Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze
Rundbrief 1/2009: Dokumentation Fachtagung Familiennetze
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aber nicht namentlich genannt werden. So etwas hatten<br />
wir schon. Dann sagen wir: Stopp, das geht nicht. Wenn<br />
jetzt die Nachbarin sagt, dass sie Angst hat, dann ist das<br />
okay, aber bei Profis? Es ist notwendig, die Dinge möglichst<br />
transparent zu halten und wenn man das unter Profis nicht<br />
macht, ist das problematisch. Es kann ja einen Super-Sonder-Einzelfall<br />
geben, wo das Sinn macht. Aber in der Regel<br />
sind Professionelle für das Jugendamt die Quelle, unser<br />
Bezug, woher wir unser Wissen haben.<br />
TN: Mir fällt natürlich schon was ein, wo man tatsächlich<br />
einem Professionellen die Möglichkeit geben sollte, die<br />
Meldung anonym zu machen, beispielsweise in Jugendeinrichtungen.<br />
Warum nicht?<br />
Beate Köhn: Weil auch die dortigen Mitarbeiter eine Meldung<br />
nicht als Privatperson machen, sondern sie sind<br />
nach dem SGB VIII, Paragraf 8, Einrichtungen, die so eine<br />
Dienstleistung erbringen müssen.<br />
TN: Wenn hier gesagt wird, dass eine anonyme Beratung<br />
etwas anderes ist als die anonymisierte Meldung, das<br />
finde ich einleuchtend. Die Meldung kann nicht anonym<br />
sein, das hat was damit zu tun, dass man nicht einfach<br />
jemanden beschuldigen darf, ohne dafür auch einstehen<br />
zu müssen.<br />
Beate Köhn: Von dem allgemeinen und sehr umfangreichen<br />
Angebot zum Kinderschutz gehen wir wieder<br />
zurück auf einen Aspekt, nämlich mit Eltern überhaupt<br />
erst mal in Kontakt zu kommen und den Kontakt zu halten.<br />
Das ist ja für viele, die hier sind, ein Teil dieser direkten<br />
Arbeit. Auch dazu zu ermuntern, die angebotene<br />
Hilfe anzunehmen. Vieles von dem, was Ihre KollegInnen<br />
tun, die ehrenamtlich in den Familien sind, muss auch in<br />
der Kita, in Nachbarschaftsheimen oder Freizeiteinrichtungen<br />
passieren, weil wir es oft mit sehr entmutigten<br />
Familien zu tun haben. Wir haben es oft mit Familien zu<br />
tun, die bisher möglicherweise das Jugendamt oder auch<br />
andere Institutionen und staatliche Unterstützung nicht<br />
als hilfreich und nicht als würdigend und respektvoll<br />
erlebt haben. Insbesondere haben sie diese Erfahrung<br />
gemacht, wenn sie beim JobCenter bestimmte Anträge<br />
stellten mussten. Wer das mal mitgemacht hat oder sehr<br />
nahe an Leuten dran ist, die das mitmachen müssen,<br />
der weiß: Es ist unglaublich, welche Entmutigung damit<br />
einhergeht.<br />
Ich habe das jetzt ein bisschen auf Nachbarschaftsheime<br />
ausgerichtet, aber Sie können sich das auch umdenken:<br />
Wie im Gegensatz dazu eine stärkende und ermutigende<br />
Einstellung bei denjenigen, die Hilfe anbieten, präsent ist.<br />
Denn damit wird was vorgelebt, damit wird ein bestimmtes<br />
Beziehungsgeschehen vorgelebt, das stimmt auch für Ihre<br />
Ehrenamtlichen, die leben das. Das theoretische Wissen<br />
darüber, was Kinder brauchen, um gesund und glücklich<br />
aufwachsen zu können, haben viele. Aber darüber hinaus<br />
halte ich es für enorm wichtig, dass wir uns, ob ehrenamtlich<br />
oder professionell, Risikofaktoren, mit Gefährdungseinschätzung<br />
befassen, um eine mögliche Gefährdung<br />
eines Kindes erkennen zu können.<br />
Einen Teil macht der gesunde Menschenverstand, andere<br />
Teile sind schon ein bisschen schwieriger zu erkennen. Gut<br />
gemeint ist nicht immer gut, wenn man desolate Verhältnisse<br />
mit seiner Unterstützung vielleicht aufrecht erhält.<br />
Ich bin durch meine Arbeit immer mit den Super-Krisen-<br />
Fällen befasst, mit häuslicher Gewalt usw. Wenn man da<br />
nach dem Motto hinsieht: Eigentlich ist er doch ganz nett,<br />
ist auch ganz nett zum Kind, ohne zu erkennen, welche<br />
Dynamik und welche Gefährdung dahinter steckt, dann ist<br />
das nicht hilfreich.<br />
Deswegen ist ein bestimmtes Wissen schon gut. Die<br />
zweite Seite ist das Wissen um die gesellschaftlichen<br />
Hintergründe, auf denen familiäres Leben stattfindet.<br />
Ökonomische Verhältnisse werden manchmal außer<br />
Acht gelassen. Oder etwa: Was bedeutet es, wenn jemand<br />
zum Beispiel inhaftiert gewesen ist, wie erlebt der<br />
die Unfreundlichkeit des Arbeitsmarktes, usw., was bedeutet<br />
das für die Familien? Es gibt diesen nicht ausgesprochenen<br />
Satz in Familien mit großen Schwierigkeiten:<br />
Niemand soll wissen, niemand darf wissen. Das ist natürlich,<br />
wenn man mit seinem schönen Hilfe-Setting aus<br />
irgendeinem gut gemeinten professionellen Grunde ankommt,<br />
unverständlich: Wie sind die denn drauf? Was<br />
ist denn da los? Warum finden die das nicht toll, ich bin<br />
<strong>Familiennetze</strong> - Jahrestagung Stadtteilarbeit 2008 43