In den Mühlen des Staatsterrors - The 3 Saints
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„Zentralstelle für jüdische Auswanderung“. Meine<br />
Mutter fuhr mit mir nach Amsterdam, wo ich, im<br />
Alter von knapp 15 Jahren, selbst Rede und Antwort<br />
stehen sollte. Als ich an der Reihe war, wurde ich<br />
vom Wartezimmer zu fünf Männern einer Kommission<br />
geführt, die in SS-Uniform hinter einem grünen<br />
Schreibtisch saßen, in der Mitte der deutsche<br />
Leiter, SS-Hauptsturmführer Aus der Fünten, später<br />
bekannt gewor<strong>den</strong> als einer der zu hohen Zuchthausstrafen<br />
verurteilten „drei von Breda“. Aus der<br />
Fünten musterte mich mit kaltem Blick und sprach<br />
mich an: „Du Jüdin, was hast du vorzubringen?“<br />
„Du Jüdin!“ das habe ich bis heute nicht vergessen,<br />
ansonsten weiß ich nur, er war schrecklich zu mir.<br />
Obwohl wir meinen Auftritt zu Hause gründlich<br />
vorbereitet hatten, war ich sehr aufgeregt, geriet bei<br />
dem Versuch, die komplizierten Hintergründe vorzutragen,<br />
bald ins Stocken und fing an zu weinen.<br />
Daraufhin kam die Mutter dann doch ins Zimmer,<br />
um mir die wenigen Minuten, die mir zur Verfügung<br />
stan<strong>den</strong>, beizustehen. Der Antrag wurde später<br />
schriftlich abgelehnt.<br />
Am 3. Mai 1942 kam auf Veranlassung der Deutschen<br />
eine Polizeiverordnung heraus, wonach alle<br />
Bürger jüdischen Glaubens gezwungen wur<strong>den</strong>,<br />
<strong>den</strong> „Ju<strong>den</strong>stern“ auf der Kleidung zu tragen, einen<br />
deutlich sichtbaren, großen, gelben Stern mit<br />
dem Wort „Jood“ darauf. Der Stern, der bei der Behörde<br />
abgeholt wer<strong>den</strong> mußte, durfte nicht mit Sicherheitsnadeln<br />
befestigt wer<strong>den</strong> und wurde daher<br />
auf jedem Kleidungsstück festgenäht.<br />
Ich war zu der Zeit 16 Jahre alt und besuchte in<br />
Deventer die 4. Klasse der „Middelbare School“<br />
(HBS Hoogere Burger School). Ich vergesse nie,<br />
beim ersten Mal, als ich mit dem „Ju<strong>den</strong>stern“ zur<br />
Schule ging, kam Tante Mina auf mich zu, hob<br />
<strong>den</strong> Zeigefinger und sagte zu mir: „Nun mußt du<br />
richtig stolz herumlaufen, so daß jeder <strong>den</strong> Stern<br />
gut sehen kann. Der Stern selbst ist nicht so wichtig.<br />
Sei stolz darauf, Jude zu sein. Du bist ein Kind<br />
<strong>des</strong> auserwählten Volkes. So mußt du das sehen!“<br />
(Je bent een kind van het uitverkoren volk.) Mutter<br />
und Vater äußerten sich so nie, alle wußten, daß<br />
die Kennzeichnung durch die Besatzer im Grunde<br />
eine schreckliche Demütigung und Diskriminierung<br />
als „deutsche Volksfeinde“ bedeutete, aber die<br />
Mutter war damit einverstan<strong>den</strong>, was Tante Mina<br />
sagte und stimmte ihr zu.<br />
Ich war die einzige in der Klasse, die von diesem<br />
Tag an <strong>den</strong> „Ju<strong>den</strong>stern“ trug. Die Reaktion der<br />
Wilhelmina Sanders, geb. Devries, wenige Monate nach ihrer Vertreibung<br />
aus Kal<strong>den</strong>kirchen, Deventer 31. März 1940. (92)<br />
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