Hermann W. Prignitzer Der Serienmörder oder „Kennst du die ...

„Weiß ich nicht mehr genau. – War ich elf?“
„Kann ich dir nicht sagen, ich war nicht dabei.“
„Nee, nee, da war keiner dabei. Da war’n wir immer allein. Bis auf einmal.“
„Kommt jetzt die Geschichte von dem Holzfäller?“
„Ja, ja, das war ’n Holzfäller. Der hat mich da gefickt. Und Feldmann hat mich
festgehalten.“
„Aber in all den Jahren, die da nur in Frage kommen, wurde in diesem
Waldabschnitt kein Holz geschlagen. Auch im weiten Umkreis nicht. Das ist dem
Gericht von mehreren Seiten bestätigt worden.“
„Aber gefickt hat er mich trotzdem. Und Feldmann hat ihm geholfen. Hat
aufgepasst, dass er ihm nicht rausrutscht.“
„War das vor der Sache mit deinem Vater oder danach?“
„Gleich die nächsten Tage. Da war alles noch ganz wund dahinten. Das hab ich
auch gesagt.“
„Aber nicht vor Gericht.“
„Nee, da im Wald. Und da haben sie gesagt, dann wär’ ja alles bestens, dann
wär’ ich ja eingeritten. Und schon war er drin. Was glauben Sie, wie ich gejault hab’.
Aber so mitten im Wald, da hört ja eh keiner was. Da war’s ja egal, da hat’s keinen
gestört. Das war bei uns zu Hause schon anders. Wenn’s mir da zu weh getan hat,
musst’ ich trotzdem die Klappe halten. Bei uns war es hellhörig. Und Mutters
Schlafzimmer war gleich nebenan.“
„Wovon redest du?“
„Na dass ich mich bei uns zu Hause nicht mucksen durfte.“
„Wann durftest du dich nicht mucksen?“
„Na wenn ich gebumst wurde?“
„Ich denk, dein Vater war zu Hause schon ausgezogen? Das ist dir mit dem erst
in Hohenschönhausen passiert?“
„Ja, aber nicht das mit Jochen.“
„Du, jetzt mal schön langsam. Was hat denn dein Bruder damit zu tun?“
„Na nichts. Aber der hatte es eben auch mal nötig. Das war gleich nach Kerstin,
als die ihm den Laufpass gegeben hat. Und an Ilona war noch nicht zu denken. Und
als er das von unserm Vater gehört hat –“
„ – hast ihm das erzählt?“
„Nee, nee, das wusst’ er von ihm –“
„ – dass er dich missbraucht hat?“
„Ja, ja, dass er mich gefickt hat. Und das hat Jochen mir wiedererzählt und dann
hat er zu mir gesagt, ich sollt’ ihm mal zeigen, wie ich da vor der Badewanne
gelegen habe, als es passiert ist. Und das hab’ ich gemacht. Hab meinen Schlafanzug
ausgezogen, hab mich auf’n Rücken gelegt, und die Beine so richtig nach oben, und
in dem Moment hat er seinen Schwanz auch schon draußen gehabt. Ist aber nur ganz
schwer bei mir reingekommen. Aber das war nur beim ersten Mal. Danach hat er
sich immer auf’n Schwanz gespuckt, und allmählich war ich ja auch dran gewöhnt.
Da konnt’ ich es aushalten. – Aber das bleibt unter uns, ja? Das ist, wie wenn Sie das
jetzt wollten, das würde ja auch unter uns bleiben. Das hat vor Gericht nichts zu
suchen. Außerdem ist das mit dem Gericht ja vorbei. – Ich hab’ was an’er Schüssel,
wissen Sie das?“
„Nein.“
„Aber sonst wär’ ich ja nicht hier, sonst säß’ ich im normalen Knast. Muss doch
’n Grund haben, das mit dem Paragraphen dreiundsechzig. Sonst hätten sie mir doch
einfach die Rübe runterhauen können.“
„Bei uns gibt’s aber keine Todesstrafe.“
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