Adoption/Pflegefamilie - Clicclac
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Familie Schumann aus Oberfranken hat das unsägliche<br />
Leid der Kinder in armen Ländern angerührt.<br />
Sie haben zwei dieser Kinder adoptiert.<br />
Im Herbst 2010 sind sie mit Lucy (4) aus Kenia<br />
zurückgekehrt und seit Herbst 2010 lebt Mose<br />
(1) aus Haiti bei ihnen. Das Ehepaar hat zudem<br />
Der weite<br />
Weg zu Lucy<br />
und Mose<br />
:::<br />
Ein Vater erzählt über seine<br />
<strong>Adoption</strong>en in Kenia und Haiti<br />
einen leiblichen Sohn, Jakob (3). Vater Thomas<br />
Schumann hat über die <strong>Adoption</strong> von Lucy ein<br />
Buch geschrieben (siehe Seite 8). Im CLICCLAC-<br />
Interview spricht er über den schwierigen Ablauf,<br />
über seine Gründe und das bereichernde Leben<br />
mit den Kindern.<br />
CC: Im Buch beschreiben Sie viele bürokratische<br />
Hürden, die Sie und Ihre Frau<br />
zu bestehen hatten. Welches waren die<br />
Schwierigsten und wie lange dauerte de<br />
<strong>Adoption</strong>sprozess bei Lucy insgesamt?<br />
Die erste Hürde war unsere Anerkennung<br />
als Adoptivbewerber. Unsere Vermittlungsstelle<br />
Help A Child benötigte einen Bericht<br />
über unsere Beweggründe, in dem wir<br />
über unsere Herkunf<br />
tsfamilien,<br />
Erziehungsvorstellungen,<br />
das<br />
Eheleben und<br />
fi nanzielle Hintergründe<br />
Auskunft<br />
geben mussten.<br />
Denn Adoptivkinder haben eine oftmals<br />
traumatische Trennung hinter sich und mitunter<br />
belastende Heimerfahrungen. Daher<br />
braucht es Eltern, die gut auf ihre neue Aufgabe<br />
eingestellt und vorbereitet sind.<br />
Die schwierigste Hürde war das kenianische<br />
<strong>Adoption</strong>skomitee. Dieses tagt<br />
monatlich. Es kann aber auch mal über<br />
mehrere Monate ausfallen. Obwohl unsere<br />
Akte alle formalen Kriterien erfüllte, stellten<br />
sie Nachforderungen: Man möge doch unsere<br />
Blutwerte aufschlüsseln. Oder erklären,<br />
warum wir kein Eigenheim besitzen.<br />
Das kostete uns Monate. Insgesamt – von<br />
der ersten Informationsveranstaltung bis<br />
zur Ausreise aus Kenia – dauerte es zweieinhalb<br />
Jahre. Es ging vergleichsweise<br />
schnell.<br />
„Mittlerweile lassen wir<br />
uns von den<br />
Blicken anderer<br />
Leute nicht irritieren“<br />
CC: Sie und Ihre Frau haben eine längere<br />
Elternzeit genommen, um die Heimat Ihrer<br />
Adoptivtochter kennenzulernen. Welche<br />
Verweildauer ist in Kenia für eine <strong>Adoption</strong><br />
vorgeschrieben und welchen Eindruck haben<br />
Sie kulturell vom Land bekommen?<br />
Nach der Benennung des Kindes mussten<br />
wir in Kenia einreisen und bis zum Gerichtsbeschluss<br />
sechs bis zwölf Monate<br />
bleiben. Uns beeindruckte<br />
neben dem<br />
Land mit seinem<br />
Klima und der wunderschönen<br />
Natur<br />
die ausgeprägte<br />
Kinderfreundlichkeit.<br />
Uns faszinierte,<br />
wie man mitten im Elend würdevoll und<br />
erhobenen Hauptes sein schweres Leben<br />
trägt. Zugleich erschreckte uns die Gleichgültigkeit<br />
gegenüber dem Leid anderer.<br />
Sie ist dem täglichen Überlebenskampf<br />
geschuldet – den wir unserem Adoptivkind<br />
ersparen konnten.<br />
CC: Können Sie den Moment beschreiben,<br />
als Sie beide Lucy das erste Mal sahen?<br />
Wie alt war Lucy?<br />
Lucy war 7 Monate alt, als wir sie das erste<br />
Mal im Kinderheim „The Nest“ trafen. Sie<br />
war besonders hübsch gekleidet, hatte<br />
kleine Zöpfchen und saß auf dem Spielteppich<br />
mit anderen Kindern. Wir kannten sie<br />
von Fotos und erkannten sie sofort. Behutsam<br />
näherten wir uns ihr und nahmen mit<br />
einem Mitbringsel Kontakt auf. Das Spielzeug<br />
war für sie uninteressant, wir waren<br />
interessanter. Schnell nahm sie uns voll in<br />
Beschlag und ließ uns nicht mehr los. Es<br />
war, als spürte sie, dass nun wir für sie alleine<br />
zuständig waren. Endlich waren wir<br />
bei unserer Tochter! Es war ein herrliches<br />
Gefühlsbad. Wir empfanden Freude, Stolz,<br />
Erschöpfung und Liebe – aber auch Unsicherheit<br />
angesichts des ungewissen Gerichtsverfahrens.<br />
CC: Ihre Frau war hochschwanger, als Sie<br />
beide mit Lucy aus Kenia zurückkehrten.<br />
Wieso haben Sie die Schwangerschaft vor<br />
den Behörden verheimlicht?<br />
Wir hätten das nicht tun müssen. Aber<br />
uns war unklar, wie die Behörden auf die<br />
Schwangerschaft reagieren würden. Wir<br />
befürchteten, dass sie uns unsere lang ersehnte<br />
Tochter wegnehmen würden. Nach<br />
dem Motto: Wenn ihr ein leibliches Kind<br />
habt, dann braucht ihr euer Adoptivkind<br />
nicht mehr. Oder: Ihr könnt für eure Tochter<br />
nicht richtig sorgen, wenn jetzt ein leibliches<br />
Kind kommt. Es hätte unabsehbare<br />
Komplikationen geben können.<br />
CC: Sie haben dieses Jahr einen Jungen<br />
aus Haiti adoptiert. Wie verstehen sich Ihre<br />
drei Kinder untereinander?<br />
Seit August diesen Jahres ist unser drittes<br />
Kind, Mose bei uns. Für das haitianische<br />
<strong>Adoption</strong>sverfahren muss man nicht im<br />
Land leben. Aber man muss nach dem<br />
Besuch des Kindes auf unbestimmte Zeit<br />
wieder alleine heimkehren. Das ist sehr<br />
KENIA<br />
Hauptstadt: Nairobi<br />
Einwohnerzahl: 43 Mio.<br />
Landessprache: Englisch, Swahili und zahlreiche<br />
Stammessprachen<br />
Alphabetisierungsrate: 87 % (Quelle: Amnesty International)<br />
Geburtenrate 2012: 31,93/1000 Einwohner<br />
Kindersterblichkeit: 11,8 %<br />
Religion: 70 % Christen, 20 % Muslime, 10 % Naturreligionen<br />
Kenia gilt als eines der schönsten Länder Afrikas<br />
mit einem vielfältigen kulturellen Reichtum.<br />
HAITI<br />
Hauptstadt: Port-au-Prince<br />
Einwohnerzahl: 9,8 Mio.<br />
Landessprache: Kreolisch und Französisch<br />
Alphabetisierungsrate: ca. 48 % (für Erwachsende<br />
über 15 Jahren, Quelle: UNDP 2013)<br />
Geburtenrate 2012: 23,87/1000 Einwohner<br />
Kindersterblichkeit: 19,07 %<br />
Religion: Ca. 80% Katholiken, 15% Protestanten, 5%<br />
Sonstige; weit verbreitet ist der Voodoo-Kult<br />
Ein starkes Erdbeben im Januar 2010 kostete<br />
über 220.000 Menschenleben.<br />
Eine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann<br />
nicht übernommen werden.<br />
Kommen gut miteinander aus: Die Geschwister Lucy (4), Mose (1) und Jakob (3), v.l.<br />
4 :: <strong>Clicclac</strong> November 2013 <strong>Clicclac</strong> November 2013 :: 5