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cinéma<br />

FILM<br />

nicht blink, blink – sondern blink, bumm<br />

Von Sonja Wenger<br />

■ Es ist eher ungewöhnlich, zum St<strong>art</strong> eines Kinofilmes<br />

eine Medienmappe von niemand geringerem<br />

als Amnesty International (AI) zu erhalten. «Nein<br />

zu Konfliktdiamanten» propagiert die Menschenrechtsorganisation<br />

und streicht heraus, dass «der<br />

Diamantenhandel nicht immer so glänzend ist, wie<br />

das Produkt selbst». Der Anlass? Leonardo DiCaprio<br />

spielt die Hauptrolle im Film «Blood Diamond», der<br />

seit dem 25. Januar in den Deutschschweizer Kinos<br />

läuft. Für seine Rolle als südafrikanischer Diamantenschmuggler<br />

in vom Bürgerkrieg geschüttelten<br />

Sierra Leone wird er gerade mit Nominationen und<br />

Preisen überhäuft. Die Thematik um sogenannte<br />

Konflikt- oder eben Blutdiamanten aus Afrika ist die<br />

reale Grundlage dieses fiktiven Filmes, der sich um<br />

den Fischer Solomon Vandy dreht, dessen Dorf von<br />

Rebellen überfallen wird. Sein Sohn wird entführt<br />

und muss als Kindersoldat dienen. Auf der Suche<br />

nach ihm nehmen die Rebellen Vandy gefangen und<br />

zwingen ihn, in einer von ihnen kontrollierten Diamantenmine<br />

zu arbeiten. Mit dem Geld finanzieren<br />

die Rebellen ihre Waffen und damit Bürgerkrieg und<br />

Menschenrechtsverletzungen. In der Mine findet<br />

Vandy einen grossen Diamanten und versteckt ihn,<br />

doch bald sind nicht nur die Rebellen hinter dem<br />

Stein her, sondern auch Danny Archer (DiCaprio).<br />

Die Aufregung um DiCaprios neusten Film machen<br />

sich nun Regisseur Edward Zwick und Nichtstaatliche<br />

Organisation (NGOs) zunutze, auf einen<br />

politischen Aspekt hinzuweisen, der lange vernachlässigt<br />

wurde. Vor kurzem prangerte Zwick zudem<br />

eine Kampagne der US-amerikanischen Juweliere<br />

an, die für jede diamantenbestückte Hand bei der<br />

diesjährigen Oscar-Verleihung eine Summe von<br />

10‘000 US-Dollar an eine afrikanische Organisation<br />

spenden will. Nicht nur nannte er diese Praxis – zu<br />

Recht - eine fragwürdige Form der «wohltätigen Bestechung»,<br />

sondern auch besonders «geschmacklos»<br />

im Hinblick darauf, dass in Sierra Leone die<br />

Rebellenarmee dafür berüchtigt war, den Menschen<br />

die Hände abzuhacken.<br />

Die Informationskampagne von AI weist allerdings<br />

noch auf ein anderes Phänomen. Es sind nicht<br />

mehr nur engagierte Einzelpersonen, die durch den<br />

globalen Starkult verursachte mediale Aufmerksamkeit<br />

für ihre philanthropischen Zwecke nutzen<br />

à la Bono und Bob Geldof, sondern immer häufiger<br />

auch NGOs. Und warum auch nicht? Weshalb sollten<br />

Organisationen nicht auch auf diese Weise auf<br />

ehrenhafte Anliegen aufmerksam zu machen? Die<br />

Frage ist nur, weshalb gesellschaftsrelevante Informationen<br />

zunehmend von einem Medium verbreitet<br />

werden – oder werden müssen -, das lange Zeit mit<br />

reiner Unterhaltung assoziiert worden ist? Natürlich<br />

gibt es schon lange den Polit- oder Dokumentarfilm.<br />

Doch je länger je mehr entwickelt sich eine<br />

- übrigens ebenfalls enorm unterhaltsame – neue<br />

Form der Dokufiktion. Sind die Menschen tatsächlich<br />

dem hirnlosen Konsum überdrüssig geworden,<br />

oder ist es im Gegenteil eine Reaktion darauf, dass<br />

im Dschungel der Hilfsorganisationen nur noch auf<br />

diese Weise ein aufmerksames Publikum gefunden<br />

werden kann? Sind Hollywoodstars wie Angelina Jolie<br />

als Sonderbotschafterin für das Uno-Hochkommissariat<br />

für Flüchtlinge, George Clooney und sein<br />

Engagement für die Umwelt und gegen politische<br />

Korruption («Syriana»), der ehemalige US-Vizepräsident<br />

Al Gore und sein Film gegen den Klimawandel<br />

(«An Inconvenient Truth») nur Gutmenschen<br />

und clevere PR-Strategen, oder die Vorläufer einer<br />

neuen Verstrickung von Kultur und Gesellschaft?<br />

Informationen zu «Nein zu Konfliktdiamanten» auf<br />

www.amnesty.ch oder www.globalwitness.org<br />

SONG & DANCE MEN<br />

Musikfilme in der Cinématte 1<br />

Der Musikfilmzyklus «Song&Dance Men» präsentiert Filme, die die Vielfalt<br />

einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl<br />

versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen<br />

Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten<br />

führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein.<br />

Mittwoch, 28. Februar 2007, 20.00h<br />

24 Hour P<strong>art</strong>y People<br />

Regie: Michael Winterbottom; mit: Steve Coogan,<br />

John Thomson, Shirley Henderson, Paddy Considine, Sean Harris;<br />

UK/2002, 35mm, OV mit f UT, 117 Min.<br />

Die Pseudo-Dokumentation des Regisseurs von «The Road<br />

to Guantanamo», «9 Songs» und «Wonderland» bewegt sich<br />

auf den Spuren des Label- und Clubbetreibers Tony Wilson,<br />

dargestellt von Steve Coogan, der im Manchester der 80er<br />

Jahre Bands wie Joy Division, New Order und die Happy<br />

Mondays produzierte. «24 Hour P<strong>art</strong>y People» portraitiert<br />

vergnüglich und selbstironisch die Musikszene Manchesters<br />

im Übergang zwischen Punk und Techno.<br />

Einführung: Christian Gasser liest aus seinem Buch<br />

«Mein erster Sanyo. Bekenntnisse eines Pop-Besessenen».<br />

Vorschau<br />

28. März: The Devil & Daniel Johnston Einführung: Albert Kuhn (Weltwoche)<br />

18. April: The Fearless Freaks – The Wondrously, Highly Improbable Story of the Flaming Lips<br />

Einführung: Christian Gasser<br />

30. Mai: Hardcore Chambermusic – Koch Schütz Studer<br />

27. Juni: Wattstax (TBC) Einführung: Bänz Friedli<br />

Konzept, Programmation: Benedikt S<strong>art</strong>orius, Sarah Stähli<br />

Musikfilme in der Cinématte 1<br />

wasserwerkgasse 7, bern Reservationen: Tel. 031 312 45 46 oder www.cinematte.ch<br />

28<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07

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