Studie Kindeswohlgefährdung – Ursachen, Erscheinungs ... - FBTS
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und überspielt werden, so kann sich daraus kein Entwicklungsprozess („aus Fehlern lernen“) ergeben (vgl.<br />
dazu auch das 2009 gestartete Bundesmodellprojekt „Aus Fehlern lernen. Qualitätsmanagement im Kinderschutz“,<br />
Biesel, Flick & Wolff, 2009, S. 115 ff.). Dies ist natürlich ein schwieriges Unterfangen, da in der<br />
Außenwahrnehmung (z.B. Politik und Medien) von den Institutionen und den in ihnen tätigen Fachkräften<br />
fehlerfreies und zielführendes Handeln erwartet wird. Zumal wenn dann noch disziplinarische oder sogar<br />
strafrechtliche Konsequenzen drohen, ist dies keine gute Voraussetzung und Basis für einen offenen Umfang<br />
mit Fehlern. Dennoch bleibt richtig, dass sozialpädagogisches Handeln im Kinderschutz immer auch<br />
eine „gefahrengeneigte“ Tätigkeit ist, in der - aus welchen Gründen auch immer - nicht immer das Richtige<br />
zum richtigen Zeitpunkt getan wird. Nicht die vergebliche Fiktion von Perfektion und Unfehlbarkeit hilft hier<br />
weiter, sondern der produktive Umgang mit dem eigenen Versagen verbunden mit dem Versprechen, besser<br />
werden zu wollen. Dass dies ein gelingender Weg sein kann, zeigt auch die Parallele der gegenwärtig im<br />
medizinischen Bereich offen geführten Diskussion über „ärztliche Kunstfehler“ und über die richtigen und<br />
geeigneten Wege, diese zu minimieren (vgl. dazu Stollorz, 2009, S. 118 ff.).<br />
In der Folge dieser kritischen Diskussionen (Ausfüllung der Garantenrolle, „Regeln der Kunst“) hat es eine<br />
Vielzahl von Konzepten und Vorschlägen zur Strukturierung der Praxis in den Jugendämtern gegeben (vgl.<br />
hier vor allem die Aussagen des Deutschen Städtetages 2003 und 2009) zur strafrechtlichen Relevanz sozialarbeiterischen<br />
Handelns und zur Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den Jugendämtern) und<br />
setzte gleichzeitig in einer Reihe von Jugendämtern eine Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur<br />
systematischen Risikoeinschätzung ein (vgl. „Glinder Manual“ in Schone et al., 1997, Recklinghäuser Risikoeinschätzbögen,<br />
in: Wiesner, 2006, S. 138 ff., vgl. dazu auch Abschnitt 7.3.2)<br />
1.5 Gesetzliche Stärkung des Schutzauftrages (politische Steuerung)<br />
Nach Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (1990/1991) war viel die Rede davon, dass der Kinder-<br />
und Jugendhilfe nunmehr wesentlich eine Dienstleistungsfunktion zukäme, nicht Kontrolle und Eingriff<br />
im Vordergrund stünden, sondern die vertrauensvolle Beratung und Unterstützung von Eltern, die Stärkung<br />
ihrer Kompetenzen und die Sicherung des familiären Zusammenhalts (größere Zurückhaltung bei Herausnahmen).<br />
Zwar ging das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) bereits bisher in § 50 Abs. 3 (alt) davon aus, dass<br />
das Jugendamt in den Fällen, in denen es zur Abwehr einer Gefährdung des Kindeswohls die Tätigkeit des<br />
Gerichtes für erforderlich hält, dieses anzurufen hat. An keiner Stelle wurde aber ausdrücklich geregelt, was<br />
das Jugendamt zunächst zu tun hat, um eine solche Gefährdung festzustellen.<br />
Hier hat die Novelle zum Kinder- und Jugendhilfegesetz vom Oktober 2005, das KICK (Kinder- und Jugendhilfeweiterentwickungsgesetz),<br />
eine deutliche Akzentuierung in Richtung auf die Verstärkung des Kinderschutzes<br />
gegeben (vgl. dazu Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, 2008; Jordan, 2008, Ziegenhain &<br />
Fegert, 2007). Mit dem Ziel, die Aufgabe des Kinderschutzes noch deutlicher im Gesetz zu verankern, ist ein<br />
neuer Paragraph 8a in das SGB VIII eingefügt worden (vgl. dazu aber auch die aktuelle Diskussion zur Novellierung<br />
des § 8a SGB VIII, hier: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes, Drucksache<br />
16/12429 vom 29.05.2009).<br />
Vielleicht war die Aufnahme des § 8a auch eine Reaktion auf die durch das SGB VIII zuweilen ausgelöste<br />
„Dienstleistungseuphorie“, die nicht hinreichend darauf achtete, dass das SGB VIII neben der Leistungsorientierung<br />
auch die hoheitliche Intervention im Interesse der Kinder kennt. Denn dadurch unterscheidet sich<br />
das SGB VIII von allen anderen Sozialleistungsgesetzen: Während sich bei den anderen Sozialleistungsgesetzen<br />
immer nur die Leistungsberechtigten und die Leistungsträger gegenüberstehen und in diesem Zweierverhältnis<br />
evt. auch Rechtskonflikte austragen werden, haben wir es in der Kinder- und Jugendhilfe immer<br />
mit einem Dreiecksverhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat zu tun. Und da die Kinder die Schwächsten<br />
sind, muss staatliches Handeln in bestimmten Situationen eben auch hoheitlich und d.h. gegen den Willen<br />
der Eltern intervenieren.