22.11.2013 Aufrufe

Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze

Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze

Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

aber nicht namentlich genannt werden. So etwas hatten<br />

wir schon. Dann sagen wir: Stopp, das geht nicht. Wenn<br />

jetzt die Nachbarin sagt, dass sie Angst hat, dann ist das<br />

okay, aber bei Profis? Es ist notwendig, die Dinge möglichst<br />

transparent zu halten und wenn man das unter Profis nicht<br />

macht, ist das problematisch. Es kann ja einen Super-Sonder-Einzelfall<br />

geben, wo das Sinn macht. Aber in der Regel<br />

sind Professionelle für das Jugendamt die Quelle, unser<br />

Bezug, woher wir unser Wissen haben.<br />

TN: Mir fällt natürlich schon was ein, wo man tatsächlich<br />

einem Professionellen die Möglichkeit geben sollte, die<br />

Meldung anonym zu machen, beispielsweise in Jugendeinrichtungen.<br />

Warum nicht?<br />

Beate Köhn: Weil auch die dortigen Mitarbeiter eine Meldung<br />

nicht als Privatperson machen, sondern sie sind<br />

nach dem SGB VIII, Paragraf 8, Einrichtungen, die so eine<br />

Dienstleistung erbringen müssen.<br />

TN: Wenn hier gesagt wird, dass eine anonyme Beratung<br />

etwas anderes ist als die anonymisierte Meldung, das<br />

finde ich einleuchtend. Die Meldung kann nicht anonym<br />

sein, das hat was damit zu tun, dass man nicht einfach<br />

jemanden beschuldigen darf, ohne dafür auch einstehen<br />

zu müssen.<br />

Beate Köhn: Von dem allgemeinen und sehr umfangreichen<br />

Angebot zum Kinderschutz gehen wir wieder<br />

zurück auf einen Aspekt, nämlich mit Eltern überhaupt<br />

erst mal in Kontakt zu kommen und den Kontakt zu halten.<br />

Das ist ja für viele, die hier sind, ein Teil dieser direkten<br />

Arbeit. Auch dazu zu ermuntern, die angebotene<br />

Hilfe anzunehmen. Vieles von dem, was Ihre KollegInnen<br />

tun, die ehrenamtlich in den Familien sind, muss auch in<br />

der Kita, in Nachbarschaftsheimen oder Freizeiteinrichtungen<br />

passieren, weil wir es oft mit sehr entmutigten<br />

Familien zu tun haben. Wir haben es oft mit Familien zu<br />

tun, die bisher möglicherweise das Jugendamt oder auch<br />

andere Institutionen und staatliche Unterstützung nicht<br />

als hilfreich und nicht als würdigend und respektvoll<br />

erlebt haben. Insbesondere haben sie diese Erfahrung<br />

gemacht, wenn sie beim JobCenter bestimmte Anträge<br />

stellten mussten. Wer das mal mitgemacht hat oder sehr<br />

nahe an Leuten dran ist, die das mitmachen müssen,<br />

der weiß: Es ist unglaublich, welche Entmutigung damit<br />

einhergeht.<br />

Ich habe das jetzt ein bisschen auf Nachbarschaftsheime<br />

ausgerichtet, aber Sie können sich das auch umdenken:<br />

Wie im Gegensatz dazu eine stärkende und ermutigende<br />

Einstellung bei denjenigen, die Hilfe anbieten, präsent ist.<br />

Denn damit wird was vorgelebt, damit wird ein bestimmtes<br />

Beziehungsgeschehen vorgelebt, das stimmt auch für Ihre<br />

Ehrenamtlichen, die leben das. Das theoretische Wissen<br />

darüber, was Kinder brauchen, um gesund und glücklich<br />

aufwachsen zu können, haben viele. Aber darüber hinaus<br />

halte ich es für enorm wichtig, dass wir uns, ob ehrenamtlich<br />

oder professionell, Risikofaktoren, mit Gefährdungseinschätzung<br />

befassen, um eine mögliche Gefährdung<br />

eines Kindes erkennen zu können.<br />

Einen Teil macht der gesunde Menschenverstand, andere<br />

Teile sind schon ein bisschen schwieriger zu erkennen. Gut<br />

gemeint ist nicht immer gut, wenn man desolate Verhältnisse<br />

mit seiner Unterstützung vielleicht aufrecht erhält.<br />

Ich bin durch meine Arbeit immer mit den Super-Krisen-<br />

Fällen befasst, mit häuslicher Gewalt usw. Wenn man da<br />

nach dem Motto hinsieht: Eigentlich ist er doch ganz nett,<br />

ist auch ganz nett zum Kind, ohne zu erkennen, welche<br />

Dynamik und welche Gefährdung dahinter steckt, dann ist<br />

das nicht hilfreich.<br />

Deswegen ist ein bestimmtes Wissen schon gut. Die<br />

zweite Seite ist das Wissen um die gesellschaftlichen<br />

Hintergründe, auf denen familiäres Leben stattfindet.<br />

Ökonomische Verhältnisse werden manchmal außer<br />

Acht gelassen. Oder etwa: Was bedeutet es, wenn jemand<br />

zum Beispiel inhaftiert gewesen ist, wie erlebt der<br />

die Unfreundlichkeit des Arbeitsmarktes, usw., was bedeutet<br />

das für die Familien? Es gibt diesen nicht ausgesprochenen<br />

Satz in Familien mit großen Schwierigkeiten:<br />

Niemand soll wissen, niemand darf wissen. Das ist natürlich,<br />

wenn man mit seinem schönen Hilfe-Setting aus<br />

irgendeinem gut gemeinten professionellen Grunde ankommt,<br />

unverständlich: Wie sind die denn drauf? Was<br />

ist denn da los? Warum finden die das nicht toll, ich bin<br />

<strong>Familiennetze</strong> - Jahrestagung Stadtteilarbeit 2008 43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!