Hinblick auf Sprache und Kommunikation ist also sehr genau<br />
zu analysieren, welche Probleme und Herausforderungen migrationsspezifisch sind<br />
und bei welchen es sich eher um Variationen eines in der medizinischen Versorgung allgemein<br />
sehr verbreiteten Problems handelt“ (S. 70f.)<br />
Neben der Kritik an dem engen Zeitbudget, wie es im Gesundheitsbereich wirkt, ergibt sich<br />
aus diesen Erkenntnissen auch die Forderung nach einem breiten Einsatz von DolmetscherInnen<br />
und mehrsprachigem Personal, wobei „Einwände bezüglich der aufzuwendenen<br />
Finanzmittel“ abgewiesen werden, da sie „vor allem aus zwei Gründen zu kurz<br />
[griffen]: Zum einen wird die rechtliche Verpflichtung, das informierte Einverständnis der<br />
Patienten zu ermöglichen, durch betriebswirtschaftliche Argumente nicht abgeschwächt.<br />
Zum Zweiten kann eine adäquate Kommunikation durch qualifizierte Dolmetscher eine<br />
kostenintensive Fehlversorgung vermeiden“ (S. 73). Ein Hinweis auf die Wirkung von muttersprachlichen<br />
Angeboten in der Gesundheitsversorgung gibt die überregionale Sogwirkung<br />
von Zentren wie z.B. am Klinikum Marburg-Süd (Psychiatrie) und am Universitätsklinikum<br />
Gießen (Innere Medizin), die ambulante und stationäre Versorgung auf Türkisch anbieten<br />
(S. 66) 1 .<br />
Der Kritik an muttersprachlichen Angeboten bzw. dem Einsatz von DolmetscherInnen,<br />
„dass auf diese Weise „falsche“ Anreize für Migranten mit schlechten deutschen Sprachkenntnissen<br />
gesetzt würden und entsprechend Projekte daher der Integration von Migranten<br />
nicht zuträglich seien“ (S. 88), begegnen die Autoren mit dem Argument, „dass die<br />
Qualität der medizinischen Versorgung nach den allgemein anerkannten ethischen und juristischen<br />
Standards nicht abhängig gemacht werden darf von den individuellen Deutschkenntnissen<br />
eines Patienten“ (S. 88).<br />
• unzureichende Sensibilität im Umgang mit unterschiedlichen Werthaltungen:<br />
Bei genauerer Betrachtung erweisen sich die Belege für die oftmals stark in den Vordergrund<br />
gestellten „kulturellen“ Barrieren wie z.B. sogenannte kulturspezifische Krankheitsvorstellungen<br />
oder eine Präferenz für „traditionelle Medizin“ für die Autoren als nicht sehr<br />
tragfähig. Sie warnen vor einer essentialistischen Verwendung des Kulturbegriffs, der mit<br />
der Gefahr der „Kulturalisierung“ einhergeht: „einer in der Regel auf kulturellen Vorurteilen<br />
fußenden, eindimensionalen Erklärung auffälliger Beobachtungen mit der angenommenen<br />
„Kultur“ eines als fremd empfundenen Menschen. Andere Aspekte des jeweils betrachteten<br />
Problems oder Sachverhalts geraten dabei aus dem Blick bzw. werden nicht in die Betrachtungen<br />
mit einbezogen.“ (S. 74). Mit anderen Worten, Schwierigkeiten im Verhältnis<br />
zwischen Arzt und Patienten mit dem ‚kulturellen Hintergrund’ zu erklären, führt leicht zu<br />
Stereotypen mit geringem Erklärungswert und lenkt von den eigentlichen Ursachen für die<br />
Schwierigkeiten ab bzw. erschweren das Arzt-Patienten-Verhältnis eher noch zusätzlich –<br />
mit entsprechenden Konsequenzen für die Gesundheitsversorgung der betroffenen Menschen.<br />
Dafür spricht z.B. die Auswertung demographischer Daten aus dem US-Bundes-<br />
1 Das Beispiel wird von den Autoren selbst im Hinblick auf das Zugangshindernis ‚Transparenz und Systemkenntnis’<br />
als Indiz für die Wirkung von spezifischen Angeboten auf die Systemkenntnis angeführt. Mir erscheint dies allerdings<br />
auch ein gutes Beispiel in Hinblick auf mehrsprachige Öffnung zu sein.<br />
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