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In den Mühlen des Staatsterrors - The 3 Saints

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nichts von ihm wissen will, und wenn er ein Problem<br />

hat, soll er das gefälligst selbst lösen. Eine<br />

Stunde später stand der Soldat wieder vor der Tür<br />

und überbrachte mir eine Botschaft seines Chefs,<br />

wonach eine Nachricht aus England für mich eingegangen<br />

sei.<br />

Der Garnisonskommandant sagte zu mir:<br />

Mevrouw, Sie müssen sich so schnell wie möglich<br />

mit <strong>den</strong> Kindern aus dem Burgerweeshuis nach<br />

IJmui<strong>den</strong> begeben, wo man momentan alles daran<br />

setzt, ein Schiff nach England flott zu machen,<br />

und in London bemüht man sich um die Zustimmung<br />

der Royal Navy. Sie bekommen von mir ein<br />

Schreiben für alle Posten, die Sie unterwegs aufhalten<br />

könnten, aus dem ersichtlich ist, daß Sie in<br />

meinem Auftrag handeln. Mit diesem Schreiben begab<br />

ich mich sofort zur Lijnbaansgracht, zu<br />

Mevrouw van Tijn, der Leiterin <strong>des</strong> Burgerweeshuis.<br />

Sie war nicht da, sondern befand sich zum Mittagessen<br />

im Américan, und dort bat ich sie um Erlaubnis,<br />

Busse zu chartern. Außerdem bat ich Sie, die<br />

Mitglieder <strong>des</strong> Joodse Comités zu benachrichtigen,<br />

sie könnten mitfahren und ebenso mit dem Schiff<br />

nach England flüchten. Um halb zwei stand ich<br />

mit 5 Bussen vor dem Burgerweeshuis, aber als ich<br />

rein wollte, hielt der Pförtner mich zurück: Ich dürfe<br />

das Heim nicht mehr betreten, sagte er, ich sei eine<br />

staatsfeindliche Person. Das war doch seltsam, daß<br />

ein einfacher Mann, der mich schon lange kannte,<br />

so auf <strong>den</strong> Putz haute. Ich habe mich nicht weiter<br />

mit ihm angelegt, sondern ihm geantwortet: Gut,<br />

ich darf nicht rein – aber die Kinder können<br />

schließlich raus, holen Sie die Kinder her, die Busse<br />

stehen bereit, und ich werde die Kinder von hier<br />

wegbringen. Das mußte er eben verkraften, aber<br />

dann trommelte er die Kinder zusammen, und alle<br />

stiegen in die Busse. Wir sind noch die Lijnbaansgracht<br />

entlang gefahren, trafen aber keinen von der<br />

Verwaltung. Wohl entdeckten wir etwa vierzig jüdische<br />

Leute, die ratlos herumstan<strong>den</strong> und mich fragten,<br />

wie sie tun sollten. Ich ließ sie einsteigen, und<br />

auf der Weteringschans trafen wir doch noch eine<br />

der Heimleiterinnen, eine Deutsche, die ebenfalls<br />

zustieg. <strong>In</strong> IJmui<strong>den</strong> stießen unsere Busse auf<br />

Fahrzeugkolonnen mit diskutieren<strong>den</strong> und gestikulieren<strong>den</strong><br />

Menschen. Ich stieg aus, lief längs der<br />

Autos und Knäuel von Radfahrern nach vorne zum<br />

Hafen, wo holländisches Militär die Menschen im<br />

Auftrag der Regierung zurückdrängte. Ich war damals<br />

schon nicht damit einverstan<strong>den</strong>, und ich<br />

habe auch heute noch kein Verständnis dafür, ich<br />

finde es immer noch Wahnsinn, daß damals die<br />

Menschen daran gehindert wur<strong>den</strong> zu flüchten.<br />

Und hätten sie sich mit <strong>den</strong> Fingerkuppen an der<br />

Reling festkrallen müssen, um mit einem Schiff<br />

auslaufen zu können, das wäre immer noch besser<br />

gewesen, als die Alternative: <strong>den</strong> Deutschen in die<br />

Hände zu fallen. Mit meinem Brief <strong>des</strong> Garnisonskommandanten<br />

kam ich auch nicht durch. Damit<br />

rechnet kein Kommandant: Außerhalb seines<br />

Truppenstandorts pfeift jeder auf ihn. Glücklicherweise<br />

entdeckte ich Meneer Koning, <strong>den</strong> Direktor<br />

der Gesellschaft Nederland. Er brachte mich zum<br />

Marinekommandant Hellingman, <strong>des</strong>sen Rang ich<br />

nicht mehr in Erinnerung habe. Ich weiß wohl<br />

noch, wie ruhig er sagte: Natürlich Mevrouw, Sie<br />

können passieren, und nehmen Sie so viele Leute<br />

wie möglich mit. Im Hafen lag die „Bodegraven”<br />

der K.N.S.M. (Koninklijke Nederlandse Stoomboot<br />

Maatschappij), das war unser Schiff. Tausende Menschen<br />

hätten dort unterkommen können, aber sie<br />

wur<strong>den</strong> nicht durchgelassen. Übrigens war sogar<br />

eine Anordnung gekommen, die „Bodegraven” zu<br />

versenken, so wie die „Coen”, die ich selbst habe<br />

untergehen sehen, und so wie die Schiffe von<br />

Wijsmuller. Noch so ein Wahnsinn: Schiffe zu versenken,<br />

die unbedingt hätten auslaufen können<br />

und müssen. Meneer Koning brachte jüdische<br />

Freunde an Bord. Ich brachte mit meinen Bussen<br />

Leute zur Schleusenmauer: Mevrouw Vos mit zwei<br />

Söhnen und Dr. Wijsenbeek und seine Familie ließ<br />

ich einsteigen. Dr. Wijsenbeek war sehr aufmerksam,<br />

er sagte zu mir: Sie kommen aus diesem Chaos<br />

nicht mehr raus mit ihren Bussen, hier sind meine<br />

„Mit vielen herzlichen Glückwünschen zu Tante Minas Geburtstag,<br />

Erich Bernd Cohen“, 1956 zum 90. Geburtstag von Mina Sanders in Oakland. (119)<br />

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