AUF EIN WORT - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...
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„Ich weiß es auch nicht so genau”, gab sie<br />
schließlich zu.<br />
Ich schaute sie an.<br />
„Und es sind doch zwei verschiedene Personen”,<br />
stellte ich nach einer Weile fest.<br />
„Wieso?”<br />
„Schau hier! Auf diesem Bild nach dem Liften<br />
hat die Person etwas am Kinn, was in dem runzeligen<br />
Gesicht offensichtlich fehlt.”<br />
Meine Frau betrachtete beide Bilder sehr genau<br />
und meinte: „Es könnte ein Grübchen sein.”<br />
„Das glaube ich nicht.”<br />
„Es sieht aber so aus.”<br />
„Und wenn schon.”<br />
Meine Frau ließ das Blatt sinken.<br />
„Was soll es denn sonst sein?”, fragte sie nach<br />
einer Weile ärgerlich.<br />
„Es wird der Bauchnabel sein”, sagte ich und<br />
verzog mich vorsichtshalber aus ihrer Reichweite.<br />
Kornelia Eleonore Hofmann<br />
MIT FÜNFZIG FÄNGT DAS LEBEN (NOCH MAL) AN<br />
– GEDANKEN ZUR LEBENSMITTE –<br />
Bevor wir recht wissen, was Leben heißt,<br />
ist es schon halb vorbei. (Englisches Sprichwort)<br />
S<br />
ollte man Schlagertexten glauben, fängt das<br />
Leben mit siebzehn oder sogar sechsundsechzig<br />
Jahren erst an. Das hängt wohl für<br />
jeden vom Standpunkt ab. Für meine Person<br />
hatte ich mir die Lebensmitte so um die Fünfzig<br />
ausgeguckt. Bis dahin, so glaubte ich, würde das<br />
Leben in geregelten Bahnen verlaufen, man etwas<br />
erreicht haben, die Kinder erwachsen und<br />
selbständig sein. Und dann, ja endlich dann,<br />
kann ich alles das machen, was ich schon immer<br />
tun wollte. Beruflich was Neues beginnen, meine<br />
Hobbys in den Mittelpunkt rücken, reisen und<br />
mich ausgiebig meinem Mann widmen.<br />
Obwohl, wenn ich so zurückdenke, erschienen<br />
mir in meiner Jugend die Frauen so um die<br />
Fünfzig nicht attraktiv. So wollte ich nie werden.<br />
Viele hatten damals den Charme einer Matrone,<br />
die meist grauen Haare zu einem Dutt hochgesteckt,<br />
und ihre oft unproportionierten Figuren<br />
waren in Kittelschürzen gehüllt.<br />
Sicher, die Frauen nach dem Krieg hatten andere<br />
Sorgen, waren froh, überlebt zu haben, und<br />
die Mühen des Alltags ließen es einfach nicht zu,<br />
an sich zu denken. Fitness und Wellness waren<br />
Fremdwörter.<br />
Nun gut, jetzt bin ich fünfzig. Welche soll die<br />
erste große Veränderung sein? Fitness natürlich,<br />
um die neugesteckten Aufgaben gut zu schaffen.<br />
Obwohl, eigentlich müsste ich doch noch fit sein<br />
nach all den Jahren im Dauerlauf zwischen Job,<br />
Kindern, Hunden, Haus und Garten. Na ja, ein<br />
paar Übungen können nicht schaden. Früh am<br />
Morgen zwanzig Kniebeugen müssten der richtige<br />
Start in den Tag sein. Oh, nach Nummer fünf<br />
ein verdächtiges Knacken im Knie. Es wird doch<br />
nicht Arthrose ...? Aber nein. Sicherlich liegt es<br />
nur am Wetter, das mir manchmal etwas auf die<br />
Gelenke schlägt.<br />
Der ausgiebige Blick in den Spiegel lässt ein<br />
neues Aufgabengebiet erahnen. Das Lächeln<br />
vergeht mir. Ist auch besser so. Die Zähne sind<br />
nicht mehr so wie in der Zahnpasta-Werbung.<br />
Auch sind längst nicht mehr alle mein eigenen.<br />
Meine Zahnärztin verpasste mir eine Brücke.<br />
Von nun an schicke ich Stoßgebete in den Himmel,<br />
dass die verbliebenen mir erhalten bleiben.<br />
Hoffentlich kein frommer Wunsch.<br />
Mit den Fältchen geht es eigentlich. Na, wenigstens<br />
etwas. Bei genauerem Hinsehen muss<br />
ich leider feststellen, dass sie mit ein paar Kilo zu<br />
viel auf der Waage gut unterpolstert sind.<br />
Schon längst habe ich mein Wunschgewicht<br />
nach oben korrigiert. Ganz anders mein Mann. Er<br />
hat sein Normalgewicht gehalten. In seinem<br />
schwarzen Hochzeitsanzug sieht er noch tadellos<br />
aus, und das seit über dreißig Jahren. Eine Ungerechtigkeit!<br />
Dafür hat er aber graues Haar, und mein<br />
Haupt ziert noch die volle dunkle Lockenpracht.<br />
Hier und da blitzt mal ein silbernes Strähnchen.<br />
Aber man will ja nicht gleich kleinlich sein.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 30