von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org
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ziemlich hohen Ssopka endet und ebenso im<br />
Osten <strong>von</strong> einer solchen gekrönt wird. Diese vom<br />
Mittelgebirge zum Meere (ungefähr <strong>von</strong> Ost nach<br />
West) sich hinziehende Höhe streicht zwischen<br />
den beiden Ssopotschnaja-Flüssen und trennt<br />
diese <strong>von</strong> einander. Die Ssopotschnaja besteht<br />
nämlich aus zwei Flüssen, die sich nahe ihrer<br />
gemeinschaftlichen Mündung ins Meer vereinigen<br />
und den genannten Höhenzug als Wasserscheide<br />
zwischen sich haben. Der größere, nördlichere,<br />
der Chikigen, kommt aus dem Mittelgebirge,<br />
während der kleinere, südlichere, Ssush, der <strong>von</strong><br />
dem ersten etwa 15 Werst entfernt strömt, in den<br />
in der Nähe befindlichen Bergen seinen Ursprung<br />
hat.<br />
[624]<br />
Durch ein nach Süd abfallendes Wiesental<br />
stiegen wir zum Chikigen hinab und fanden an<br />
seinen Ufern wieder Mergelsandstein <strong>von</strong> dunkler<br />
Farbe anstehen. Am Flusse erhoben sich Balagans<br />
und ein Häuschen der Einwohner <strong>von</strong><br />
Ssopotschnaja, die hier mit Fischen beschäftigt<br />
waren und uns über den Fluss halfen. Das<br />
erwähnte Wiesental bot mir einen unerwarteten<br />
Anblick dar, denn zum ersten Mal sah ich die<br />
schöne Angelica (Medweshij-korenj), die hier wohl<br />
ihre Nordgrenze haben dürfte. Obgleich der<br />
Herbst die Pflanzen schon stark mitgenommen<br />
hatte, so stand doch die ganze Wiese, einem<br />
Walde gleich, voll <strong>von</strong> den riesigen Stengeln<br />
dieser schönen, dekorativen Doldenpflanze. Die<br />
großen, fächerartigen Blätter fehlten jetzt oder<br />
hingen fahl und trocken <strong>von</strong> oben herab, und nur<br />
die großen Saatdolden standen noch aufrecht auf<br />
der Spitze der Pflanze. Armdicke, bis 10 Fuß hohe<br />
Schafte erhoben sich überall auf der Wiese.<br />
Kittlitz hat in seinen Vegetationsansichten ein<br />
schönes, wenn auch ebenfalls herbstliches Bild<br />
dieses prachtvollen Gewächses geliefert und glaubt<br />
es für eine Angelica halten zu dürfen. Der Name<br />
Medweshij-korenj (Bärenwurzel) kommt daher,<br />
weil die Bären, wie die Leute versichern, bei<br />
Verwundungen die Wurzeln dieser Pflanze als<br />
Heilmittel benutzen. Die Tiere sollen nämlich<br />
diese Wurzeln hervorscharren, um sich mit ihren<br />
wunden Körperteilen auf dieselben zu legen und<br />
sich an ihnen zu reiben.<br />
Nach einem scharfen Ritt auf trockenem Boden<br />
über die erwähnte Wasserscheide und durch ein<br />
paar kleine Bäche erreichten wir um 5 Uhr den<br />
zweiten Quellfluss der Ssopotschnaja, den Ssush,<br />
und an seinem rechten Ufer den Ort Ssopotschnaja.<br />
Die 10 Häuser dieses Ortes sind gut gebaut und<br />
liegen freundlich am Flusse, in einer anmutigen<br />
Gegend. Die Bewohner (30 Männer und 36 Weiber)<br />
scheinen in guten [625] Verhältnissen zu leben und<br />
haben ziemlich große Gärten nebst 45 Kühen und 5<br />
Pferden. Die Jagd gibt einen guten Erwerb, und<br />
desgleichen die sehr reichlichen Zugfische, die auch<br />
hier <strong>von</strong> derselben Art sind und in derselben<br />
Ordnung und Menge aufsteigen, wie in den früher<br />
genannten Flüssen. Die Mündung der Ssopotschnaja<br />
(nach Vereinigung ihrer beiden genannten Quellflüsse)<br />
zieht sich nach Norden, zur Mündung der<br />
Moroschetschnaja hin und ist 60 Werst vom Orte<br />
entfernt, während man direkt bis zum Meere nur 37<br />
Werst rechnet.<br />
Der Tojon, ein kräftiger, ordentlicher Mann und<br />
sehr renommierter Jäger, erschien in einem sehr<br />
bunten Kostüm, welches fast einem phantastischen<br />
Maskenanzuge glich, und nahm an allen Mahlzeiten<br />
und besonders am Tee Teil. Er war recht mitteilsam,<br />
und ich konnte seinen Erzählungen manches<br />
Interessante entnehmen. Er setzte hierher die<br />
Grenze zwischen dem Dialekt der Kamtschadalen<br />
des Penshinsker Ufers im Norden und demjenigen<br />
der kurilischen Kamtschadalen im Süden, wobei<br />
Ssopotschnaja noch zu dem ersteren gehörte, — eine<br />
Grenze, die früher meist nach dem südlicher gelegenen<br />
Oglukomina versetzt wurde. Jedenfalls haben die<br />
Bewohner der Kurilischen Inseln (Ainos) einen<br />
starken Einfluss auf die kamtschadalische Sprache<br />
im Süden der Halbinsel ausgeübt. Dass es in den<br />
vorrussischen Zeiten Mischehen und Handelsbeziehungen<br />
mit den Ainos und durch deren<br />
Vermittelung auch Berührungen mit Japan gegeben<br />
habe, wird hier ganz allgemein anerkannt und viel<br />
und oft da<strong>von</strong> erzählt.<br />
[632]<br />
Obgleich wir <strong>von</strong> Oglukomina bis nach Krutogorowa<br />
nur 22 Werst zurückgelegt hatten, blieben<br />
wir doch hier, da der Tojon zum Abend eine<br />
Vorstellung kamtschadalischer Tänze zugesagt hatte.<br />
Um 6 Uhr Abends füllte sich das Zimmer mit<br />
Gästen. Eine Musikkapelle erschien, die aus einer<br />
Violine, einer Balalaika und einem eigentümlichen<br />
Blasinstrument bestand, welches aus einem recht<br />
dicken Strandhaferhalm gefertigt war und klarinettartig<br />
geblasen wurde. Darauf stellten sich 5 Weiber,<br />
als die eigentlichen Hauptactricen, ein. Nachdem<br />
Allen Tee gereicht worden war, begann die Musik,<br />
K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 33