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von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

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versehenen Erdspalte gingen wir durch niedriges<br />

Gebüsch <strong>von</strong> verkrüppelten Weiden und Erlen,<br />

aus dem uns eine solche Menge <strong>von</strong> Mücken<br />

überfiel, dass schon nach wenigen Minuten starke<br />

Blutspuren auf Menschen und Tieren sichtbar<br />

waren. Dazu begann ein Regen, der bis in die<br />

Nacht dauerte. So ritten wir noch mehrere Werst<br />

weit, bis wir in das mit steilen Wänden versehene<br />

Tal der Tschaibucha hinabstiegen, wo eine<br />

Gruppe korjakischer Lederzelte vor uns stand.<br />

Es waren drei sehr große Lederzelte (Tschums),<br />

deren zahlreiche Einwohnerschaft eilig herankam,<br />

um uns zu begrüßen. Der größte Tschum gehörte<br />

dem Ältesten der Taigonosser Korjaken, Namens<br />

Jainef, und es war mir <strong>von</strong> großem Werth für die<br />

Kenntnis dieses Volkes diesen braven Mann kennen<br />

zu lernen. Jainef lud mich sofort ein seinen<br />

Tschum zu betreten, was ich mit Freude annahm.<br />

Ein Tschum hat die Gestalt eines großen, ganz<br />

flachen [508] Kegels und besteht aus einem<br />

Gerippe <strong>von</strong> aufgerichteten Stangen, das äußerlich<br />

um und um mit Rentierhäuten umkleidet ist.<br />

Innerlich, gerade in der Mitte des Raumes, lodert<br />

stets das Herdfeuer, dessen Rauch aus der<br />

obersten, offenen Spitze des Tschums entweicht.<br />

Rings an der kreisförmigen Wand liegen Rentierfelle<br />

und sind auch welche als Abteilungswände<br />

aufgehängt, wodurch so viele kleine Schlafkammern<br />

(Pologs) entstehen, als Familien da sind.<br />

Der Türe des Tschums (einem Vorhang aus<br />

Fellen) gegenüber befanden sich die Pologs der<br />

beiden Frauen des Ältesten, Tschatscha und<br />

Eineut, und weiter seitlich die Pologs, welche<br />

Verwandten und Arbeitern gehörten. Im Polog<br />

der älteren Frau, Tschatscha, stand die Zaubertrommel,<br />

welche <strong>von</strong> derselben bei ihren<br />

Götzendiensten geschlagen wird und jedenfalls<br />

einen Ehrenplatz in Anspruch nimmt. Nach<br />

vielen Freundschaftsversicherungen und dem<br />

Austausch einiger Geschenke konnte ich mich<br />

endlich in mein Zelt zurückziehen, da mittlerweile<br />

meine Kosaken mit dem Boot ebenfalls an der<br />

Mündung der Tschaibucha angelangt waren und<br />

bereits mein Zelt neben den Tschums<br />

aufgeschlagen hatten.<br />

... [509]<br />

Die Korjaken hatten sich für die Zeit des<br />

Fischfanges hier niedergelassen, während ihre<br />

Rentierherden im nahen Gebirge weideten. Die<br />

außerordentlich schlechte Verproviantierung<br />

meiner Kosaken machte es notwendig, sie in<br />

dieser Beziehung zu unterstützen, weshalb ich mit<br />

unserem bisherigen Führer Kanoa einen Handel<br />

abschloss: für 10 Päckchen Tabak verkaufte er mir ein<br />

großes, schönes [510] Rentier, welches er nun<br />

herangetrieben hatte. Überraschend war die<br />

Geschicklichkeit dieses Mannes beim Schlachten<br />

und Zerlegen des Tieres. Ein Stich mit einem langen<br />

Messer, der genau ins Herz traf, streckte es tot zu<br />

Boden. So waren wir für viele Tage gut vers<strong>org</strong>t.<br />

Mein Kosak Sinowjef, ein guter Kenner der<br />

korjakischen Sprache, war mir jetzt <strong>von</strong> großer Hülfe<br />

als Dolmetscher. Die Korjaken, Männer, Weiber und<br />

Kinder, umlagerten fortwährend in großer Menge<br />

mein Zelt. Fragen, Antworten, Erzählungen waren<br />

in fortlaufendem Fluss. Diese genügsamen und stets<br />

fröhlichen Kinder der Natur wurden durch jedes<br />

kleine Geschenk, das ich ihnen machte, hoch erfreut.<br />

Tabak wurde gern gesehen, wenn ich aber Scheren,<br />

Messer, Nähnadeln oder gar bunte Perlen hervorzog,<br />

dann brachen Alle in einen wahren Sturm <strong>von</strong><br />

Freudengeschrei aus. Namentlich hatten die Weiber<br />

sich in Staat geworfen und erschienen in ihren<br />

eleganten, mit Erlenrinde rotgefärbten Leder-<br />

Kukljanken und zierlichen bunten Pelzstiefeln, die<br />

lang herabhängenden schwarzen Haare mit Perlen<br />

durchflochten. Doch waren sie dabei ungewaschen<br />

und daher oft so schmutzig, dass man bei den jungen<br />

Mädchen kaum die frische, gesunde Röte ihrer<br />

Wangen erkennen konnte. Die Weiber sahen meist<br />

abschreckend hässlich aus, besonders wenn sie auch<br />

tätowiert waren. Die Tätowierung ist im Ganzen<br />

selten und kommt nur bei den Weibern vor. Eine<br />

oder einige wenige Linien, <strong>von</strong> der Nasenwurzel<br />

strahlenförmig über die Stirn gezogen, und ein paar<br />

Ringe auf den Wangen bilden den ganzen Schmuck.<br />

Selten fehlte bei den Weibern ein aus Gras geflochtener,<br />

durch ein breites Stirnband gehaltener und auf<br />

den Rücken hinabhängender Sack, in welchem sie<br />

ihre Habseligkeiten mit sich trugen.<br />

[514]<br />

Eine große Schar <strong>von</strong> Korjaken, Männer und<br />

Weiber, begleitete uns ein weites Stück des Weges<br />

und kehrte dann unter lautem Abschiedsgruß,<br />

«Tamto, tamto», wieder heim.<br />

[517]<br />

So erreichten wir die weit vor uns sich ausdehnende<br />

Mündungsbai der Topolofka, die jetzt zur<br />

Ebbezeit fast wasserlos vor uns lag. Nur das Wasser<br />

des Flusses zog sich in vielen seichten Armen durch<br />

K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 23

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