von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org
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[612]<br />
Utcholoka liegt am rechten Ufer des gleichnamigen<br />
Flusses, auf dem geraden Landwege etwa<br />
10 Werst vom Meere, während zu Wasser nach<br />
den Schlingungen des Flusses 30 Werst gerechnet<br />
werden. Der Ort hat 10 Häuser mit 30 männlichen<br />
und 28 weiblichen Einwohnern. Die Leute<br />
besitzen 16 Pferde, 20 Kühe und gute Gemüsegärten.<br />
Der Ort hat Alles, was zu einer sehr<br />
ausgiebigen Viehzucht nötig ist, und ebenso<br />
gedeihen hier die Gartenfrüchte vortrefflich, und<br />
dennoch ist Alles dies eine den Leuten nur<br />
aufgedrungene Beschäftigung. Es ist durchgehend<br />
bei allen hiesigen Völkern und hat sich auch auf<br />
die Russen, die längere Zeit hier gelebt haben,<br />
übertragen, dass ihnen das Herumnomadisieren,<br />
das Fischen und Jagen lieber ist als das Begründen<br />
einer angenehmen und behaglichen Häuslichkeit.<br />
Nichts geschieht für den Komfort des Lebens oder<br />
für die äußere Ausschmückung des Wohnorts.<br />
Eine Jurte im Walde zu bauen, um in deren<br />
Umgebung Wurzeln und Beeren zu sammeln, ist<br />
beliebter als zu Hause einen guten Garten zu<br />
pflegen, der schöne Erträge gibt, und irgendwo an<br />
einem Bach zu fischen und in stinkenden<br />
Balagans zu wohnen ist erwünschter, als sein Haus<br />
bei gewinnbringender Vieh- und Pferdezucht<br />
wohnlich einzurichten.<br />
[616]<br />
Wir verließen nun den Strand, gingen über ein<br />
Mooswellenland, dann über Hügel, die mit<br />
Zirbeln bestanden waren, und kamen so wieder an<br />
die Ufer des Kawran-Flusses, wo einige bewohnte<br />
Balagans standen, und wo uns rasch über den<br />
Fluss geholfen wurde. Hier wurde endlich wieder<br />
einmal ein Bär gesehen. Wenn ich nicht gewusst<br />
hätte, dass diese Tiere um diese Jahreszeit schon<br />
fast alle, den Fischen nachziehend, in den höheren<br />
Gebirgen weilten, so hätte ich das Land entschieden<br />
für arm an Bären halten müssen. Von<br />
den Balagans, wo wir aufs linke Ufer des Flusses<br />
hinüber gesetzt waren, hatten wir nur noch einen<br />
kurzen Weg stromauf bis zum Orte Kawran. Der<br />
am linken Ufer gelegene Ort hat 9 Häuser, die<br />
<strong>von</strong> 24 Männern und 40 Weibern bewohnt<br />
werden. 25 Kühe und 16 Pferde waren in ihrem<br />
allgemeinen Besitz. Er macht, mit seinen sehr<br />
schlechten Gärten, einen etwas traurigen und<br />
heruntergekommenen Eindruck.<br />
Die Reihe der Zugfische ist hier folgende:<br />
Kajurka, Chaiko als Hauptfisch, Gorbuscha,<br />
Kisutsch und Golez; Tschawytscha und Krassnajaryba<br />
fehlen auch hier gänzlich.<br />
10. September. Früh M<strong>org</strong>ens machten wir uns auf<br />
den Weg zum 35 Werst entfernten Chariusowa.<br />
Dieser ganze Weg führt eigentlich nur über ein<br />
grösseres Haufengebirge [617] <strong>von</strong> mittlerer Höhe.<br />
Unmittelbar vom Ort an steigt das Land in steilen<br />
Mergelsandsteinfelsen an, die schroff zum Flusse<br />
abfallen und auf ihrer Höhe <strong>von</strong> kleinen bewaldeten<br />
Kegeln besetzt sind. Nordwärts, nach Kawran zu,<br />
erhebt sich das Gebirge steiler und sendet seine<br />
Gewässer zumeist dem Kawran-Flusse zu, nach<br />
Süden aber fällt es allmählicher in lang gestreckten<br />
Tälern zwischen massigen Höhenzügen ab. Diese<br />
Täler sind sämtlich <strong>von</strong> kleinen Nebenflüssen des<br />
Chariusowa-Flusses durchströmt, während die<br />
dazwischen liegenden Höhen mehr oder minder<br />
spitzige Formen zeigen und mit schönem Birkenwalde<br />
(B. Ermani) bedeckt sind, an dessen Rande<br />
Zirbelgesträuch sich hinzieht. Die Talsohlen sind<br />
meist nasse Moostundren, was namentlich für den<br />
letzten Teil des Weges gilt. Überall an den Ufern der<br />
Bäche ist das entblößte Gestein wieder der Mergelsandstein.<br />
Aus dem Rande eines dieser Täler,<br />
welches breiter war und eine weite, freie Aussicht<br />
über die ganze Gegend gestattete, erhebt sich ein<br />
ganz außerordentlich schöner, kolossaler Kegelberg,<br />
ein prachtvolles Bild. Dieser nackte, schlanke und<br />
schneelose Spitzkegel erhebt sich über die zahlreichen<br />
bewaldeten Kegelberge und alle übrigen<br />
Erhebungen des ganzen Gebirgsstockes, so wie über<br />
die Vegetationsgrenze. Es ist der Elleuleken, der<br />
nach Gestalt und Höhe auffallend an den Millischauer<br />
des Böhmischen Mittelgebirges erinnert.<br />
Wie dieser trägt er auch den Charakter echt<br />
basaltischer Erhebungen. Wenn ich mich nicht<br />
schon früher da<strong>von</strong> überzeugt hätte, dass bereits vor<br />
den trachytischen Durchbrüchen im Mittelgebirge<br />
und seinen westlichen Parallelzügen auch basaltische<br />
Erhebungen und Einwirkungen auf die tertiären<br />
Schichten des ganzen bisher <strong>von</strong> mir bereisten<br />
westlichen Teiles <strong>von</strong> Kamtschatka stattgefunden, so<br />
hätte ich mich jetzt, beim Anblick des Elleuleken<br />
[618] da<strong>von</strong> überzeugen müssen. Die entschieden<br />
basaltische Gestalt des schönen Kegelberges, die<br />
dunklen, festen Gesteine in der Umgegend, so wie<br />
eingesprengte kleine Olivinkörnchen sprachen allzu<br />
deutlich. Eine Tätigkeit ist vom Elleuleken, als<br />
einem Basaltkegel, auch in ältester Zeit nicht<br />
anzunehmen, und es schien auch nichts Krater-<br />
K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 30