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AUF EIN WORT - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...

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Und ich war wieder in meiner Kammer und<br />

guckte wieder auf die trostlose Fassade vom<br />

Haus gegenüber, an dem die Farbe abblätterte,<br />

und auf den Hof, wo ein verkrüppeltes Bäumchen<br />

mühsam seine Zweige dem Licht entgegenstreckte.<br />

Und wo manchmal eine Amsel sang<br />

voller Lebenslust und Freude, aber wir fühlten<br />

uns glatt belästigt von ihrem Geschrei. Ich packte<br />

das Badezeug aus, und ein bisschen Sand staubte<br />

auf den Boden, und das Kartoffelsalatglas roch<br />

nach Zeit und Freiheit, aber ich war wieder<br />

gefangen in einszwanzig mal vier Quadratmetern.<br />

Ich hörte das Gekeife der Portierschen auf<br />

dem Hof und Mimi von nebenan eine Arie aus<br />

La Bohème schmettern. Jemand hämmerte, und<br />

über mir klackerten die Absätze von Fräulein<br />

Krause.<br />

Es war Zeit, Schularbeiten zu machen, ein<br />

paar Stullen zu schmieren, ins Bett zu gehen. Ich<br />

schlug das Aufsatzheft auf, schraubte die Kappe<br />

von meinem Füller ab, knabberte ein bisschen an<br />

meinem Zopf und fing an zu schreiben: Kartoffelsalat<br />

mit Buletten.<br />

(Eine der Siegergeschichten des Schreibwettbewerbs<br />

von Buchjournal und Books on Demand 2006 zum<br />

Thema Heimat; abgedruckt in Von ferne gesehen: Heimatgeschichten)<br />

Ernst-Edmund Keil<br />

DER KRIEG DER TÖPFE<br />

T<br />

opf ist nicht gleich Topf, doch haben meine<br />

Töpfe, aus welchem Material sie immer<br />

geformt, gewalzt, gehämmert und geschmiedet<br />

sind, eines gemeinsam, sie brennen<br />

alle an, und zwar so, dass sie oft, auch unter<br />

schweißtreibendem Einsatz von Metallschwämmen<br />

und Eisenspänen, nicht mehr zu retten sind<br />

und ich mich von ihnen trennen muss, weshalb<br />

ihrer, die mir entweder vererbt und geschenkt<br />

wurden, immer weniger werden.<br />

Nun ist das vielleicht nicht so tragisch, weil<br />

ich allein mit ihnen bin, seit ich geschieden<br />

wurde und meine Kinder eigene Töpfe und<br />

Kümmernisse haben. Seither bin ich, nicht ungern,<br />

mein eigener Koch, und was meine männlichen<br />

Kochkünste anbetrifft, so kann ich mir getrost<br />

auf die Schulter klopfen. Ich habe große<br />

Vorbilder, vergangene und gegenwärtige, und<br />

die sind ausnahmslos meines Geschlechts. Das<br />

sollte mich ermutigen, trotz gewisser Widerstände,<br />

die meine mir verbliebenen Töpfe meinen<br />

Künsten entgegenstellen, den täglichen Kampf<br />

am Kochherd weiter zu führen. Man kann an Widerständen<br />

ja eigentlich nur wachsen. Nachdem<br />

ich ja auch ein Künstler bin, wenn auch keiner<br />

vom Schlage eines Bocuse oder Lafers oder wie<br />

diese Hochmeister des Kochlöffels auch immer<br />

heißen, fühle ich mich manchmal am heimischen<br />

Kochherd geradezu kreativ. Ich bilde mir jedenfalls<br />

ein, dass das, was ich da, gut gewürzt, hin<br />

und wieder zusammenbraue, auch schmeckt, wenigstens<br />

mir, doch wohl nur mir, fürchte ich.<br />

Denn meine Freunde, und das fällt sogar mir auf,<br />

bringen entweder etwas zum Essen mit, belegte<br />

Brötchen, Laugenbretzel, Teilchen, von denen sie<br />

mir mitleidig anbieten, oder sie bestehen hartnäckig<br />

darauf, mich auszuführen. Wahrscheinlich<br />

riecht es in meiner Küche in der Regel nach Angebranntem<br />

zum Beispiel oder es sieht darin so<br />

chaotisch aus, dass sie die Hygiene meiner Speisen<br />

ernstlich in Zweifel ziehen.<br />

Eine besonders barmherzige Seele hat mir<br />

jüngst zum Geburtstag eine Spülmaschine geschenkt,<br />

die ich selten fülle und selten leere, weil<br />

ich kein Maschinenfreak bin und lieber vor der<br />

industriellen Revolution auf die Welt gekommen<br />

wäre. Wenn man sich das aussuchen könnte,<br />

kann man aber nicht. Ich bin, so gesehen, eine<br />

unzeitgemäße und schwierige Erscheinung, die<br />

sich der veränderten Umwelt nicht anzupassen<br />

vermag. Während Herr Lafers zum Beispiel immer<br />

freundlich grinsend und stundenlang mit<br />

einem Holzlöffel in seinem bayrischen Süppchen<br />

herumrührt und diese rührenden Vorgänge auch<br />

noch jovial-bajuwarisch kommentiert, werde ich,<br />

sobald ich den Löffel in meine diätetischen Breichen<br />

versenkt habe, von Einfällen geradezu überfallen,<br />

die jedoch mit Gastronomie wenig oder<br />

gar nichts zu tun haben. Im Gegenteil, ich lasse,<br />

heimgesucht von meinen Geistesblitzen, den<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 26

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