von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org
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der Aufenthalt hier derart verleidet worden, dass<br />
sie den Ort für immer verließen, und ihre leerstehenden<br />
Häuser gaben nun <strong>von</strong> einer früheren,<br />
größeren Einwohnerzahl Zeugnis. Jetzt lebte in<br />
Ishiginsk eine Einwohnerschaft <strong>von</strong> 233 Männern,<br />
darunter 50 Kosaken, und 242 Weibern. Zum<br />
geringeren Teil waren diese Leute noch <strong>von</strong> rein<br />
russischer Herkunft, was besonders <strong>von</strong> den<br />
Kaufleuten gelten mag. Die größere Anzahl, wie<br />
fast alle Kosakenfamilien, war ein Mischvolk,<br />
welches aus Wechselehen der Russen mit den<br />
Nomaden entstammt war. Gutes Russisch [490]<br />
hörte man nur wenig, dagegen eine Sprache, die<br />
mit fremden Worten und Wendungen stark<br />
versetzt und durch eine fremdartige Aussprache<br />
entstellt war. Am häufigsten machten sich die<br />
Sprachen der Korjaken und Tungusen laut, die<br />
<strong>von</strong> Allen nicht allein verstanden, sondern auch<br />
geläufig gesprochen wurden.<br />
Zum Regierungsbezirk Ishiginsk, welcher zum<br />
Gouvernement Kamtschatka zählt, werden außer<br />
den Stadtbewohnern auch die nomadisierenden<br />
Korjaken der Halbinsel Taigonos und die<br />
festsitzenden Korjaken, die Kamenzen am<br />
Penshinsker Meerbusen, gerechnet, zusammen 421<br />
Männer und 464 Weiber. Die weibliche<br />
Bevölkerung <strong>von</strong> Ishiga beschäftigt sich ausnahmslos<br />
mit der Industrie der Kalipliki, d. h. mit<br />
der Anfertigung stark verzierter Leder- und<br />
Pelzwaren. Besonders werden Handschuhe und<br />
Stiefelchen nach tungusischen Mustern reichlich<br />
mit bunter Seide und Perlen geschmückt und<br />
finden eine ausgedehnte Verbreitung bis weit nach<br />
Sibirien hinein. Während die weibliche Bevölkerung<br />
eine konstant sesshafte ist, sind die Männer<br />
ohne Ausnahme – sei es berechtigt, wie die<br />
Kaufleute, oder unberechtigt, wie die Kosaken –<br />
sehr rührige und wanderlustige Handelsleute.<br />
Weite und kühne Reisen werden <strong>von</strong> ihnen unternommen.<br />
Häufig durchziehen die Männer <strong>von</strong><br />
Ishiginsk das Land bis zu den entferntesten<br />
Halteplätzen der Tschuktschen, bald einzeln, bald<br />
in kleinen Gesellschaften, im Winter auf Hundeschlitten,<br />
im Sommer reitend zu Pferde, immer<br />
ihre Waren feilbietend und ihr ganzes Sinnen und<br />
Trachten auf Handel und Gewinn richtend.<br />
Daher werden hier sehr zahlreiche Zughunde<br />
gehalten und waren gegenwärtig auch gegen 70<br />
Pferde vorhanden, während an Rindvieh in der<br />
ganzen Stadt nur 35 Stück gezählt wurden.<br />
Obgleich nun dieses Handelsleben nie stockt,<br />
sondern [491] ununterbrochen fortgeht, so bilden<br />
doch drei große, alljährlich in dieser Gegend statthabende<br />
Märkte die Höhepunkte dieses Verkehrs.<br />
Der erste dieser Märkte wird im Februar am Anadyr<br />
mit den Tschuktschen abgehalten und der Werth der<br />
<strong>von</strong> den Russen dorthin gebrachten Waren auf circa<br />
4500 Rubel angegeben. Der zweite Markt wird mit<br />
den Korjaken und Tschuktschen im März an der<br />
Palzowa, einem Nebenflusse der Penshina, abgehalten.<br />
Auf diesem etwa 800 Werst <strong>von</strong> Ishiginsk<br />
entfernten Platze werden Waren im Wert <strong>von</strong> 3500<br />
Rubel ausgetauscht. Der dritte Markt, auf dem nur<br />
mit Tungusen und Lamuten gehandelt wird, findet<br />
in der Nähe <strong>von</strong> Najachana, einer kleinen, südwestlich<br />
<strong>von</strong> Ishiga an der sibirischen Meeresküste in der<br />
Nähe vom Cap Wercholamskij gelegenen russischen<br />
Ansiedelung statt. Dieser Markt ist der unbedeutendste,<br />
da hier nur Waren im Wert <strong>von</strong> circa<br />
1000 Rubel vertauscht werden. Der Gewinn für die<br />
Russen auf diesen Märkten ist sehr groß, aber stark<br />
variierend, und man schätzt denselben wohl auf das<br />
Vier- und Fünffache des hingebrachten Warenwertes.<br />
Außer diesen Märkten gibt es noch einen<br />
sehr berühmten an den Ufern des Großen Anui-<br />
Flusses, eines östlichen Nebenflusses der Kolyma.<br />
Da aber dort besonders die Bewohner <strong>von</strong> Nishne-<br />
Kolymsk mit den Tschuktschen verkehren, während<br />
die Ishiginsker nur selten und in sehr geringer Zahl<br />
hingehen, so hat dieser Markt für Ishiginsk keine<br />
Bedeutung. Diese Marktplätze, so wie die Termine<br />
der Zusammenkunft sind allen Nomaden sehr wohl<br />
bekannt, und diese strömen selbst aus weiter Ferne<br />
herbei. Es sind übrigens vollständig unbewohnte<br />
Örtlichkeiten, die sich nur auf wenige Tage im Jahr<br />
beleben und dann wieder ganz verlassen daliegen.<br />
Der Handel ist ein reiner Tauschhandel, bares Geld<br />
kommt nie in Frage. Die Tschuktschen [492] und<br />
Korjaken nehmen im Tauschhandel den gewöhnlichen<br />
roten Fuchs als Einheit an und fordern für<br />
denselben, je nach der Güte und Farbe des Balges,<br />
l–3 Pfund Tabak, der wiederum <strong>von</strong> russischer Seite<br />
die Haupthandelsware ist und etwa 10–15 Kop. pro<br />
Pfund kostet. Die Tungusen und Lamuten hingegen<br />
rechnen nur nach Eichhörnchen, für welche sie pro<br />
Stück 2 Blatt Tabak fordern, was <strong>von</strong> den Russen<br />
etwa auf 1–1 ½ Kop. berechnet wird. Der Tabak der<br />
hier allein in Frage kommt, ist der sehr scharfe südrussische<br />
sogenannte tscherkaskische Blättertabak,<br />
der in sehr ansehnlicher Quantität in großen Lederbeuteln<br />
zu etwa 1–1 ½ Pud aus Russland gebracht<br />
wird. Dieser Tabak ist die weitaus beliebteste Ware<br />
K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 21