Gewaltfreie KommuniKation - Bundesverband Mediation eV
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12 qUALITÄTSSICHERUNG UND wEITERENTWICKLUNG<br />
Grundsätzlich ist Herrn Mayer wie auch mir eine<br />
spontane wölfische Authentizität direkt aus dem<br />
Herzen lieber als eine giraffische Form, die nicht<br />
mit dem Gefühlshaushalt der Sprechenden oder<br />
Schreibenden übereinstimmt. Denn Echtheit löst<br />
zwar manchmal Schmerz aus, schafft gleichzeitig<br />
aber Sicherheit – für mich eine tragfähige Ausgangsbasis<br />
für eine konstruktive Auseinandersetzung.<br />
Eine andere Variante, sich zu schützen und mit der<br />
Angst vor „Fehlern” umzugehen (bzw. nicht den<br />
ganzen Schmuh eigener Kränkungen, Vorwürfe<br />
und Aggressionen offenbaren zu müssen), ist folgender<br />
Weg: Die Störung zu beheben über reine<br />
Empathie für meine/n Streitpartner/in. Ich muss<br />
dabei selbst keine Farbe bekennen. Die beteiligte<br />
Person ist durch meine Einfühlung so beschäftigt<br />
mit der eigenen inneren Landkarte, dass sie nicht<br />
bemerkt, dass ich meine Karte nicht zeige. Ich<br />
verstecke mich hinter der Empathie. Ein Vorteil bei<br />
dieser Strategie ist, dass ich als ungeheuer empathisch,<br />
selbstlos und professionell „wahr” genommen<br />
werde, was mir und meinem Image auf jeden<br />
Fall schmeichelt. Ergebnis ist allerdings nicht:<br />
echter beiderseitiger Kontakt. Es bleibt das ungute<br />
Gefühl, die GFK als Instrument genutzt zu haben,<br />
welches für meine Ziele funktionieren sollte.<br />
Es fragt sich auch: Was wünschte ich mir von der<br />
Beziehung? Was soll aus der Störung werden? Wie<br />
nachhaltig sollen die Lösungen sein?<br />
Political correctness – „Giraffenpolizei”<br />
Folgende Geschichte erlebte ich jüngst als Gasttrainerin<br />
für <strong>Mediation</strong> in einem Kurs GFK-Fortgeschrittener.<br />
Die Atmosphäre in der Gruppe wirkte<br />
auf mich stark geprägt von „richtig” und „falsch”.<br />
Eine Teilnehmerin wandte sich an mich: „Gestern<br />
drücktest du ein Gefühl aus, ohne es mit einem<br />
Bedürfnis zu verbinden. Dadurch habe ich das<br />
Vertrauen in dich als Trainerin verloren.” Von einem<br />
anderen Teilnehmer hörte ich: „Du hast in der<br />
<strong>Mediation</strong> die Formulierung benutzt ‚Fühlen Sie<br />
sich...?’, aber es heißt bei Gefühlsausdrücken mit<br />
GFK richtig: ‚Sind Sie...?’. Bist du nun kompetent –<br />
nicht nur als Mediatorin sondern auch in GFK?” Mir<br />
fiel erst die Kinnlade herunter; dann versuchte ich<br />
zu verstehen. Die Teilnehmenden brauchten Sicherheit<br />
und meinten diese zu verlieren, wenn die<br />
Trainingsleitung – ihrer Interpretation nach – nicht<br />
in Übereinstimmung mit den gelernten Redeweisen<br />
sprach. Tatsächlich scheint der Anspruch an<br />
GFK-zertifizierte Trainer/innen gelegentlich hoch:<br />
sie „müssen es richtig können”, sie „sollten es perfekt<br />
beherrschen”, d. h. die Haltung und die Prinzipien<br />
der GFK „vollständig integriert” haben. Sonst<br />
wird die trainierende Person u. U. nicht als vertrauenswürdig<br />
wahrgenommen.<br />
Abgesehen davon, dass Fragen und Bewertungen<br />
nach „richtig” und „falsch” das Anliegen<br />
der GFK auf den Kopf stellen, fühle ich mich beklommen<br />
bei einem solchen Anspruch. Ich habe<br />
einerseits Empathie für die Bedürfnisse nach Sicherheit<br />
und Orientierung. Gleichzeitig möchte<br />
ich Mensch sein und mich als solcher zeigen. Als<br />
Mensch bin ich auf dem Weg wie alle anderen<br />
auch und gehe jedes Jahr durch neue Schwerpunkte<br />
und Schlüsselunterscheidungen der GFK,<br />
weil in meinem Leben dieses und jenes zum Thema<br />
wird (Mutterschaft, Krisen, Trennungen usw.).<br />
Dabei erfahre ich immer neu meine Grenzen. Ich<br />
verstehe sie als Herausforderungen (und im Nachhinein<br />
als Geschenk), meine Fähigkeiten und Haltung<br />
zu Themen wie „Selbstempathie”, „beschützende<br />
Anwendung von Macht”, „Giraffenschrei”,<br />
„nicht-urteilende Präsenz”, „Bitten äußern” usw. zu<br />
vertiefen. Es hört nie auf. Auch Trainer/innen kriseln,<br />
stürzen und wachsen immer weiter. Vielleicht können<br />
wir uns daher in unsere Teilnehmenden bei ihren<br />
Fragen und Erlebnissen somit wirklich einfühlen.<br />
Was ich mir von mir grundsätzlich wünsche: eine<br />
Bewusstheit, wo bei mir die innere Wolfshow so dominiert,<br />
dass ich Druck ausübe und durch Urteile<br />
abwerte, und eine Offenheit für Feedback, wenn<br />
ich Verletzung ausgelöst habe.<br />
Rollenverständnis – Darf ich mich als<br />
(Kurs-) Leitung mit meinen Gefühlen zeigen?<br />
Ein weiterer interessanter Punkt in der Wechselwirkung<br />
von Leitung und Gruppe ist die Frage, ob<br />
Leiter/innen ihre Gefühle ausdrücken „dürfen”. Eine<br />
Meinung, die ich dazu hörte: Die Kursleitung<br />
solle sich ihrer Rolle bewusst sein und sich auf<br />
das Dasein für die Teilnehmenden beschränken,<br />
d. h. Empathie geben, die Gefühle und Bedürfnisse<br />
bzw. unausgesprochenen Bitten hinter Vorwürfen,<br />
Klagen, Forderungen usw. heraus hören.<br />
Fazit: „Wenn du als Trainerin eine „Anklage” hörst,<br />
dann stimmt etwas mit dir bzw. deinen Giraffenohren<br />
nicht, denn damit solltest du hören, dass<br />
es im Grunde keine Anklage, sondern ein Ausdruck<br />
von Gefühlen und Bedürfnissen ist.<br />
Du bist schließlich Vorbild.”<br />
Hier komme ich an drei interessante Klippen:<br />
1. Manchmal höre ich einen „Angriff” und<br />
bin tatsächlich verletzt, wütend oder traurig,<br />
brauche Schutz und Selbstempathie, möchte<br />
nach einer Selbstklärung in Kontakt gehen<br />
über das, was der Beitrag in mir ausgelöst<br />
hat. Ich habe kein gutes Gefühl dabei, über<br />
den Angriff hinwegzugehen und lediglich<br />
Empathie zu geben. (Wie früher, mit der Folge,<br />
dass mich Teilnehmende wegen meiner<br />
Spektrum der <strong>Mediation</strong> 28/2007 – Fachzeitschrift des <strong>Bundesverband</strong>es <strong>Mediation</strong> e. V.