22.11.2013 Aufrufe

Evaluation - Landschaftsverband Rheinland

Evaluation - Landschaftsverband Rheinland

Evaluation - Landschaftsverband Rheinland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Maßnahmen und Interventionen im Consulentenprojekt<br />

4.3 Maßnahmen und Interventionen im Überblick<br />

Die im <strong>Evaluation</strong>sbogen aufgenommenen Maßnahmen und Interventionen zur Verbesserung<br />

der Problemlage vor Ort sind Ausdruck eines system-ökologischen Denkens, das<br />

Verhaltensauffälligkeiten nicht primär als Merkmal der Person, sondern als Teil eines<br />

komplexen Bedingungsgeflechts sieht.<br />

4.3.1 Theoretische Grundannahmen<br />

Zum Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten gibt es in Theorie und Praxis zahlreiche<br />

Handlungsansätze. Sie basieren auf jeweils unterschiedlichen Annahmen zur Funktion<br />

und zum Bedingungszusammenhang auffälliger Verhaltensweisen, die im Rahmen dieser<br />

Studie nicht erläutert werden können. (vgl. BUNDESVEREINIGUNG LEBENSHILFE 1996).<br />

BRADL (2003) hat mögliche Funktionen von Verhaltensauffälligkeiten am Beispiel aggressiver<br />

Verhaltensweisen (Fremdgefährdung, Selbstverletzung, Sachbeschädigung)<br />

beschrieben:<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

Existenzielle Funktion (Selbstbehauptung, Autonomiestreben)<br />

Explorative Funktion (aktive Erkundung der Möglichkeiten und Grenzen der Umwelt,<br />

z. B. bei Eintritt in neue soziale Bezugssysteme)<br />

Expressive Funktion (Ausdruck der individuellen Persönlichkeit, der Bedürfnisse und<br />

emotionalen Befindlichkeit, des Lebensstils)<br />

Psychohygienische Funktion (z. B. Abbau von Wut, Spannungen, Frustrationen)<br />

Instrumentelle Funktion (Durchsetzungsstrategie u. a.)<br />

Soziale Funktion (z. B. Ausdruck von Distanz, Ablehnung, Abwehr oder Nähe, Zuwendung,<br />

Aufmerksamkeit)<br />

Hinsichtlich des Bedingungsgefüges besteht heute weitgehend Konsens darüber, dass<br />

Verhaltensauffälligkeiten Ausdruck einer Störung der Austauschprozesse zwischen Individuum<br />

und Umwelt sind, die in der Regel bereits im frühen Eltern-Kind-Dialog entstanden<br />

ist und sich im weiteren Verlauf durch immer wieder misslingende oder abbrechende<br />

Beziehungen und andere traumatische Ereignisse manifestiert hat. Neben Beziehungsproblemen<br />

sind für die Entstehung von psychischen Krisen oder Störungen Gewalterfahrungen<br />

in therapeutischen Kontexten, Unter- oder Überforderung und ambivalente<br />

Betreuungskonzepte oder -haltungen sowie Probleme der Enkodierung und Dekodierung<br />

nonverbaler Botschaften, die unter anderem durch eine geringe Differenzierung des<br />

Ausdrucksrepertoires für unterschiedliche Befindlichkeiten oder atypische Ausdrucksformen<br />

bedingt sind, von besonderer Bedeutung (vgl. BRADL 1991). Im Einzellfall kann eine<br />

extreme Diskrepanz zwischen Situations- und Sprachverständnis und der eigenen Artikulations-<br />

bzw. Ausdrucksfähigkeit als permanentes Stresserleben zu psychischen Krisen<br />

führen.<br />

Deprivierende lebensgeschichtliche Erfahrungen gefährden oder beeinträchtigen die<br />

Ausbildung des Selbstwertgefühls geistig behinderter Menschen mit erheblichen Auswirkungen<br />

auf die psychische Gesundheit:<br />

„Die wiederholten Beziehungsabbrüche in der Kindheit hemmen die Entwicklung auf allen Gebieten,<br />

Verhaltensstörungen zeigen die seelische Not der Kinder an. Eine weitere Traumatisierung<br />

ergibt sich meistens durch die gesellschaftliche Realität. Geistig behinderte Menschen werden<br />

gering geschätzt, mit Vorurteilen belegt und ausgegrenzt, mit einem Wort: stigmatisiert. (...) Die<br />

Stigmatisierung wirkt sich, selbst wenn sie rational nicht begriffen wird, auf die emotionale Befindlichkeit<br />

geistig behinderter Menschen aus. (...) Selbstwertzweifel, Depressivität, oftmals auch tiefsitzende<br />

Ängste um die eigene Existenzberechtigung sind die Folge und führen zu psychischer<br />

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!