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In den Mühlen des Staatsterrors - The 3 Saints

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waren oben. Weil in dem Leben ...weil in dem Leben<br />

... also in dem To<strong>des</strong>kampf erkannte schon<br />

nicht, meines Achtens, der Vater, daß sein Kind hinter<br />

ihm liegt, unter ihm.<br />

Und wenn man die Tür geöffnet hat ... sind die<br />

Menschen herausgefallen. Wobei ... herausgefallen<br />

wie ein Stück Stein, große Steine, sagen wir, von<br />

einem Lastwagen, wie ein Ballast. Und dort, wo der<br />

Zyklon wieder war, war leer.<br />

Wo die Kristallen vom Zyklon eingeschüttet waren,<br />

war leer. Ja. Da war eine ganz leere Stelle. Wahrscheinlich<br />

haben die Opfer gespürt. Daß hier ... am<br />

stärksten der Zyklon wirkt.<br />

Ja. Die Leute also waren ... die Leute waren verletzt,<br />

weil sie durcheinander in der Dunkelheit aufeinandergeraten<br />

sind, der einen auf’n anderen angeprallt,<br />

verschmutzt, verkotet, Blut von <strong>den</strong> Ohren,<br />

von der Nase. Man konnte auch sehen, in einigen<br />

Fällen, daß die auf die Erde liegende Menschen<br />

so, würde ich sagen, durch <strong>den</strong> Preß von <strong>den</strong> anderen<br />

zu unkenntlich ... sie waren nicht einmal...man<br />

könnte sie ... sagen wir mal, die Kinder haben <strong>den</strong><br />

Schädel auch zerbrochen.<br />

Ja, also die Menschen brachten Blutungen, von<br />

Ohren, von Nas, Menstruationsblutungen vielleicht<br />

waren auch dabei, nicht vielleicht, bestimmt, das<br />

alles also war in dem Lebens... also in dem To<strong>des</strong>kampf,<br />

war eine furchtbare Anblick. Und das war<br />

das Schwerste dran. Es war sinnlos, die Wahrheit<br />

überhaupt zu sagen jedem, der die Schwelle <strong>des</strong><br />

Krematoriums übertrat. Da konnte man nicht retten.<br />

Da war unmöglich zu retten. Wir haben sich<br />

schon vielmal im Sonderkommando Gedanken<br />

gemacht, wie man ... wie man überhaupt <strong>den</strong> Menschen<br />

das sagen konnte.<br />

Ja. Wie man das könnte beibringen <strong>den</strong> Menschen.<br />

Aber, die Erfahrungen, das war nicht nur<br />

einmal, sagen wir mal, das waren einige Male, wo<br />

man das gesagt dann hat, haben gezeigt, daß es zu<br />

nichts bringt. Daß es mehr herausbringt, daß es<br />

mehr noch <strong>den</strong> Leben verschwert. Hauptsächlich,<br />

das hat ein ... das hat ein vielleicht einen kleinen<br />

Nutzen. Wir haben so geglaubt, ja, bei Ju<strong>den</strong>, die<br />

aus Polen kamen, oder bei die Ju<strong>den</strong> aus <strong>The</strong>resienstadt<br />

(Familienlager), die doch halbes Jahr in<br />

Birkenau gelebt haben, ja, vielleicht hier hätte es<br />

noch einen, so haben wir geglaubt, einen Zweck<br />

gehabt, <strong>den</strong>en Menschen das sagen. Aber stellen Sie<br />

sich mal vor in anderen Fällen, wie das war. Ju<strong>den</strong><br />

aus Griechenland, Ju<strong>den</strong> aus Ungarn, Ju<strong>den</strong> aus<br />

Korfu, die auf’m Weg zehn bis zwölf Tage waren,<br />

verhungert, und einige Tage ohne Wasser, kein ...<br />

durstig, die sind schon angekommen wie verwildert.<br />

Auf die ist man anders wieder gegangen. Denen<br />

hat man nicht gesagt ... <strong>den</strong>en hat man gesagt:<br />

„Ihr zieht euch aus, und gleich bekommt jeder<br />

eine volle Schüssel Tee.“ Und diese Menschen<br />

waren alle so verwildert dadurch also, daß sie viele<br />

lange ... so eine lange Zeit auf dem Wege waren,<br />

daß ihr alles, ihr ganzes Gedanken, war nur, sich<br />

<strong>den</strong> Durst zu löschen, abgestimmt.<br />

Und die Henker, die SS, hat es gar gut gewußt.<br />

Das war ein vorprogrammiertes ... eine vorprogrammiertes<br />

Vernichtungsprozeß, der einkalkuliert war,<br />

daß, wenn die Menschen so geschwächt wür<strong>den</strong><br />

sein, wenn man sie geben würde was zu trinken,<br />

dann wür<strong>den</strong> sie gehen in <strong>den</strong> Gaskammern. Aber<br />

praktisch, wenn man das nimmt, ja, waren diese<br />

Menschen schon fast vor ihrer ... vor ihrer Vernichtung<br />

schon ...schon vor der Gaskammer. Stellen Sie<br />

sich mal vor die Kinder. Die haben gebeten ihre<br />

Mütter, die haben geschrien: „Mutter, ich bitte,<br />

Wasser, Wasser, Wasser, Wasser!“<br />

Die Menschen, die einige Tage nicht getrunken<br />

haben, ja, waren also fixiert nur auf diese Sache.<br />

Also <strong>den</strong>en Menschen was zu sagen, hätte überhaupt<br />

keinen Sinn.<br />

Filip Müller, Tschechien, Überlebender der fünf Liquidationen<br />

<strong>des</strong> Sonderkommandos Auschwitz,<br />

aus Claude Lanzmann: SHOAH 1986 Claassen Verlag<br />

Düsseldorf, jetzt München.<br />

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