Studie Kindeswohlgefährdung – Ursachen, Erscheinungs ... - FBTS
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wachsener auf ein Kind verstanden. Die körperliche Kindesmisshandlung umfasst damit alle gewaltsamen<br />
Handlungen aus Unkontrolliertheit oder Erziehungskalkül, die dem Kind körperliche Schäden und Verletzungen<br />
zufügen, seien es gezielte Schädigungen der körperlichen Integrität oder seien es Schädigungen infolge<br />
unkontrollierter Affekthandlung von Eltern oder anderen erwachsenen Personen (vgl. Münder et al.,<br />
2000, S. 52). Körperliche Misshandlungen reichen vom einzelnen Schlag mit der Hand über Prügeln, Festhalten<br />
und Würgen bis hin zum gewaltsamen Angriff mit Riemen, Stöcken, anderen Gegenständen und Waffen,<br />
wobei es vor allem zu Blutergüssen, Prellungen, Schädel- und Knochenbrüchen, aber auch zu inneren Verletzungen,<br />
zu Verbrennungen, Verbrühungen oder Vergiftungen kommt.<br />
Sexueller Missbrauch<br />
Sexueller Missbrauch an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen<br />
den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver<br />
oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Der Täter nutzt hierbei seine Macht- und<br />
Autoritätsposition aus, um seine eigenen Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen (vgl. Bange/<br />
Deegener 1996, S. 105). Dazu gehören sexuelle Handlungen mit Körperkontakt (insbesondere Brust- und<br />
Genitalbereich) sowie beispielsweise das Vorzeigen von pornographischem Material bzw. das Herstellen von<br />
pornographischen Filmen und der Exhibitionismus durch eine wesentlich ältere jugendliche oder erwachsene<br />
Person. Besonders zu berücksichtigen sind Handlungen unter Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen.<br />
Ausgenommen sind gleichrangige Liebesbeziehungen unter Jugendlichen und Heranwachsenden<br />
Seelische Kindesmisshandlung<br />
Die seelische Kindesmisshandlung umfasst alle elterlichen Äußerungen und Handlungen, die das Kind terrorisieren<br />
und/oder herabsetzen und/oder überfordern und ihm das Gefühl der Ablehnung und eigener Wertlosigkeit<br />
vermitteln. Diesbezüglich geht eine seelische Misshandlung auch oft mit körperlicher Misshandlung<br />
einher. In der Literatur wird statt des Begriffs der seelischen Misshandlung auch der Begriff der emotionalen<br />
oder der psychischen Misshandlung verwendet (vgl. Münder et al., 2000, S. 55). Seelische oder psychische<br />
Kindesmisshandlung bezeichnet Handlungen und Aktionen, die zu einer schweren Beeinträchtigung einer<br />
vertrauensvollen Beziehung zwischen Bezugspersonen und Kind führen und dessen geistig-seelische Entwicklung<br />
zu einer autonomen und lebensbejahenden Persönlichkeit behindern. Seelische Misshandlung ist<br />
beispielsweise auch erkennbar in Form des Ängstigens, des Isolierens, der Ausbeutung und der Verweigerung<br />
von emotionaler Unterstützung.<br />
Hinzu kommen Konfliktsituationen aus dem näheren Umfeld von Kindern und Jugendlichen, die zwar keine<br />
unmittelbare Gefährdung darstellen, in ihrer Zuspitzung und als verstärkende Faktoren dennoch Relevanz<br />
besitzen. Münder et al. (2000) fügen daher die beiden Kategorien der „Autonomiekonflikte“ junger Menschen<br />
und „Erwachsenenkonflikte um das Kind“ als Kategorien für <strong>Kindeswohlgefährdung</strong> hinzu.<br />
Die jeweilige Bewertung der „Schwere“ der Beeinträchtigung des Kindeswohls ist nun im Einzelfall eine große<br />
fachliche Herausforderung. Da hier keine allgemein und objektiv gültigen Bewertungsgrundlagen gegeben<br />
sind, vielmehr die jeweils besondere Lebenslage von Kindern und das Erziehungsverhalten von Eltern zu berücksichtigen<br />
ist, gilt es zu beachten, wie und auf welcher Grundlage solche Bewertungen zustande kommen.<br />
Dies gilt sowohl für die Fachkräfte und Einrichtungen der Jugendhilfe, die „gewichtige Anhaltspunkte“ auf<br />
eine <strong>Kindeswohlgefährdung</strong> erhalten, als auch für die Familiengerichte, die in solchen Fällen genau so wenig<br />
nur Entscheidungen aus der bloßen Anwendung von Gesetzen auf feststellbare Tatbestände ableiten können.<br />
Das Familiengericht ist in diesem Feld auf außerrechtliche fachlich sozialpädagogische und psychologische<br />
Bewertungsprozesse angewiesen, wenn es zu vernünftigen, ihren Zweck verwirklichenden Entscheidungen<br />
kommen will.<br />
Das staatliche Wächteramt wird vor allem durch den zivilrechtlichen Kinderschutz <strong>–</strong> der Befugnis des Gerichts,<br />
gemäß §§ 1666 BGB in das elterliche Sorgerecht einzugreifen <strong>–</strong> konkretisiert („Wird das körperliche,<br />
geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder in<br />
der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung<br />
der Gefahr erforderlich sind“ - § 1666 Abs. 1 in der Fassung des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher<br />
Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls“, Bundesgesetzblatt I 2008, S. 1188 ff. vom 12.07.2008).<br />
Gefährdet im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB ist das Kindeswohl immer nur beim Bestehen einer gegenwärtigen