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Münchner Lehrerzeitung, Ausgabe 1, 2013 - BLLV

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Bildungspolitik<br />

Positionsbeschreibung des <strong>BLLV</strong><br />

zur geplanten Stundenverlagerung und Umbenennung<br />

des Faches WTG<br />

Der <strong>BLLV</strong> geht davon aus, dass das<br />

bayerische Bildungssystem in der<br />

Grundschule auch Raum für die kreative<br />

und lebenspraktische Entwicklung<br />

der Schüler durch das Fach Werken/<br />

Textiles Gestalten beinhalten sollte.<br />

Gerade in der Grundschule haben<br />

kognitive, affektive und emotionale<br />

Inhalte in einem gesunden Verhältnis<br />

zu stehen. Zugleich sind auch die<br />

haptischen Fähigkeiten, die im Fach<br />

WTG vermittelt werden, für Grundschulkinder<br />

von großer Bedeutung.<br />

Wir begrüßen die Ausweitung des<br />

Faches WTGin der 1. Jahrgangsstufe<br />

auf zwei Unterrichtsstunden, um den<br />

zunehmend erkennbaren feinmotorischen<br />

Defiziten der Schüler gerecht<br />

zu werden. Auf keinen Fall darf dies<br />

jedoch zu einer Reduzierung der Stundenzahl<br />

des Faches WTGin den folgenden<br />

Jahrgangsstufen führen.<br />

Eine Verkürzung der Stundenzahl in<br />

den Jahrgangsstufen 2, 3 oder 4 führt<br />

unweigerlich zur Reduzierung der Lerninhalte<br />

und damit zu einer Verarmung<br />

dieses wichtigen Bereichs für unsere<br />

Grundschulkinder.<br />

Dies hat zur Folge:<br />

• kein fundierter Aufbau von technischem/handwerklichem<br />

Wissen und<br />

Können in der 3./4. Jgst., der entwicklungsgemäß<br />

erst in dieser Altersstufe<br />

möglich ist<br />

• geringere Möglichkeit zur Einschulung<br />

der Motorik vor allem in Verbindung<br />

mit verschiedenen Materialien und<br />

Werkzeugen<br />

• fehlende Zeit für fächerübergreifendes,<br />

praktisches Arbeiten, vernetztes<br />

Lernen und Denken (anwendungsbezogenes<br />

Wissen und Können)<br />

• keine Grundlage zur Interessensausbildung<br />

für handwerkliche/technische<br />

Berufe für alle weiterführenden Schulen<br />

(MINT)<br />

• Verlust wertvoller textiler Kulturtechniken<br />

im interkulturellen und kulturellen<br />

Bereich (Heimatverbundenheit)<br />

• fehlende Zeit zum Einüben, Anwenden<br />

und Vertiefen<br />

• individuelle Förderung kaum möglich<br />

z. B. bei Inklusion oder leistungsstarken<br />

Kindern<br />

• keine Anregung zu sinnvoller Freizeitgestaltung<br />

in Zeiten veränderter<br />

Kindheit (Medien, Gewalt, Konsum ...)<br />

• kein Raum für Kreativität und ästhetisches<br />

Erleben<br />

• Durch die geplante Reduzierung der<br />

Stundenanteile im Fach WTGfehlen<br />

Inhalte und damit die handwerklichen<br />

und materialen Grundlagen für den<br />

berufspraktischen Bereich der Mittelschule.<br />

Individualisierung und Differenzierung<br />

als zentrale Herausforderung<br />

des 21. Jahrhunderts (Andreas Helmke)<br />

braucht Zeit. Diese Forderung<br />

kann nicht erfüllt werden, wenn<br />

der WTG-Unterricht in der 4. Jgst.<br />

14-tägig 2-stündig gehalten wird.<br />

Die Rhythmisierung und Durchführung<br />

von praktischem Unterricht erfordert<br />

entsprechende Zeitfaktoren. Vorbereitungs-,<br />

Durchführungs- und Nachbereitungsphasen<br />

durch Schüler sind bei<br />

den handwerklichen Techniken und anspruchsvollen<br />

Materialien in der 4. Jahrgangsstufe<br />

in 45 Minuten nicht möglich.<br />

Dieses so wichtige praktische Fach in<br />

der 4. Jahrgangsstufe ermöglicht den<br />

Schülern ein entspanntes, freudvolles<br />

Lernen ohne Leistungsdruck. Erfolgserlebnisse<br />

in diesem Fachbereich fördern<br />

bei den Schülern Lernbereitschaft,<br />

Selbstwertgefühl und Verantwortungsbewusstsein.<br />

Eine Kürzung auf 1 Unter-<br />

richtsstunde in der 4. Jahrgangsstufe<br />

würde alle Schüler explizit aber Schüler<br />

aus sozioökonomisch schwachen<br />

Familien, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung<br />

und ihrem Lern- und Arbeitsverhalten<br />

einschränken.<br />

Die Begründung des Kultusministeriums,<br />

man wolle die Kinder in der 4.<br />

Jgst. entlasten, wird durch Forschungsergebnisse<br />

widerlegt. Diese vermeintliche<br />

Entlastung führt eher zu einer<br />

Belastung, da in der Grundschule das<br />

Verhältnis zwischen theoretischen und<br />

praktischen Fächern eher zugunsten der<br />

praktischen ausgebaut werden sollte.<br />

Professor Dr. Wolfgang Schönig von der<br />

Universität Eichstätt: „Fächer wie Soziales,<br />

Werken/Textiles Gestalten, Musik<br />

und Sport werden immer kostbarer, weil<br />

sie sich offen halten können für sinnliche<br />

und bildungsbedeutsame Erfahrungen.“<br />

In der letzten Zeit werden Fachlehrerinnen<br />

E/Gverstärkt fachfremd eingesetzt,<br />

was mit der professionellen Überzeugung<br />

des <strong>BLLV</strong> nicht im Einklang steht.<br />

Eine Verkürzung der WTG-Stunden<br />

würde diesen fachfremden Einsatz noch<br />

erhöhen, was auch nicht im Interesse<br />

des Staatsministeriums sein kann.<br />

Für die Namensänderung von WTGin<br />

WGsieht der <strong>BLLV</strong> keinen Anlass, diese<br />

führt eher zu einer Verunsicherung.<br />

Der <strong>BLLV</strong> protestiert aus pädagogischen<br />

Gründen auf das Heftigste gegen die<br />

Reduzierung des WTG-Unterrichts in<br />

der 2., 3. und 4. Jahrgangsstufe.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Waltraud Lučić<br />

Vizepräsidentin des <strong>BLLV</strong><br />

Münchner <strong>Lehrerzeitung</strong><br />

Februar/<strong>2013</strong><br />

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