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von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

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[444]<br />

Nach dem kurzen Bericht über die genannten<br />

Quellen waren meine Begleiter rasch auf ihr sehr<br />

beliebtes Thema übergegangen und erzählten <strong>von</strong><br />

den vielen Scherzen, die der kleine Walddämon<br />

Pichlachtsch mit den Jägern treibt, und <strong>von</strong> der<br />

gefährlichen Wassernixe Kamak, welche die<br />

Menschen ins Wasser lockt, um sie zu töten und<br />

fortzuführen.<br />

Seereise vom Peterpaulshafen nach Ishiginsk<br />

(im Sommer 1853).<br />

[486]<br />

Desgleichen war schon sehr früh am M<strong>org</strong>en<br />

eine Menge <strong>von</strong> neugierigen Tungusen, Lamuten<br />

und Korjaken beim Schiff erschienen. Der ganze<br />

Habitus und die Kleidung der beiden ersteren<br />

Messen sofort erkennen, dass beide Völker mit<br />

einander sehr nahe verwandt sind, ja dass die Lamuten<br />

nur ein besonderer Zweig des Tungusen-<br />

Stammes sind. Beide sind <strong>von</strong> mittlerem, eher<br />

kleinem Wuchs, mit magerem, zartem und<br />

geschmeidigem Körperbau. Die Gesichtszüge,<br />

obgleich mongolisch, sind fein und intelligent.<br />

Das schwarze, sehr geordnete Haar hängt in<br />

einem langen Zopf auf den Rücken hinab. Hände<br />

und Füße sind klein. Sie tragen kleine, weiche<br />

Stiefel und ein ledernes, sehr anschließendes<br />

Beinkleid. Der Oberkörper ist in ein enganschließendes,<br />

kurzes Rentierfellröckchen gekleidet,<br />

welches mit bunter Seide und Perlen reich verziert<br />

ist und, vorn offen stehend, einen bis über den<br />

Magen hinunterreichenden, ebenfalls sehr verzierten<br />

Brustlatz sehen lässt. Dagegen kontrastieren<br />

die Korjaken durch ihre größeren, kräftigeren,<br />

gedrungenen Gestalten, ihre fleischigen Gesichter<br />

und ihr kurz geschorenes Haar. Ihre Kleidung,<br />

ebenfalls aus Rentierfell und -Leder gemacht, ist<br />

breit und unverziert [487] und besteht eigentlich<br />

nur in einer großen, weit herabhängenden<br />

Kukljanka.<br />

...<br />

Die ganze Mündungsgegend ist vollständig<br />

wald- und baumlos. Der Fluss hat teils mittelhohe<br />

Sand-, teils reine Sumpfufer, die <strong>von</strong> spärlichem<br />

Gesträuch kleiner Weiden, Erlen und Betula nana<br />

besetzt sind. Alles ist öde und tot. Weithin ist<br />

alles Land eine flache Moostundra. Nur vereinzelt<br />

sieht man am Ufer kleine, recht kümmerliche<br />

Sommerhütten der Ishiginsker (die so genannten<br />

Letowjos [488] oder Powarnjas), die zum Fischfang<br />

erbaut sind. Der Fischreichtum scheint hier aber<br />

nicht sehr groß zu sein, jedenfalls bei weitem<br />

geringer als in den Flüssen Kamtschatkas.<br />

...<br />

Der 29. Juni war ein schöner, heiterer Tag. Schon<br />

früh M<strong>org</strong>ens führte mich Herr Ch. durch die Stadt,<br />

die einen ganz unbeschreiblich öden, toten und<br />

ärmlichen Eindruck macht. Ishiginsk liegt unter dem<br />

62° n. Br., am linken Ufer des gleichnamigen Flusses<br />

und besteht aus einem oberen, hochgelegenen und<br />

einem unteren, niedrig gelegenen Stadtteile. Im<br />

oberen Stadtteil erheben sich, sehr weitläufig auseinander<br />

gestellt und einigermaßen in breite Straßen<br />

geordnet, die Gebäude der Krone, ein paar Magazine<br />

für Mehl und Salz, der Pulverkeller, die Wohnung<br />

des Bezirkschefs, das Haus der Landbehörde und<br />

einige private Häuser der wohlhabenderen Kaufleute<br />

mit ihren wirtschaftlichen Nebengebäuden, wie<br />

Ställe und Vorratshäuser. Alle diese Häuser sind<br />

schmucklos und roh aus Holz gezimmert, und ihr<br />

Gebälk hat durch Verwitterung eine schmutzig<br />

dunkelbraune Farbe angenommen. Kein Zaun<br />

umschließt einen Besitz, es gibt weder Hof, noch<br />

Garten. Die einfachen Holzkasten erheben sich auf<br />

einer endlosen, flachen, baumlosen [489] Tundra,<br />

und zwischen ihnen kann man Moos, Erica, Bet.<br />

nana und Rubus arcticus pflücken. Der untere Stadtteil<br />

war dem oberen sehr ähnlich, nur waren die<br />

Baulichkeiten kleiner, ärmlicher und unregelmäßiger<br />

gestellt. Schornsteine fehlten hier den Häusern fast<br />

überall, und statt der Glasscheiben waren die Fenster<br />

mit Darmhäuten und Glimmerplatten versehen.<br />

Dafür stand hier eine hölzerne Kirche, die einzige<br />

des Ortes, und an geschützteren, jedoch ebenfalls<br />

nicht umzäunten Stellen waren einige Gemüse<br />

gepflanzt, wie Kartoffeln, Kohl, Rüben und Rettig.<br />

Dieser untere Stadtteil war <strong>von</strong> den Kosaken mit<br />

ihren Familien und <strong>von</strong> einigen ganz verarmten<br />

Kaufleuten bewohnt. Hier sowohl, als auch im<br />

oberen Stadtteile standen nicht wenige Häuschen<br />

ganz unbewohnt und leer und waren in Folge dessen<br />

in großem Verfall, was den überaus traurigen und<br />

öden Eindruck, den der ganze Ort macht, noch<br />

erhöhte. In der neueren Zeit war die Regierung auf<br />

das schreckliche Raubwesen, welches die hiesigen<br />

Kosaken und Kaufleute den Nomaden gegenüber<br />

betrieben, aufmerksam geworden und hatte in Folge<br />

dessen sehr verschärfte Maßregeln getroffen, um<br />

dem Unwesen ein Ende zu machen. Hierdurch war<br />

jedoch einer nicht geringen Zahl <strong>von</strong> Handelsleuten<br />

K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 20

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