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von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

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oder Ochotsk eine größere Menge dieser Tierchen<br />

einfangen zu lassen, um sie lebend nach Kamtschatka<br />

zu bringen und dort heimisch zu machen.<br />

Die ganze Halbinsel ist vom Meere bis hoch in<br />

die Gebirge hinein <strong>von</strong> Zirbelkiefern bedeckt, die<br />

eine sehr nahrhafte kleine Nuss in ihren Zapfen<br />

reifen und den Eichhörnchen die ausreichendste<br />

Nahrung geben würden.<br />

Anhang: Aufenthalt im Peterpaulshafen<br />

im Winter 1851/52.<br />

[213]<br />

Am 2. März erhielt der Peterpaulshafen einen<br />

höchst bemerkenswerten Besuch. Zum ersten Mal<br />

kamen Lamuten hierher. Vier Männer dieses<br />

Volkes fuhren am M<strong>org</strong>en dieses Tages direkt bei<br />

Sawoiko vor, um ihn zu fragen, wo sie am vorteilhaftesten<br />

ihre Jagdbeute verkaufen könnten. Die<br />

Lamuten sind ein tungusischer Volksstamm, der<br />

auf der Westseite des Ochotskischen Meeres etwa<br />

die Gegenden zwischen Ajan und Ishiginsk<br />

durchstreift. Eine Anzahl dieser Leute hatte sich,<br />

vermutlich weil es ihnen in der Heimat zu eng<br />

wurde, mit Kind und Kegel aufgemacht, durch die<br />

Korjaken der Penshinsker Gegend durchgeschlichen<br />

und war in die großen, menschenleeren<br />

Gebiete Kamtschatkas eingezogen. Namentlich<br />

bildeten das Mittelgebirge und das Westufer ihren<br />

Tummelplatz, wo sie enorme Weidestrecken für<br />

ihre Rentiere, fischreiche Flüsse und einen reichen<br />

Jagdgrund vorfanden. Später waren ihnen noch<br />

viele Andere ihres Volkes nachgezogen, so dass<br />

jetzt, allerdings nur ihrer eigenen Aussage zufolge,<br />

schon 35 Männer und 37 Weiber Lamuten in<br />

Kamtschatka lebten. Anfänglich – man nimmt an,<br />

dass die ersten etwa vor 9–10 Jahren eingewandert<br />

seien – vermieden sie scheu jeden Menschen und<br />

alle Wohnplätze, aus Argwohn, dass sie als nicht<br />

hierher gehörige Eindringlinge ausgewiesen, ja<br />

vielleicht gar einer Strafe unterzogen werden<br />

könnten; später jedoch waren sie zufällig hier und<br />

da mit kamtschadalischen Jägern zusammengetroffen<br />

und hatten dabei bemerkt, dass weder die<br />

Kamtschadalen, noch die Behörden sie verfolgten.<br />

Nun traten sie schon freier auf, verließen die<br />

fernsten Verstecke, besuchten [214] einige Wohnplätze<br />

der Kamtschadalen und meldeten sich<br />

sogar, nach Aufforderung der Landesregierung,<br />

zur Zahlung <strong>von</strong> Abgaben (Jassak). Jetzt endlich<br />

entschlossen sie sich, den Gouverneur selbst<br />

aufzusuchen. Sawoiko gab ihnen einen Beamten zur<br />

Begleitung zu den Kaufleuten mit, und bald zogen<br />

sie hoch beglückt, mit einer Menge <strong>von</strong> Waren<br />

beladen, wieder ab. Schießbedarf, Tabak, Perlen,<br />

einige Eisenwerkzeuge, Kessel und einige Zeuge<br />

waren <strong>von</strong> ihnen gegen die mitgebrachten Zobel und<br />

Füchse eingekauft worden. Die Lamuten erzählten,<br />

dass sie sich in der Gegend <strong>von</strong> Bolscherezk niedergelassen,<br />

Hunde gekauft und Narten angefertigt<br />

hätten und mit ihrer neuen Heimat, Kamtschatka,<br />

sehr zufrieden seien. Es ist, nun eine interessante und<br />

sehr wichtige Frage an die Zukunft, ob dieses<br />

kräftige, gesunde und rührige Nomadenvolk wohl<br />

dazu bestimmt sei, allmählich die immer mehr<br />

ausstehenden Kamtschadalen zu ersetzen und dieses<br />

menschenleere Land wieder neu zu bevölkern.<br />

... [215]<br />

Von Mitte März an erschienen fast täglich Kamtschadalen<br />

im Peterpaulshafen, um hier, im Hauptort<br />

des Handels, ihre Jagdbeute zu verwerten, und<br />

kehrten, mit der erwünschten Ware reich beladen,<br />

wieder heim. Sawoiko hatte ihnen diesen Modus an<br />

die Hand geben lassen, um die armen Leute möglichst<br />

vor der Habgier der herumziehenden Krämer<br />

zu schützen. Nun wurden diese Handelsfahrten der<br />

Kamtschadalen <strong>von</strong> Jahr zu Jahr allgemeiner, und in<br />

diesem Winter erschienen schon Bewohner des<br />

höheren Nordens. Zu den Ankömmlingen gehörte<br />

auch der ambulierende Jahrmarkt, welcher mit seinen<br />

begleitenden Beamten zurückkehrte und ebenfalls<br />

recht gute Geschäfte gemacht zu haben schien. Der<br />

März ist der rechte Reisemonat hier zu Lande. Die<br />

merkliche Wirkung der Sonne am Tage und die<br />

Nachtfröste bilden eine harte und tragende<br />

Eisschicht auf dem Schnee, so dass das Fahren sehr<br />

erleichtert wird und man die geradesten Richtungen<br />

über alle Hindernisse hinüber, weg- und steglos<br />

einschlagen kann. Alle Ortschaften rücken sich in<br />

dieser Zeit gleichsam näher, denn die Entfernungen<br />

zwischen denselben werden rascher abgefahren.<br />

Jetzt waren alle Häuser im Peterpaulshafen voller<br />

Einquartierung, [216] denn jeder Kamtschadale hat<br />

hier seine Bekannten, deren Gastfreundschaft er in<br />

Anspruch nimmt. Es ist etwas ganz Selbstverständliches,<br />

dass man ohne Weiteres den Gastfreund<br />

besucht und sich <strong>von</strong> ihm beköstigen lässt. So will es<br />

die allgemeine Sitte des ganzen Landes und aller<br />

Ortschaften. Die Hausbesitzer pflegen förmlich mit<br />

der Zahl ihrer Gäste zu renommieren, und beschämend<br />

ist es, gar keine zu haben.<br />

...<br />

K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 8

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