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43<strong>art</strong>ensuite «Jeder macht, was er will…» ■ …spricht eine männliche Stimme aus dem Off. Auf einen künstlerischen Ausdruck hin bezogen ist diese Aussage sicher nicht falsch und für Yves Mettlers Ausstellung in der Galerie Annex14 bedeutet dies unter anderem eine Auseinandersetzung mit Architektur. In den «Kairopieces» von 2006 treffen in Inkjetprints weisse Flächen auf Recyclingpapier und grenzen sich ohne Zwischentöne h<strong>art</strong> gegen den Papierton ab. Nach fotografischen Vorlagen von Gebäuden gestaltet, dominieren in der Umsetzung die ornamentalen Strukturen der eckig geraden oder kurvig geschwungenen Formen. Als hätte ein Blitzlicht die Umwelt fast bis zur Unkenntlichkeit erhellt, ist aus den Darstellungen kein identifizierbarer, eindeutiger Ort mehr auszumachen, denn die individuellen Details fehlen gänzlich, womit im allgemeinen Bild die Frage nach der fehlenden kulturellen Identität aufkommt: Zunehmend erstaunt, dass diese moderne, europäisch anmutende Architektur in Kairo zu finden sein soll. Dieses Tunnel-Denken thematisiert Mettler in einer Klang-Installation, die aus dem Inneren von vier Souffleur- Kästen den Galerieraum bespricht. Egoistisches, eigenbrötlerisches Denken der vier Tunnel-Protagonisten, «Ich verrate gar nichts…», wechselt zu Durchlässigkeit. «Nichts ist sicher, alles ist offen…» oder komplette Abschottung «Ich will es gar nicht wissen…», was verschiedene Haltungen der Umwelt gegenüber demonstriert. Gewachsene, urbane Strukturen werden schliesslich mit der Installation «Innenhof» visualisiert, eine durchlässige Skulptur, die den Galerieeingang fast verbarrikadiert und das Aussen zum Innen und das Innen zum Aussen verwandelt. Löcher versus hoch in den Raum ragende Wände, dreidimensionale Gebilde gegenüber Papierarbeiten im alles vereinheitlichenden, farblichen Konzept von K<strong>art</strong>onbraun und sich abhebendem Weiss, verwandeln den White Cube der Galerie in einen ästhetisch stimmigen Kunstraum. (sm) Yves Mettler, Wiederholt winkt uns etwas zu annex14, Junkerngasse 14. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 14:00-18:00 h, Samstag 11:00- 16:00 h. Bis 17. Februar. Yves Mettler, Wiederholt winkt uns etwas zu, 2006 Pulp Fiction ■ Die Farbe schreit. Ein vereinnahmender, knalliger Sog von Blau zu Rot, Neongelb und leuchtendem Rosa zieht den Betrachter in Darstellungen hinein, deren Reichtum zu einer intensiven Entdeckungsreise einladen und zugleich dynamische Beschleunigung und in einem gewissen horror vacui gar ein wenig Verlorenheit vermitteln. Dicht an dicht, in überschäumender Petersburger Hängung an einer Wand der Galerie M<strong>art</strong>in Krebs angebracht, betören sie den Betrachter in «100 Ansichten von Bastropolis», der Heimat des schlaksigen, liebenswerten «Pulp». Der Bieler M.S. Bastian hat das schmächtige Comic-Figürchen mit übergrossem Kopf und glotzenden Knopfaugen mitsamt einem ganzen Lebensuniversum und einem Heer an Nebenprotagonisten geschaffen. Bastians Bilder sind keine eigentlichen Comic-Strips mit fortlaufendem Erzählstrang, eher C<strong>art</strong>oons ohne Worte mit gelegentlichen, lautmalerischen Einsprengseln, wo sich eine immens detaillierte, wuselnde Welt voller Hinweise auf die Geschichte der Kunst sowie Pop-Kultur zu einer einzig<strong>art</strong>igen Pulp-Kultur eröffnet. Hier gehen High und Low Art Hand in Hand und verdichten sich in unzähligen, witzigen Zitaten zu einer eigenständigen Synthese: So schreiten die Figürchen beispielsweise im charakteristischen Stechschritt von links nach rechts über die Abbey Road, während sie sich in einer anderen Darstellung vor romantisch rosa getränkten Himmel im Grün zu einem «Déjeuner sur l’herbe» arrangieren. Zwischen Übernahmen von Keith Haring, Roy Lichtenstein und Andy Warhol tummeln sich Superman, Popeye und Tigerente, während Mickey Mouse von Hokusais Welle weggespült wird und Munchs Schrei der «Lonely-He<strong>art</strong>s Club Band» Stimmkraft verleiht. Beim Ausgang winkt einem eine handvoll Figuren zum Abschied aus einer kleinen Scholle fröhlich zu und plötzlich wirken die Lauben Berns etwas gar grau und gemächlich im Gegensatz zur freakig bunten Pulpomanie. (sm) M.S.Bastian Galerie M<strong>art</strong>in Krebs, Münstergasse 43. Geöffnet Dienstag bis Freitag 14.30- 18.30 h, Samstag 10:00-14:00 h. Bis 24. Februar. M.S. Bastian, Bastian Square, 2006, Kunstharz auf LW, 70 x 300 cm Dreidimensional flächig ■ Unscheinbar steht sie in der Mitte des Raums: «Monstera», 2007, Lebendpflanze (monstera deliciosa), eingetopft, Dimensionen variabel, Durchmesser Topf 48 cm, 4‘300.-. Während man noch darüber sinniert, welche Kunstsammlung dieses gemeine Zimmergrün über einen Ankauf wohl bereichern mag oder ob man hier eher einem Witz aufgesessen ist, weist einen der Ausstellungstitel glücklicherweise auf den rechten Pfad: Unter «Absurdities» zeigt die Galerie bk in einer idealen Gegenüberstellung von Installation mit Gesamtkonzept einerseits und Malerei andererseits die beiden Künstler Urs Zahn und Luc Andrié. Während das teure Pflänzchen die vollkommene Realität verkörpert, findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein über zwei Meter hohes, begehbares Holzgestell, «der heckenfriend», gewissermassen ein nackter Bauplan eines Gebüsches, während die fehlenden Blätter in 47 ausschnitthaften Farblaserprints separiert an der angrenzenden Wand beigefügt sind. Die Frage nach einem universellen Bauplan führt Urs Zahn auch in farbigen Laserdrucken aufgetürmter G<strong>art</strong>enstühle weiter: Mit der Computermaus wurden deren Umrisse zeichnerisch digital festgehalten. Aufeinander geschichtet, durchlässig, fragil und zweidimensional wirken die Sitzmöbel wie eine Bildhülse, ein Bildgerüst, während der Bildträger, der aus lauter kleinen Kästen besteht, in den Realraum weist, so dass der Anschein eines vermeintlichen Leinwandkörpers entsteht. Zwischen Fläche und dreidimensionaler Wirkung schweben passend die Malereien Luc Andriés, dessen Sujets, beispielsweise Skulpturen, Tiere oder Menschen, unwillkürlich mit Volumen assoziiert, in den Darstellungen aber auf das Plane der Leinwand zurückgestutzt werden. So stösst der kleine Pudel mit der Nase an die Bildfläche: Die Farbe umfasst ihn beinahe konturlos, praktisch ohne Zwischentöne und hält ihn in seiner milchig-rosa Welt gefangen. (sm) Absurdities - Luc Andrié, Urs Zahn bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner, Speichergasse 8. Geöffnet Mittwoch bis Freitag 14:00- 18:00 h , Samstag 11:00-16:00 h. Bis 24. Februar. Luc Andrié, shampoo, 2005, Acryl auf Leinwand, 50 x 65 cm <strong>art</strong>ensuite Februar 02 | 07