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magazin<br />

BERNER KULTURMENSCHEN<br />

tanzen und hundert nebenjobs<br />

Von Eva Mollet (Foto: Eva Mollet)<br />

■ Die 32-jährige Marion Ruchti trägt ein breitrandiges<br />

Brillengestell. Die Stirnfransen sind kurz geschnitten<br />

und leicht nach rechts frisiert. Bevor sie<br />

als Choreographin für ein Tanzprojekt nach Neuseeland<br />

fliegt, leitet die zeitgenössische Tänzerin<br />

einen Jugend & Sport-Tanzkurs. Den Lebensunterhalt<br />

verdient sie sich mit Auftritten, Tanzunterricht,<br />

Luftakrobatik bei öff öff productions Bern, Yogastunden<br />

und gelegentlichen Stellvertretungen und<br />

Tanzprojekten an der Primarschule. Sie zwinkert<br />

mit den Augen: «Ich habe hundert Nebenjobs.»<br />

Marion und Neuseeland Marions Schwester<br />

studiert in Neuseeland. So kommt die Tänzerin in<br />

Kontakt mit dieser Insel auf der Südhalbkugel. Die<br />

Fläche von Neuseeland ist vier Mal so gross wie die<br />

der Schweiz, aber es leben dort nur halb so viele<br />

Einwohner. «Das ist typisch, es hat viel Platz, das<br />

spürt man auch in den Bewegungen. Die Tanzstudios<br />

sind so gross, wie hier die Turnhallen.»<br />

Marion absolviert ihre Tanzausbildung während<br />

zwei Jahren in Contemporary Dance an der School<br />

of Performing and Screen Arts in Auckland: «Es<br />

war eine sehr kreative Zeit.» Die Tanzschule ist<br />

an die Universität angeschlossen. Die Studierenden<br />

aus den Abteilungen Zeitgenössischer Tanz,<br />

Schauspiel, Film, Bühnenbild und Lichtdesign arbeiten<br />

für unterschiedliche Projekte zusammen.<br />

Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist das<br />

Choreographieren. Marion hat vier Stücke selbst<br />

choreographiert. «Entweder man erzählt tanzend<br />

eine Geschichte, oder man geht von Bewegungsmustern<br />

aus. Ich mag bildende Kunst, deshalb<br />

schaue ich stark auf die durch die Körper dargestellten<br />

dreidimensionalen Bilder.»<br />

Nach der Ausbildung bekommt Marion einen<br />

Jahresvertrag bei der Footnote Dance Company.<br />

Die Tournee führt durch verschiedene Städte. Zum<br />

Arbeitspensum gehören zahlreiche Schulaufführungen<br />

und das Leiten von Workshops. An neuseeländischen<br />

Schulen ist Tanzen Teil des Lehrplans.<br />

Zwischen Neuseeland und Neuseeland Nach<br />

dieser Tournee kehrt Marion in die Schweiz zurück.<br />

Um sich fit zu halten schwimmt sie, macht Yoga,<br />

geht in den Kraftraum und nimmt an verschiedenen<br />

Profitrainings teil.<br />

Sie arbeitet an verschiedenen Projekten: Sie<br />

entwickelt und choreographiert eigene Solostücke,<br />

tanzt aber auch in Gruppenstücken mit. Im Tanzsolo<br />

«Raum» beschränkt Marion ihre Tanzfläche auf<br />

einen Kubus von 1m 3 .<br />

In Zusammenarbeit mit Daria Gusberti probt<br />

Marion an einem abendfüllenden Stück mit dem<br />

Arbeitstitel «Solo2». Die Tänzerinnen bewegen<br />

sich im Spannungsfeld zwischen normierender<br />

Codierung und einzig<strong>art</strong>iger Zufälle innerhalb der<br />

gleichen Bedingungen: Je ein Rasenstück steht als<br />

Tanzfläche zur Verfügung. Im Hintergrund werden<br />

u. a. gesprochene Codes abgespielt, die einheitliche<br />

Bewegungsabläufe signalisieren. Die Eigenständigkeit<br />

kommt in den improvisierten Solop<strong>art</strong>s<br />

zur Geltung.<br />

Die Luft<strong>art</strong>istik und Yoga Marions erster Auftritt<br />

mit einem Kurzprogramm der öff öff productions<br />

war an der Museeumsnacht 2005. «Davor<br />

habe ich ein halbes Jahr trainiert. Die Artistik am<br />

frei hängenden Tuch braucht viel Kraft. Die Höhe<br />

war zuerst beängstigend. Beim Bungeejumping am<br />

Trapez mit Saltos während fünfzehn Metern freien<br />

Falls bin ich gesichert.»<br />

Neben der Luftakrobatik braucht Marion Yoga,<br />

um zur Ruhe zu kommen. Sie bevorzugt die Technik<br />

nach Iyengar. «Die Arbeit mit dem Material<br />

(Klötze, Seile, Kissen usw.) kommt den individuellen<br />

Voraussetzungen des Körpers entgegen.»<br />

Parallel zur Yoga-Ausbildung unterrichtet Marion<br />

jeden Mittwochabend «Yoga for Dancers» im<br />

PROGR Bern. Es nehmen auch Nicht-Tanzende teil.<br />

In Neuseeland again Marion geniesst momentan<br />

sommerliche Temperaturen in Neuseeland und<br />

freut sich darüber, dass sie sich während drei Wochen<br />

auf eine einzige Sache konzentrieren kann.<br />

Sie nimmt an einer Plattform für Choreographierende<br />

teil, bei der sie sich mit einem Projekt zum<br />

Thema Schnee beworben hat. Gerade dieser jahreszeitliche<br />

Kontrast verspricht eine interessante<br />

Auseinandersetzung mit den Tänzern und Tänzerinnen.<br />

Die Gleichzeitigkeit, die verschiedenen<br />

«Jetzts» sind für Marion von Bedeutung.<br />

Warum Marion das alles kann? Sie ist in Zweisimmen<br />

aufgewachsen und hat während zehn Jahren<br />

als Kunstturnerin fünfzehn Stunden pro Woche<br />

trainiert. Danach war klar: «Wenn ich mit Kunstturnen<br />

aufhöre, beginne ich zu tanzen.»<br />

mailto: marion_ruchti@hotmail.com<br />

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ensuite - kulturmagazin Nr. 50 | Februar 07

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