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veranstaltungen<br />
BÜHNE<br />
ein büchner für bern<br />
(Bild: zVg.)<br />
Von Michael Imoberdorf - Das junge theater basel spielt im Schlachthaustheater Bern Georg Büchners «Leonce und Lena»<br />
■ Ähnlich grotesk wie uns heute beispielsweise<br />
der Gedanke erscheint, dass Florian Asts «Daneli»<br />
irgendwann in die Kirchengesangbücher aufgenommen<br />
werden könnte, erschien wohl den meisten<br />
Menschen um 1830 der Gedanke, dass die Texte des<br />
blutjungen literarischen Delinquenten Büchner einst<br />
in den Kanon klassischer Literatur aufgenommen<br />
werden sollten. Ob Ast es mit seiner Musik je in die<br />
Kirchengesangbücher schaffen wird, sei dahingestellt.<br />
Fakt ist, dass das literarische Werk Büchners,<br />
trotz der ablehnenden Haltung seiner Zeitgenossen,<br />
heute einen festen Bestandteil der deutschen Literatur-<br />
und Dramengeschichte darstellt. Die Texte des<br />
politischen und literarischen Rebellen Büchner, die<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Leserschaft<br />
provozierten, zählen heute zu den Klassikern<br />
der deutschen Literatur. Das Werk des «enfant terrible»<br />
Büchner wirkt aber heute auf Leser eher schöngeistig<br />
denn provokativ.<br />
Das junge theater basel zeigt vom 15. bis zum<br />
17. Februar 2007 im Schlachthaustheater Bern<br />
seine Les<strong>art</strong> von Büchners Lustspiel «Leonce und<br />
Lena». Regisseur Rafael Sanchez und Dramaturg<br />
Uwe Heinrich versuchten das «Skandalon» des<br />
Dramas «freizuschaufeln», d. h. jene Komponenten<br />
herauszuarbeiten, die den Text für Büchners Zeitgenossen<br />
so unmöglich und «ab<strong>art</strong>ig» machten.<br />
In der Auseinandersetzung mit dem Text stiessen<br />
sie auf die Unzufriedenheit, Wut und Verzweiflung<br />
eines jungen Autors, der seine Gefühle mit einer<br />
zünftigen Portion Zynismus literarisch verarbeitete.<br />
Die Inszenierung des jungen theater basel versucht<br />
die Büchnersche Wut dynamisch umzusetzen.<br />
Das Resultat ist (endlich wieder einmal) eine<br />
kurzweilige Produktion von «Leonce und Lena».<br />
Das junge theater basel existiert seit dreissig<br />
Jahren. Während der ersten zwanzig Jahre wurden<br />
verschiedene theatrale Stilrichtungen erprobt. Vor<br />
rund zehn Jahren endete der «(theater)stilistische<br />
Evolutionsprozess» in einem eigenen und einzig<strong>art</strong>igen<br />
Theaterstil. Es ist ein sehr rhythmischer<br />
Stil, der mit musikalischen und tänzerischen Elementen<br />
arbeitet. Die Produktionen wirken somit<br />
sehr frisch, jugendlich und «unverbraucht». Die<br />
an sich schon dynamische Les<strong>art</strong> von Leonce und<br />
Lena wird durch die Spielpraxis des jungen theater<br />
basel zusätzlich intensiviert. So entsteht eine für<br />
das «handlungsarme» Drama «Leonce und Lena»<br />
ungewohnt hohe Bühnendynamik.<br />
Trotz der Bühnendynamik wirkt das Stück aber<br />
nicht hektisch - die Schauspieler nicht überdreht.<br />
Regisseur Rafael Sanchez versteht es, in dynamischen<br />
Passagen Fahrt aufzunehmen und den<br />
Schwung in die längeren Textblöcke hineinzutra-<br />
gen, in denen sich das Tempo allmählich verflüchtigt.<br />
Es entsteht so ein kurzweiliger und kraftvoller<br />
Theaterabend, dessen Herausforderung nicht<br />
(primär) auf der intellektuellen Ebene liegt, der<br />
aber überraschende Analogien zwischen «historischen»<br />
und «aktuellen» Lebensgefühlen aufzeigt.<br />
Wie alle Produktionen des jungen theater basel<br />
wird auch «Leonce und Lena» auf schweizerdeutsch<br />
gespielt. Der Schriftsteller Lukas Holliger<br />
übersetzte im Auftrag des jungen theater basel das<br />
Stück aus einer distanzierten Autorenperspektive<br />
heraus in ein zeitgemässes Schweizerdeutsch. Dabei<br />
bewies er viel Fingerspitzengefühl: Er schafft<br />
es, viele «Bilder» von Büchner ins Schweizerdeutsche<br />
«herüberzuretten», ersetzt aber auch unzeitgemässe<br />
«Bilder» durch neue.<br />
Spieldaten und Informationen zum Stück: Ausblick<br />
Bühne in dieser Ausgabe von ensuite - kulturmagazin<br />
oder<br />
www.schlachthaus.ch<br />
Informationen zu Theaterkursen und Aufführungen<br />
des jungen theater basel:<br />
www.jungestheaterbasel.ch<br />
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ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07