Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze
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gut möglich ist, über Spender und Sponsoren zum Beispiel<br />
die Reduzierung dieser 4 Euro wieder wettzumachen für<br />
die Einrichtung. Die konkrete Entscheidung, wie viel die<br />
einzelne Familie bezahlt, liegt letztendlich bei der Koordinatorin<br />
oder bei der Leitung.<br />
TN: Wie haben Sie sich die praktische Unterscheidung zwischen<br />
Haushaltshilfe und Familienhilfe gedacht?<br />
Kirsten Harnisch-Eckert: Wellcome ist ein primär direktives<br />
Angebot und möchte da sein, wo überhaupt professionell<br />
gehandelt werden muss.<br />
TN: Interessant ist, dass Sie bei den Partnern das Jugendamt<br />
nicht erwähnen. Ich war bei einer Wellcome-Eröffnung<br />
in Berlin, die Eröffnungsrede wurde von einer Mitarbeiterin<br />
des Jugendamts gehalten. Ist dieses Hilfeangebot nicht<br />
auch ein Versuch, niedrig schwellig in Familien reinzukommen?<br />
Kirsten Harnisch-Eckert: Natürlich sind die Jugendämter<br />
Partner, sind genauso Netzwerkpartner wie eine Hebamme.<br />
Es gibt auch im Zuge des Kinderschutzes die Möglichkeit,<br />
Wellcome zu nutzen. Wir versuchen, unsere Ehrenamtlichen<br />
in diesem Bereich zu schulen, sehen uns<br />
aber natürlich nicht als Ausspäher der Familie. was den<br />
Kinderschutz angeht. Wenn Missstände auffallen, dann<br />
müssen wir natürlich handeln. Die Ehrenamtlichen haben<br />
ja genauso wie wir alle in diesem Bereich Verantwortung.<br />
Sollte es einer Ehrenamtlichen auffallen, dass in einer<br />
Familie die Kinder keine Betten haben, kein Teppich in<br />
der Wohnung ist, sondern nur Estrich, dann wird sich die<br />
Ehrenamtliche an die Koordinatorin wenden. Die Koordinatorin<br />
würde eventuell einen Besuch machen, was normalerweise<br />
jedoch nicht üblich ist, und versuchen, über<br />
den Kontakt, den sie vielleicht zum Jugendamt hat, ins<br />
Gespräch zu kommen, nachfragen, ob es da schon Erfahrungen<br />
gibt, ob es was ist, wo wir handeln müssen oder<br />
nicht. Das würde aber auch ganz konkret mit der Familie<br />
abgesprochen, also es läuft nicht hinter ihrem Rücken.<br />
Wenn die Ehrenamtliche zum Beispiel in diese Familie<br />
geht, die Kinder sind total fröhlich, alles macht einen<br />
positiven Eindruck, dann gibt es trotzdem Gesprächsbedarf<br />
darüber, warum die Kinder auf dem Estrich spielen<br />
oder warum keine Betten da sind. Darüber wird sie ins<br />
Gespräch kommen und dann die Familie dazu bewegen,<br />
professionelle Hilfe anzunehmen.<br />
TN: Es ist durch die Fülle der Standorte ein ganz spannendes<br />
Angebot, niedrig schwellig - wenn es denn tatsächlich<br />
bei allen ankommt. Auch die Ehrenamtlichen werden<br />
ja Multiplikatoren sein. Trotzdem werde ich hellhörig beim<br />
Thema Kinderschutz. Es wird natürlich einen geringen Teil<br />
von Familien geben, wo es vielleicht einen Jugendhilfe-Bedarf<br />
gibt, wo bestimmte Risikofaktoren vorhanden sind,<br />
woraufhin eigentlich eine professionelle Gefährdungseinschätzung<br />
erfolgen müsste. Alkoholproblematik, Schulden,<br />
häusliche Gewalt, damit wären aus meiner Sicht Ehrenamtliche<br />
überfordert, das richtig einzuschätzen. Das<br />
ist natürlich eine Frage von Schulung. Welche Ausbildung<br />
hat die Koordinatorin, wie ist die Frage der Einbettung?<br />
Kirsten Harnisch-Eckert: Wellcome fängt viel niedrig<br />
schwelliger an. Wir haben wirklich wenige Familien,<br />
die über das Jugendamt kommen. Wenn wir solche Geschichten<br />
hören oder sehen, dann gehen natürlich auch<br />
bei uns alle Alarmglocken an, das ist gar keine Frage. Da<br />
ist die Kooperation mit dem Jugendamt günstig, da diese<br />
schnelle Verknüpfung zu haben, aber die Familie mitzunehmen.<br />
Es gibt ja ganz viele Familien, die augenscheinlich<br />
erst mal gar nicht hilfebedürftig sind, wo es für uns<br />
als ganz normaler Einsatz anfängt. Die Mutter meldet sich,<br />
sie hat das dritte Kind bekommen, die sind im Alter dicht<br />
beieinander. Die Ehrenamtliche stellt vielleicht sogar beim<br />
zweiten oder dritten Besuch fest: Irgendwas ist da komisch.<br />
Vielleicht steht zu jeder Tages- und Nachtzeit eine<br />
Weinflasche auf dem Tisch. Oder die Mutter sitzt immer<br />
lethargisch auf dem Sofa, während das Baby neben ihr<br />
schreit. Dann ist ganz klar, dass sie sich an die Koordinatorin<br />
wendet. Vielleicht besteht die Möglichkeit schon bei<br />
diesem Schritt, dass sie die Familie offen beteiligt, damit<br />
die Chance besteht, eine Familienhilfe in dieser Familie<br />
zu integrieren. Die Familienhilfe arbeitet mit Mutter und<br />
Vater, während die Ehrenamtliche trotzdem da bleiben soll<br />
<strong>Familiennetze</strong> - Jahrestagung Stadtteilarbeit 2008 35