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Festschrift 25 Jahre (2008) - Grüner Kreis

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grünerkreisBetreuungsangebote |<br />

Die Behandlung der Komorbidität im „Grünen <strong>Kreis</strong>“<br />

Seit der Gründung des Vereins<br />

„<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ unter der<br />

ärztlichen Leitung von Prim.<br />

Dr. Günter Pernhaupt und<br />

dem Beginn der stationären<br />

Rehabilitation von Personen<br />

mit einer Abhängigkeitsproblematik in den<br />

therapeutischen Gemeinschaften gibt es die<br />

Behandlung von „als besonders schwierig<br />

geltenden“ Menschen. Im Laufe der Vereinsgeschichte<br />

werden immer wieder vereinzelt<br />

PatientInnen mit einer Psychiatriekarriere<br />

oder aufgrund vieler Behandlungsversuche<br />

in der Vorgeschichte und damit aus dem<br />

psychiatrischen Behandlungskontext fallende<br />

Menschen in die einzelnen Stationen aufgenommen.<br />

Mit der Entwicklung des Vereins<br />

von einem couragierten Pionierprojekt hin<br />

zu einer hochprofessionell behandelnden<br />

Institution wird das „Komorbiditätskonzept“<br />

entwickelt und werden so genannte „Doppeldiagnoseeinheiten“<br />

am Marienhof, in der<br />

Villa und zuletzt in Johnsdorf in das gängige<br />

Behandlungsmodell integriert.<br />

Sucht und seelische Erkrankung:<br />

Die Behandlung der Komorbidität<br />

Die Definition von Komorbidität. Komorbidität<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang das<br />

gemeinsame Vorliegen einer oder mehrerer<br />

psychischer Störungen (Persönlichkeitsstörung,<br />

Psychose, affektive Störung, Angststörung)<br />

und einer Abhängigkeitserkrankung bei<br />

einer Person. Der Begriff Komorbidität wurde<br />

1970 von Alvan R. Feinstein geprägt. Die<br />

diesbezügliche Forschung beginnt Mitte der<br />

80-er <strong>Jahre</strong> mit der Entwicklung des kriptiver<br />

Klassifikationssysteme im Gesundheitswesen,<br />

die es ermöglichen, mehr als eine psychische<br />

Störung zu diagnostizieren. Komorbide PatientInnen<br />

haben in der Regel deutlich schlechtere<br />

Therapieverläufe und -chancen, es sei<br />

denn, beide Störungen können in integrativen,<br />

langfristigen, stufenweisen Programmen<br />

behandelt werden. Die Hälfte der Personen<br />

mit schweren psychischen Störungen<br />

entwickeln in ihrem Leben auch irgendwann<br />

einen Substanzmissbrauch bis hin zur Abhängigkeitserkrankung.<br />

Man spricht heute<br />

ausschließlich bei psychischen Störungen,<br />

die vor dem Suchtmittelmissbrauch auftreten,<br />

von Komorbidität. Die so genannten drogeninduzierten<br />

Psychosen klingen bei Absetzen<br />

des Drogenkonsums in der Regel wieder ab<br />

(Moggi, 2007).<br />

Das Komorbiditätskonzept des „Grünen<br />

<strong>Kreis</strong>es“. Das integrative Behandlungsmodell<br />

des Vereins verbindet für Menschen mit<br />

vorliegender Komorbidität die stationäre<br />

Langzeittherapie mit der psychiatrischen Behandlung,<br />

individuellen Sonderprogrammen<br />

und verschiedenen Formen der zumeist stationären<br />

bis hin zur ambulanten Nachbetreuung.<br />

Die PatientInnen sind in den Einrichtungen<br />

Marienhof (16 Plätze), Johnsdorf (16 Plätze)<br />

und Villa (4 Plätze) untergebracht und dort<br />

in die therapeutischen Wohngemeinschaften<br />

integriert. Sie nehmen zumeist an der Beschäftigungstherapie<br />

in den Kreativwerkstätten<br />

teil, wobei auf das jeweilige Leistungsniveau<br />

individuell eingegangen wird. Sie unterziehen<br />

sich einer psychiatrischen Behandlung<br />

in Form von stützender Medikation, erhalten<br />

zusätzliche psychotherapeutische Betreuung<br />

in Form einer Gruppeneinheit pro Woche<br />

oder innerhalb der Einzeltherapie, sowie<br />

Bewegungs-, Entspannungs- und kognitives<br />

Training, Psychoedukation und Unterstützung<br />

bei lebenspraktischen Fertigkeiten. Die<br />

Integration erfolgt je nach Bedarf, vorhandenen<br />

Ressourcen und Entwicklungsstand. Die<br />

Angebote variieren jeweils leicht zwischen den<br />

drei verschiedenen Einrichtungen. Das Ziel ist<br />

letztlich wie bei allen anderen Mitgliedern der<br />

therapeutischen Gemeinschaft ein abstinentes<br />

Leben, die Reintegration in die Gesellschaft<br />

oder nachbetreuende Wohn- und Arbeitsprojekte<br />

im Sinne des Erwerbes von neuen Bewältigungsstrategien<br />

im Umgang mit der eigenen<br />

psychischen Erkrankung, dem Alltag und den<br />

Mitmenschen. Das „voneinander Lernen“ der<br />

Mitglieder der therapeutischen Gemeinschaft<br />

erweist sich als besonders förderlich und wirkt<br />

einer die Entwicklung hemmenden Ghettoisierung<br />

entgegen.<br />

Das Spezialkonzept der mobilen Betreuung.<br />

Die mobile Betreuung bietet Menschen mit vorliegender<br />

Komorbidität und abgeschlossener<br />

stationärer Therapie ein Folgebetreuungsmodell,<br />

bei dem ein Schritt nach „draußen“ und<br />

dessen Erprobung möglich wird. Die Therapie<br />

wird insgesamt fortgeführt, der/die Patient/in<br />

arbeitet weiterhin in der therapeutischen Gemeinschaft,<br />

lebt aber selbständig in einer vom<br />

Verein angemieteten Wohnung und wird nach<br />

den individuellen Bedürfnissen weiter betreut.<br />

Dieses Weiterführen der Therapie in eigener<br />

Wohnung außerhalb, aber angegliedert an die<br />

therapeutische Gemeinschaft, ermöglicht in<br />

bestimmten Fällen auch die Integration so<br />

genannter „SystemsprengerInnen“. Das sind<br />

Menschen mit einer schweren psychosozialen<br />

Beeinträchtigung, die neben anderen Kriterien<br />

häufig unfähig sind, sich in eine Gruppe zu<br />

integrieren und aus beinahe jedem Behandlungskontext<br />

fallen.<br />

Mit all diesen Angeboten ist eine individuelle<br />

Behandlung und Begleitung in den verschiedensten<br />

Fällen gut möglich. Die Stabilität vieler<br />

ehemaliger PatientInnen mit einer Komorbidität,<br />

die weiterhin seit <strong>Jahre</strong>n im Verein oder<br />

in anderen nachbetreuenden Einrichtungen<br />

leben oder inzwischen seit langem ein selbstständiges<br />

Leben in der Gesellschaft gefunden<br />

haben, bestätigt diesen Behandlungsansatz.<br />

Unsere Arbeit zeugt von der Vielfalt der Angebote,<br />

der Möglichkeit des Eingehens auf<br />

das Individuum, dem Bestehen eines Raumes<br />

für das Entwickeln von neuen Modellen, dem<br />

Engagement von vielen MitarbeiterInnen inner-<br />

und außerhalb der einzelnen therapeutischen<br />

Gemeinschaften, des Führungsteams<br />

und des Vorstands und nicht zuletzt von der<br />

Umsichtigkeit vieler Kostenträger. Anlässlich<br />

des <strong>25</strong>-jährigen Bestehens des Vereins „<strong>Grüner</strong><br />

<strong>Kreis</strong>“ wünsche ich uns allen weiterhin viel<br />

Freude und Energie in der Zusammenarbeit<br />

im Sinne der vielen Menschen, die wir in ein<br />

drogenfreies Leben begleiten.<br />

Literatur:<br />

Feinstein Alvan R.: The pre-therapeutic classification<br />

of comorbidity in chronic disease.<br />

Journal of Chronic Diseases 23 (1970), S.<br />

455–468.<br />

Moggi Franz: Doppeldiagnosen, Komorbidität<br />

psychischer Störungen und Sucht. 2. Auflage<br />

2007, Verlag Hans Huber, Bern.<br />

TEXT UND FOTOS:<br />

DR. PETRA SCHEIDE,<br />

KLINISCHE PSYCHOLOGIN,<br />

PSYCHOTHERAPEUTIN,<br />

LEITERIN VILLA<br />

<strong>25</strong> <strong>Jahre</strong> „<strong>Grüner</strong> <strong>Kreis</strong>“ 39

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