von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org
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und am Westufer südlich <strong>von</strong> Tigil bis Kompakowa<br />
wird ein und derselbe kamtschadalische<br />
Dialekt gesprochen; <strong>von</strong> Kompakowa bis zum<br />
äußersten Süden an derselben Küste herrscht ein<br />
anderer Dialekt, und <strong>von</strong> Jelofka an nach Süden<br />
durch das Kamtschatka-Tal bis nach Awatscha<br />
der dritte Dialekt dieser Sprache. Hingegen<br />
spricht man am Westufer <strong>von</strong> Amanina nordwärts<br />
bis Pustorezk einen Dialekt der korjakischen<br />
Sprache (Pallanzen), und <strong>von</strong> Osernaja, dem<br />
nächsten Orte nördlich <strong>von</strong> Jelofka, bis Dranka<br />
am Ostufer einen anderen korjakischen Dialekt<br />
(Ukinzen). Über die zwei ferneren Stämme der<br />
sitzenden Korjaken mit ihren eigentümlichen<br />
Sprachdialekten, die Olutorzen im Osten,<br />
nördlich <strong>von</strong> den Ukinzen, und die am Westufer<br />
nördlich <strong>von</strong> den Pallanzen lebenden Kamenzen,<br />
konnte der alte Mann keine nähere Auskunft<br />
geben. Für die ganze Halbinsel Kamtschaka<br />
wurde mir hier der Name Nemlat genannt.<br />
Die Bevölkerung <strong>von</strong> Ssedanka, im Ganzen 42<br />
Männer und 46 Weiber, machte einen durchaus<br />
angenehmen, gesunden und kräftigen Eindruck.<br />
Nur wenige <strong>von</strong> ihnen, wie der Tojon, verstanden<br />
das Russische, Weiber und Kinder jedoch kaum<br />
ein Wort. Daher machte hier auch Alles einen<br />
ganz kamtschadalischen Eindruck. Nur die<br />
Häuser erinnerten an russische Sitte, aber auch<br />
diese wurden jetzt, im Sommer, nicht bewohnt,<br />
sondern nur die oberen, verdeckten [562] Teile der<br />
Balagans. Übrigens war jetzt ein großer Teil der<br />
Leute des Fischfanges wegen an den oberen Lauf<br />
des Tigil gezogen.<br />
[572]<br />
Auch bei Amanina, das wir um 10 Uhr erreichten,<br />
stehen wieder die tertiären Sandsteine an, <strong>von</strong><br />
Ton, welcher auch hier auffallend weiß ist, unterlagert.<br />
Sie liegen hier, fernab vom Gebirge und<br />
der erwähnten Hügelkette, fast ganz horizontal<br />
und ungestört. Die fünf Häuser des Dorfes stehen<br />
am linken Ufer des gleichnamigen Flusses und<br />
werden <strong>von</strong> 12 Männern und 20 Weibern<br />
bewohnt. Die Bewohner dieses Ortes stammen<br />
aus Ssedanka, <strong>von</strong> wo sie vor Jahren gewaltsam<br />
hierher versetzt wurden, nur um zwischen Tigil<br />
und dem <strong>von</strong> hier noch 90 Werst entfernten<br />
Wojampolka eine Zwischenstation zu gründen.<br />
Diese Gewaltmaßregel machte sich auch durch<br />
unheilvolle Wirkungen für das Volk fühlbar.<br />
Schlechte Häuser, Unordnung, Schmutz, Armut<br />
und Siechtum waren die Folge. Gärten waren kaum<br />
vorhanden, und der Viehstand bestand nur aus zwei<br />
Kühen. Ebenso traurig war es mit den Pferden<br />
bestellt, denn nur drei Tiere konnten aufgetrieben<br />
werden, so dass ich das vierte <strong>von</strong> dem Tigiler<br />
Kosaken hinzu mieten musste. Glücklicherweise<br />
konnte ich diesen trübseligen Ort bald verlassen und<br />
befand mich schon um 4 Uhr auf der Weiterreise<br />
nach Wojampolka, mit welchem Ort die Reihe der<br />
Ansiedelungen der sitzenden Korjaken (Pallanzen)<br />
beginnt.<br />
[575]<br />
An der Mündung, wo ich mein Zelt aufschlagen<br />
ließ, empfing mich eine Schar fröhlich, gesund und<br />
kräftig aussehender Leute <strong>von</strong> Wojampolka, mit<br />
ihrem Tojon an der Spitze. Wie verschieden war das<br />
Aussehen und die ganze frische und freie Art dieser<br />
ersten sitzenden Korjaken, die ich hier traf, gegen die<br />
armen, gedrückten Kamtschadalen <strong>von</strong> Amanina.<br />
Der Druck unsinniger Administration, der auf<br />
Amanina schwer lastete, hatte diese nicht getroffen.<br />
Sie lebten nach eigener Wahl an einem für ihre<br />
Bedürfnisse passenden Orte und gediehen gut. Es<br />
war Flutzeit am Abend, und auch hier wurde mir das<br />
interessante Bild großer, schneeweißer, in den Fluss<br />
ziehender Delphine, die im tollsten Spiele sich<br />
tummelten, zu Teil.<br />
... [576]<br />
14. August. Beim schönsten Wetter waren die<br />
Männer <strong>von</strong> Kachtana schon früh zur Stelle, um<br />
mich mit ihrer Baidare über den Strom zu setzen und<br />
dann 4 Werst stromauf zu ihrem Ort zu geleiten, wo<br />
wir bereits um 8 Uhr M<strong>org</strong>ens anlangten. Zwölf,<br />
meist neue, solid gebaute und <strong>von</strong> zahlreichen<br />
Balagans umgebene Häuser stehen am rechten Ufer<br />
des Kachtana-Flusses. Ich wurde in das größte und<br />
freundlichste derselben, die Wohnung des Tojons,<br />
geführt und sofort gastlich bewirtet. Die ganze<br />
Unterhaltung war korjakisch, in einer dem Dialekt<br />
<strong>von</strong> Taigonos so verwandten [577] Mundart, dass<br />
mein Kosak Sinowjef die Konversation verstand und<br />
mitreden konnte. Es leben in Kachtana 71 Männer<br />
und 75 Weiber, die alle ein frisches und gesundes<br />
Aussehen hatten. Sie sind größer <strong>von</strong> Wuchs,<br />
gewandter, freimütiger und weniger phlegmatisch als<br />
die armen, geknechteten Kamtschadalen. Ihre<br />
Gesichtszüge, so wie ihre Sitten und Gewohnheiten<br />
erinnern durchaus an die nomadisierenden Korjaken.<br />
Nur die Wohnungen sind andere geworden. Die<br />
Erdhütten und Jurten sind alle verschwunden. In<br />
K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 27