22.11.2013 Aufrufe

von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

von K. von DITTMAR. - Siberian-studies.org

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ähnliches vorhanden zu sein. Der Berg ist<br />

dennoch seiner Formation nach älter als die<br />

ältesten Trachytkrater dieser Gegend (Tepana,<br />

Piroshnikof etc.).<br />

Um 3 Uhr waren wir in Chariusowa, wo wir<br />

vom Tojon und seinen Leuten aufs freundlichste<br />

begrüßt wurden. Der Tojon, schon früher <strong>von</strong><br />

meiner Ankunft benachrichtigt, hatte sich in Staat<br />

geworfen. Mit einer schwarzen Sammetjacke und<br />

einem blaugestreiften Beinkleide angetan und<br />

seine Frau in blauem Zitzkleide zur Seite, nötigte<br />

er mich, in das schöne Zimmer seines sehr<br />

ordentlich aussehenden Hauses einzutreten. Hier<br />

machte Alles den Eindruck behaglicher Wohlhabenheit,<br />

Die Bänke, Dielen und Fenster waren<br />

rein gehalten. Ein Tisch, der mit einer roten<br />

Decke bedeckt war, stand vor den Bänken. An<br />

den Wänden hingen einige Bilder und sogar ein<br />

kleiner Spiegel. In einer Ecke stand auf einem<br />

Regal eine blanke Teemaschine, <strong>von</strong> einem zierlichen<br />

Teeservice umgeben. Kurz, die Ordnung<br />

und Reinlichkeit waren geradezu überraschend.<br />

Den Grund dieses guten Zustandes der Dinge<br />

erfuhr ich bald. Hier waren nämlich niemals<br />

gewaltsame Versetzungen der Bevölkerung<br />

v<strong>org</strong>ekommen, und die Leute lebten seit der<br />

ältesten Zeit an dem Ort ihrer eigenen, praktischen<br />

Wahl. Sie waren zu ihrem Glück <strong>von</strong> den<br />

Regierenden übersehen, ja vielleicht vergessen<br />

worden. Diese Bemerkung habe ich in Kamtschatka<br />

stets machen können, zuletzt noch bei<br />

den Pallanzen, die, ebenfalls unberührt geblieben,<br />

in ihrem Ort glücklich und im [619] Wohlstande<br />

leben. Die zu sehr unter der Vors<strong>org</strong>e der hier<br />

regierenden Gewalten befindlich gewesenen<br />

Örtlichkeiten sind alle verarmt und haben oft eine<br />

verkommene und kranke Bevölkerung, während<br />

die übersehenen und vergessenen Orte in Blüte<br />

stehen.<br />

Auch die Bewirtung war sehr gut und nach alter<br />

kamtschadalischer Gastfreundschaft reichlich. Auf<br />

guten, reinen Tellern und Schüsseln wurden die<br />

Speisen aufgetragen. Es gab gute, frische Butter<br />

und gekäste Milch, als Produkte ihrer Viehzucht<br />

(die Herde bestand aus 40 Kühen und 15 Pferden),<br />

frische, wohlschmeckende Kartoffeln und guten<br />

Rettig, gebratene Forellen und Enten. Schließlich<br />

wurde der Tee in guten Tassen auf einem<br />

Teebrett serviert. Alles hatte einen so zivilisierten<br />

Anstrich, dass man es fast vergessen konnte, bei<br />

einem Kamtschadalen zu Gast zu sein.<br />

Chariusowa liegt am rechten Ufer des großen,<br />

gleichnamigen Flusses, etwa 30 Werst <strong>von</strong> seiner<br />

Mündung ins Meer. Wie schon gesagt, mündet der<br />

Fluss gemeinschaftlich mit dem Flusse Bjelogolowaja<br />

in eine tiefe, geräumige Bucht, in welcher vor Jahren<br />

sogar Schiffe überwinterten. Der Ort ist sehr<br />

ordentlich gebaut, besteht aus 19 Häusern und einer<br />

Kapelle und ist <strong>von</strong> 70 Männern und 73 Weibern<br />

bewohnt. Der Fluss ist sehr fischreich, und die<br />

Jagdgründe sind sehr ergiebig, was hier <strong>von</strong> großer<br />

Bedeutung für den Wohlstand ist. Die Reihenfolge<br />

der Zugfische ist hier folgende: zuerst erscheint als<br />

Seltenheit die Tschawytscha mit der Kajurka, dann<br />

folgt als Hauptfisch der Chaiko, dann die Gorbuscha,<br />

der Kisutsch und der Golez.<br />

11. September. Von Chariusowa nach Bjelogolowaja<br />

sind 27 Werst. Früh M<strong>org</strong>ens setzten wir über<br />

den Fluss und traten unsere Wanderung wieder an.<br />

Im Geröll des Flusses [620] fand sich im Ganzen nur<br />

sehr spärlich poröses, vulkanisches Gestein, und<br />

dieses stammte wohl aus dem oberen Laufe der<br />

Chariusowa (vielleicht vom Tepana), nach den sehr<br />

abgerundeten und abgeschliffenen Bruchstücken zu<br />

urteilen. Am meisten lagen hier Trümmer <strong>von</strong><br />

Kieseln, kieselreichen, feldspathaltigen Gesteinen,<br />

derben, dunklen Schiefern und Basalten.<br />

Der Weg führte zuerst über einen kleinen Sumpf,<br />

dann über ein Wellenland, auf welchem ebene, mit<br />

Moos und Zirbeln bewachsene Strecken mit Hügelpartien<br />

abwechselten. Diese Hügel waren besonders<br />

hoch und mit Birken, Empetrum, Erica und weißem<br />

Moos dicht bestanden. Jetzt erreichten wir einen<br />

hohen, mit Birken bewachsenen Rücken, der sich als<br />

Wasserscheide zwischen den Flüssen Chariusowa<br />

und Bjelogolowaja nach Osten, zu einem Parallelzuge<br />

des Mittelgebirges hinzog, über welchen drei<br />

dem Elleuleken sehr ähnliche, jedoch viel weniger<br />

hohe Kegelberge sich erhoben. Zuletzt vor dem Ort<br />

Bjelogolowaja hatten wir noch ein kurzes Moor- und<br />

Zirbelland zu passieren und langten um l Uhr, kurz<br />

vor einem beginnenden Regen an. Flach und<br />

unschön liegen die 8 Häuser am rechten Ufer, etwa<br />

40 Werst <strong>von</strong> der Mündung des gleichnamigen<br />

Flusses ins Meer. Der Ort ist nur <strong>von</strong> 23 Männern<br />

und 22 Weibern bewohnt, welche im Besitz <strong>von</strong> 15<br />

Kühen und 3 Pferden sind, bei sehr eingeschränktem<br />

Gartenbau. Die Zugfische sind hier genau dieselben<br />

wie in Chariusowa. Wie die Leute erzählten und<br />

auch vorwiesen, fanden sich im Gestein des Caps<br />

Bjelogolowyi sehr schöne, bunte Flintensteine. Es<br />

waren Achate und Chalzedone aller Art und Farbe,<br />

K. <strong>von</strong> Dittmar, Reisen und Aufenthalt in Kamtschatka 1851–1855 ... (1890) 31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!