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Februar 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...

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GEMEINDE<br />

DVR 0112305 € 2.-<br />

nr. 639 februar <strong>2009</strong><br />

Schwat 5769<br />

Erscheinungsort Wien<br />

Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />

eGZ 2.- 03Z034854 W<br />

Die Die<br />

offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />

magazin


INHALT<br />

&<br />

AUS DEM BÜRO DES<br />

PRÄSIDENTEN<br />

Gegegn Rechtsradikalismus 3<br />

Treffen deutschsprachiger<br />

Gemeinden 4<br />

IN EIGENER SACHE<br />

MIRIAM TENNER<br />

Unbekannte Dimensionen 5<br />

ALEXIA WEISS<br />

Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />

Teil 6: Der gute Geist der<br />

Seitenstettegasse 6<br />

ILAN KNAPP<br />

Jüdische Zuwanderung<br />

und Integration 8<br />

POLITIK<br />

IN- UND AUSLAND<br />

Mauthausen-Gedenkstätte<br />

beschmiert 9<br />

Stadtschulrat entzieht<br />

Religionslehrer Unterrichts -<br />

erlaubnis 10<br />

Lichter gegen Rechts 10<br />

BOTSCHAFTER DAN ASHBEL<br />

Gastkommentar 12<br />

REINHARD ENGEL<br />

Fabriken ohne Aufträge 14<br />

Umfrage: Juden haben zu<br />

großen Einfluss 16<br />

„Zeitungszeugen“ 17<br />

Konferenz europäischer<br />

Rechtsparteien in WIen 17<br />

KRIEGSVERBRECHER<br />

Heim & Demjanjuk 18<br />

VATIKAN<br />

Beziehungen Vatikan-Israel 20<br />

Shoah-Frage: Jüdische<br />

Delegation beim Papst 21<br />

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />

centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, u.v.a.<br />

GEmEinDE<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> Wien.<br />

Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />

und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />

Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />

Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />

Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />

Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />

Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />

tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />

Die<br />

WAHLEN IN ISRAEL<br />

Die 18. Knesseth 22<br />

ULRICH W.SAHM<br />

Trend zum Pragmatismus 23<br />

Pressestimmen 24<br />

Forderungen 25<br />

SHIMON PERES<br />

Eine Region, zwei Staaten 26<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Hamas in Verruf 27<br />

Gaza-Bewohner berichten über<br />

Missbrauch durch Hamas 28<br />

WIRTSCHAFT<br />

REINHARD ENGEL<br />

Abschied vom Toten Meer 30<br />

MARTA S. HALPERT<br />

Vom Ballonmantel zum<br />

Badeanzug 32<br />

WISSENSCHAFT<br />

ULRICH W. SAHM<br />

Tapeten gegen Bomben 35<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Kirk Douglas - Die Weisheit<br />

der Jahre 36<br />

Panorama 40<br />

KULTUR<br />

Ehrung für Wilm Hosenfeld 42<br />

Ehrung für Stella Mann 44<br />

Zwangsarbeit-Archiv<br />

geht online 45<br />

Jüdischer Filmclub 46<br />

Titelbild: Wahlen in Israel -<br />

Stimmenauszählung<br />

© Olivier Fitoussi /Flash90<br />

PLENUM: Donnerstag, 12. März Wegen der Teilnahme des Präsidenten<br />

an der Generalver sammlung der US Friends of the IKG in New York, verschiebt<br />

sich die Sitzung auf Dienstag, 26. März!<br />

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SAJIN ADAR<br />

Anlässlich der Jahrzeit von Mosche<br />

Rabenu am Sajin Adar gedenken wir im<br />

Rahmen eines Gottes dienstes – nach<br />

alter Tradition der Chewra Ka di scha –<br />

auch unserer verstorbenen Mitglieder<br />

der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong>.<br />

Der Gottesdienst wird in diesem<br />

Jahr amErev Sajin Adar 5769, am<br />

Montag, dem 02. März <strong>2009</strong>,<br />

um 17.40 Uhr<br />

s.G.w. im Wiener Stadttempel<br />

stattfinden.<br />

Im Anschluss an den Gottesdienst findet<br />

die von der Chewra Kadischa<br />

gespendete traditionelle SEUDA statt.<br />

2 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Sehr geehrte Gemeindemitglieder!<br />

Angesichts des immer unerträglicher werdenden Rechtsextremismus, Antisemitismus<br />

und neonazismus innerhalb der FPÖ, insbesondere bei ihren Funktionären, hat sich die<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong> entschlossen, folgende initiative zu ergreifen:<br />

KOALITION DER BÜRGER ÖSTERREICHS GEGEN RECHTSRADIKALE,<br />

„KELLERNAZIS“ UND ANTISEMITEN IN POLITISCHEN FUNKTIONEN<br />

in den letzten monaten sind immer mehr Funktionäre der FPÖ mit rechtsextremen oder an -<br />

ti semitischen Äußerungen auffällig geworden, ohne dass dies irgendwelche Konse quen zen<br />

gehabt hätte. Bestenfalls gibt es irgendwelche Lippenbekenntnisse und Pseudo distan zie -<br />

run gen. Wir Bürger, die Österreich lieben und schätzen, wollen verhindern, dass solche<br />

Funktionäre mit dieser Gesinnung politische Ämter in unserem Land bekleiden.<br />

Es geht dabei nicht um die Ausgrenzung der Wähler, sondern um jene Funktionäre der FPÖ,<br />

die in den letzten Jahren immer dreister rechtsextremes, neonazistisches oder antisemiti -<br />

sches Gedankengut verbreiten, oder Organisationen angehören, die dies tun (z.B. Bur schen -<br />

schaft Olympia), oder in einschlägigen medien publizieren (z.B. ‘Aula’), oder antisemitische<br />

initiativen setzen (Parlamentarische Anfragen betreffend moishe Arie Friedman, Ernst Str.).<br />

◉ Unser Protest richtet sich unter anderen gegen folgende Funktionäre, mitarbeiter<br />

und Aktivisten der FPÖ. Das Dokumentationszentrum des Österreichischen Wi -<br />

der stands hat hierzu entsprechende Unterlagen zusammengestellt.<br />

◉ Unser Protest richtet sich gegen die Unterstützung von Holocaust Leugnern und<br />

Re visionisten. Die FPÖ fördert und unterstützt Holocaust Leugner medial (m.A.<br />

Friedman) und Revisionisten, lädt sie durch ihre Vorfeldorganisationen zu Vor -<br />

trä gen ein (D. irving).<br />

◉ Einer der schlimmsten und skrupellosesten Holocaust Leugner, moishe Arie Fried -<br />

man, verkleidet sich <strong>als</strong> orthodoxer „Rabbiner“, wird vom iran und einer Reihe<br />

von FPÖ-Funktionären oder FPÖ nahen Politikern (John Gudenus) finanziell und<br />

juristisch (nRAbg. Hübner) unterstützt. Zuletzt haben die Abgeordneten Werner<br />

neubauer, Dr. Rosenkranz und Kollegen zwei parlamentarische Anfragen in<br />

Sachen Friedman (12. September und 19. Dezember 2008) gestellt, deren wahres<br />

Ziel die Vernichtung der ältesten jüdischen Schule in Österreich (Talmud Thora<br />

Schule der machsike Hadass) ist, bei welchem sowohl das Privatschulgesetz <strong>als</strong><br />

auch die Religionsfreiheit in Österreich umgangen und diese jüdische Schule fi -<br />

nan ziell ruiniert werden soll. in all diesen Prozessen wird moishe Arie Friedman<br />

vom FPÖ nationalratsabgeordneten Hübner vertreten und unterstützt.<br />

moishe Arie Friedman ist Amerikaner, geht keiner geregelten Arbeit nach und lebt<br />

im Wesentlichen von Sozialtransfers der Republik Österreich (Kinderbeihilfe, etc.).<br />

moishe Arie Friedman wurde nach langjährigen Räumungsklagen wegen nicht -<br />

be zahlung seiner miete sowohl aus seiner Wohnung <strong>als</strong> auch aus einer Betstube<br />

de logiert und der Zechprellerei gegenüber dem Palais Pallavicini im Zusammen -<br />

hang mit einer Barmitzwa Feier beschuldigt.<br />

◉ Unser Protest richtet sich gegen antisemitische initiativen der FPÖ bzw. von Funk -<br />

tionären und Unterstützern der FPÖ.<br />

Parlamentarische Anfragen des nationalratsabgeordneten neubauer und Kol le gen:<br />

im Zusammenhang mit einem des Betrugs beschuldigten immo bilien kauf manns<br />

(Ernst S.) wurden folgende Fragen gestellt: Wurden die Kontakte des Herrn S. zur<br />

iKG überprüft, wenn ja, in welcher Form? ist ihnen bekannt, dass Herr S. wesentlich<br />

von iKG Kreisen bei der Flucht unterstützt wurde. Welche Kreise/Personen<br />

/Vereine haben Herrn S. in den USA unterstützt, haben interveniert, um die Ver -<br />

haf tung in den USA zu verhindern? Besteht ein Zusammenhang zwischen iKG<br />

und Herrn S.? Besteht ein Zusammenhang zwischen Dr. muzicant und Herrn S.?<br />

Besteht ein Zusammenhang zwischen Dr. muzicant, Oskar Deutsch und Herrn S.?<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 3


AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />

Hat Herr martin Schlaff in dieser Causa interveniert?<br />

Der Versuch der FPÖ Abgeordneten, aus einem möglichen Kriminalfall eine jüdische<br />

Causa zu machen, ist Antisemitismus! Dies ist genauso, wie wenn bei einem<br />

katholischen Verdächtigen nachgefragt wird, ob Kontakte zum Erzbischöflichen<br />

Palais, zum Kardinal oder zu irgendeinem anderen Vertreter der katholischen<br />

Kirche besteht. Diese Fragestellung dient einzig und allein dazu, antisemitische<br />

Vorurteile zu schüren.<br />

◉ Wir protestieren gegen die „Kellernazis“ in der FPÖ, die mittlerweile ein dichtes<br />

netzwerk mit Gleichgesinnten in Deutschland, Holland, Ungarn, Frank reich,<br />

Belgien usw. gebildet haben und jetzt auch eine rechtsextreme Verbreitung im<br />

Europäischen Parlament anstreben.<br />

„Uns reicht es“.<br />

Wir sind kein „naziland“.<br />

Deshalb setzen wir diese initiative und müssen hier in Österreich „Kellernazis“,<br />

Rechtsextreme oder Antisemiten bekämpfen.<br />

Herzlichst,<br />

ihr<br />

Dr. Ariel muzicant<br />

Deutschsprachige jüdische<br />

Gemeinden besorgt über Zunahme<br />

des Antisemitismus<br />

Am 1. und 2. <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong> trafen sich zum dritten<br />

mal Vertreter der deutschsprachigen jüdischen<br />

Ge mein den Deutschlands, Österreichs und der<br />

Schweiz in Zürich. Die Gemeindeverant wort li chen<br />

be sprachen Kooperationen und Projekte in den Be -<br />

reichen Religion, Kultur, Er zie hung und So ziales.<br />

Ariel Muzicant, Charlotte Knobloch, André<br />

Bollag, Shella Kertesz, Herbert Winter (v.l.n.r.)<br />

Ein Thema war unter anderem der aufkeimende<br />

Antisemitismus in Europa. Anti se mi ti sche Zuschriften, Schmierereien und Übergriffe ha ben<br />

im Zuge der aktuellen Situation im Na hen Osten dramatisch zugenommen. Einseitige Ver -<br />

ur teilungen Israels im Kampf gegen die durch den Iran unterstützte, radikal-islamistische<br />

Terrororganisation Hamas, die Is raels Ver nichtung und den Kampf gegen die Juden weltweit<br />

fordert, spielen antisemitisch motivierten Kräften in die Hände.<br />

Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden blicken zudem mit großer Besorgnis auf die<br />

UN-Folgekonferenz gegen Rassismus, die im April <strong>2009</strong> in Genf stattfinden wird. Es ist<br />

aufgrund vorliegender UN-Entwürfe zu befürchten, dass es in den Schlussdokumenten an<br />

dieser Konferenz, wie bereits im Jahre 2001 in Durban, zu antisemitischen Aussagen kom -<br />

men wird.<br />

Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden appellieren deshalb an die Regierungen ih rer<br />

Länder, sicherzustellen, dass die von europäischen Ländern bestimmten "roten Li ni en"<br />

nicht überschritten werden. Sie fordern unter anderem, dass westliche Werte wie Mei -<br />

nungs äußerungsfreiheit hochgehalten werden und ein Verbot von Religionskritik nicht Teil<br />

einer Resolution sein darf. Außerdem soll die Konferenz nicht für einseitige Stellung nah men<br />

gegen einzelne Länder, sprich Israel, missbraucht werden.<br />

Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden erinnern an die antisemitischen Auswüch se<br />

von 2001 in Durban und rufen alle Behörden und Nichtregierungsorganisationen auf, ent -<br />

schieden gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen.<br />

Im Übrigen haben sich die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden sehr besorgt ge zeigt<br />

über das kürzlich erfolgte Aufheben der Exkommunikation des Holocaustleugners Wil li am -<br />

son.<br />

Presseerklärung<br />

4 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


IN EIGENER SACHE • FUNDRAISING<br />

Unbekannte Dimensionen<br />

Die IKG ist für viele jüdische Familien<br />

in Wien oft letzter Rettungsanker in ei ner<br />

Situation größter finanzieller Not.<br />

Bis vor einem halben Jahr – vor Be -<br />

ginn meiner Tätigkeit für Fundraising<br />

der iKG – hätte ich mir diese<br />

Dimension nicht vorstellen können.<br />

Ja, es ist be kannt es gibt ESRA mit<br />

eigenem ex ter nen Budget sowie die<br />

Sozialab tei lung der <strong>Kultusgemeinde</strong><br />

mit ihrem So zi al budget. Aber was<br />

genau dahintersteckt und in welcher<br />

Beziehung ge nau ESRA und die<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong> zu einander stehen,<br />

war mir nicht klar.<br />

Die Zahlen und die persönlichen<br />

Schicksale sprechen jedoch eine eigene<br />

Sprache.ich möchte an dieser<br />

Stelle die mir wesentlich erscheinenden<br />

Fakten darlegen.<br />

Zunächst einmal zu ESRA selbst. Die<br />

herausragenden Leistungen zur psy -<br />

chosozialen Betreuung sind mittlererweile<br />

österreichweit und auch international<br />

anerkannt. Weniger bekannt ist<br />

wohl die Tatsache, dass die Sozialbe -<br />

ra tung in ESRA <strong>als</strong> Vermittlerin für<br />

alle Anträge auf finanzielle Un ter stüt -<br />

zung an die iKG zuständig ist und<br />

diese vorab professionell bearbeitet.<br />

D.h. jeder einzelne Antrag wird überprüft<br />

im Hinblick auf die möglichkeit<br />

einer Unterstützung durch die öffentliche<br />

Hand. in vielen Fällen reicht die se<br />

Unterstützung jedoch nicht aus um z.B.<br />

Alleinerzieherinnen oder Famili en mit<br />

vielen Kindern vor einer Delogierung<br />

zu schützen. in solchen Fällen greift<br />

dann die Sozialabteilung der Kultus -<br />

ge meinde. Hier wird in der Sozial kom -<br />

mission beschlossen, wer welche Form<br />

der Unterstützung erhalten soll. Wird<br />

z.B. dringend eine Wohnung benötigt<br />

und muss die Familie mit den notwendigsten<br />

Dingen versorgt werden?<br />

Wer braucht einen einmaligen Heiz -<br />

kos tenzuschuss? usw.<br />

Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2008<br />

insgesamt haben 416 Personen Un ter -<br />

stützung aus dem Sozialbudget der<br />

iKG erhalten. Davon waren al lein 23<br />

Haushalte von alleinerziehenden müt -<br />

tern mit insgesamt 62 Erwachsenen<br />

und Kindern betroffen. Die restlichen<br />

354 Personen verteilen sich auf Fa mi -<br />

li en sowie auf ältere menschen (oft<br />

Ho locaustüberlebende) sowie Kran ke.<br />

Um ein solches Einzelschicksal deut -<br />

lich zu machen, werde ich im folgenden<br />

ein kurzes Fallbeispiel präsentieren,<br />

dass leider kein Einzelfall ist.<br />

Fallgeschichte Familie R., 5 Kinder<br />

Herr R. stammt aus der Ukraine und<br />

emigrierte 1990 im Alter von 15 Jah ren<br />

nach Österreich, er ist mittlerweile ös -<br />

ter reichischer Staatsbürger. Seine<br />

gleich altrige Frau heiratete er im Al ter<br />

von 21 Jahren in israel, wo es für bei de<br />

aber nicht möglich war, Fuß zu fassen.<br />

Das Paar kehrte 1997 nach Wien zu -<br />

rück, das erste Kind kam noch im selben<br />

Jahr zur Welt. Herr R. eröffnete<br />

ein kleines Schuhservice-Geschäft,<br />

welches anfangs auch den Lebens un -<br />

ter halt der Familie sicherte. Durch<br />

Fehl investitionen häuften sich in we -<br />

nigen Jahren die Schulden und <strong>als</strong> das<br />

Gebäude, indem sich das Ge schäft<br />

be fand, einen neuen Besitzer bekam,<br />

wurde auch die Geschäftsmiete empfindlich<br />

erhöht.<br />

Familie R. kam im Jahr 2001 erstm<strong>als</strong><br />

in die ESRA-Sozialberatung. An -<br />

lass waren hohe Zahlungsrück stän de.<br />

im Zuge der Anamnese stellte sich<br />

zudem heraus, dass die Familie mit<br />

fast allen Zahlungen in Verzug war<br />

und zudem die Delogierung drohte.<br />

Frau R. war zu diesem Zeitpunkt mit<br />

ihrem dritten Kind schwanger und<br />

hatte massive gesundheitliche (er höh -<br />

ter Blutdruck, Diabetes, rheumatische<br />

Erkrankung) Probleme. neben der<br />

Schul denregulierung musste auch<br />

eine neue und günstigere Wohnung<br />

ge funden werden, da Frau R. es kaum<br />

noch in den dritten Stock der gemeinsamen<br />

Wohnung schaffte. Über Ver -<br />

mittlung des Arbeitsamtes (AmS) fand<br />

Herr R. eine Anstellung <strong>als</strong> Boten fah -<br />

rer, das Schuhservice-Geschäft gab er<br />

auf. Die getroffenen Ratenverein ba -<br />

rungen wurden eingehalten, die Si tu -<br />

a tion schien sich zu stabilisieren.<br />

Ende 2003 kam Herr R. wieder in<br />

die Kinder- und Jugendberatung von<br />

ESRA: Das älteste Kind ging mittlerweile<br />

zur Schule und musste aufgrund<br />

von diagnostizierten Lernschwächen<br />

die erste Klasse wiederholen, eine Be -<br />

gleit lehrerin wurde zugezogen. Frau<br />

R. war zum vierten mal schwanger –<br />

diesmal mit Zwillingen – und litt un ter<br />

Rheumaanfällen und massiven de pres -<br />

siven Verstimmungen, das Verlassen<br />

der Wohnung war nur in Begleitung<br />

ihres mannes möglich.<br />

Als Herr R. Anfang 2005 seine Ar -<br />

beit verlor, verschlimmerte sich die Si -<br />

tuation der Familie zusehends. Der zeit<br />

sind drei von fünf Kindern in ESRA<br />

in pädagogischer Betreuung, die Dek -<br />

kung des Lebensunterhaltes gelingt<br />

nur mit regelmäßigen Unterstüt zungs -<br />

zahlungen der iKG. Durch die Fami -<br />

li engröße bedingt sind die Ausgaben<br />

für Wohnen und Heizen entsprechend<br />

hoch. nachzahlungen von Wien-Ener -<br />

gie (Jahresabrechnungen) konnten nur<br />

mit Hilfe von Beschlüssen der iKG-<br />

Sozialkommission abgedeckt wer den.<br />

Die Dynamik der internationalen<br />

Fi nanz krise lässt auch immer mehr<br />

men schen unserer Gemeinde in die Ar -<br />

beits losigkeit und zum Teil auswegslose<br />

Si tuationen rutschen. Die, die<br />

am meisten darunter leiden sind die<br />

Schwächsten unserer Gesellschaft<br />

wie Kinder, Kranke und Alte.<br />

Unsere Purim- Aktion<br />

„Spenden und Schen ken –<br />

Mischloach Manot“<br />

(s.S.48) bietet eine gute Gelegenheit ge -<br />

rade mit jenen jüdischen Bürgern so li -<br />

darisch zu sein, die am sozial bedürftigsten<br />

sind.<br />

ich bitte und hoffe auf ihre zahlreiche<br />

Unterstützung. Der Reinerlös fließt zu<br />

100% in das Sozialbudget der Kul tus -<br />

gemeinde.<br />

ich wünsche ein Chag Sameach und<br />

Happy Purim!<br />

ihre<br />

miriam<br />

Tenner<br />

Fundraising<br />

iKG Wien<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 5


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

SERIE<br />

Hinter den Kulissen –<br />

Die IKG Wien stellt sich vor<br />

Teil 6: Der gute Geist der<br />

Seitenstettengasse<br />

serVice<br />

erreichbarkeit<br />

von willy steiner<br />

montag bis Freitag<br />

7.00 Uhr bis 15.30 Uhr<br />

unter 0676 - 844 512 204<br />

„Nervlich<br />

gestählt“<br />

Seit 1988 ist Willy Steiner Haus techniker<br />

in der <strong>Kultusgemeinde</strong>. Da kannte er das<br />

Haus allerdings schon gut: denn bereits<br />

zuvor half er immer wieder aus, etwa bei<br />

großen Veranstaltungen. So hat er 1982<br />

auch das Attentat vor dem Stadttempel<br />

miterlebt. Manch mal ist der Alltag in der<br />

Seitenstetten gasse aber auch heiter –<br />

und ganz sicher nie langweilig.<br />

VON ALEXIA WEISS<br />

Jeden Tag um 7.00 Uhr beginnt Willy<br />

Steiner seinen Dienst in den Räumen<br />

der <strong>Kultusgemeinde</strong> in der Seiten stet -<br />

tengasse 4. Die erste Aufgabe: „Ich<br />

kontrolliere, ob der Aufzug in Ordnung<br />

ist.“ Danach steht im Winter die<br />

Kontrolle der Heizungsanlage an, im<br />

Sommer die der Lüftung im Tempel<br />

so wie der Klimaanlagen in den Bü ros.<br />

Darüberhinaus ist er für die Anlagen<br />

im Haus nummer zwei, in dem u.a.<br />

die Anlaufstelle untergebracht ist,<br />

verantwortlich. Das ist die tägliche<br />

mor genroutine. Wenn es schneit ist er<br />

auch für die Räumung des Gehsteiges<br />

zuständig – „leider“, sagt Steiner, denn<br />

auf Grund der Steigung und des<br />

Kopfsteinpflasters „muss man mit dem<br />

Besen kehren. Scheren geht nicht“.<br />

Auch danach wird Steiner nicht langweilig.<br />

Glühbirnen austauschen ge -<br />

hört ebenso zu den Standardaufga ben<br />

wie kleinere handwerkliche Repara tu -<br />

ren. muss ein Professionist Hand an le -<br />

gen, koordiniert Steiner die Termine<br />

mit den Handwerkern. Dazwischen<br />

übernimmt er für die verschiedenen<br />

Ab teilungen der iKG Erledigungen<br />

und Behördenwege.<br />

Viel Arbeit bescheren Steiner zudem<br />

die Veranstaltungen. Er ist es, der die<br />

Räume für jeden Termin – von der<br />

kleinen Sitzung bis zum Plenum des<br />

Kultusvorstands – vorbereitet. Er ist es<br />

aber auch, der das Gemein dezen trum<br />

für Podiumsdiskussionen, Pres se kon -<br />

fe renzen oder Bar mitzwas und Hoch -<br />

zeiten je nach Anlass entsprechend<br />

be stuhlt und dann bei der Veranstal -<br />

tung für den Ton sorgt. „Bei Hochzei -<br />

ten stelle ich auch oft die Chuppa auf“, so<br />

Steiner. Oft werde dann bis zur letzten<br />

Sekunde „gearbeitet, umgeplant und<br />

improvisiert“.<br />

6 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />

mit den Jahren und der vielen Er fah -<br />

rung sei er aber inzwischen „nervlich<br />

gestählt“. noch gut kann sich Steiner<br />

an die Hektik erinnern, die am 9. no -<br />

vember 2002 ausgebrochen ist. Für 19<br />

Uhr dieses Tages war die feierliche<br />

Ein weihung der Gedenkstätte für die<br />

65.000 von den nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

er mordeten österreichischen Juden<br />

im Foyer vor dem Tempel anberaumt<br />

– im Beisein des Bundespräsidenten.<br />

„An diesem Tag hat es stark geregnet und<br />

<strong>als</strong> ich da um 17.15 Uhr hinkam, stand<br />

der ganze Raum unter Wasser.“ Ge mein -<br />

sam mit Architekt Thomas Feiger und<br />

Ronald Geissler, dem Leiter der im -<br />

mo bilienverwaltung, habe man dann<br />

mit vereinten Kräften den Raum „mit<br />

Kübeln und Fetzen“ trocken bekommen.<br />

Ein Elektriker reparierte die Beleuch -<br />

tung. „Als die Gäste kamen, hat alles so<br />

ausgesehen, <strong>als</strong> ob nichts passiert wäre“,<br />

erzählt Steiner stolz.<br />

An einem Tag war allerdings mit ei nem<br />

Schlag alles anders. Das war 1982, <strong>als</strong><br />

Steiner neben seinem Posten im Ver -<br />

kauf einer in Wien angesiedelten<br />

Schwei zer Firma schon gelegentlich<br />

in der <strong>Kultusgemeinde</strong> aushalf. Da -<br />

m<strong>als</strong> war seine mutter noch ganztägig<br />

für die iKG tätig und es wurde<br />

eine große Bar mitzwa gefeiert. Der<br />

Festsaal befand sich dort, wo heute<br />

die Bibliothek ist und die Gäste muss -<br />

ten nach der Zeremonie den Tempel<br />

verlassen, auf die Straße hinaustreten<br />

und beim angrenzenden Haus wieder<br />

hineingehen, um in den Festssaal zu<br />

gelangen. Als erstes verließ bei solchen<br />

Anlässen stets der Rabbiner den<br />

Tempel.<br />

Steiners mutter bat ihren Sohn <strong>als</strong>o,<br />

aus dem Fenster zu schauen, und ihr<br />

zu sagen, wann der Rabbiner auf die<br />

Straße trete. Steiner stand daher im<br />

ers ten Stock am Fenster und beobachtete<br />

dabei zwei männer, einen jungen<br />

und einen älteren, die sich unterhielten,<br />

dabei immer lautstarker wurden<br />

und gestikulierten. nach fünf, sechs<br />

minuten habe sich der jüngere umgedreht<br />

„und ein Eierbrikett geworfen“.<br />

Steiner dachte, der mann wolle damit<br />

jemanden erschrecken.<br />

„In dem Moment gab es eine Detona ti on.“<br />

Das „Eierbrikett“ entpuppte sich <strong>als</strong><br />

Handgranate. „Rundherum waren die<br />

Scheiben kaputt, die Splitter lagen auch<br />

im ersten Stock. Ich habe dann gerufen,<br />

Mama, Mama, das ist ein Anschlag, und<br />

bin hinunter auf die Straße gelaufen. Und<br />

dann habe ich den verletzten Po li zisten in<br />

das der <strong>Kultusgemeinde</strong> gegenüberliegende<br />

Haustor gezogen und einen ebenfalls<br />

durch Splitter verletzten älteren Herren<br />

von der Straßenmitte auf die Seite, <strong>als</strong>o<br />

den Gehsteig, gezogen, wo ich ihn mit dem<br />

Rücken an die Hauswand stützend abgesetzt<br />

habe.“ Die Bar mitzwa-Feier lich -<br />

keiten seien damit beendet gewesen.<br />

Am nachmittag dieses Tages sei aber<br />

noch etwas Absonderliches passiert,<br />

erinnert sich Steiner. Alles sei abgesperrt<br />

gewesen und in der Höhe des<br />

heutigen Lok<strong>als</strong> „Krah Krah“ seien<br />

die Schaulustigen in vier, fünf Reihen<br />

gestanden, um einen Blick auf die Sei -<br />

tenstettengasse zu erhaschen. Plötz lich<br />

seien Schüsse gefallen. Und dann ha be<br />

sich herausgestellt, „das war ein Pas -<br />

sant. Weil er nichts gesehen hat, hat er<br />

mit einer Schreckschusspistole in die Luft<br />

geschossen.“<br />

Zum Kopfschütteln ist auch folgende<br />

von Steiner geschilderte Situation: ei -<br />

ne mitarbeiterin der iKG habe ihn vor<br />

vielen Jahren angerufen und ge meint,<br />

ihr sei so kalt, er möge doch nach der<br />

Heizung sehen. Als er ihr Büro betrat<br />

„stand das Fenster sperangelweit offen“.<br />

Das habe sie übersehen, habe sie zu<br />

ihm gemeint. An einem anderen Tag<br />

habe sie ihn gebeten, dafür zu sorgen,<br />

dass es in ihrem Zimmer nicht so dun -<br />

kel sei. Das Betätigen des Licht schal -<br />

ters reichte aus. „Das habe ich vergessen“,<br />

habe sie darauf zu ihm gemeint.<br />

Ähnliche Szenen erlebe er immer<br />

wieder, sagt Steiner und lacht.<br />

Stolz ist Steiner darauf, dass er sich<br />

bis her noch keinen einzigen Tag<br />

krank gemeldet hat. Und selbst wenn<br />

er auf Urlaub ist, ist er da, wenn man<br />

ihn braucht. Er fliege nicht gerne und<br />

sei am liebsten in seinem Garten, im<br />

na turschutzgebiet an der Donau,<br />

nicht weit vom Albernen Hafen. Dort<br />

hat er jeden Sommer alle Hände voll<br />

zu tun, denn oft gebe es Hochwasser<br />

und obgleich er sein Stelzenhaus<br />

inzwischen um einen meter angehoben<br />

habe, passiere es doch immer<br />

wie der, dass nicht nur der Garten,<br />

son dern auch die erste Etage des<br />

Hauses unter Wasser stehe.<br />

Und wenn ihn dann in seinem Garten<br />

im Sommer der Anruf ereilt mit der<br />

Bitte, er werde dringend gebraucht, ist<br />

Steiner zur Stelle. Dann ist er auch<br />

braun gebrannt. Steiner liebt nämlich<br />

die Sonne. Und braun gebrannt fühlt<br />

er sich am wohlsten.<br />

zur Person<br />

willy steiner, geb. 1955 in Wien,<br />

die matura an der Handelsaka de -<br />

mie fiel der Liebe zum Eishockey<br />

zum Opfer, daher Wechsel an die<br />

Handelsschule. nach dem HAS-<br />

Ab schluss im Verkauf eines Schwei -<br />

zer Unternehmens in Wien tätig.<br />

An fang der achtziger Jahre gelegentlich<br />

nebenberuflich Aushilfsund<br />

Handwerkstätigkeiten für die<br />

<strong>Kultusgemeinde</strong>. Seit Juni 1988<br />

hauptberuflich <strong>als</strong> Haustechniker<br />

der iKG beschäftigt. Steiners mut -<br />

ter maria Dietl (geb. 1925) betreut<br />

bis heute die Garderobe des Stadt -<br />

tem pels sowie das Gemeinde zen -<br />

trum.<br />

Purim-Café &<br />

misChloaCh-manot-markt<br />

Spenden & Schenken<br />

sonnntag, 8. märz <strong>2009</strong> - ab 15.00 uhr<br />

Jüdisches museum am Judenplatz, 1010 Wien<br />

obst - Weine - naschereien<br />

Verpackungs- und Zustell-service<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 7


IN EIGENER SACHE • ZUWANDERUNG UND INTEGRATION<br />

Jüdische Zuwanderung und Integration Burschenschaften in Tirol -<br />

Graf ist Festrede "eine Ehre"<br />

Aus gegebenem Anlass möchte ich Sie<br />

<strong>als</strong> Vorsitzender der „Son­der­kom­mis­si­on­zur­Gewinnung­neuer­Ge­mein­de­mit­glieder­<br />

und­ Zuwanderung“ über<br />

die derzeit laufenden Grund la gen ar -<br />

bei ten in der Kommission informieren.<br />

Die Grundlagenarbeiten, an der mehrere<br />

mitarbeiter arbeiten, werden von<br />

der Österreichischen nationalbank<br />

gefördert und sollen mit Jahresende<br />

<strong>2009</strong> abgeschlossen sein.<br />

Sie stellt die Basis für Verhandlungen<br />

von Präsident Ariel muzicant und<br />

mir mit Regierungsvertretern und an -<br />

deren Repräsentanten des offiziellen<br />

Österreichs dar.<br />

Dank meiner langjährigen Bezie hun -<br />

gen und Kontakte im öffentlichen Be -<br />

reich ist es mir gelungen, wesentliche<br />

in halte zur integration von zuwan -<br />

dern den menschen im Regierungs pro -<br />

gramm beizutragen. So steht u.a. im<br />

Regierungsprogramm, dass die Be -<br />

schäf tigungsmöglichkeiten von ausländischen<br />

Studierenden und Ab sol -<br />

ven ten erweitert werden sollen. Dies<br />

betrifft zum Beispiel ausländische<br />

Absolventen der Lauder Business<br />

School. nach derzeitiger Gesetzes la ge<br />

müssen sie Österreich nach Ende des<br />

Studiums sofort verlassen. Den ge nau -<br />

en Wortlaut entnehmen Sie dem im in -<br />

ter net abrufbaren Regierungs pro -<br />

gramm.<br />

Die mitgliederzahlen der jüdischen<br />

Gemeinden Österreichs nehmen nur<br />

geringfügig zu und brauchen für die<br />

Zukunft eine massive Steigerung.<br />

in Hinblick auf die Altersstruktur der<br />

jüdischen Gemeinden in Österreich ist<br />

die Gewinnung neuer Gemeindemitglie<br />

der durch Zuwanderung nach<br />

Österreich ein wichtiges Ziel der iKG.<br />

Es handelt sich demnach um eine ge -<br />

steuerte Zuwanderung nach Österreich,<br />

die von der Kommission und<br />

mir unterstützt wird. Die Zielgruppe<br />

bilden jüdische menschen, die der<br />

Wirt schaft Österreichs dienen und sich<br />

bereits im Heimatland Grund kennt -<br />

nis se der deutschen Sprache aneignen.<br />

Eine positive integrationsprognose für<br />

die Einwanderung nach Österreich ist<br />

dabei ausschlaggebend.<br />

Ein modell, das uns zeigt, wie es funktionieren<br />

könnte und welche Fehler<br />

vermieden werden müssen, liefert uns<br />

vor allem Deutschland. nach Deutsch -<br />

land sind seit 1991 bis heute ca. 150.000<br />

jüdische menschen aus den Ländern<br />

der ehemaligen Sowjetunion zugewandert.<br />

meine mitarbeiter am Pro jekt<br />

Zuwanderung und mich verbinden<br />

da her enge Arbeitskontakte zu den<br />

re le vanten Behörden und institutio -<br />

nen in Deutschland und Russland.<br />

natürlich ist auch die Rückgewin nung<br />

von jüdischen menschen, die nicht<br />

mitglieder der <strong>Kultusgemeinde</strong> sind,<br />

sehr vordringlich. Leider nimmt de ren<br />

Zahl in Österreich immer weiter ab<br />

(Überalterung, Auswanderung, Assi -<br />

mi lation). Deren Anzahl schätzen wir<br />

auf etwa 500 bis 800.<br />

Unser Hauptziel ist es, die österreichische<br />

Bundesregierung davon zu<br />

überzeugen, dass eine starke und<br />

expandierende jüdische Gemeinde in<br />

Österreich in erster Linie ein Vorteil<br />

für Österreich selbst darstellt.<br />

ich werde mir erlauben, Sie an dieser<br />

Stelle in Zukunft jedes Quartal über<br />

die aktuellen Entwicklungen und den<br />

weiteren Verlauf der Kommissionsar -<br />

beit zu informieren.<br />

Bei Rückfragen ersuche ich Sie um<br />

Kontaktaufnahme unter: knapp@jbbz.at<br />

ihr Prof. mmag. Dr. ilan Knapp<br />

Vorsitzender der Sonderkommission<br />

für die Gewinnung von neuen Mitgliedern<br />

und Zuwanderung<br />

Der Dritte nationalratspräsident mar -<br />

tin Graf versteht die Aufregung um<br />

den im Juni stattfindenden Fest kom -<br />

mers schlagender Burschen schaf ter in<br />

Tirol nicht. Er werde auch gerne eine<br />

Festrede halten, wie er in einer Aus -<br />

sendung betonte. Es sei „eine Eh re,<br />

zum Gedenken an den Tiroler Frei heits -<br />

helden Andreas Hofer vor mehr <strong>als</strong> 1.000<br />

Akademikern reden zu dürfen“, erklärte<br />

der FPÖ-Politiker.<br />

Graf sprach von einer langgeübten<br />

Tradition, „dass zu runden Jubiläen im<br />

Andenken an den Tiroler Freiheitshelden<br />

Andreas Hofer in Tirol eine Großveran -<br />

staltung stattfindet“. man werde sich<br />

dies „auch nicht von linken und linksextremen<br />

Gruppierungen verbieten lassen“.<br />

Den Ehrenschutz wird Graf nicht<br />

übernehmen: Wie bei solchen Veran -<br />

stal tungen üblich, gebe es diesen<br />

nicht, erläuterte der Dritte national -<br />

ratspräsident.<br />

▣<br />

Hannah Lessing weiterhin<br />

Gener<strong>als</strong>ekretärin des<br />

Nationalfonds<br />

Hannah Lessing ist für eine weitere<br />

Ge setzgebungsperiode Gener<strong>als</strong>e kre -<br />

tärin des Allgemeinen Entschädi -<br />

gungs fonds und nationalfonds der<br />

Republik Österreich für Opfer des<br />

na tion<strong>als</strong>ozialismus. Sie ist bereits<br />

von nationalratspräsidentin Barbara<br />

Prammer nach Beratung in der Prä si -<br />

dialkonferenz wiederbestellt worden<br />

Lessing ist seit 1995 Gene ral se kre tä -<br />

rin des nationalfonds und seit 2001<br />

Gener<strong>als</strong>ekretärin des Allgemeinen<br />

Ent schädigungsfonds. Damit ist sie<br />

verantwortlich für die Umsetzung<br />

des Washingtoner Abkommens, dessen<br />

Ziel es ist, jene materiellen Ver -<br />

luste zu berücksichtigen, die durch<br />

frühere Restitutions- oder Entschädi -<br />

gungsmaßnahmen nicht oder nicht<br />

hinreichend entschädigt wurden. Zu<br />

Lessings Aufgaben gehören unter<br />

anderem auch die Ausarbeitung des<br />

Verfahrens für die Entschädigung<br />

von Opfern des nation<strong>als</strong>ozialismus,<br />

informationsvorträge für Überlebende<br />

weltweit sowie die Vernetzung mit<br />

internationalen Opferverbänden. APA<br />

8 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • INLAND<br />

Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer:<br />

Erinnerung an Verbrechen der NS-Zeit<br />

mehr den je wach halten<br />

Anlässlich des Holo caust-Gedenk ta -<br />

ges, der am Tag der Be freiung der<br />

letz ten Überlebenden des nS-Ver nich -<br />

tungslagers Au schwitz-Birkenau in -<br />

ternational began gen wird, stellte der<br />

Bund Sozialdemokratischer Freiheits -<br />

kämpfer und Opfer des Faschismus<br />

bei einer Gedenksitzung fest, dass die<br />

Erinnerung an das größte Verbrechen<br />

der jüngeren Geschichte, dem vor al lem<br />

die europäischen Juden sowie po li tische<br />

Gegner und nationale Wi der -<br />

stand skämpfer zum Opfer gefallen<br />

sind, mehr denn je wach gehalten<br />

werden muss.<br />

Neo-Antisemitismus<br />

Gerade in den letzten monaten ist ein<br />

neo-Antisemitismus zu verzeichnen,<br />

der meist unter der Devise des An ti -<br />

zi onismus nicht nur von Rechtsex -<br />

tremisten und islamitischen Grup pie -<br />

rungen zu verzeichnen ist. Der Ver -<br />

gleich von Auseinandersetzungen in<br />

der Gegenwart mit der nS-mas sen -<br />

ver nichtungsmaschinerie ist eine un -<br />

ge heuerliche Umdeutung der jüngsten<br />

Geschichte.<br />

„Im internationalen E- Mailverkehr, insbesondere<br />

in Deutschland und Österreich<br />

werden unverblümt rechtsextreme und<br />

neonazistische Auffassungen transportiert.<br />

Aktivitäten von rechten Schläger grup pen<br />

werden neuerdings verstärkt registriert“,<br />

Gedenkstätte<br />

des ehemaligen<br />

KZ Mauthausen<br />

beschmiert<br />

bemerkte der Abg.z.nR. a.D. Ing. Ernst<br />

Nedwed, Vorsitzender des Bun des der<br />

Sozialdemokratischen Frei heits kämp -<br />

fer und Opfer des Faschismus. in<br />

einer anderen Frage ist es zu begrüßen,<br />

dass nunmehr klare Worte zum<br />

Umfeld des dritten Präsidenten des<br />

na tionalrats gefunden wurden. Ab -<br />

ge ordnete der SPÖ, ÖVP und der<br />

Grünen haben Konsequenzen verlangt,<br />

die bedauerlicherweise nur im verbalen<br />

Bereich, nicht jedoch in der Perso -<br />

nalpolitik des strammen „Bur schen -<br />

schaf ters der Olympia“ einen nieder -<br />

schlag gefunden haben.<br />

nedwed, der vor kurzem gemeinsam<br />

mit der Arbeitsgemeinschaft der KZ-<br />

Verbände und Widerstandskämpfer<br />

Österreichs die Gedenkstätte Au -<br />

schwitz-Birkenau besucht hat, wies<br />

abschließend darauf hin, dass die<br />

schon seit längerer Zeit erforderliche<br />

Überarbeitung und Erneuerung der<br />

Österreichausstellung im museums-<br />

Komplex in Auschwitz dringend<br />

erforderlich ist.<br />

Die bereits seit längerer Zeit vom Do -<br />

kumentationsarchiv des österreichischen<br />

Widerstandes angeregte neu ge -<br />

staltung harrt noch immer der Um -<br />

set zung. Es ist zu hoffen, dass dafür<br />

recht bald staatliche finanzielle mittel<br />

zur Verfügung gestellt werden können.<br />

Die Außenmauer der Gedenkstätte des<br />

ehemaligen Konzentrationslagers<br />

maut hausen in Oberösterreich ist<br />

beschmiert worden. Große Lettern ru -<br />

fen zu einem „Kreuzzug“ gegen mus -<br />

lime auf. Das „Mauthausen Ko mitee<br />

Ös terreich“ vermutet die Täter in<br />

rechts radikalen Kreisen.<br />

Die Beschmierung „WAS­ UNSEREN<br />

VÄTERN­ DER­ JUD­ IST­ FÜR­ UNS<br />

DIE­MOSLEMBRUT­SEID­AUF­DER<br />

HUT!­ 3.­ WELTKRIEG­ -­ 8.­ KREUZ-<br />

ZUG“­ wurde an der Außenmauer<br />

links vom Eingang zur Gedenkstätte<br />

angebracht. Die rund 70 Zentimeter<br />

großen Buchstaben sind dort weithin<br />

sichtbar.<br />

Der Vorsitzende des mauthausen Ko -<br />

mi tee Österreich Willi Mernyi berichtet,<br />

die Schmieraktion dürfte bereits in der<br />

nacht zum 12.2. verübt worden sein.<br />

Weil sie in der Zeit zwischen 20.00 und<br />

7.00 Uhr und „nicht irgendwo - etwa an<br />

einer Unterführung“, sondern an der<br />

Ge denkstätte mauthausen durchgeführt<br />

wurde, seien wohl nicht spontan<br />

agierende „blede Buam“, sondern gut<br />

vorbereitete Täter am Werk ge we sen.<br />

Diese müssten unter anderem mit<br />

Licht und Farbe ausgestattet vorgangen<br />

sein.<br />

Vermutlich kein Einzeltäter<br />

Eine Anzeige bei der Polizei wurde<br />

be reits erstattet. Für mernyi ist es die<br />

ärgste Schändung, die es bisher gegeben<br />

habe. Es dürfte sich auch um keinen<br />

Einzeltäter handeln, sagte mern yi.<br />

Für ihn handelt es sich um „rechts ra di -<br />

kale Provokateure“. Die Wortwahl zei ge,<br />

dass die Täter mit der Diktion von<br />

nS-Hetzblättern vertraut seien. Die<br />

Schmieraktion bedeute eine „ganz neue<br />

Dimension des Rechtsex tremis mus“. Ge -<br />

gen die unbekannten Täter sei An zei ge<br />

erstattet worden.<br />

Ermittlungen eingeleitet<br />

Eine Reinigungsfirma soll die Farbe<br />

entfernen. Dazu sind aber Plusgrade<br />

notwendig. Bis dahin soll die Schrift<br />

mit einem Fassadennetz verhängt<br />

werden. Der oberösterreichische Si -<br />

cher heitsdirektor Alois Lißl bestätigte<br />

die Anzeige. Die Ermittlungen seien im<br />

Gange. Es gebe aber noch keine konkrete<br />

Spur zu den Tätern.<br />

red<br />

Im KZ Mauthausen und seinen Ne ben lagern ha ben<br />

die National so zia lis ten rund 200.000 Men schen<br />

gefangen gehalten. Etwa die Hälf te von ihnen überlebte<br />

diese Vernichtungs ma schi ne rie nicht.<br />

POLITIK<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 9


POLITIK • INLAND<br />

Stadtschulrat entzieht<br />

Unterrichtserlaubnis für Religionslehrer<br />

Wichtige Klärung der rechtlichen Möglichkeiten<br />

gegenüber konfessionellen Lehrern durch Ministerium<br />

im Zuge der Diskussion um islam-<br />

Leh rer hat das Unterrichtsministe ri -<br />

um nun erstm<strong>als</strong> in den <strong>als</strong> Tabu geltenden<br />

konfessionellen Religionsun -<br />

ter richt eingegriffen: ministerin Clau -<br />

dia Schmied hat am 12. <strong>Februar</strong> den<br />

Wiener Stadtschulrat aufgefordert,<br />

we gen „Gefahr im Verzug“ ein Un -<br />

terrichtsverbot gegen einen der antisemitischen<br />

Hetze beschuldigten is -<br />

lam-Lehrer auszusprechen. Dem kam<br />

der Stadtschulrat sofort nach. Die<br />

islamische Glaubensgemeinschaft<br />

(iGGiÖ) hat sie aufgefordert, ihm die<br />

Unterrichtserlaubnis zu entziehen.<br />

Die Staatsanwaltschaft soll außerdem<br />

prüfen, ob der Tatbestand der Verhet -<br />

zung erfüllt ist.<br />

Der betreffende Lehrer wird be -<br />

schuldigt, mitte Januar an der Koope -<br />

ra tiven mittelschule (KmS) Brüßl gas -<br />

se in Wien-Ottakring Flugblätter mit<br />

einer Liste internationaler Konzerne<br />

an seine Schüler verteilt und sie aufgefordert<br />

zu haben, nicht bei diesen<br />

Unternehmen einzukaufen, da diese<br />

„jüdisch“ seien. Der mann bekam da -<br />

raufhin eine „letzte Abmahnung“<br />

vom Stadtschulrat, die iGGiÖ leitete<br />

ein - noch nicht abgeschlossenes - Dis -<br />

zi plinarverfahren ein.<br />

Schmied be grün dete ihr ungewöhnliches<br />

Eingreifen damit, dass der Leh -<br />

rer gegen in der Bundesver fas sung fest -<br />

geschriebene Wertvor stellungen verstoßen<br />

habe. Außerdem unterliegen<br />

Re ligionslehrer laut Religionsun ter -<br />

richts gesetz den allgemeinen staatli -<br />

chen schulrechtlichen Vorschriften.<br />

Prinzipiell können Religionslehrer in<br />

Österreich nämlich nur von der je wei -<br />

ligen Glaubensgemeinschaft für den<br />

Religionsunterricht nominiert und<br />

wieder abberufen werden. Schmied<br />

be ruft sich allerdings auf das vor kurzem<br />

mit iGGiÖ-Präsident Anas Schak -<br />

feh vereinbarte Fünf-Punkte-Pro gramm<br />

für islam-Lehrer, wonach „die Glau -<br />

bens gemeinschaft allen Religionslehrern,<br />

die in ihrem Unterricht Demokratie, Ver -<br />

fassung und Menschenrechte missachten,<br />

die Unterrichtserlaubnis entzieht“, so<br />

Schmied.<br />

Die Wiener Stadtschul rats präsiden -<br />

tin Susanne Brandsteidl begrüßte die<br />

„moralisch und - wie jetzt durch das Mi -<br />

nis terium geklärt - auch juristisch richtige<br />

Antwort“. Sie sieht in der maßnahme<br />

„eine endgültige und klare Antwort auf die<br />

Frage der rechtlichen Möglichkeiten des<br />

Staates gegenüber allen konfessionellen<br />

Lehrern“. Schakfeh sprach sich für ein<br />

rasches Verfahren aus, meinte aber,<br />

dass es sich dabei um einen „Einzel fall“<br />

handelt. Versäumnisse der iGGiÖ sieht<br />

Schakfeh nicht, man habe schon nach<br />

dem Bekanntwerden der Vor fälle den<br />

Betroffenen sofort ermahnt und ein<br />

Dis ziplinarverfahren eingeleitet. mit<br />

dem Verhalten der Be hör den hat der<br />

iGGiÖ-Präsident kein Problem. Sol che<br />

Konsequenzen seien in einem Rechts -<br />

staat „normal“.<br />

Wie vereinbart haben auch die Fach -<br />

inspektoren für den islamischen Re -<br />

ligionsunterricht einen umfassenden<br />

Verstärkter Polizeischutz für Innsbrucker Synagoge - Für die inns bruc ker<br />

Synagoge gibt es verstärkten Polizeischutz. in der Ver gan genheit war es wie -<br />

derholt zu Van da lenakten gekommen. Zuletzt wur de die Gegen sprech anlage<br />

durch einen Wurf mit einer offenen Tomatendose zerstört, sagte der Leiter<br />

des Tiroler Ver fassungsschutzes, Ludwig Spörr. man habe deshalb beim in nen -<br />

ministerium angefragt und wer de zusätzlich zu den bis herigen maß nahmen<br />

während der Öffnungszeiten der Synagoge einen Beamten abstellen.<br />

Begonnen hatten die Übergriffe nach der Demonstration gegen die israelische<br />

Offensive im Gazastreifen am 10. Januar. Dabei sei „heftig gegen die Eingangs -<br />

türe getreten und eine Bierflasche auf sie geworfen“ worden, zitierte die „Tiroler<br />

Tageszeitung“ Esther Fritsch, Präsidentin der Kul tus gemeinde. Den Täter von<br />

Januar habe man be reits ausforschen können, sagte Spörr. Es hand le sich<br />

dabei um einen Österreicher mit türkischem migrations hin ter grund. APA<br />

Tätigkeitsbericht an das Unter richts -<br />

ministerium übermittelt. Es handle<br />

sich dabei um ein mehrere hundert<br />

Seiten umfassendes Papier, das in den<br />

nächsten Tagen im ministerium analysiert<br />

werden soll, hieß es im Büro<br />

Schmieds. in Zukunft sollen die Fach -<br />

in spek to ren jedes Semester einen derartigen<br />

Bericht abliefern.<br />

Das Unter richts ver bot für den Re li -<br />

gionslehrer wurde von Vertretern al ler<br />

Parla ments parteien begrüßt. SPÖintegra<br />

tions sprecherin Angela Lueger<br />

sprach von einem „wichtigen Signal“<br />

gegen politischen und religiösen Ex tre -<br />

mis mus. Derartige Vorfälle seien nicht<br />

zu tolerieren, so ÖVP-Bildungs spre -<br />

cher Werner Amon. Die Grünen wollen<br />

ei ne „flächendeckende Kontrolle“<br />

des konfessionellen Religionsunter -<br />

richt. FPÖ und BZÖ verlangen, dass<br />

radikal-islamische Aussagen mit Ab -<br />

schie bung geahndet werden. APA<br />

„Lichter gegen Rechts!“<br />

Die Sozialistische Jugend und die Ge -<br />

werkschaftsjugend in Oberöster reich<br />

kündigten einen großen Lichterzug<br />

ge gen Rechtsextremismus am 30.<br />

April <strong>2009</strong> an. „Wir sehen es <strong>als</strong> Pro vokation,<br />

dass die Nationale Volks partei für<br />

18. April und 1. Mai Aufmärsche angekündigt<br />

hat. Die NVP wurde vom DÖW<br />

bereits <strong>als</strong> rechtsextrem eingestuft. Mit<br />

unserem Lichterzug am Vorabend des 1.<br />

Mai wollen wir mit tausenden Lichtern<br />

ein deutliches Zeichen gegen Rechts ex -<br />

tre mismus und Fremdenfeindlichkeit setzen“<br />

so der Landesvorsitzende der<br />

Sozialistischen Jugend OÖ, Michael<br />

Lind ner. Andreas Krammer, Landes vor -<br />

sit zender der ÖGJ: „Als antifaschistische<br />

Jugendorganisation setzen wir uns für<br />

Toleranz und Weltoffenheit ein. Wir werden<br />

nicht tatenlos zusehen, wie verbohrte<br />

Rechtsextreme den internationalen Tag der<br />

Arbeit für ihre ewiggestrige Propa gan da<br />

missbrauchen. Deshalb rufen wir gemeinsam<br />

mit der SJ zum Lichterzug auf.“<br />

Als nächsten Schritt werden SJ und<br />

ÖGJ auf alle aktiven Organisationen<br />

zu gehen, die sich gegen Rechtsextre -<br />

mismus und Fremdenfeindlichkeit en -<br />

gagieren: „Mit einem breiten Bünd nis<br />

wollen wir zeigen, dass es eine klare Ableh -<br />

nung von rechter Menschenhetze und<br />

rechts extremen Aufmärschen gibt!“ so<br />

beide abschließend.<br />

APA<br />

10 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 11


POLITIK • GASTKOMMENTAR<br />

Gastkommentar*<br />

von Botschafter Dan Ashbel<br />

Botschafter des Staates Israel in Österreich<br />

Von insgesamt zwölf Seiten der Aus lands -<br />

themen im Profil vom 2. Fe bru ar <strong>2009</strong><br />

wur den sieben Seiten ausschließlich der<br />

„Is rael-Kritik“ gewidmet. Die Reportagen<br />

und Berichte konzentrieren sich auf die<br />

Ereignisse der letzten Wochen im Gaza-<br />

Streifen nicht etwa auf Terroranschläge,<br />

den Raketen be schuss auf israelische Zi vi -<br />

listen in den vergangenen acht(!) Jahren,<br />

sondern nur mit der Reaktion auf diese un -<br />

mög liche Situation seitens Israel. Da muss<br />

man zur Schlussfolgerung kommen, dass<br />

solange Israel ohne jede Ge gen wehr hinnimmt,<br />

dass ein er heb li cher Teil seiner<br />

Be völkerung regelmäßig im Bunker leben<br />

muss, um nicht Opfer ei ner Hamas-Rake -<br />

te zu werden, sein Ver halten toleriert<br />

wird. Wehrt es sich dagegen, wird es auf ei -<br />

ne Ebe ne mit den Hamas-Terro ris ten ge -<br />

stellt. So kann man zugleich „fortschrittlich“<br />

wie auch „Israel-kritisch“ sein.<br />

Nur Dreizehn Zeilen für Terror<br />

Der Terror-Organisation Hamas werden<br />

auf diesen sieben Seiten magere<br />

dreizehn Zeilen gewidmet, und auch<br />

die zeichnen sich durch eine sehr ge -<br />

neralisierende Beschreibung aus. „Ra-<br />

di kal-islamisch“ wird die Organisa ti -<br />

on genannt, die ihre Gegner erschießt,<br />

oder ihnen, im besseren Fall in die<br />

Knie schießt, damit sie nie mehr gehen<br />

kön nen. mit keinem Wort wird die<br />

Terro ri sie rung der eigenen Bevölke -<br />

rung er wähnt. Auch die Redakteure<br />

und Re porter des ‘Profil’ können,<br />

wenn sie nur wollen, Berichte in arabischen<br />

wie auch europäischen me di en<br />

lesen, die beschreiben, wie die Ha mas<br />

palästinensische Zivilisten <strong>als</strong> Geiseln<br />

und <strong>als</strong> Schutzschilde be nutzt hat,<br />

abgesehen vom Stehlen von Hilfs gü -<br />

tern, die für die gesamte Bevölkerung<br />

in Gaza gedacht waren. Die Bemer -<br />

kung im ‘Profil’ „Der Hamas, die sich<br />

an keinerlei völkerrechtliche Vorschriften<br />

gebunden fühlt, war das freilich egal“,<br />

sollte doch zu einer ernsten Aus ein -<br />

an dersetzung mit der Frage, wer die -<br />

se Organisation ist, und welche Ziele<br />

sie hat, führen. Dazu war aber auf<br />

den sieben Seiten kein Platz.<br />

Henry Siegman<br />

Zum interview mit Henry Siegman:<br />

Wa rum ist es wichtig, dass Herr Sieg -<br />

man „ehemaliger Vorstand des American<br />

Jewish Congress sowie des Synagogue<br />

Coun cil of America“ ist oder dass er<br />

„1933 mit seinen Eltern vor den Nazis<br />

floh“? mehr noch, was hat die Frage,<br />

„Sie werden immer wieder <strong>als</strong> Nestbe -<br />

schmut zer und <strong>als</strong> selbsthassender Jude<br />

und Antisemit beschimpft. Wie leben Sie<br />

damit?” mit der Expertise von Herrn<br />

Sieg man zu tun? Übrigens, auch Dr.<br />

Daniel Pipes ist Jude und beschäftigt<br />

sich seit Jahrzehnten mit dem nahen<br />

Osten. Von Herrn Hoffmann-Osten hof<br />

bekommt Dr. Pipes nur die Bezeich -<br />

nung „nahost-Falke“.<br />

Henry Siegman nimmt israel in die<br />

Pflicht, seine Ziele auf friedliche Wei se<br />

zu erreichen.<br />

Acht Jahre lange Zurückhaltung ge -<br />

genüber Raketenbeschuss der zivilen<br />

Bevölkerung, totaler Auszug aus dem<br />

Gaza-Streifen und ständige Verhand -<br />

lun gen mit den Palästinensern sind<br />

friedliche Wege, die von der Hamas <strong>als</strong><br />

Zeichen der Schwäche interpretiert,<br />

und <strong>als</strong> Er munterung für ihre terroristische<br />

Vorgangsweise gesehen werden.<br />

Henry Siegman nennt die Blockade<br />

des Gaza-Streifens <strong>als</strong> Grund für den<br />

Raketenbeschuss der Hamas. Der Ra -<br />

ke tenbeschuss israelischer Städte (Sde-<br />

rot, Ashkelon) durch die Hamas be -<br />

gann vor acht Jahren und nicht erst<br />

jetzt „wegen der Blockade“. Auch in<br />

Zeiten der Waffenruhe schlugen fast<br />

täglich Raketen ein, töteten menschen<br />

und verursachten große Schäden. im<br />

Jahr 2005 hat israel den Gaza-Streifen<br />

geräumt. Hat das zu einem Ende des<br />

Ra ketenbeschusses geführt? nein.<br />

Die Grenzübergänge nach Gaza wa ren<br />

offen, solange sie nicht Ziel für An -<br />

griffe und Terror-Anschläge wurden.<br />

Auch nach solchen Angriffen wurden<br />

sie wieder geöffnet. Sogar wäh rend<br />

der Kampfhandlungen in Gaza wurden<br />

Hilfsgüter hinein gelassen.<br />

Was die Verletzung des sogenannten<br />

Waffenstillstands betrifft, so muss<br />

klar gestellt werden, dass auch während<br />

der sechs monate der sogenannten<br />

„Ruhe“ die Hamas weiter auf is -<br />

raelisches Gebiet geschossen hat.<br />

Henry Siegman sagt, dass „die Hamas<br />

nie zulassen wird, dass die seit dem Sechs -<br />

tagekrieg von 1967 besetzten Territorien<br />

aufgegeben werden“. Er irrt nur im Da -<br />

tum, die Hamas sieht auch israel in<br />

den Waffenstillstandslinien von 1949<br />

<strong>als</strong> „besetztes Territorium“ und Herr<br />

maschal, Führer der Hamas in Da mas -<br />

kus, hat diese Position auch in den<br />

letzten Tagen klar und deutlich wie -<br />

der holt.<br />

Laut Henry Siegman ist die Charta der<br />

Hamas „politisch nicht von Bedeutung“.<br />

Wie soll man den Absatz 7 dieser Char -<br />

ta, der besagt, „An diesem Tag werden<br />

die Bäume und die Felsen dem mus -<br />

limischen Kämpfer zurufen, hier der Jude<br />

versteckt sich hinter uns, töte ihn“, beurteilen?<br />

Da wird nicht von isra e lis,<br />

nicht von israel gesprochen, sondern<br />

von „dem Juden“. Soll man das ignorieren?<br />

Das ‘Profil’ zitiert westliche Staats -<br />

chefs, die die Anerkennung des Exis -<br />

tenz rechts israels <strong>als</strong> Bedingung nennen.<br />

Hier ist zu bemerken, dass es<br />

sich um das internationale Quartett<br />

(USA, Russland, die EU und die<br />

UnO) handelt, das der palästinensischen<br />

Regie rung DREi Bedingungen<br />

gestellt hat. Zu der schon Erwähnten<br />

kommen noch die Einhaltung der<br />

unterzeichneten Abkommen zwischen<br />

israel und den Palästinensern wie<br />

auch das Beenden von Terroran schlä -<br />

gen. Diese Bedingungen beruhen auf<br />

der Tatsa che, dass beide Seiten schon<br />

einige Ver pflich tungen auf sich ge -<br />

nommen ha ben, die auch für eine neu<br />

gewählte Regierung bindend sind.<br />

12 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • GASTKOMMENTAR<br />

Für Henry Siegman sind diese For de -<br />

rungen schlicht und einfach absurd.<br />

Aug’ um Auge, Zahn um Zahn?<br />

im Artikel von Gregor Mayer und Shab -<br />

tai Gold „Verbrannte Erde“, wird EU-<br />

Kommissar Louis michell wie folgt zi -<br />

tiert: „Die Antwort darauf (auf den Ra ke -<br />

ten beschuss, Anmerkung des Au tors) war<br />

völlig disproportional.“ Wenn man „Ver -<br />

hältnismäßigkeit“ fordert, soll das heis -<br />

sen: Für jede Rakete, die auf Sderot<br />

niedergeht, darf israel blind eine Ra -<br />

ke te auf Gaza-Stadt schießen und für<br />

je den in die Luft gesprengten Bus in<br />

israel, einen arabischen Bus in die Luft<br />

sprengen? Zudem sollte auch festgestellt<br />

werden, dass solange die Paläs -<br />

ti nenser dulden, dass die Ha mas aus<br />

ihrer mitte, aus ihren Häusern und<br />

Schu len Raketen auf israelische Kin -<br />

der gärten abfeuert, sie nicht wirklich<br />

<strong>als</strong> „unschuldige zivile Opfer“ gelten<br />

können. nicht israels Gegenwehr ist<br />

disproportional sondern die Kritik an<br />

dieser Gegenwehr ist es.<br />

Was die Anwendung phosphorhaltiger<br />

munition betrifft hat Peter Herby,<br />

Leiter der minen-Waffen-Einheit vom<br />

internationalen Roten Kreuz am 13.<br />

Januar <strong>2009</strong> bestätigt, dass diese mu -<br />

ni tion <strong>als</strong> nebel und Beleuchtungs -<br />

gra naten eingesetzt wurde, was den<br />

Regeln des Völkerrechts entspricht.<br />

„Wir haben keinen Beweis dafür, dass diese<br />

Munition in einer anderen Art verwendet<br />

wurde“, sagte Herby gegenüber<br />

der nachrichten Agentur AP.<br />

Unüberprüftes<br />

Dem israelischen militär wird im Ar -<br />

ti kel vorgeworfen „vielfach jegliche<br />

Rücksicht auf Zivilisten“ vermissen zu<br />

lassen. Damit wird ignoriert, dass mehr<br />

<strong>als</strong> 300.000 Telefonanrufe, gerade an<br />

Zivilisten, getätigt wurden, um sie vor<br />

den Angriffen zu warnen. Es wird zu -<br />

gleich verschwiegen, dass auch während<br />

der Kampfhandlungen, täglich<br />

ca. 100 LKWs mit humanitären Gü tern<br />

in den Gaza-Streifen gelassen wurden,<br />

und dass zehn neue Ambu lan zen nach<br />

Gaza geschickt wurden. ignoriert<br />

wird auch, dass Rettungsautos zum<br />

Transport von Waffen und kämpfenden<br />

Terroristen, gegen alle internationale<br />

Regeln, von der Hamas benutzt<br />

wurden.<br />

ich weiß auch nicht, woher das Ge -<br />

rücht kommt, dass Palästinenser –<br />

nicht et wa Hamas-Leute, Gefangene<br />

oder Terroristen – „ohne Nahrung und<br />

ohne Möglichkeit, ihre Notdurft zu verrichten“<br />

gehalten wurden. Es ist<br />

schlicht und einfach nicht wahr.<br />

Es fällt mir schwer nachzuvollziehen,<br />

was an einer angeblichen Kluft „zwischen<br />

Washington und Jerusalem“, wie es<br />

Herr Hoffmann-Ostenhof darstellt, so<br />

„gut“ ist. US-Präsident Obama hat<br />

wäh rend seines Besuchs in der Stadt<br />

Sderot in israel gesagt, dass er so ei nen<br />

ständigen Beschuss nie dulden wür de.<br />

Genauso irrelevant wie das Judentum<br />

von Henry Siegman ist die Fest stel -<br />

lung, dass George mitchell „eine libanesische<br />

Mutter“ hat. Will damit Herr<br />

Hoffmann-Ostenhof die integrität von<br />

Herrn mitchell in Frage stellen?<br />

nicht nur „die Mehrheit der US-Demokra<br />

ten... hätten... viel lieber Verhand lun -<br />

gen Jerusalems mit den Palästinensern<br />

<strong>als</strong> Bombardements und Panzer gesehen“.<br />

Auch die israelis und die Regierung is -<br />

raels würden lieber eine Zwei-Staa ten<br />

für zwei-Völker-Lösung se hen. mehr<br />

noch, seit seiner Gründung im Jahr<br />

1948 sind die Hoffnungen auf und<br />

das Bestreben nach Frieden mit allen<br />

unseren nachbarn ein fester Bestand -<br />

teil aller israelischen Regierungs pro -<br />

gramme. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />

hat israel die Sinai Halbinsel (dreimal<br />

so groß wie der Staat israel) an Ägyp-<br />

Obama in Sderot<br />

ten zurück gegeben, auch mit Jorda -<br />

ni en einen Friedensvertrag unterzeichnet<br />

und führt auch heute Ver -<br />

hand lungen mit den Palästinensern.<br />

Die Annahme, israel könnte mit der<br />

Ha mas einen politischen Ausgleich<br />

finden, ist leider ein bisschen naiv.<br />

Denn was die Hamas mit al-Qaida<br />

ver bindet, ist (unter anderem), das<br />

tiefsitzende Bedürfnis, israel und die<br />

isra e lis auszulöschen, das heißt, physisch<br />

zu vernichten. Diesen Gefallen<br />

werden wir weder der Hamas noch<br />

irgendjemand anderem tun.<br />

ich werde die interviews mit den drei<br />

Palästinensern inhaltlich nicht kommentieren.<br />

Es ist aber zu bedauern,<br />

dass auf sieben Seiten kein Platz für<br />

interviews mit pa läs tinensischen Op -<br />

fern der Hamas, ganz zu schweigen<br />

von interviews mit israelischen Opfern<br />

der Terror-An grif fe, gefunden wurde .<br />

Andere internationale medien ha ben<br />

genau das gemacht, um die Schwie -<br />

rig keit und die Tragik der Situation<br />

ih ren Leserinnen zu präsentieren. Lei -<br />

der muss ich zur Erkenntnis kommen,<br />

dass genau das sehr weit von den Zie -<br />

len des ‘Profil’ in dieser Aus gabe war.<br />

*Anm.d. Redaktion: ’Profil’, das unabhängige<br />

Magazin Österreichs, hat sich leider nicht be reit<br />

erklärt diesen Artikel zu veröffentlichen.<br />

©JTA<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 13


WIRTSCHAFT<br />

Rupert Petry<br />

Alon Shklarek<br />

Fabriken ohne Aufträge<br />

Die Krise hat die Industrieunternehmen<br />

Osteuropas erreicht. Berater aus Wien<br />

suchen nach kurzfristiger Hilfe und<br />

nach strategischen Antworten.<br />

VON REINHARD ENGEL<br />

„Im Dezember ist die Krise in Ost eu ro pa<br />

angekommen.“ Robert Kremlicka leitet<br />

das Wiener Büro des globalen Stra te -<br />

gie-Beraters A.T.Kearney und arbeitet<br />

vorrangig für Unternehmen, die in<br />

der Region mittel- und Südost europa<br />

aktiv sind. „Wir waren selbst überrascht,<br />

wie schnell sich diese weltweit ausgebreitet<br />

hat.“<br />

noch im Herbst liefen die ma schi -<br />

nen zwischen Budapest, Belgrad und<br />

Bukarest weitgehend ohne Stottern,<br />

und mit Aufträgen aus dem starken<br />

Vorjahr ist nach wie vor ein Gutteil der<br />

industriebeschäftigten in Arbeit und<br />

Brot. Dann aber riss es abrupt ab.<br />

Krem licka: „Jetzt feilt praktisch jedes<br />

Ma nagement an einem Plan B, viele be -<br />

reits an einem Plan C.“ mit Plan B sind<br />

firmeninterne Budgetrechnun gen ge -<br />

meint, die von einem Auftrags-Rück -<br />

gang um 20 Prozent ausgehen, bei Plan<br />

C befürchten die Finanz vor stände<br />

schon drastische Einbrüche von 50 Pro -<br />

zent und mehr. <strong>2009</strong> dürfte grausam<br />

werden.<br />

Kremlicka bearbeitet die Region von<br />

Wien aus, wie andere seiner Bran chen -<br />

kollegen. Wien ist für die großen, welt -<br />

weit tätigen Consulter eine Art Brük -<br />

ken kopf nach Ost- und Südosteuro pa,<br />

heißen sie nun Boston Consulting<br />

Group, mc.Kinsey & Company, Booz<br />

Allen Hamilton oder A.T. Kearney.<br />

Von hier schicken auch weitere, regional<br />

wichtige Beratungs-Unternehmen<br />

ihre Spezialisten an die ungarischen,<br />

ru mänischen oder ukrainischen Stand -<br />

orte der Konzerne, etwa Roland Ber ger<br />

aus münchen oder das malik mana ge -<br />

ment Zentrum St. Gallen. Es gibt aber<br />

auch lokale Spezialisten mit internationaler<br />

Kundschaft wie ASP Con sul -<br />

ting, die für Riesen wie ABB, Swedish<br />

match, mobil Exxon oder Solvay<br />

arbeitet.<br />

Die vorsichtigen Schweizer in St.<br />

Gal len hatten übrigens zu jenen ge -<br />

zählt, die bereits im vorigen Frühjahr<br />

ihre Kunden systematisch auf die he -<br />

rannahende Krise aufmerksam zu ma -<br />

chen versuchten. martin Hag leitner,<br />

Wiener Geschäftsführer des malik ma -<br />

nagement Zentrums dam<strong>als</strong>: „Wir er -<br />

ar beiten schon für eine Reihe von Kun den<br />

Alternativ-Szenarien: Was machen wir bei<br />

einem 30-prozentigen Umsatz-Ein bruch?“<br />

Aber, so Hagleitner heute in der Rück -<br />

schau, viele wollten dam<strong>als</strong> Derar ti ges<br />

nicht hören, nach dem motto: Was<br />

nicht sein darf, kann auch nicht sein.<br />

„Hoffnung ist immer eine Strategie“,<br />

gibt auch Alon Shklarek ironisch <strong>als</strong><br />

Erklärung dafür, dass sich manche ma -<br />

nager gegen unliebsame Wahrheiten<br />

bis zu letzt quer legten. Aber er hat<br />

ebenso wie Hagleitner mit seiner ASP<br />

Consulting schon im Vorjahr eine Rei -<br />

he seiner internationalen Kunden auf<br />

die Krise vorbereitet. „Das war absehbar,<br />

wenn auch vielleicht nicht in der ganzen<br />

Schärfe. Seit einem Jahr gibt es diese<br />

Szen a rien – wo Divestments er fol gen<br />

könnten, falls der Markt dreht, welche<br />

Pro jekte dann noch Priorität haben, und<br />

welche zurückgestellt werden. Der größte<br />

Fehler ist, sich nicht vorbereitet zu haben,<br />

denn dann kann man in der Krise nicht<br />

schnell entscheiden. Jetzt geht es eben da -<br />

rum, diese Maßnahmen möglichst schnell<br />

und effizient umzusetzen.“<br />

Hartes Kostensenken lautet <strong>als</strong>o die<br />

Devise in den Unternehmen. Ohne hin<br />

schon schlanke Strukturen werden<br />

noch einmal genau durchforstet, um<br />

die Umsatz-Rückgänge beim Auf wand<br />

14 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


WIRTSCHAFT<br />

Robert Kremlicka<br />

wenigstens einigermaßen ab zu fan gen.<br />

A.T.Kearney-Chef Kremlicka: „Es gibt<br />

heute keinen Bereich, der sich nicht von<br />

der Krise betroffen sieht.“ Shkla rek war<br />

bei seinen Kunden noch nicht<br />

gezwungen, ganze Standorte in Ost -<br />

europa zu schließen, kennt derartige<br />

Fälle aber bereits.<br />

Und das Abspecken allein dürfte bei<br />

einer großen Zahl von industrief ir men<br />

auch nicht mehr reichen. Es gab teilweise<br />

schon vorher dünne Kapital -<br />

decken, manche lokale Rauchfänge<br />

waren nur mehr warm, weil die je -<br />

wei lige Regierung mit billigem Geld<br />

immer wieder über die Runden half.<br />

Das geht nun zu Ende. Roland Ber -<br />

ger-Partner Rupert Petry: „In einigen<br />

Ländern, etwa in Rumänien oder Kroa -<br />

tien, rechnen wir erstm<strong>als</strong> mit größeren<br />

Restrukturierungen wie sie anderswo<br />

schon längst gemacht wurden.“<br />

Sowohl in der industrie selbst <strong>als</strong><br />

auch in benachbarten Branchen, etwa<br />

der Logistik, erwarten die Berater eine<br />

Welle von Firmenzusammen brü chen<br />

oder Übernahmen. A.T. Kear neymann<br />

Kremlicka: „Selbst wenn Un ter -<br />

neh men billig sind, fehlt anderen oft das<br />

Geld, sie zu kaufen. Es wird <strong>als</strong>o vermehrt<br />

Allianzen geben oder Zusammen schlüs se.“<br />

mit Übernahmen rechnet auch ASP-<br />

Chef Shklarek: „Kapit<strong>als</strong>tarke Unter -<br />

neh men werden jetzt belohnt. Wenn je -<br />

mand schon vorher knappes Eigenkapital<br />

hatte und dann 50 Prozent vom Umsatz<br />

verliert, kann es sich nicht ausgehen.“<br />

Shklarek sieht eine Renaissance von<br />

privaten Kapitalbeteiligungen in un -<br />

ter schiedlichsten Formen, heißen sie<br />

jetzt mezzaninkapital, Wan del an lei hen<br />

oder Junior-debt-Konstruk tionen. Die<br />

Banken vergeben kaum Kredite, schon<br />

gar nicht zum Abdecken laufender<br />

Verluste, <strong>als</strong>o müssen die Unterneh -<br />

men andere Varianten suchen, um zu<br />

überleben.<br />

„Die Stunde der Käufer kommt be -<br />

stimmt,“ so Shklarek. Die smartes ten<br />

Unternehmer planen bereits für die<br />

Zeit des Aufschwungs, überlegen, wo<br />

sich die märkte zukünftig hinbewe -<br />

gen, was man eventuell dazukaufen<br />

könnte. Das ist aber noch die min -<br />

derzahl, die meisten kämpfen gerade<br />

hart mit der Krisenbewältigung.<br />

Lichter im Tunnel<br />

Trotz allem hektischen Krisenmanagement sind die Strategieberater für ganz Ost- und Südosteuropa weiterhin<br />

relativ optimistisch. in einem Großteil der Länder sollte es weiter Wachstum geben, wenn auch deutlich<br />

schwächer <strong>als</strong> zuletzt. Und nicht alle Branchen zeigen sich gleich betroffen.<br />

So rechnen zwar alle mit einem dramatischen Einbruch auf dem immobiliensektor. Beim privaten Hochbau,<br />

ob es jetzt Bürohäuser oder Einkaufszentren sind, wird im besten Fall fertig gebaut, was begonnen wurde. Für<br />

neue Projekte gibt es derzeit kein Geld. Ganz anders sieht die Situation im Bereich infrastruktur aus. Auch<br />

wenn in mehreren Ländern die Autobahnnetze weitgehend vollendet sind, jetzt ist die Bahn-modernisierung<br />

vonnöten. Und dafür werden mittel fließen, aus den jeweiligen nationalen Budgets wie aus Brüssel. Ähnliches<br />

gilt für den Umwelt-Bereich, wo die EU sowohl durch harte Grenzwerte <strong>als</strong> auch durch Fördermittel stimulierend<br />

wirkt. Gerade diese Branche sollte dem spezialisierten mittelstand in Österreich, Deutschland und der<br />

Schweiz Aufträge bescheren. Großen nachholbedarf sehen die Berater auch im Gesundheitswesen, gekauft wer -<br />

den Arzneimittel, Geräte aber auch Reorganisationsleistungen für die teils maroden Spitäler und Al ten hei me.<br />

Selbst für den industrieanlagenbau sind die Spezialisten in Wien nicht ganz pessimistisch. Gerade erst hat<br />

die Gaskrise drastisch vor Augen geführt, welche Rolle Energieeffizienz spielen kann, daher könnte hier auch<br />

verstärkt investiert werden. Über die Rolle der osteuropäischen Konsumenten und ihre Kaufkraft sind sich die<br />

Consulter nicht ganz einig: Wohl besteht nach wie vor enormer nachholbedarf. Aber vieles wurde in den letzten<br />

Jahren mit Privatkrediten gekauft, nicht bloß Wohnungen und Autos, selbst Fernseher, Waschmaschinen und<br />

Schlagbohrer. Und die Banken sind nicht nur den Unternehmen gegenüber knausrig geworden, sondern auch<br />

gegenüber den Privatkunden.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 15


POLITIK • AUSLAND<br />

UMFRAGE IN EUROPA:<br />

"Juden haben zu großen Einfluss auf Finanzwelt"<br />

Die Weltwirtschaftskrise und die is -<br />

raelische Offensive gegen die Hamas<br />

im Gazastreifen haben antisemitische<br />

Einstellungen in sieben europäischen<br />

Ländern beeinflusst. Das geht aus ei -<br />

ner aktuellen Umfrage der „Anti-De-<br />

famation League“ (ADL) hervor.<br />

Demnach geben 31 Prozent der Be frag -<br />

ten den Juden in der Finanz in dustrie<br />

die Schuld für die Finanz krise.<br />

Für die Umfrage wurden jeweils 500<br />

menschen in Deutschland, Großbri -<br />

tan nien, Spanien, Österreich, Ungarn,<br />

Frankreich und Polen befragt.<br />

Die Aussage „Juden haben zuviel Ein -<br />

fluss in der Geschäftswelt“ unterstützten<br />

insgesamt 40 Prozent der Be frag ten.<br />

in Großbritannien waren mit 15 Pro -<br />

zent die wenigsten menschen dieser<br />

meinung, gefolgt von Deutsch land mit<br />

21 Prozent. Die meisten Un terstützer<br />

dieser These fanden sich in Ungarn<br />

mit 67 Prozent. in Österreich waren<br />

es 36 Prozent (2007:37)<br />

Dass Juden zuviel Einfluss bei den internationalen<br />

Finanzmärkten haben, glaub -<br />

ten insgesamt 41 Prozent. mit 74 Pro -<br />

zent waren in Spanien die meisten Be -<br />

fragten dieser meinung. in Österreich<br />

waren es 37 Prozent (2007:43)<br />

insgesamt vertraten 44 Prozent der Um -<br />

frage teil neh mer die Ansicht, „Juden<br />

sprechen immer noch zu viel über das, was<br />

ihnen während des Holocaust angetan<br />

wur de". Auch hier waren mit 20 Pro -<br />

zent in Groß britannien die wenigsten<br />

Be frag ten dieser meinung - im Jahr<br />

2007 hatten noch 28 Prozent der Aus -<br />

sage zugestimmt. in Österreich waren<br />

es 55 Prozent (2007:54 Prozent). Die<br />

meisten Anhänger dieser Ansicht fanden<br />

sich mit 56 Prozent in Ungarn -<br />

das waren zwei Prozent weniger <strong>als</strong><br />

2007.<br />

insgesamt machten zudem 23 Pro zent<br />

der befragten Europäer die Juden für<br />

den Tod von Jesus verantwortlich. Eben -<br />

falls 23 Prozent gaben an, ihre mei -<br />

nung hinsichtlich der jüdischen Be völ -<br />

kerung werde durch die Politik des<br />

Staates israel beeinflusst.<br />

Verglichen mit einer Umfrage aus dem<br />

Jahr 2007 sind in Großbritannien die<br />

an ti-semitischen Einstellungen bei al len<br />

Fragen zurückgegangen. in den an de -<br />

ren sechs Staaten blieben diese wei test -<br />

gehend unverändert oder nah men zu.<br />

Die Umfrage wurde zwischen dem 1.<br />

Dezember 2008 und dem 13. Januar<br />

<strong>2009</strong> durchgeführt. Die Fehlerquote<br />

liegt bei etwa 4 Prozent.<br />

inn/red<br />

www.adl.org/PresRele/ASInt_13/5465_13.htm<br />

Randalierer verwüsteten<br />

Synagoge in Caracas<br />

Eine Gruppe bewaffneter Randalierer<br />

hat in der venezolanischen Haupt stadt<br />

Caracas eine Synagoge überfallen und<br />

verwüstet. Wie der Bund der is ra e liti -<br />

schen Vereinigungen Venezu elas (CA-<br />

iV) in einer Erklärung mitteilte, überwältigten<br />

etwa 15 männer zwei Wach -<br />

leute der Synagoge und richteten un ter<br />

anderem in der Bibliothek und verschiedenen<br />

Studienräumen erhebli -<br />

chen Schaden an. Dabei sei auch der<br />

Schrank mit der heiligen Schriftrolle<br />

Tora entweiht worden. Die Ein dring -<br />

lin ge sprühten zudem antisemitische<br />

Parolen an die Wände. Die Vereini -<br />

gung sprach von einem Akt des Van da -<br />

lis mus, der in der Geschichte Vene -<br />

zue las „beispiellos“ sei und der einen<br />

An griff auf alle Juden im Land darstelle.<br />

Der Vorfall sei eine Konse quenz<br />

der von der Regierung geschürten an -<br />

tijüdischen Stimmung: Venezuela hat te<br />

aus Protest gegen die israelische mi li -<br />

täraktion im Gazastreifen den Bot -<br />

schaf ter israels, Schlomo Cohen, des<br />

Lan des verwiesen. Staatschef Hugo<br />

Cha vez warf der israelischen Regie -<br />

rung „Völkermord“ vor.<br />

Venezuelas Außenminister nicolas<br />

ma duro verurteilte die Tat <strong>als</strong> „verbrecherisch“<br />

und versprach eine lü c ken -<br />

lose Aufklärung. Die venezolanische<br />

Regierung lehne derartige Vorfälle ge -<br />

nauso ab wie die „Verbrechen gegen das<br />

palästinensische Volk“, die von der re -<br />

gie renden Elite in israel begangen wür -<br />

den. Zugleich warnte der minister vor<br />

einer internationalen Kampagne, die<br />

Venezuela aufgrund seiner israel-Kri -<br />

tik in eine antisemitische Ecke stellen<br />

wolle. in Venezuela sei die Re legionsfrei<br />

heit verfassungsrechtlich garantiert,<br />

versicherte maduro.<br />

Kampagne gegen<br />

Internet-Handel mit<br />

Nazi-Symbolen<br />

Ein mann vor einem Computermo ni -<br />

tor, auf dessen H<strong>als</strong> anstelle des Kop fes<br />

ein Hakenkreuz prangt: Auf kle ber mit<br />

diesem Bild sind in Warschau derzeit<br />

an Haltestellen und auf Werbepla ka -<br />

ten zu sehen. Sie sollen die Bürger zur<br />

Unterzeichnung eines Appells an die<br />

größte polnischen internet-Börse www.<br />

allegro.pl bewegen, damit Gegenstände<br />

mit nazi-Symbolik aus den Auktio<br />

nen genommen werden.<br />

Die Unterschrif tenaktion ist Teil einer<br />

landesweiten Kampagne der Orga ni -<br />

sa tion „Nie wieder“ gegen den inter -<br />

net-Handel mit nazi-Symbolen, wie<br />

die Tageszeitung ‘Gazeta Wyborcza’<br />

berichtete.<br />

Den Appell unterzeichneten viele be -<br />

kannte polnische Persönlichkeiten,<br />

darunter Schriftsteller und Rocksän ger.<br />

Der initiator der Aktion, Dariusz Pacz -<br />

kowski, erklärte gegenüber der Zei tung,<br />

dass auf dem Auktionsportal www.<br />

allegro.pl alles angeboten wird, was<br />

das neonazi-Herz begehre, von SS-<br />

Ab zeichen bis zur Reichskriegs flag ge.<br />

Auf der internetseite kann man<br />

außerdem neonazi-Veröffentli chun -<br />

gen und CDs von Skinhead-Bands wie<br />

Konkwista 88 („88“ ist ein in neo na zi-<br />

Kreisen verbreiteter Code für „Heil<br />

Hit ler“) erwerben.<br />

Die Verantwortlichen des Unterneh -<br />

mens verweigern bisher jeden Dialog<br />

über die anrüchigen „Sammler stücke“,<br />

wie sie im internet bezeichnet werden.<br />

„Die genannte Auktionen verletzen<br />

das Reglement von Allegro nicht“, weil<br />

sie nicht zum Hass aufgrund von Ras -<br />

se, Ethnie, nationalität oder Religion<br />

anspornten. Sie könnten nur in diesem<br />

Fall verboten werden, so die Antwort<br />

des internetanbieters. Das betont auch<br />

der Pressesprecher des Port<strong>als</strong>, Pa tryk<br />

Tryzubiak. „Zum Hass spornen nicht Ge -<br />

genstände, sondern Menschen an. Und das<br />

polnisches Recht verbietet das Ver kau fen<br />

von Gegenständen mit dem Hakenkreuz<br />

nicht“, sagte er gegenüber der Zei tung.<br />

Die Aufkleber sind nur der An fang<br />

einer größeren Aktion. im Früh ling<br />

möchte die Organisation „nie wieder“<br />

Graffiti in den größten polnischen<br />

Städten anbringen.<br />

16 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


nach der Beschlagnahme der um strit -<br />

tenen neuen Wochenpublikation „Zei-<br />

tungszeugen“ müssen voraussichtlich<br />

die deutschen Gerichte über die Zu -<br />

kunft des nS-Forschungsprojekts ent -<br />

scheiden. Der englische Herausgeber<br />

Peter mcGee legte Beschwerde ein und<br />

will notfalls bis zum Bundesverfas -<br />

sungs gericht ziehen. Er wolle eine<br />

mög lichst rasche gerichtliche Klä rung,<br />

sagte mcGee in münchen. Bis dahin<br />

werde es keine nachdrucke mehr<br />

geben, die zu einer Konfrontation<br />

mit der bayerischen Staatsregierung<br />

führen könnten.<br />

Er wolle weiter kommentierte Origi -<br />

nal-nachdrucke historischer Zeitun gen<br />

der Jahre 1933 bis 1945 herausgeben,<br />

sagte mcGee. Es gehe um die unmit -<br />

tel bare Begegnung mit Dokumenten<br />

von dam<strong>als</strong>, die allerdings eingebettet<br />

seien in einen redaktionellen Teil. Dies<br />

könne damaligen Alltag direkter vermitteln<br />

<strong>als</strong> Lehrbücher. Sollten die Ge -<br />

richte aber entscheiden, dass das Pro -<br />

jekt mit den Gesetzen der Bundes re -<br />

publik Deutschland nicht vereinbar<br />

sei, werde es gestoppt. in acht anderen<br />

Ländern sei die Publikation er folg -<br />

reich gewesen, unter anderem in Ös -<br />

terreich. Gegen mcGee wird wegen<br />

Ver wendens von Kennzeichen verfassungswidriger<br />

Organisationen und<br />

Ver stoßes gegen das Urheberrechts ge -<br />

setz ermittelt. Die dritte Ausgabe von<br />

„Zeitungszeugen“ zum Ermäch ti -<br />

gungs gesetz von 1933 und dem Ende<br />

der Demokratie erschien <strong>als</strong> „Son der -<br />

nummer“ ohne Beilage mit dem Auf -<br />

druck „zensiert“. Die nächste Aus gabe<br />

soll wieder historische nach drucke<br />

enthalten, jedoch keine des früheren<br />

nS-Verlages Franz Eher, an dem seit<br />

dem Verbot der nSDAP das bayerische<br />

Finanzministerium die Rechte<br />

hält. „Die Materialen gibt es, sie sind Teil<br />

unserer Geschichte - wie gehen wir damit<br />

um?“, sagte Chefredakteurin Sandra<br />

Paweronschitz. mcGee sagte, er stelle<br />

sich die Frage: „Was passiert hier? Ist das<br />

eine große Überreaktion der bayerischen<br />

Staatsregierung - oder haben wir das wirk -<br />

lich unterschätzt?“ Er <strong>als</strong> Engländer<br />

könne nicht entscheiden: „Wie wollen<br />

Sie mit dem schwierigen material um -<br />

gehen?“<br />

POLITIK • AUSLAND<br />

„Zeitungszeugen“ -<br />

Umstrittene Publikation beschlagnahmt<br />

Das nS-<br />

For schung s projekt, das<br />

von ei nem Beirat aus Wis sen -<br />

schaft lern begleitet wird, sehe das<br />

Beilegen der nachdrucke <strong>als</strong> zulässig<br />

an, betonte Anwalt Ulrich michel. Er<br />

gehe davon aus, dass die Beschwerde<br />

kommende Woche beim Landgericht<br />

münchen vorliege und rasch bearbeitet<br />

werde. nach dem Urheberrecht sei<br />

auch das Zitieren ganzer Werke er -<br />

laubt. Ver wer tungsinteressen Bayerns<br />

würden nicht verletzt, da dieser kein<br />

oder zu mindest kein auf Profit gerichtetes<br />

Ver wertungsinteresse habe. Die<br />

Veröf fent lichung der früheren Hetzund<br />

Pro pa gandamittel eingebunden<br />

in einen erklärenden mantel sei auch<br />

durch die Pressefreiheit und die Frei -<br />

heit von Wissenschaft und Lehre ge -<br />

deckt.<br />

Der Journalismusforscher Horst Pött ker,<br />

mitglied im Beirat von „Zeitungs zeu -<br />

gen“, sagte, es sei es an der Zeit, die<br />

Do kumente von da m<strong>als</strong> zu ver öf -<br />

fent li chen.<br />

„Eine Dis kus -<br />

s i o n<br />

anzuregen<br />

kann<br />

ja wohl<br />

nicht verkehrt<br />

sein.“<br />

Es ge he da -<br />

rum, „das ge -<br />

samte Spek trum<br />

der Pres se von<br />

da m<strong>als</strong> zugänglich<br />

zu ma chen“. So lag<br />

der beschlagnahm -<br />

ten nummer 2, in<br />

der es um den<br />

Reichs tags brand ging,<br />

nicht nur das nazi-<br />

Blatt ‘Völki s cher Beobach ter’, sondern<br />

auch der so zial de mo kra tische ‘Vor-<br />

wärts’ und die bürgerliche ‘Vossische<br />

Zeitung’ bei. Geplant seien auch nach -<br />

drucke von jüdischen Exil zei tungen<br />

oder ausländischen Blät tern, die das<br />

Geschehen in Deutsch land dokumentierten.<br />

Laut mcGee wurden bei der<br />

Beschlagnah me aktion am vergangenen<br />

Wochen en de bundesweit 10.000<br />

bis 30.000 Exem p lare beschlagnahmt.<br />

Konferenz europäischer Rechtsparteien in Wien<br />

nachdem die auf Einladung der FPÖ in Wien zustande gekommene Kon fe -<br />

renz europäischer Rechtsparteien zu Ende gegangen ist, zeigen sich der freiheitliche<br />

Bundesparteiobmann HC Strache und der FPÖ-EU-Ab ge ord ne te<br />

An dre as Mölzer über einen weiteren Ausbau der Kooperation sehr zuversichtlich.<br />

Gäste der FPÖ waren Vertreter aus der Schweiz, aus Dänemark,<br />

italien, Bel gi en, Frank reich, Bulgarien, Deutschland, Serbien und Russland.<br />

Konkret nahmen Walter Wobmann, nationalrat der Schweizer Volkspartei, Mo -<br />

gens Camre, EU-Ab geord ne ter der Dänischen Volkspartei, Philip Claeys vom Vlaams<br />

Belang, und Prof. Bruno Gollnisch <strong>als</strong> EU-Abgeordneter teil, außerdem noch<br />

Vertreter von „pro Köln“, bzw. „pro nRW“.<br />

Besonders erfreut zeigten sich Strache und mölzer über einen möglichen Bei -<br />

tritt der FPÖ zur EU-Parlamentsfraktion „Europa der nationen“ - die Frak -<br />

tion ist derzeit die viertstärkste im EU-Parlament, und könnte nach einem<br />

guten Ab schneiden nach der EU-Wahl im Juni mit freiheitlicher Unter stüt -<br />

zung gar zu drittstärksten werden. „Man sieht, in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten<br />

Grup pen können wir in Europa die dritte politische Kraft werden", zeigt<br />

sich Strache sehr erfreut und kündigt abschließend an, ausgehend von der<br />

aktuellen Konferenz die Zusammenarbeit und die Beziehungen zu positiven<br />

Kräften auszubauen.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 17


POLITIK • KRIEGSVERBRECHER<br />

Der Fall<br />

Arbert Heim<br />

Aktentasche soll Rätsel über<br />

NS-Verbrecher Heim lösen<br />

Eine Aktentasche voller Dokumente<br />

soll die letzten Rätsel über das Ende<br />

des meistgesuchten nS-Verbrechers<br />

Ari bert Heim klären. Ein Rechts an walt<br />

habe die schriftlichen Unterla gen, die<br />

dem früheren KZ-Arzt zugeordnet<br />

wer den, dem Landeskriminalamt Ba -<br />

den-Württemberg übergeben, teilte<br />

die Behörde mit. Zielfahnder erhoffen<br />

sich von den Papieren Aufschluss<br />

über den vermuteten Tod von Aribert<br />

Heim 1992 in Kairo. So soll sich in der<br />

Ak tentasche auch eine - allerdings auf<br />

Arabisch verfasste - Abschrift der Ster -<br />

beurkunde befinden. Die Unter la gen<br />

würden auch auf Fingerab drü c ke von<br />

„Dr. Tod“ untersucht. Die Echt heit der<br />

Dokumente sei noch nicht ge klärt, die<br />

kriminaltechnischen Unter su chun gen<br />

stünden noch aus. Weiter warten muss<br />

das LKA auch auf eine Reise nach<br />

Ägyp ten, wo nach sterbli chen Überresten<br />

des nS-Verbrechers ge sucht<br />

werden soll. Die Behörden in Ägypten<br />

hätten bisher keine Erlaub nis<br />

erteilt, hieß es.<br />

Heim soll 30 Jahre lang in Ägypten<br />

ge lebt und dort 1992 im Alter von 78<br />

Jahren an Krebs gestorben sein. Dies<br />

wird jedoch von Fahndern und nazi-<br />

Jägern infrage gestellt.<br />

APA/dpa<br />

Ärzte <strong>als</strong> Mörder - Menschenversuche in Konzentrationslagern<br />

Bei medizinischen Menschenver suchen<br />

wur den während der Nazi-Herr schaft in vielen<br />

Konzentra tions la gern Häftlinge ge quält.<br />

Zehntausen d e wur den dabei er mordet. Die<br />

Ärzte für die unterschiedlich sten Experi men -<br />

te ka men aus der SS, der Wehrmacht oder<br />

aus Universitäten. Man che Ver su che sollten<br />

„kriegswichtige“ Fragen klären, andere wa ren<br />

<strong>als</strong> Bau stei ne für wissenschaftliche Kar rie -<br />

ren ge dacht.<br />

Alle Experimente waren nur im KZ mög -<br />

lich, wo der Forschung keine Schran ken ge -<br />

setzt wurden. Die meisten Ver su che waren<br />

bewusst auf den Tod der Op fer ausgerichtet.<br />

Bevor zugt wählten die Me di ziner nach der<br />

Nazi-Ideologie <strong>als</strong> „le bens un wert“ eingestufte<br />

Häftlin ge, wie zum Bei spiel Ro ma- und<br />

Sinti-Zwil lin ge, jü di sche Kin der oder russische<br />

Kriegs ge fan ge ne.<br />

Rund 350 Ärzte waren an me dizi ni schen<br />

Versuchen in KZs be tei ligt.Nur ein geringer<br />

Teil von ihnen muss te sich nach dem Krieg<br />

vor Ge richt verantworten, vie le arbeiteten<br />

auch nach 1945 <strong>als</strong> Arzt. Im Nürn ber ger<br />

„Ärzteprozess“ 1946/47 wurden von 23 An -<br />

geklagten sie ben zum Tode verurteilt und<br />

sieben freigesprochen, die übrigen erhielten<br />

Haft strafen.<br />

Josef Mengele - Er gilt <strong>als</strong> einer der skrupellosesten<br />

Ärzte. Im Vernichtungs la ger Au -<br />

schwitz tötete er bei Versuchen zahl reiche<br />

Menschen. Zu seinen Spe zial gebieten ge -<br />

hör ten Infektions ver su che mit Typhus bakterien<br />

an eineiigen Zwil lin gen. Er amputierte ihnen<br />

Glie der, schnitt ih nen Organe aus dem Kör -<br />

per oder er schoss sie, um Krank heits herde<br />

besser beobachten zu können.<br />

Men ge le wurde nie vor Gericht ge stellt. Er<br />

konnte sich nach Südame ri ka absetzen, wo<br />

er 1979 starb.<br />

Aribert Heim - Der <strong>als</strong> „Doktor Tod“ berüchtigte<br />

Heim quälte <strong>als</strong> KZ-Arzt in Sachsen hau -<br />

sen, Buchenwald und Maut hausen Men -<br />

schen. In Mauthau sen soll er hunderte mit<br />

Injek tio nen ins Herz umgebracht ha ben.<br />

Nach dem Krieg arbeitete er <strong>als</strong> Frau enarzt<br />

und ist seit 1962 auf der Flucht.<br />

Sigmund Rascher - Weil man für die Marine<br />

wissen wollte, wie lange ein Mensch in kaltem<br />

Was ser überleben kann, ließ der KZ-<br />

Arzt in Dachau Menschen in Eis bec ken liegen,<br />

bis sie tot waren. Um In for ma tio nen für die<br />

Luft fahrt zu er halten, wurden Häftlinge in<br />

Un ter druck kammern ge steckt, bis sie an der<br />

Hö hen krankheit starben.<br />

Claus Schillung - Der Tropenmediziner Cbe -<br />

trieb in Dachau eine Malaria-Ver such s sta ti on,<br />

bei der etwa 1.100 Men schen infiziert wurden<br />

- Hunderte starben.<br />

Prof. Karl Gebhardt - Er ließ Häftlingen in<br />

Ra vensbrück unter anderem Gas brand- und<br />

Tetanuserreger injizieren, um die Wir kung von<br />

Medikamenten zu erproben.<br />

Carl Clauberg - Der Gynäkologe experimentierte<br />

in Auschwitz an Massen s te ri li sa tio nen<br />

ohne Operation und ließ dazu Frauen ohn e<br />

Betäubung ät zende Sub stan zen in die Ge bär -<br />

mutter spritzen. In Sachsenhausen wur den<br />

jüdische Kinder mit Hepatis infiziert, bei an -<br />

de ren Gefan ge nen wurden Versuche mit den<br />

Giftga sen Lost und Phosgen gemacht. In Bu -<br />

chen wald gab es Versuchsreihen mit bis zu<br />

800 künstlich infizierten Russen, an de nen<br />

Fleckfieberimpfstoffe erprobt wurden.<br />

Wiesenthal-Center übergab Ägypten Nazi-Liste<br />

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat eine Liste mit den namen von 29 nS-Ver -<br />

bre chern an die ägyptische Bot schaft in Tel Aviv übergeben. Die zum Teil prominenten<br />

nazis sollen in Ägypten untergetaucht sein. „Wir hoffen, dass uns die<br />

ägyptischen Behörden bei der Überprüfung des Todes von Heim hel fen werden. Eine<br />

Bestätigung der In for mati on über die anderen NS-Täter in Ägyp ten ist von großer historischer<br />

Be deu tung. Es wird aber kaum zu neuen Straf verfahren kommen,“ erklärte der<br />

Leiter des Jerusa le mer Büros des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff.<br />

neben Ari bert Heim stehen zwei enge mitarbei ter des in israel hingerichteten<br />

nS-Verbrechers Adolf Eichmann, Alois Brunner und Franz Abromeit, auf der<br />

Lis te. Außerdem scheinen darauf der stellvertretende Lagerkommandant des<br />

KZ Sobibor, Gustav Wagner, der später in Brasilien Selbstmord verübte, der Ges -<br />

tapochef von Kattowitz (Ka to wice), Rudolf Mildner, und der Kom man dant des<br />

KZ Janowska, Fried rich Warzok auf.<br />

red<br />

18 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • KRIEGSVERBRECHER<br />

Ermittler können Dienstausweis von<br />

KZ-Aufseher Demjanjuk prüfen<br />

US-Behörde bietet Überstellung des Beweisstücks an<br />

Der Fall<br />

im Fall des mutmaßlichen KZ-Auf se -<br />

hers John Demjanjuk können die Er -<br />

mitt ler laut einem Zeitungsbericht des -<br />

sen Dienstausweis auf Echtheit prü fen.<br />

Das deutsche nachrichtenmagazin<br />

„Der Spiegel“ berichtet, dass die US-<br />

Sonderermittlungsbehörde für nS-<br />

Verbrechen und menschenrechts ver -<br />

let zungen anbiete, den von der SS aus -<br />

ge stellten „Dienstausweis nr. 1393“<br />

sofort zu Analysen nach Deutschland<br />

zu schicken. Ein Sprecher der zuständigen<br />

Staatsanwaltschaft münchen i<br />

bestätigte der AP, dass ein solches An -<br />

gebot vorliegt.<br />

Demjanjuk war nach den Ermitt lun -<br />

gen der Zentralen Stelle der Landes -<br />

jus tiz verwaltungen zur Aufklärung<br />

nation<strong>als</strong>ozialistischer Verbrechen in<br />

Ludwigsburg 1943 im Vernichtungs la -<br />

ger Sobibor Aufseher. 1952 kam er in<br />

die USA und erhielt 1958 die amerikanische<br />

Staatsbürgerschaft, die ihm in -<br />

zwischen aberkannt wurde. Er kämpft<br />

nun gegen seine Ausweisung. Da sich<br />

der gebürtige Ukrainer Dem jan juk<br />

1951 mehrere monate in einem Lager<br />

bei münchen aufhielt, hatte der Bun -<br />

des gerichtshof im Dezember dem<br />

Land gericht münchen ii das Verfah ren<br />

übertragen. Die Staatsanwalt schaft<br />

prüft nun, ob sie Anklage erhebt. Laut<br />

© ZST Lundwigsburg<br />

„Spiegel“ weist das Dokument den<br />

heute 88-Jährigen <strong>als</strong> KZ-Auf se her der<br />

„Trawnikis“ aus, einer Grup pe von<br />

rund 5.000 Balten und anderen Aus -<br />

ländern, die für die nazis arbeiteten.<br />

Der Chef der amerikanischen Be hör -<br />

de, Eli Rosenbaum, zeigte sich laut<br />

„Spiegel“ befremdet darüber, dass in<br />

Deutschland immer noch Gerüchte<br />

über Zweifel an der Echtheit des Aus -<br />

wei ses kursierten. Dem Bericht zu folge<br />

hatten BKA-Angehörige im Um feld<br />

eines früheren Verfahrens gegen Dem -<br />

janjuk in israel 1987 Auffälligkeiten an<br />

dem Ausweis bemerkt, die die Authen<br />

tizität in Frage stellten. Ein Gut -<br />

ach ten über die Echtheit habe es seinerzeit<br />

vom BKA aber nicht gegeben.<br />

Rosenbaum sagte, der Ausweis sei in<br />

den USA und in israel vielfach forensisch<br />

geprüft, mit anderen Dokumen -<br />

ten verglichen und von allen Exper ten<br />

für echt befunden worden. Der Spre -<br />

cher der Staatsanwaltschaft i in mün -<br />

chen, Anton Winkler, sagte der AP, der<br />

Ausweis sei noch nicht eingetroffen,<br />

aber es gebe ein entsprechendes An -<br />

ge bot der US-Behörde. Die Staatsan -<br />

walt schaft wolle noch Beweismittel<br />

prüfen und einen Zeugen befragen,<br />

be vor sie über die Anklageerhebung<br />

entscheide.<br />

APA<br />

Demjanjuk<br />

Demjanjuk wurde in der Ukraine<br />

ge bo ren und 1941 <strong>als</strong> Soldat zur<br />

Roten Armee eingezogen. 1942 geriet<br />

er in deutsche Kriegsgefangen schaft.<br />

Dann absolvierte er eine Aus bil dung<br />

zum Wach mann im SS-Lager Traw ni -<br />

ki in der nähe der polnischen Stadt<br />

Lub lin. Von Ende märz bis mit te Sep -<br />

tem ber 1943 habe er im Vernich tungs -<br />

lager So bibor seinen Dienst verrichtet.<br />

in dieser Zeit soll er an der Er mor -<br />

dung von mindestens 25.000 Juden<br />

aus Hol land, Po len und Deutschland<br />

beteiligt ge we sen sein.<br />

Demjanjuk kam 1952 in die USA und<br />

erhielt 1958 die amerikanische Staats -<br />

bür gerschaft. 1981 wurde sie ihm erst -<br />

m<strong>als</strong> aberkannt. Als Demjanjuks mit -<br />

wirkung am Holocaust Ende der 70er<br />

Jahre bekanntwurde, lieferten ihn die<br />

USA 1986 an israel aus. Dort wurde er<br />

wegen seiner angeblichen Tätig keit <strong>als</strong><br />

be sonders grausamer Wachmann „Iwan<br />

der Schreckliche“ im Ver nich tungs la ger<br />

Treblinka angeklagt und 1988 zum To -<br />

de verurteilt. Der Oberste Gerichtshof<br />

israels sprach Dem janjuk aber 1993<br />

vom Vor wurf, „iwan der Schreck li -<br />

che“ in Treblinka gewesen zu sein, frei,<br />

da seine iden ti tät nicht si cher geklärt<br />

werden konnte. nach dem Pro zess<br />

kehrte Demjanjuk in die USA zu rück.<br />

Verschiedene Ge richts verfah ren führten<br />

zur erneuten Aber ken nung der<br />

ame rikanischen Staats bür ger schaft. red<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 19


POLITIK • VATIKAN<br />

Beziehungen Vatikan-Israel - Eine Chronologie<br />

Papst Benedikt XVI. könnte <strong>2009</strong> in das<br />

Heilige Land reisen und einer of fi ziellen<br />

Einladung der israelischen Re gierung Fol -<br />

ge leisten. Einige historische Kernda ten<br />

des schwierigen Verhältnisses:<br />

❚ 1904: Theodor Herzl versucht ohne<br />

Erfolg, Papst Pius X. für den Plan ei -<br />

ner Heimstatt der Juden in Palästina<br />

(das Teil des Osmanischen Reiches ist)<br />

zu gewinnen. Pius X. erklärt: „Sank-<br />

tio nieren können wir das niem<strong>als</strong>“.<br />

❚1917: nach der „Balfour-Deklara ti on“<br />

(Zusage des britischen Außen mi nis ters<br />

James Balfour einer Unterstützung<br />

für die Errichtung einer jüdischen<br />

„nationalen Heimstätte“ in Palästina)<br />

warnt Papst Benedikt XV. davor, den<br />

Juden im Heiligen Land eine „ihnen<br />

nicht zukommende Vorrangstellung“<br />

einzuräumen. Der Heilige Stuhl be -<br />

streitet ein aus der Bibel ableitbares<br />

Recht der Juden auf einen Staat.<br />

❚1947/48: Der UnO-Teilungsbe -<br />

schluss für das britische mandat<br />

Palästina sieht einen jüdischen und<br />

einen arabischen Staat sowie die<br />

internationalisierung von Jerusalem<br />

vor. Papst Pius Xii. fordert in seiner<br />

Enzyklika „in multiplicibus“ einen<br />

internationalen Status für Jerusalem.<br />

❚1958: nach seiner Wahl streckt<br />

Papst Johannes XXiii. den Juden die<br />

Hand zur Versöhnung aus. Strei -<br />

chung der Formulierung von den<br />

„treulosen Juden“ (Perfidis Judaeis)<br />

aus der Karfreitagsliturgie.<br />

❚1962-65: Das Zweite Vatikanische<br />

Kon zil betont das „gemeinsame Erbe“<br />

von Juden und Christen. Die Erklä -<br />

rung „Nostra Aetate“ beklagt „alle<br />

Hassausbrüche, Verfolgungen und Mani -<br />

fes tationen des Antisemitismus“.<br />

❚ 1964: Papst Paul Vi. besucht das<br />

Hei lige Land. Er wird in Jordanien und<br />

israel empfangen. Der Vatikan spricht<br />

aber offiziell nicht vom Staat israel.<br />

❚1967: Der Papst fordert nach dem<br />

Sechstagekrieg einen international ga -<br />

rantierten Sonderstatus für Jerusa lem<br />

(dessen Ostteil von israel erobert<br />

wird.)<br />

❚1973: israels ministerpräsidentin<br />

Gol da meir wird vom Papst empfangen.<br />

❚1977: Der Papst bittet israel in ei -<br />

nem offiziellen Briefwechsel um Frei -<br />

las sung des wegen Waffenschmug gels<br />

für die Palästinenser inhaftierten melkitisch-katholischen<br />

Erzbischofs Hila -<br />

rion Capucci. Beobachter sehen darin<br />

eine De-facto-Anerkennung des Staa -<br />

tes israel durch den Heiligen Stuhl.<br />

❚1978: An der Amtseinführung von<br />

Papst Johannes Paul ii. nimmt eine<br />

offizielle israelische Delegation teil.<br />

❚1979: Der Papst bezeichnet bei ei -<br />

nem Besuch in Auschwitz das einstige<br />

KZ <strong>als</strong> „Golgotha unserer Zeit“.<br />

❚1980: Der Vatikan protestiert gegen<br />

ein israelisches Gesetz, das „ganz Je ru -<br />

salem“ zur „Hauptstadt israels“ er -<br />

klärt.<br />

❚1982: Der Vorsitzende der Pa läs ti -<br />

nen sischen Befreiungsorganisation<br />

(PLO), Yasser Arafat, wird erstm<strong>als</strong><br />

vom Papst empfangen.<br />

❚1984: in dem Apostolischen Schrei -<br />

ben „Redemptoris anno“ spricht Jo han -<br />

nes Paul ii. erstm<strong>als</strong> in einem Do ku -<br />

ment vom „Staat israel“.<br />

❚1985: israels Premier Shimon Peres<br />

wird vom Papst empfangen.<br />

❚1986: Als erster Papst besucht Jo han -<br />

nes Paul ii. offiziell eine Syna go ge.<br />

Bei dem Synagogen-Besuch in Rom<br />

be zeichnet er die Juden <strong>als</strong> „ältere<br />

Brüder im Glauben“.<br />

❚1987: Der Papst ernennt den Paläs -<br />

ti nenser Michel Sabbah zum Lateini -<br />

schen Patriarchen von Jerusalem.<br />

❚1993: israels aschkenasischer Groß -<br />

rab biner israel meir Lau besucht den<br />

Papst in Castel Gandolfo.<br />

❚1994: Der Heilige Stuhl nimmt di plo -<br />

matische Beziehungen mit dem Staat<br />

israel und offizielle Beziehungen mit<br />

der PLO auf.<br />

❚1998: Der Papst erlässt das Do ku -<br />

ment „Wir gedenken: Eine Reflexion über<br />

die Shoah“. „Wir bedauern zutiefst die Irr -<br />

tümer und Fehler der Söhne und Töchter<br />

der Kirche“, heißt es in dem Text.<br />

❚2000: Der Vatikan schließt einen<br />

Grund lagenvertrag mit der palästinensischen<br />

Regierung und bekräftigt die<br />

Forderung nach einem international<br />

ga rantierten Sonderstatus für Jerusa -<br />

lem. Der Papst spricht eine historische<br />

Vergebungsbitte für die Verfeh -<br />

lun gen der Christen in der Geschichte<br />

aus. Dabei werden auch die „Sün den“<br />

genannt, die nicht wenige Christen<br />

„gegen das Volk des Bundes und der Selig -<br />

preisungen begangen haben“. Der Papst<br />

reist ins Heilige Land und betet an<br />

der Klagemauer in Jerusalem.<br />

❚2002: Schwerer Konflikt um die Be -<br />

la gerung der Bethlehemer Geburts -<br />

kir che durch die israelische Armee.<br />

Dis sonanzen beim Besuch des israelischen<br />

Präsidenten moshe Katzav im<br />

Vatikan.<br />

❚2003: Johannes Paul ii. verurteilt den<br />

Bau der israelischen Sperranlage im<br />

Westjordanland scharf; man brauche<br />

für einen Frieden „Brücken und keine<br />

Mauern oder Zäune“. Premier Ariel<br />

Sharon trifft bei einem Rom-Besuch<br />

nicht mit dem Papst zusammen.<br />

❚2004: Der Vatikan verurteilt erneut<br />

den Sperrwall: Die Palästinenser steck -<br />

ten in einem „riesigen Gefängnis“.<br />

❚2005: israelische Angriffe auf Papst<br />

Benedikt XVi. werden vom Vatikan<br />

scharf zurückgewiesen. Die beiden<br />

Groß rabbiner laden den Papst nach<br />

Jerusalem ein. Der Papst empfängt<br />

Katzav. Der neue palästinensische<br />

Präsident mahmoud Abbas wird vom<br />

Papst empfangen.<br />

❚2008: Der Apostolische nuntius in<br />

israel, Antonio Franco, betont, ein Be -<br />

such des Kirchenoberhauptes im Hei -<br />

ligen Land sei erst dann möglich, wenn<br />

es große Fortschritte im Friedens pro -<br />

zess zwischen israelis und Palästi nen -<br />

sern geben würde. Auch müsse sich<br />

die Situation der Christen in israel<br />

deutlich verbessern. irritationen we -<br />

gen Karfreitagsfürbitte in dem vom<br />

Papst wieder zugelassenen vorkonziliaren<br />

„alten Usus“ („Lasset uns auch<br />

beten für die Juden, auf dass Gott unser<br />

Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie<br />

Jesus Christus erkennen, den Retter aller<br />

Menschen“) und Würdigung von Papst<br />

Pius Xii. anlässlich seines 50. To des -<br />

tages durch Benedikt XVi.<br />

APA<br />

20 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • VATIKAN<br />

Papst Benedikt XVi. hat jede Leug -<br />

nung des Holocausts zurückgewiesen.<br />

Das gelte insbesondere dann,<br />

wenn der millionenfache mord der<br />

na zis an den Juden von Geistlichen<br />

bestritten oder in seinen Ausmaßen<br />

kleingeredet werde, so das Kirchen -<br />

ober haupt laut Reuters in Anspielung<br />

auf Holocaust-Leugner Bischof Ri -<br />

chard Williamson. Bei dem Treffen<br />

mit den Präsidenten der größten jü di -<br />

schen Organisationen der USA bat<br />

der Papst nach den Worten seines<br />

Vorgängers Johannes Paul ii. außerdem<br />

um „Verzeihung“ für diejenigen,<br />

die in der Geschichte dem jüdischen<br />

Volk großes Leid zugefügt haben, wie<br />

im Falls des Holocausts. Der Papst<br />

kündigte auch öffentlich an, dass er<br />

eine Reise nach israel plane.<br />

Der Papst betonte, er bereite sich auf<br />

einen Besuch ins Heilige Land, vor,<br />

weil für die Christen, sowie für die<br />

Juden die Wurzeln ihres Glaubens dort<br />

liegen. Der Papst nannte jedoch kein<br />

Datum für die Reise. Laut Kathpress<br />

wird erwartet, dass der Besuch in is -<br />

rael und den Palästinensergebieten<br />

vom 11. bis 15. mai stattfindet. Unbe -<br />

stä tigten informationen zufolge will<br />

sich der Papst zuvor in Jordanien aufhalten.<br />

Eine Reise des Papstes ins Hei -<br />

lige Land war nach Einschätzung von<br />

Rabbiner David Rosen „noch wichtiger<br />

für die jüdisch-christlichen Beziehun gen“<br />

geworden.<br />

„Die Shoah war ein Verbrechen gegen<br />

Gott und die Menschheit“, und die Sho -<br />

ah ist „ein schreckliches Kapitel unserer<br />

Geschichte, das nie vergessen werden darf,<br />

weil sie eine Mah nung für unsere Zu kunft<br />

ist“, sagte der Papst. Dies sollte jedem<br />

klar sein, vor allem denjenigen, die die<br />

Tradi ti on der Heiligen Schriften anerkennen<br />

und der Ansicht sind, dass je -<br />

des mensch liche Wesen nach dem Bild<br />

Got tes ge schaf fen wurde, sagte der<br />

Papst bei der Au dienz mit der Dele ga -<br />

tion der ‘Con ference of Presidents of<br />

the major Ame rican Jewish Orga ni za -<br />

tions’. „Jeg li che Form von Negierung,<br />

oder Minimierung dieses schrecklichen<br />

Verbrechens ist unerträglich und unannehmbar“,<br />

erklärte der Papst.<br />

Die historische Vergebungsbitte Jo -<br />

hannes Pauls ii. im Jahr 2000 an der<br />

Klagemauer in Jerusalem sei ein Leit -<br />

bild für die Beziehungen der katholischen<br />

Kirche zum Judentum, erklärte<br />

© L'Osseravtore Romano<br />

Papst verurteilte Holocaust-Leugnung:<br />

„Shoah war ein Verbrechen“<br />

Benedikt XVi. laut Kathpress. Er ma -<br />

che sich die Worte seines Vorgän gers<br />

zu eigen, mit denen dieser um Ver zei -<br />

hung gebeten und die „tiefe Brü der lich -<br />

keit mit dem Volk des Bundes“ un ter stri -<br />

chen habe, so der Papst. Er be kräf tig te,<br />

die Kirche müsse sich entschieden je -<br />

der Juden feind lich keit wi der setzen.<br />

Die Kirche sei zu tiefst in der Be kämp -<br />

fung jeglicher Form von Antisemi tis -<br />

mus engagiert. „Die Kirche verpflichtet<br />

sich zutiefst und unaufgebbar, jeden An ti -<br />

semitismus zu rück zuweisen, und den Auf -<br />

bau guter und dauerhafter Bezie hun gen<br />

zwischen unseren beiden Gemein schaf ten<br />

voranzubringen“, sagte Benedikt XVi.<br />

Die Shoah dürfe nie vergessen werden.<br />

„Es steht außer Frage, dass jede Leug -<br />

nung oder Verharmlosung dieses schrecklichen<br />

Verbrechens untolerierbar und völlig<br />

unannehmbar ist“, so der Papst. Der<br />

Papst bezeichnete den Zwei ten Va ti -<br />

ka nischen Konzil <strong>als</strong> „mei lenstein“ in<br />

den Beziehung zwischen Juden und<br />

Katholiken. „2000 Jahre Geschichte der<br />

12.02.09 - Mitglieder der „Conference of President<br />

of Major Amercan Jewish Organozations“ im Vatikan<br />

Beziehungen zwischen Kirche und Juden -<br />

tum haben unterschiedliche Phasen<br />

erlebt, einige davon schmerzhaft zu erinnern.<br />

Jetzt, wo wir in der Lage sind, uns<br />

in einem versöhnlichen Klima zu treffen,<br />

dürften wir den Schwierigkeiten der Ver -<br />

gangenheit nicht erlauben, uns da ran zu<br />

hindern, uns gegenseitlich die Hand der<br />

Freundschaft zu geben“, so Benedikt XVi.<br />

nach dem Entsetzen in der jüdischen<br />

Gemeinde über die Rücknahme der<br />

Exkommunikation Williamsons hatte<br />

der Vatikan in den vergangenen Ta gen<br />

wiederholt Vertreter der jüdischen Ge -<br />

meinde empfangen.<br />

Am 12. Fe bruar gab es einen Empfang<br />

für eine 50-köp fige Delegation jüdischer<br />

Ge mein de vor steher aus den USA.<br />

neben dem Vorsitzenden Alan Solow<br />

und dessen Vertreter Malcolm Hoen lein<br />

begrüßte Benedikt XVi. dabei laut<br />

Kath press auch den new Yorker Rab -<br />

bi ner und Ho locaust-Über le ben den<br />

Arthur Schnei er, ein gebürtiger Wie ner.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 21


POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />

Sitzverteilung in der Knesset<br />

Die 18. Knesset<br />

Mit 3,416.587 Wählern lag die Wahlbeteiligung bei 65%. Die<br />

Mindestprozenthürde von 2% entsprach 67.470 Stim men.<br />

Insgesamt gingen etwa 104.000 Stimmen durch die Wahl<br />

klei ner Parteien verloren.<br />

Ein Knesset-Mandat entspricht 27.246 Stimmen. Fünf Überhangmandate<br />

wurden an die fünf größten Parteien verteilt.<br />

+15 -1 -5 +4 -1 -2 -1 -2 +1 0 0 +2<br />

Likud Kadima Avoda Israel Schas Meretz Yahadut Habeit Hadash Raam Balad Ha’eichud<br />

Beiteinu Hatorah Hayehudi Ta’al Haleumi<br />

Mehr Frauen, weniger Religiöse<br />

in der neu gewählten Knesset werden<br />

nach dem gegenwärtigen Stand der<br />

Aus zählung 21 Frauen angehören – so<br />

viel wie noch nie. in der letzten Le gis -<br />

laturperiode saßen lediglich 18 Frau en<br />

in israels Parlament.<br />

Den größten Frauenanteil (sieben Ab -<br />

geordnete) kann dabei die derzeitige<br />

Regierungspartei Kadima für sich ver -<br />

buchen (Knesset-Sprecherin Dalia Itzik,<br />

Außenministerin Tzipi Livni, Tou ris -<br />

mus ministerin Ruhama Avra ham, Ma ri -<br />

na Solodkin, Ronit Tirosh, Rachel Adato<br />

und Orit Suarez).<br />

Über die Liste des Likud werden fünf<br />

Frauen in die Knesset einrücken (Lea<br />

Nass, Limor Livnat, Tzipi Hotobali, Gila<br />

Gamliel und Miri Regev).<br />

Israel Beiteinu wartet mit vier Frauen<br />

auf (Sofa Landver, Orly Levi, Anastasia<br />

Mi chaeli, Faina Kir schen baum und Lia<br />

Shemtov). Daneben stellt die Avoda<br />

drei weibliche Abgeordnete (Sheli<br />

Yachimovitz, Yuli Tamir und Orit No ked).<br />

Erstm<strong>als</strong>: Frau repräsentiert israelischarabische<br />

Partei<br />

Erstm<strong>als</strong> in der Ge schich te des Staa tes<br />

schickt eine arabische Partei, Balad,<br />

eine Frau in die Knesset – Chanin Suavi<br />

aus nazareth. Gefragt nach ihren<br />

Plänen, sagte die israelische Araberin:<br />

„Ich habe es noch nicht ganz verdaut, dass<br />

ich eine Knesset-Ab ge ordnete werden<br />

soll. Ich habe noch nicht entschieden, ob<br />

ich nach Jerusalem ziehe oder jeden Tag<br />

von meinem Haus in Na za reth hinfahre.<br />

Auf jeden Fall besteht kein Zweifel, dass<br />

aus es aus meiner Sicht eines der wichtigsten<br />

Din ge ist, sich um eine För derung<br />

der Frau en rechte zu kümmern.“ Ferner<br />

seien ihr die Stellung der pa läs ti nen -<br />

si schen Journalisten in israel und die<br />

Verstärkung der arabischen Pres se<br />

wich tig.<br />

Zahl der Religiösen gesunken<br />

im Gegensatz zur Zahl der Frauen ist<br />

die Zahl der Religiösen gesunken.<br />

Während in der 17. Knesset noch 34<br />

saßen, sind es diesmal nur noch 28.<br />

Wiederum gestiegen ist die Zahl von<br />

arabischen Abgeordneten (von 12 auf<br />

13). Davon werden zehn von arabischen<br />

Parteien gestellt, jeweils einer<br />

steht auf der Liste von Kadima, Likud<br />

und israel Beiteinu.<br />

Außerdem werden vier Professoren<br />

(Avi shai Breverman und Yuli Tamir von<br />

der Avoda, Daniel Hershkovitz von Ha -<br />

beit Hayehudi sowie Arieh Eldad von<br />

Ha’eichud Hale’umi) und drei ehemalige<br />

Gener<strong>als</strong>tabschefs (Ehud Barak<br />

von der Avoda, Moshe Yaalon vom Li -<br />

kud und Shaul Mofaz von Kadima) in<br />

der neuen Knesset vertreten sein.<br />

22 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />

Das verwirrende Wahlergebnis<br />

in israel lässt auf den ersten<br />

Blick nicht erkennen, was der israelische<br />

Wähler wirklich will. Erst ein Ver -<br />

gleich der früheren Zusammen set -<br />

zungen der Knesset läßt klare Trends<br />

erkennen.<br />

Die Kadima-Partei wurde von Ariel<br />

Scharon aus dem nichts geschaffen,<br />

um 2005 den Rückzug aus Gaza<br />

durch zusetzen. Scharon ist nicht aus<br />

dem Likud Block ausgetreten, sondern<br />

hat eigentlich seine Partei vor<br />

die Tür gesetzt. in die Kadima-Partei<br />

wechselten im Gefolge Scharons Po li -<br />

ti ker wie Zipi Livni, Zachi Ha neg bi und<br />

Andere aus dem rechtskonservativen<br />

Lagers. Ebenso gab es eine Abwan de -<br />

rung aus dem sozialistischen Lager<br />

der Arbeitspartei in Scharons neue<br />

Rück zugspartei. Der prominenteste<br />

war Schimon Peres. Vom Likud abgespalten<br />

hatte sich letztlich auch Avig -<br />

dor Liberman, der mit seiner „israel –<br />

Beiteinu“ Partei jetzt mit 15 man -<br />

daten in die Knesset einzieht.<br />

Wenn man Kadima, Likud und is -<br />

rael Beiteinu <strong>als</strong> nicht-religiöse Partei -<br />

en mit nationalistisch jüdischer Aus -<br />

rich tung definiert, hat es zwar wegen<br />

der Abspaltungen innerhalb dieses<br />

Blocks interne Verschiebungen gegeben,<br />

insgesamt aber einer gewaltiges<br />

Anwachsen. in der 16. Knesset 2003<br />

wa ren diese drei Parteien nur mit 45<br />

Ab geordneten vertreten, 52 im Jahr<br />

2006, und wuchsen jetzt zur gewaltigen<br />

mehrheit von 70 Abgeordneten<br />

in der neuen Knesset. Der Likud war<br />

2003, vor Scharons Weggang, mit 27<br />

Abgeordneten in der Knesset, sank<br />

we gen der Entstehung von Kadima<br />

auf 12, und hat sich jetzt wieder auf<br />

27 Abgeordnete erholt. Einen steten<br />

Aufwärtstrend erlebte Avigdor Liber -<br />

mann, von 4 auf 15 mandate.<br />

Der gewaltige Aufwärtstrend des<br />

na tionalen Lagers der mitte ging auf<br />

Kosten des sogenannten linken Frie -<br />

denslagers. Die Arbeitspartei bewegte<br />

sich bei den letzten drei Parla ments -<br />

wahlen stetig in Richtung Abgrund,<br />

von 21 Abgeordneten auf nur noch<br />

11. israels Linkspartei meretz halbierte<br />

ihren Einfluss von 6 auf 3 Abge ord -<br />

nete. Dabei war es meretz, die die be -<br />

rühmte „Genfer Friedensinitiative“ ins<br />

Leben gerufen hatte. Diesem antireligiösen<br />

„liberalen“ Lager könnte man<br />

auch noch die weltlich ausgerichtete<br />

Schinui-Partei hinzurechnen, die 2003<br />

Ein Trend zum<br />

Pragmatismus<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

mit 12 Abgeordneten in der Knesset<br />

vertreten war und 2006 in Luft auflös -<br />

te. ihre (Protest-) Wähler stimmten für<br />

die Rentner, die 2006 wie ein Phönix<br />

aus der Asche aufstiegen und mit 7 Ab -<br />

geordneten in die Knesset einzogen.<br />

in der Wahlnacht am Dienstag er litten<br />

sie ihrerseits die totale Bruch landung<br />

und kratzten nicht einmal von unten<br />

die 2 Prozent Hürde, wie es ein Kom -<br />

men tator ausdrückte. Dies mal haben<br />

die Wähler nur für „ernsthafte“ Par -<br />

teien ge stimmt. Die Befürwor ter des<br />

Hanfge nus ses, die Gegner ho her Bank -<br />

ge büh ren und et was weltfremde<br />

„Grü ne“ blieben außen vor.<br />

So wie das rechtskonservative La ger<br />

steten Zulauf von 45 auf 70 Ab ge ord -<br />

ne te verzeichnete, entwickelte sich der<br />

stete Abwärtstrend des linken La gers<br />

von 39 auf nur noch 16 man da te. Vom<br />

Untergang gezeichnet waren auch die<br />

klassischen Siedler parteien, die na tio -<br />

nalreligiöse Partei und ihre Abspal -<br />

tun gen. Sie halbierten sich von 14 auf<br />

nur noch 7 man date. im religiösen<br />

Block gab es ein auf und ab von 29 auf<br />

37 und jetzt 30.<br />

Das Schlusslicht bilden drei arabische<br />

Parteien mit kommunistischer<br />

oder islamistischer Ausrichtung. Sie<br />

erhielten jeweils drei oder vier man da -<br />

te. Doch Zusammengenommen wuch -<br />

sen sie stetig von 8 auf 11 Ara ber sind<br />

durchaus auch mitglieder in jüdischzionistischen<br />

Parteien, sogar im Li kud,<br />

doch ihr Zuwachs ging vor Allem auf<br />

Kosten der Arbeitspartei.<br />

Aus diesen Zahlen lassen sich mehrere<br />

Trends in der israelischen Ge sell -<br />

schaft ablesen. Der jüdische wie der<br />

arabische Sektor wählt mit nationalistischer<br />

Ausrichtung, wobei beide<br />

Volks gruppen auseinander driften.<br />

Von den rund 7 mio. Einwoh nern sind<br />

etwa ein Fünftel, 1,2 mio. nicht-Ju den:<br />

Beduinen, Christen, mos lems, Drusen<br />

und Andere. Ein merk mal der gesellschaftlichen<br />

Spal tung ist jüdischer Zu -<br />

lauf zu Liber mans anti-arabischer Par -<br />

tei und arabischer Zu lauf zu den „an-<br />

ti-zionistischen“ arabischen Parteien,<br />

während sich die „versöhnliche“ is ra e -<br />

lische Linke seit fünf Jahren auf einem<br />

absteigenden Ast befindet. Dazu beigetragen<br />

haben die blutige intifada<br />

und die Suche der Ara ber nach einer<br />

eigenen identität. Da mit einher geht<br />

auch der nieder gang der ideologischen<br />

Siedlerpar tei en, deren Kraft<br />

sich seit 2003 halbiert hat.<br />

Der israelische Patriotismus drückt<br />

sich bei den Juden <strong>als</strong> pragmatische<br />

Rück besinnung auf die jüdische iden -<br />

tität ihres Staates aus und nicht <strong>als</strong><br />

Sied lungsbegeisterung in biblische Ge -<br />

filden im Westjordanland. Die 1,2 mio.<br />

Araber hingegen kritisieren im mer<br />

lau ter den Zionismus und lehnen jü di -<br />

sche Symbole ihres Staates ab. Spie gel -<br />

bildlich zu dem jüdischen Pa tri otis mus<br />

entwickelte sich so ein ara bischer Pa -<br />

trio tismus, was sich durch das Wach -<br />

sen der arabischen Parteien ausdrückt.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 23


POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />

Jerusalem will ‘Bibi’ -<br />

Tel Aviv stimmte für Livni<br />

Bei den Wahlen in Israel zeichneten sich<br />

deut liche regionale Unterschiede ab: Wäh -<br />

rend in Jerusalem der Likud-Block von Ben -<br />

jamin ‘Bibi’ Netanjahu die meisten Stim -<br />

men erhielt, ging in Tel Aviv die Ka di ma<br />

von Außen mi nis terin Zippi Livni <strong>als</strong> Sie ger<br />

hervor.<br />

Demnach stimmten in Jerusalem 24% für<br />

den rechts-konservativen Li kud-Block. Die<br />

ultra-orthodoxe Partei Ver ei nig tes Torah-<br />

Judentum erhielt 19%, die sefardisch-or -<br />

tho doxe Schas 15% und die Kadi ma 11%<br />

der Stim men. Für die Arbeitspartei von Ver -<br />

teidi gungs mi nis ter Ehud Barak und die<br />

rechts-nationale Par tei von Avigdor Lie ber -<br />

man, Israel Bei tei nu, stimmten jeweils 6%<br />

der Wäh ler.<br />

Ganz anders sah das Ergebnis in Tel Aviv<br />

aus. Dort konnte die Kadima mit 34% der<br />

Stimmen einen klaren Sieg verbuchen. Der<br />

Likud-Block erhielt 19%, die Ar beitspartei<br />

15% und die links-li be rale Me retz 8% der<br />

Stimmen. Für die Schas und Is ra el Beiteinu<br />

stimm ten jeweils 6%.<br />

Die Einwohner der unter jahrelangem pa -<br />

läs tinensischem Raketenbeschuss stehenden<br />

Stadt Sderot unterstützten überwiegend<br />

den Likud-Block. Dieser erhielt 33%<br />

der Stim men. Israel Beiteinu wähl ten 23%<br />

der Be rechtigten, die Schas 13% und die<br />

Kadima lediglich 12%. Die nationalreligiöse<br />

Partei Natio na le Union konn te hier 7% der<br />

Wähler für sich ge win nen.<br />

In der arabischen Stadt Umm el-Fahm ge -<br />

wann die kommunistische Hadasch mit<br />

54%, gefolgt von der israelisch-ara bi schen<br />

Balad (24%) und der Ver ein ten Ara bischen<br />

Liste (19%). Letz tere konnte in der Be dui -<br />

nen-Stadt Rahat die meisten Stim men ge -<br />

winnen. Dort stimm ten 68% der Wäh ler für<br />

die Vereinte Ara bische Liste, 11% für Balad,<br />

9% für Kadima, 5% für den Likud-Block, 2%<br />

für die Arbeitspartei und je weils 1% für Is -<br />

rael Beiteinu und die Schas-Par tei.<br />

In der Kleinstadt Katzrin in den Golan-<br />

Hö hen ging Israel Beiteinu mit 28% der<br />

Stim men <strong>als</strong> Sieger hervor. Knapp gefolgt<br />

von Kadima, die 26% der Stimmen er hielt.<br />

Für den Likud-Block stimmten 22% der Wäh -<br />

ler. Die Pa rtei en Schas, Na tio na le Uni on<br />

und die Arbeitspartei er hielten je weils 5 %.<br />

Auch in Lieber mans Heimatort, der Sied -<br />

lung Nokdim im Westjordanland, siegte Is -<br />

rael Bei teinu - hier erhielt sie 32% der Stim -<br />

men. Knapp dahinter lag die Nationale<br />

Union mit 31% der Stimmen. Den Li kud-<br />

Block wählten 22%, gefolgt von der na tio -<br />

nal re ligiösen Liste HaBait HaJehudi mit<br />

8% (ohne Soldaten, der im Ausland arbeitenden<br />

Diplomaten, der Seeleute und der<br />

Gefangenen).<br />

inn<br />

Internationale Pressestimmen zu den Wahlen<br />

La Stampa (Rom) - „Sie bestehen alle<br />

weiter, die Zweifel und die Un ge wiss -<br />

heiten, mit denen das israelische Wahl -<br />

ergebnis erwartet wurde - auch am Tag<br />

nach dem Ur nen gang, der zwei Wahl -<br />

sieger hervorgebracht zu haben<br />

scheint. Die Zer split te rung der israelischen<br />

Wählerschaft ist beispiellos für<br />

eine Demokratie. Ob nun Kadima-<br />

Par tei oder Likud, jeder braucht jetzt<br />

die Stimmen anderer Par teien, um er -<br />

folgreich eine Regie rungs koalition<br />

bil den zu können. Die vorherrschende<br />

meinung ist zwar, dass der Likud mit<br />

netanyahu größere Chan cen habe, die -<br />

ses Ziel zu erreichen, wenn er sich auf<br />

die religiöse und nationale Rechte stüt -<br />

zen kann. Es ist aber nicht sicher, dass<br />

es so kommen wird. Das Feil schen kann<br />

jedenfalls be ginnen. in ei nem solchen<br />

Au gen blick ist man versucht, Vor her -<br />

sagen zurückzudrängen und mehr das<br />

in teresse israels an einem Frieden mit<br />

den Palästinensern und der ganzen<br />

arabischen Welt hervorzuheben.“<br />

Le Monde (Paris) - „Der Schwer punkt<br />

der neuen Koali tions regierung wird<br />

rechtslastig sein. Und der Rechts rutsch<br />

der Wäh ler schaft dürfte sich im güns -<br />

tigsten Fall durch einen Sta tus quo im<br />

Konflikt mit den Paläs ti nen ser widerspiegeln.<br />

Gleich wer der mi nis ter prä si -<br />

dent sein wird, er wird kei ne illegal<br />

er richtete Siedlung im West jor dan land<br />

auflösen (...) können, ohne die im rechten<br />

La ger verankerte Koalition zu ge -<br />

fährden. Die Hoffnung wird aus Wa -<br />

shington kommen müssen. Es kommt<br />

immer häufiger vor, dass man auf weit -<br />

sichtige is ra e lis trifft, die ei nen Ver mitt -<br />

ler zur Wie der aufnahme der Verhand -<br />

lungen verlangen, die zu der einzigen<br />

mögli chen Lösung führen: Der Grün -<br />

dung ei nes Palästinen ser staa tes an der<br />

Sei te israels.“<br />

Dagens Nyheter (Stockholm) - „in is ra el<br />

hat die Rechte jetzt die besten Kar ten.<br />

mit größter Wahr schein lich keit wird<br />

Benjamin netanyahu nächs ter Re gie -<br />

rungschef. Er ist an Ver hand lun gen mit<br />

den Palästinensern nicht in te ressiert,<br />

will Jerusalem nicht teilen und findet,<br />

dass der Krieg in Gaza viel zu schnell<br />

beendet wurde. Kurz ge sagt ist er einfach<br />

eine schlechte nach richt für alle,<br />

die auf die Wie der auf nah me des Frie -<br />

densprozesses gehofft haben. (...) Es<br />

könnte schon sein, dass netanjahu vor -<br />

sich ti ger agiert, wenn er an die macht<br />

kommt, auch wenn sein früheres Agie -<br />

ren <strong>als</strong> minis ter präsident ei gent lich<br />

nicht da rauf hindeutet.“<br />

The Independent (London) - „Die zu -<br />

neh mende Unterstützung der Par tei<br />

von Avigdor Lieberman hat zwei fel los<br />

gezeigt, dass eine ansehnliche min der -<br />

heit von israelis gegen den Frie dens -<br />

pro zess ist oder dagegen, wie er sich<br />

entwickeln könnte, jetzt, wo Obama<br />

US-Präsident ist. Die Position Lieber -<br />

mans <strong>als</strong> ‘Kö nigs ma cher’ könn te jegliche<br />

Politik is raels zur Geisel einer ul -<br />

tra-nationalen min derheit ma chen. in<br />

dieser Hin sicht stellt das Er gebnis das<br />

schlimmste al ler Ergeb niss e dar. Wenn<br />

die Wah len et was gezeigt ha ben, dann<br />

das, dass das israelische Wahl sys tem<br />

keine stabile Regierun gen fördert. Wer<br />

auch immer die nächste Re gierung bil -<br />

den wird, sollte daraus ein vorrangiges<br />

Thema machen.“<br />

de Volkskrant (Amsterdam) - „in der is -<br />

raelischen Politik kommen manchmal<br />

die seltsamsten Kombi na ti o nen vor,<br />

da her sollte man nichts aus schließen.<br />

Das rechte Lager kann sich auf eine<br />

deutliche mehrheit in der Knesset stüt -<br />

zen. Das größte Problem für netan ya -<br />

hu ist aber, dass diese mehr heit steht<br />

und fällt mit der Un ter stützung kleinerer<br />

Parteien, die alle ih re eigenen<br />

Wunschvorstellun gen ha ben. Liv ni hat<br />

nur eine Chance, wenn sie das rechte<br />

Spektrum noch aufbrechen kann oder<br />

wenn netan ya hu sich doch noch mit<br />

der idee einer Regie rung der nationalen<br />

Einheit an freundet. Wahrschein lich<br />

ist das nicht. Aber es wäre immerhin<br />

einer uneingeschränkt rechten Re gie -<br />

rung vorzuziehen, die wenig oder gar<br />

kein in ter esse an Ver hand lungen mit<br />

Palästi nen ser präsi dent Abbas hat.“<br />

El Periodico de Catalunya (Barcelona) -<br />

„Das Wahlergebnis stellt israel vor<br />

das denkbar schlechteste Szenario. im<br />

Land herrscht Konfusion, die Par tei en -<br />

landschaft ist zersplittert, die ex tre me<br />

Rechte befindet sich im Auf wind, und<br />

nun steht ein langer und quä lender<br />

Pro zess der Regierungsbildung be vor.<br />

nach dem Schwenk zur extremen<br />

Rech ten in israel zeichnet sich für den<br />

nahen Osten eine neue Periode von<br />

Kriegen und internationalen Span nun -<br />

gen ab. (..) nur eine Koalition des Li -<br />

kud mit der Kadi ma- und der Ar beits -<br />

par tei könnte den Vormarsch des<br />

rechts radikalen und fremdenfeindli -<br />

chen Popu listen Avigdor Lieberman<br />

aufhalten.“<br />

24 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />

Liebermann Forderungen<br />

Avigdor Lieber man, dessen Partei<br />

Israel Bei teinu (Israel-Unser Haus) mit 15<br />

Ab ge ord neten in die Knesset einzieht,<br />

gilt <strong>als</strong> „Königsmacher“, ohne den<br />

kei ne Par tei eine regierungsfähige<br />

mehr heit im Parlament erhalten könn -<br />

te. Er hat den beiden Haupt kandi da ten<br />

für eine Regie rungsbildung in israel,<br />

Zipi Livni von Kadima und Benjamin<br />

netanyahu vom Likud, laut Rund -<br />

funk berichten bereits seine Forde run -<br />

gen vorgelegt:<br />

• Besiegen des Ter rors<br />

• Absetzung der Ha mas im Ga za strei -<br />

fen<br />

• Unterbindung jeglicher Ver hand -<br />

lungen mit Ter ror or ga nisa ti o nen.<br />

• Einführung einer Loyalitätsprü fung<br />

per Gesetz für alle Bürger des Staa tes<br />

(gilt <strong>als</strong> anti-arabische ini tia ti ve).<br />

• Einführung eines „Bund für Paa re“, -<br />

quasi eine standesamtlichen Hoch -<br />

zeit - für jene Paa re, die man gels eindeutiger<br />

Religi ons zu ehö rig keit in<br />

is rael nicht heiraten und ih ren Le -<br />

Tom Segev: „Lieberman<br />

mit Haider vergleichbar“<br />

Der israelische Historiker und Jour -<br />

na list Tom­ Segev hat die politische<br />

Linke in seinem Land für „bedeutungslos“<br />

erklärt. Gleichzeitig äußerte<br />

er sich besorgt über den Rechtsruck<br />

in israel und erinnerte an den Abzug<br />

des israelischen Botschafters aus Wien,<br />

nachdem der Populist Jörg Haider dort<br />

an die macht gekommen war.<br />

„Nach den Ergebnissen ist es Benjamin<br />

Netanjahu möglich, eine Regierung mit<br />

dem Rechtspolitiker Avigdor Lieberman<br />

zu formen“, sagte Segev nach Be kannt -<br />

gabe der vorläufigen Wahlergebnisse<br />

gegenüber „Spiegel Online“. „Das ist<br />

abstoßend. Schon in den vergangenen Jah -<br />

ren ist Israel nach rechts gerückt. Doch<br />

jetzt haben wir es mit der extremen Rech -<br />

ten zu tun. Das ist etwas ganz Neues und<br />

sehr alarmierend. Als in Österreich mit<br />

Jörg Haider ein ähnlich rechter Politiker<br />

wie Lieberman an die Macht kam, berief<br />

Israel seinen Botschafter ab. Jetzt wird<br />

ein Mann vom Schlage Haiders Königs -<br />

ma cher in der israelischen Knesset sein.“<br />

Dabei ging der Journalist nicht darauf<br />

ein, dass Lieberman bereits in der<br />

Ver gangenheit mehrere minister pos -<br />

bens bund nicht offiziell registrieren<br />

lassen können.<br />

• Für Absolventen des militärdiens tes<br />

soll höchste Priorität beim Ein -<br />

schrei ben zum Universitäts stu di um<br />

eingeräumt werden (was die meisten<br />

Araber und Ultra ortho do xen<br />

ausschließt, weil sie nicht zum<br />

militärdienst eingezogen wer den).<br />

• Ein notprogramm, damit der jü di -<br />

sche Staat für die Aufnahme ei ner<br />

massen einwanderung aus Eu ro pa<br />

und den USA bereit sei (der an stei -<br />

gende Antisemitismus, könn te viele<br />

Juden nach israel bringen). red<br />

ten innegehabt hatte. So war er unter<br />

Ariel Scharon von märz 2001 bis<br />

märz 2002 infrastrukturminister. An -<br />

schließend fungierte er bis Juni 2004<br />

<strong>als</strong> Verkehrsminister. Unter Ehud Ol -<br />

mert war er vom 30. Oktober 2006 bis<br />

zum 18. Januar 2008 stellvertretender<br />

Regierungschef und minis ter für Stra -<br />

tegische Angelegenheiten. Da m<strong>als</strong><br />

trat Liebermans Partei „israel Bei tei -<br />

nu“ aus der Regierung aus. Sie protestierte<br />

dagegen, dass mit den Pa läs ti -<br />

nensern Verhandlungen über Kern fra -<br />

gen wie Grenzen und Jerusa lem er -<br />

öffnet worden waren.<br />

Zur Stellung der linksgerichteten Par -<br />

tei en sagte Segev: „Die israelische Lin ke<br />

ist bedeutungslos geworden, es gibt sie<br />

ein fach nicht mehr. Das ist schon er staun -<br />

lich: Dieses Land wurde praktisch von der<br />

Arbeitspartei gegründet, sie hat die Poli -<br />

tik von Jahrzehnten dominiert. Und jetzt<br />

ist sie auf einmal von der Bild flä che ver -<br />

schwun den. Dahinter steckt ein Wandel<br />

in der Mentalität der Israelis. Früher wa -<br />

ren die Menschen solidarisch, sogar sozialistisch.<br />

Heute sind Konsum und Si cher -<br />

heit die beherrschenden Themen.“ APA<br />

Wahltag kostet 1,3 Mrd. Schekel<br />

Der bezahlte Feiertag für den Wahl tag kos -<br />

tete - laut israelischem Ge wer be ver bandden<br />

Arbeitgebern 1,3 Mrd. Sche kel (250<br />

Mio. Euro). Hersteller werden etwa 225<br />

Mio. Schekel in Löhnen für den 10 Fe bru ar<br />

aushändigen müssen. Die Zahl nimmt<br />

lediglich die aktuelle Zahlung von Löh nen<br />

in Betracht, und nicht etwa den positiven<br />

Effekt eines Ferientags auf den Handel und<br />

geleistete Dienste. Arbeiter in handwerklichen<br />

Bereichen und in der Landwirt schaft<br />

können am Wahltag wie gewohnt arbeiten,<br />

aber sie müssen ihren Lohn gemäß Überstundentarif<br />

bekommen. Dies sorgt für die<br />

Berechnung der höheren Ziffern. Arutz 7<br />

Bemühen um hohe Wahlbeteiligung<br />

Die israelischen Parteien bemühten sich,<br />

möglichst viele Bürger an die Wahlurnen<br />

zu bringen. Einige von ihnen haben aufgrund<br />

der Wettervorhersage Regen schir -<br />

me besorgt. Außerdem kümmern sie sich<br />

um Fahrgelegenheiten für die Wähler.<br />

Der Vorsitzende des Stabes für den Wahl -<br />

tag beim Likud, Reuven Rivlin, sagte vor<br />

der Öffnung der Wahllokale gegenüber<br />

der Zeitung ‘Jediot Aharonot’: „Es handelt<br />

sich nicht nur um Regen, sondern auch um<br />

Winde. Wir sind bereit, was die Trans por te<br />

angeht. Kein Mensch, der um Beförde rung<br />

bit tet, wird ohne Lösung wieder ge hen müssen.<br />

Wir haben zusätzlich zu den Schirmen<br />

30.000 Capes bestellt, weil uns klar wurde, dass<br />

die Schirme im Wind wegfliegen können.“<br />

Die linksgerichtete Meretz hat die Ge gend<br />

um die Wahllokale nach Mög lich keiten<br />

zum Unterstellen abgesucht, falls es<br />

plötzlich stürmisch und regnerisch werden<br />

sollte. Zudem stellt sie Schirme mit dem<br />

Parteilogo zur Verfügung.<br />

Die Grünen haben 200 grün-weiße Schir -<br />

me bestellt, die mit ihrem Emblem versehen<br />

sind. Besondere Fahrzeuge gibt es<br />

hingegen nicht. Die Partei hofft, dass die<br />

Wähler auf umweltfreundliche Weise in die<br />

Lokale gelangen.<br />

Die rechtsgerichtete Einwandererpartei<br />

Israel Beiteinu stellte freiwillige Chauf feu re<br />

für die Wahlberechtigten zur Verfügung.<br />

Die arabischen Parteien waren darauf aus,<br />

dass ihre Wähler möglichst früh zu den<br />

Urnen gehen, bevor das vorhergesagte<br />

stürmische Wetter beginnen sollte.<br />

Die religiösen zionistischen Gruppierungen<br />

freuten sich über den angekündigten Re -<br />

gen, für den es höchste Zeit sei.<br />

Die or tho doxen jüdischen Parteien sorgten<br />

für mehr Fahrgelegenheiten <strong>als</strong> geplant.<br />

Schokoküsse - Auch ein israelischer Soldat<br />

hat sich Ge dan ken über die Erhöhung der<br />

Wahl be teiligung gemacht: Ge mein sam mit<br />

der Organisation „Jehiam“ sendete er eine<br />

hal be Million SMS an Bürger um sie zum<br />

Wählen auf zurufen. Außerdem wollten sie<br />

den Is raelis die Ab stimmung versüßen und<br />

verteilten Scho koküsse an die Wähler.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 25


POLITIK • ISRAEL<br />

Eine Region, zwei Staaten<br />

Von Shimon Peres<br />

Es besteht kein mangel an meinun gen,<br />

wenn es um Fragen des nahen Os tens<br />

geht, und die jüngsten Ereig nisse in<br />

Gaza haben sie nicht ge dämpft. Eine<br />

minderheit von nahost-Experten ist<br />

kürzlich <strong>als</strong> Anwalt für eine Ein-Staa -<br />

ten-Lösung hervorgetreten. Eine solche<br />

würde israels Legiti mi tät und sein<br />

international anerkanntes Existenz -<br />

recht <strong>als</strong> souveräner jüdischer Staat im<br />

Land meiner Vorväter untergraben.<br />

ich selbst habe persönlich dem er -<br />

staun lichen Fort schritt beigewohnt, den<br />

wir in den ver gangenen Jahren mit der<br />

Paläs ti nensischen Autonomie behör-de<br />

ge macht haben, und ich glaube, dass<br />

eine Zwei-Staaten-Lösung nicht nur<br />

die beste Lösung für diesen uralten<br />

Konflikt ist, sondern auch, dass sie in<br />

unserer Reichweite liegt.<br />

Der Ein-Staaten-Lösung sind so<br />

viele Schwachstellen zu Eigen, dass sie<br />

überhaupt gar keine Lösung ist. Aus<br />

israels Perspektive ist es dem jüdischen<br />

Volk unmöglich, eine Regelung<br />

zu akzeptieren, die das Ende der Exis -<br />

tenz eines jüdischen Staates bezeichnet.<br />

Was die Perspektive der Paläs ti -<br />

nenser angeht, so darf ihnen nicht die<br />

Gelegenheit genommen werden, ihr<br />

nationales Schicksal in die eigene<br />

Hand zu nehmen.<br />

Gegner der Zwei-Staaten-Lösung<br />

be haupten – nicht ohne Grund -, dass<br />

Gaza und das Westjordanland zu klein<br />

sind, um die palästinensischen Flücht -<br />

linge aufzunehmen. Das wäre freilich<br />

auch der Fall unter dem Ein-Staaten-<br />

Schema; sie würde in einem Staat re -<br />

sul tieren, der gerade einmal 24.000<br />

Qua dratkilometer umfasst und be reits<br />

jetzt mit einer Bevölkerung von mehr<br />

<strong>als</strong> 10 mio. (5.5 mio. Juden und 4.5<br />

mio. Arabern) am Überlaufen ist. Wäh -<br />

rend Zyniker die Größe des Westjor -<br />

danlands und Gazas zur Debatte stellen,<br />

brauchen die Optimisten zu ihrer<br />

Beruhigung nicht weiter <strong>als</strong> nach<br />

Singapur zu blicken.<br />

Das Gebiet des Westjordanlandes<br />

und des Gaza-Streifens ist neunmal<br />

größer <strong>als</strong> das Singapurs, die palästinensische<br />

Bevölkerung in beiden Re -<br />

gionen hingegen kleiner <strong>als</strong> die Sing a -<br />

purs. Das südostasiatische Land er -<br />

freut sich eines der höchsten Lebens -<br />

standards auf der Welt. Wir glauben<br />

daran, dass die Palästinenser zum<br />

Erzielen eines ähnlichen Erfolgs fähig<br />

sind, und wir werden weiter unermüdlich<br />

mit unseren Partnern am Ver -<br />

handlungstisch auf die Gründung<br />

eines autonomen palästinensischen<br />

Staates hinarbeiten, in dem die men -<br />

schen eine moderne Wirtschaft auf der<br />

Grundlage von Wissenschaft, Tech -<br />

nologie und den Wohltaten des Frie -<br />

dens in Gang setzen werden.<br />

Die Schaffung eines einzelnen multinationalen<br />

Landes ist ein dürftiger<br />

Pfad, der nichts Gutes für den Frie -<br />

den verheißt, sondern vielmehr die<br />

Per petuierung des Konflikts fördert.<br />

Der von Blutvergießen und instabi li -<br />

tät heimgesuchte Libanon ist nur ei -<br />

nes von vielen Beispielen eines nicht<br />

zu wünschenden Sumpfes dieser Art.<br />

Die Schwierigkeiten einer Zwei-<br />

Staa ten-Lösung sind zahllos, aber sie<br />

bleibt das einzige realistische und mo -<br />

ralische Rezept für die Been di gung<br />

des israelisch-palästinensischen Kon -<br />

flikts. Diejenigen, die sich dieser Lö -<br />

sung nicht verpflichtet fühlen, argumentieren,<br />

dass israels Taille nach der<br />

Schaffung eines palästinensischen<br />

Staa tes - mit etwa zehn Kilometern -<br />

zu schmal wäre, um die Sicherheit für<br />

seine Bürger zu gewährleisten.<br />

in der Tat, zehn Kilometer werden<br />

für eine volle Sicherheitsgarantie zu<br />

schmal sein, was nur unsere Überzeugung<br />

bestätigt, dass israels Sicherheit<br />

nicht nur auf territorialer Verteidi -<br />

gung, sondern auf Frieden beruht.<br />

Der Frieden verleiht weite Flügel.<br />

Selbst wenn die Taille schmal ist.<br />

im vergangenen monat hat der li -<br />

bysche Staatschef muammar Gaddafi<br />

seine Vorschläge für eine Ein-Staaten-<br />

Lösung erläutert. Obwohl ich mit seiner<br />

Rezeptur nicht übereinstimme,<br />

er mutigt mich die Art und Weise, in<br />

der er sich erklärt und seine Sache<br />

vertritt.<br />

Am meisten springt dies bei seiner<br />

fundamentalen und zentralen Prä mis -<br />

se ins Auge, dass „das jüdische Volk<br />

sein Heimatland will und verdient“. Die<br />

Resonanz dieser Worte ist entscheidend,<br />

denn sie entsprechen diametral<br />

den radikal-muslimischen Elemen ten,<br />

die dem jüdischen Volk das Recht auf<br />

eine Heimat im Land ihrer Vorväter<br />

absprechen und auf dieser Grundlage<br />

einem mörderischen Jihad das Wort<br />

re den, dessen Ziel die Zerstörung is -<br />

ra els ist.<br />

Das jüdische Volk will in Frieden in<br />

seiner rechtmäßigen, historischen<br />

Hei mat leben, und verdient dies. Das<br />

palästinensische Volk will in seinem<br />

eigenen Land mit seinen eigenen po -<br />

litischen institutionen und seinem<br />

Recht auf Selbstbestimmung leben und<br />

verdient dies. Es ist unerlässlich, dass<br />

man diese Angelegenheit auf der Aus -<br />

sicht auf Koexistenz zwischen Ju den<br />

und Arabern begründet, die in Berei -<br />

chen wie Wirtschaft, Tourismus, Um -<br />

welt schutz und Verteidigung zur Ko -<br />

operation wird. All dies wird nur da -<br />

durch zu erreichen sein, dass man<br />

jedem Volk seinen eigenen Staat und<br />

seine eigenen Grenzen zugesteht, auf<br />

dass die jeweiligen Bürger ihrem<br />

Glau ben gemäß beten, ihre Kulturen<br />

pflegen, ihre Sprachen sprechen und<br />

ihr Erbe bewahren können.<br />

Lassen Sie uns unsere größten An -<br />

strengungen darauf richten, diese zwei<br />

Staaten zum Blühen zu bringen. Viel -<br />

leicht werden israelis und Palästi nen -<br />

ser eines Tages, wie in Europa, be -<br />

schließen, Grenzen nicht länger die<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit be -<br />

hin dern und einen Vorwand zum<br />

Krieg bieten zu lassen.<br />

Shimon Peres ist Präsident des Staa -<br />

tes israel. The Washington Post, 10.02.09<br />

26 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


Hamas in Verruf<br />

von Ulrich W. Sahm<br />

„Wael Issam berichtet nicht gemäß den<br />

Vorstellungen der Hamas-Organisa tion.“<br />

mit dieser Begründung und „um sein<br />

Leben zu schützen“ wurde der 31 Jahre<br />

alte Reporter des arabischen Fernseh -<br />

sen ders Al-Arabija des Gazastreifens<br />

verwiesen. Er war der erste Reporter<br />

beim Versteck des Hamas-innen mi -<br />

nis ters Siad Siam, nachdem der von<br />

einer israelischen Rakete gezielt getötet<br />

worden war.<br />

Der erneute Verstoß der Hamas ge -<br />

gen die Pressefreiheit ist ein Element<br />

von vielen, das die Hamas zunehmend<br />

in Diskredit bringt. Ägypten entdeckte<br />

in Koffern des Hamas-Sprechers Ay -<br />

man Taha am Rafah-Grenzübergang<br />

US$ 9 mio. und 2 mio. Euro. Das Geld<br />

stammte angeblich aus iran und sollte<br />

zur radikalislamischen Hamas ge -<br />

schmug gelt werden. Die palästinensische<br />

Autonomiebehörde bezichtigt die<br />

Hamas, Krankenhäuser in Folter und<br />

Verhörzentren verwandelt zu haben.<br />

israels Koordinator für humanitäre<br />

Hil fe in den Gazastreifen, minister<br />

Jitzhak Herzog, jubelt schon, dass die<br />

Hamas der Welt ihre wahre Fratze <strong>als</strong><br />

menschenverachtende Terroror ga ni sa -<br />

tion gezeigt habe, nachdem die UnO-<br />

Flüchtlingshil feor ganisation ihre Hil -<br />

fe an die Zivilbevölkerung eingestellt<br />

habe wegen des Diebstahls tausender<br />

Decken und hunderter Tonnen mehl.<br />

„Das waren alles nur Missverständ nis se“,<br />

sagt Hamas-Sprecher Ahmad Jusuf<br />

zu der Plünderung des Beach-Camp<br />

Lagerhauses der UnWRA. Ebenso<br />

war die Beschlagnahme von Un W RA<br />

Lastwagen mit zweihundert Tonnen<br />

Reis und hundert Ton nen mehl ein<br />

„irrtum“. Da israel die Hamas nicht<br />

anerkenne, die Hilfsgüter durch den<br />

Kerem Schalom Übergang nach Gaza<br />

rollen, habe sich ein Fahrer ganz einfach<br />

„geirrt“. Er glaubte, seine Fracht<br />

sei für das Hamas-geführte Wohl -<br />

fahrts ministerium bestimmt und<br />

nicht für die UnWRA.<br />

israel hat allein in der ersten Fe bru -<br />

ar woche 27.522 Tonnen humanitäre<br />

Güter in den Gazastreifen durchgelassen.<br />

787 Tonnen Kochgas wurden<br />

über den Terminal nahal Oz ge -<br />

pumpt. 423 Lastwagen internationaler<br />

Hilfsorganisationen brachten nah -<br />

rungs mittel. Seit Beginn des Waffen -<br />

POLITIK • ISRAEL<br />

still standes habe israel fast fünf mil li -<br />

onen Dieselöl für das Kraftwerk in<br />

Gaza geliefert. „Wegen eines palästinensischen<br />

Beschlusses wurde kein Benzin in<br />

den Gazastreifen geliefert“, veröffentlichte<br />

das israelische Verteidi gungs mi -<br />

nisterium. Die UnRWA habe „bis auf<br />

weiteres“ alle Lieferungen eingestellt.<br />

Die über israel gelieferten mengen<br />

decken nach Angaben der UnWRA<br />

an geblich nur etwa zwanzig Prozent<br />

des Bedarfs. Die Diebstähle der Ha mas<br />

könnten dazu dienen, die mit glieder<br />

der international geächteten und deshalb<br />

von Hilfe ausgeschlossenen Or -<br />

ganisation zu versorgen. Ebenso ist<br />

aber die Hamas bemüht, sich nach<br />

den Zerstörungen des israelischen<br />

Feld zugs <strong>als</strong> Wohltäter der Bevöl ke -<br />

rung zu präsentieren.<br />

Die UnWRA reagiert zunehmend<br />

allergisch auf Attacken. Während des<br />

22-tägigen Krieges zwischen israel und<br />

der Hamas hatte die Organisation<br />

schon einmal die Versorgung von et wa<br />

800.000 der insgesamt rund 1,5 mio.<br />

Einwohner des Gazastreifens aus ge -<br />

setzt. Die UnWRA protestierte so ge -<br />

gen den Tod eines Last wa gen fah rers<br />

durch Schüsse eines israelischen<br />

Scharf schützen. israel dementierte<br />

und behauptete, dass der Fahrer von<br />

Hamas-Kämpfern getötet worden sei.<br />

Auch jetzt wieder setzte die UnWRA<br />

die Verteilung von mehl, Öl, Zucker<br />

und Kichererbsen an die Flüchtlinge<br />

aus, nachdem die Hamas innerhalb<br />

von drei Tagen zweimal Hilfsgüter be -<br />

schlagnahmt oder gestohlen habe.<br />

Für Hamas ist diese offene Schuld zu -<br />

wei sung höchst peinlich. Sie bemüht<br />

sich um Schadensbegrenzung und<br />

will „klärende Gespräche“. Sie habe<br />

der UnRWA mitgeteilt, die vermeintlich<br />

gestohlenen Decken und nah -<br />

rungs mittel „abholen zu können“.<br />

Doch niemand sei gekommen.<br />

Solange der Krieg andauerte, hatte<br />

die UnWRA ungeprüft allein israel<br />

für dramatische Vorfälle verantwortlich<br />

gemacht, darunter dem Beschuss<br />

der UnWRA-Schule beim Flücht -<br />

lings lager Sadschaije, wo mindestens<br />

41 men schen umkamen. UnO-Gene -<br />

ral se kretär Ban Ki moon verurteilte is -<br />

ra el scharf. inzwischen stellt sich heraus,<br />

dass die Schule gar nicht getroffen<br />

wurde. israelische Granaten ex plo -<br />

dierten außerhalb des Geländes, weil<br />

angeblich israelische Truppen be schos -<br />

sen worden seien. Ein palästinensischer<br />

Taxifahrer, der westliche Jour -<br />

nalisten herumfährt und interviews<br />

organisiert sagte: „Es ist doch völlig<br />

über flüssig, diese Schule zu besuchen, weil<br />

längst erwiesen ist, dass sie von den Is ra -<br />

elis nicht beschossen wurde.“<br />

Auch die Behauptungen der Un R -<br />

WA und der Hamas, dass die israelische<br />

Armee ein Versorgungslager der<br />

UnWRA beschossen habe, wobei vie le<br />

Tonnen nicht verteilter Versor gungs -<br />

güter verbrannt seien, wurden längst<br />

von einem UnWRA-Sprecher relativiert.<br />

Sollten die israelischen Soldaten<br />

aus dem Lager heraus beschossen<br />

worden seien, hätten sich die Hamas-<br />

Kämpfer eines Kriegsverbrechens<br />

schuldig gemacht. Doch müssten die<br />

israelis dafür den Beweis erbringen,<br />

sagte UnWRA-Sprecher Christopher<br />

Gunnes.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 27


POLITIK • ISRAEL<br />

Aus arabischen Medien:<br />

Unmut über die Hamas<br />

in der arabischen Welt mehren sich<br />

die Stimmen gegen die Hamas. Auch<br />

in den medien wird sie zunehmend<br />

kritisiert.<br />

So hat bspw. der libanesische Kom -<br />

men tator Charbel Barkat in der kuwaitischen<br />

Dar-Al-Seyassah der palästinensischen<br />

Terrororga nisa tion vorgeworfen,<br />

nach ihrem vermeintlichen<br />

„Sieg“ in Gaza nicht selbst mit sich<br />

ins Ge richt gegangen zu sein, nachdem<br />

sie die Bevölkerung in Gaza in<br />

einen Krieg mit israel gezerrt und<br />

damit ins Unglück gestürzt habe.<br />

Charbel zeigt auch sein Unver ständ -<br />

nis über das Schweigen der arabischen<br />

medien angesichts des Leids,<br />

das die Hamas über ihr Volk gebracht<br />

habe. Sie und andere Terrororga nisa -<br />

ti onen würden die palästinensischen<br />

Zivilisten <strong>als</strong> neue Waffe betrachten<br />

und sich dabei nicht um den Tod von<br />

Frauen und Kindern scheren.<br />

Eindringlich ruft der Libanese die<br />

Pa lästinenser dazu auf, mit sich und<br />

ihrer Führung ins Gericht zu gehen.<br />

Was dies angeht, könnten sie viel von<br />

den israelis lernen.<br />

Dar-Al-Seyassah, 28.01.09<br />

Auch der kuwaitische Kommentator<br />

Khalil Ali Haidar konstatiert in<br />

einem Kommentar in der in den Ver -<br />

einigten Arabischen Emiraten er schei -<br />

nenden Ta geszeitung Al-itthi had,<br />

dass die Ha mas den Palästi nensern<br />

und den Ara bern insgesamt nur<br />

Unglück bringe. Al-Itthihad, 02.02.09<br />

Einer aktuellen Umfrage nach unterstützen<br />

dei Hamas nur noch 27.8%<br />

der Bevöl ke rung; im no vem ber wa -<br />

ren es noch 51.5% gewesen. 56% sind<br />

der Überzeugung, dass die Terroror -<br />

ga nisation in die f<strong>als</strong>che Rich tung<br />

führe. The Jerusalem Post, 09.02.09<br />

Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />

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Antilopen im Einsatz<br />

an Israels Nordgrenze<br />

Um israels Grenze zum Libanon zu si chern,<br />

greift die Armee auf tierische Unterstützung<br />

zurück: Zwischen dem Sicherheitszaun und<br />

der internationalen Grenze „stationierte“ sie<br />

acht Eland-Antilopen. Diese fressen dort das<br />

problematische Blattwerk ab, das den is raelis<br />

die Sicht auf die libanesische Seite der Grenze<br />

verdeckt.<br />

Jedes der Tiere wiegt über 500 Kilo gramm.<br />

Die Antilopen seien bekannt für ihre scharfen<br />

Schneidezähne, mit denen sie sich rasch durch<br />

große men gen von Blättern fressen, heißt es in<br />

ei nem Bericht der Tageszeitung ‘Ha´a retz’. Die Tiere fressen das Unkraut, das<br />

etwa alle zwei Jahre nachwächst. Sie säubern die problematischen Gegenden,<br />

setzten Trampelpfade frei, eröffnen die Sicht und verhindern Feuer, teilte<br />

Hagai Ilan von der „israelischen na tur schutz- und Parkbehörde“ mit. Zudem<br />

seien sie umweltfreundlich und ihre Aufsicht verursache wenige Kosten.<br />

Eland-Antilopen wurden erstm<strong>als</strong> vor mehr <strong>als</strong> 30 Jahren nach israel ge bracht.<br />

Dort sollten sie in Zoos aufgezogen werden, bevor sie nach Europa ge sandt<br />

wurden. Die Tiere sind die größten Antilopen. Sie können bis zu 1.000 Kilo -<br />

gramm schwer werden.<br />

Bewohner von Gaza berichten von Missbrauch<br />

<strong>als</strong> menschliche Schilde durch die Hamas<br />

Von Itamar Marcus und Barbara Crook, Palestinian Media Watch<br />

Wie eine Familie aus Gaza der offiziellen<br />

Tageszeitung der Palästinen ser be -<br />

hörde, Al-Hayat Al-Jadida, berich te te,<br />

wurde ihre Farm von der Hamas <strong>als</strong><br />

„Festung“ und sie selbst <strong>als</strong> mensch -<br />

liche Schutzschilde missbraucht. Für<br />

die Familie selbst sei es unmöglich<br />

ge wesen, etwas dagegen zu tun.<br />

Schon seit Jahren hätte die Hamas<br />

ihren Besitz gegen ihren Willen für<br />

militärische Aktionen genützt, Ra keten<br />

auf israel von dort abgefeuert,<br />

Tun nel gegraben und Waffen gelagert.<br />

Wer sich dagegen wehren wollte,<br />

wurde von den Hamaskämpfern in<br />

die Beine geschossen.<br />

im Folgenden sind Auszüge aus dem<br />

Artikel in der Zeitung Al-Hayat Al<br />

Jadida vom 27.01.09 zu lesen:<br />

„Familie Abd Rabbo verhielt sich ru -<br />

hig, <strong>als</strong> die Hamaskämpfer ihre Farm<br />

im Gazastreifen in eine Festung verwandelten.<br />

nun wartet sie auf die<br />

dafür von der (Hamas-)Bewegung ver -<br />

sprochenen Hilfsleistungen, nachdem<br />

israel die Farm bombardiert und in<br />

Schutt und Asche gelegt hat...<br />

Vom Hügel aus, auf dem Familie Abd<br />

Rabbo lebt, kann man auf die israelische<br />

Stadt Sderot blicken – dieses Fak -<br />

tum hatte die Farm zum idealen militärischen<br />

Stützpunkt für die palästinensischen<br />

Kämpfer gemacht. Von dort<br />

hatten sie in den vergangenen Jahren<br />

hunderte Raketen auf das südliche<br />

israel abgefeuert. Einige Familienmit -<br />

glie der beschrieben auch, wie die Ha -<br />

mas unter ihren Häusern Tunnel grub,<br />

auf den Feldern Waffen lagerte und in<br />

der nacht vom Hof der Farm aus<br />

Raketen zündete.<br />

Familie Abd Rabbo betont, dass sie<br />

keine (Hamas-)Aktivisten und der Fa -<br />

tah-Bewegung gegenüber noch im mer<br />

loyal seien, aber keine möglich keit ge -<br />

habt hätten, die bewaffnete Gruppie -<br />

rung vom nächtlichen Ein drin gen auf<br />

ihr Land abzuhalten. Eines der Fami -<br />

li enmitglieder, Hadi, 22, meinte dazu:<br />

‚Du kannst nichts gegen die Wider stands -<br />

kämpfer sagen, sonst beschuldigen sie dich<br />

der Kollaboration (mit Israel) und schießen<br />

dich in die Beine.’“<br />

28 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


Im Stadttempel ist nicht nur zu Purim viel los<br />

Auf den aufbauenden Rat unserer besorgten Freun de<br />

hin wird der Tempel zu einem gutgehenden Kaffee -<br />

haus und George Clooney kredenzt nach der megi lat<br />

Ester nuEspresso.<br />

Erev Purim - Montag, 9. März 009<br />

18.15 Uhr G´ttesdienst im Stadttempel<br />

18.30 Uhr megila mit akustischen Haman effek ten<br />

ca 19.30 Uhr Kaffeehaus und<br />

Grosses Purim-Carlebach-Konzert<br />

mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg<br />

und seiner neuen<br />

Kuppert O Malovitzki Preuschl O Tockner-Band<br />

ich freue mich auf<br />

einen schönen Abend<br />

mit Euch!<br />

Oberrabbiner Chaim Eisenberg<br />

STATE OF ISRAEL BONDS<br />

Staatsanleihe Israel<br />

WIEN<br />

kündigt bereits jetzt die geplante<br />

Solidaritätsreise an:<br />

Berlin-Israel<br />

20. April – 01. Mai 09<br />

Dieses Jahr führt uns unsere Reise in das<br />

Jüdische Berlin und dann weiter nach Israel,<br />

mit Schwerpunkt Eilat und Negev Wüste.<br />

Festivitäten aber wie immer in<br />

Tel Aviv und Jerusalem.<br />

Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist,<br />

bitten wir Sie um rasche Buchung.<br />

Nähere Informationen bei: Tel. 513 77 55<br />

E- mail: bonds.wien@aon.at<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 29


ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Abschied vom Toten Meer<br />

Von Reinhard Engel<br />

australische Produzenten bieten den<br />

Chinesen die Stirn.<br />

Ob iCL das Werk weiter betreiben<br />

wird, ist offen. innerhalb des Kon -<br />

zerns spielt es nur eine kleine Rolle,<br />

die größten mengen der chemischen<br />

Substanzen, die iCL aus dem Toten<br />

meer sowie aus seinen minen in Spa -<br />

nien und Großbritannien gewinnt,<br />

werden zu Dünger weiterverarbeitet<br />

oder zu industrie-Chemikalien.<br />

WIRTSCHAFT<br />

©Reuters/Baz Ratner<br />

Der deutsche Volkswagen-Konzern kündigt<br />

ein Joint-venture mit Israel Che mi c<strong>als</strong> zur<br />

Magnesium-Her stel lung auf.<br />

Es war noch kurz vor der Jahres -<br />

wen de. Per Brief kündigte der deutsche<br />

Automobilkonzern Volkswagen<br />

ein großes industrie-Joint-venture mit<br />

israel Chemic<strong>als</strong> (iCL) auf: die ge mein -<br />

same Erzeugung von magnesi um am<br />

Toten meer. Eli Amit, der Vor stands -<br />

vorsitzende von Dead Sea magne si -<br />

um, der gleichzeitig Vize prä sident<br />

von iCL ist, reagierte empört: „Die<br />

unilaterale Auflösung ist in hohem Maß<br />

fragwürdig, umso mehr, <strong>als</strong> dieser überraschende<br />

Schritt zu einem sensiblen<br />

Zeit punkt des globalen Konjunkturrück -<br />

gan ges kam und Dead Sea Magnesium<br />

mitten in Verhandlungen mit Banken zu<br />

Kreditverlängerungen steht.“<br />

iCL betonte, Volkswagen habe da -<br />

mit Verträge gebrochen und dürfe<br />

diesen Vertrag nicht einseitig auflösen.<br />

„Der Bruch des Joint-ventures durch<br />

Volkswagen gefährdet die anstehende<br />

Rück zahlung laufender Kredite und in<br />

Folge mehrere Hundert Arbeitsplätze in<br />

der ohnehin strukturschwachen Negev<br />

Wüste in Israel“, so Amit weiter. iCL<br />

drohte, mit einer Klage gegen Volks -<br />

wa gen vorzugehen, die Schadener -<br />

satz ansprüche bis zu US$ 80 mio.<br />

um fassen könnte, <strong>als</strong> Deadline wurde<br />

der 3. <strong>Februar</strong> genannt.<br />

„Bis jetzt habe ich nicht gehört, dass<br />

eine Klage eingebracht worden wäre“, sagt<br />

Michael Brendel, ein VW-Sprecher in<br />

Wolfsburg. „Volkswagen hat sich an sei ne<br />

vertraglichen Pflichten gehalten und bricht<br />

keine Vereinbarungen.“ Auf die Frage,<br />

warum sich VW jetzt zurückziehe, er -<br />

klärt Brendel: „Volkswagen hat Dead Sea<br />

Magnesium in den vergangenen 12 Jah ren<br />

unterstützt, aber jetzt konzentrieren wir<br />

uns auf unser Kerngeschäft.“ VW besitze<br />

auch keine Stahlwerke.<br />

Das Joint-venture war im Jahr 1995<br />

vom damaligen Volkswagen-Gene ral -<br />

direktor Ferdinand Piech unterzeichnet<br />

worden, an der Zeremonie nahmen<br />

höchste politische Vertreter teil:<br />

Premierminister Yitzhak Rabin und<br />

Bundeskanzler Helmut Kohl. Es galt<br />

<strong>als</strong> Vorzeige-Großprojekt und Symbol<br />

einer zukunftsträchtigen wirt -<br />

schaftlichen Zusammenarbeit.<br />

magnesium wird in der Auto mobil -<br />

pro duktion sowohl für Leichtbauteile<br />

im motor und an verschiedenen Ag -<br />

gre gaten verwendet, <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> Zu -<br />

satz bei der Aluminium erzeugung.<br />

Dead Sea miner<strong>als</strong> entwickelte sich<br />

zu einem Produzenten von 30.000 bis<br />

35.000 Tonnen pro Jahr, zuletzt arbeiteten<br />

380 mitarbeiter für das Unter -<br />

neh men. Die Anteile waren 65 zu 35<br />

Pro zent zwischen iCL und Volkswagen<br />

aufgeteilt.<br />

Aber schon ab 1996 begannen chinesische<br />

Hersteller, die Weltmärkte mit<br />

billigem magnesium systematisch zu<br />

überschwemmen und ihren marktanteil<br />

schrittweise enorm auszubauen.<br />

Das führte nicht nur zu wiederholten<br />

Verlusten bei Dead Sea magnesium,<br />

sondern auch dazu, dass mehrere nam -<br />

hafte Konzerne die Erzeugung des<br />

Roh stoffes reduzierten oder gar einstellten,<br />

etwa norsk Hydro in Kanada<br />

oder der US-Konzern Alcoa mit einer<br />

Werksschließung in den nordwestli -<br />

chen Vereinigten Staaten. Lediglich<br />

Außer DSm gibt es in israel eine<br />

Rei he von Unternehmen, die für die<br />

internationale Automobilindustrie Zu -<br />

lieferteile herstellen. in diesem Be reich<br />

werden mehrere Dutzend, zumeist<br />

klei nere Firmen gezählt, ein kleinerer<br />

Pro zentsatz der Erzeugnisse ist für<br />

den lokalen Ersatzteilmarkt be stimmt,<br />

der überwiegende Teil wird exportiert.<br />

nach Berechnungen von Germany<br />

Trade and invest in Köln lagen die<br />

Ausfuhren von Kfz-Teilen aus israel<br />

im Jahr 2007 bei rund US$ 800 mio.,<br />

fast ein Viertel mehr <strong>als</strong> im Jahr da -<br />

vor. Zugleich sind israelische Her stel -<br />

ler um die Kooperation mit ausländischen<br />

Partnern und um den Aufbau<br />

von Produktionen im Ausland be müht,<br />

vor allem in mittel- und Ost eu ro pa.<br />

Zu den bedeutenderen Zulieferern<br />

gehören unter anderem die Firmen<br />

Deutsch-Dagan (Teile und Bau grup -<br />

pen sowie elektrische Teile), Tadir-<br />

Gan (Hochpräzisionskomponenten),<br />

Omen-Hatzor (Druckgussprodukte),<br />

mAG (mechanische und elektromechanische<br />

Baugruppen) und Ortal<br />

(Druck gussprodukte aus Zink und ma -<br />

g nesium). im Bereich der Ersatz teil -<br />

fertigung ist eine größere Anzahl von<br />

mittleren und kleineren Un ter neh men<br />

tätig. Eine wichtige Rolle spielt der Au -<br />

tobatterienfabrikant E. Schnapp & Co.<br />

Gleichzeitig, so die deutschen Ex -<br />

perten, entwickeln israelische Unter -<br />

neh men, die oft Elektronikfirmen und<br />

keine „klassischen“ Hersteller von<br />

Kfz-Teilen sind, Zubehör und Fah rer -<br />

hilfssysteme. mehrere ausländische<br />

Kfz-Hersteller haben 2007 in diesem<br />

Be reich Kooperationsabkommen mit<br />

israelischen Unternehmen beziehungsweise<br />

dem industrieminis teri um un -<br />

terzeichnet oder möglichkeiten des<br />

Tech nologiezukaufs in israel ausgelotet.<br />

Wie weit diese geplanten Koope ra -<br />

tio nen von der globalen Autokrise be -<br />

droht sind, ist noch nicht abzusehen.<br />

30 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Verkehr in Tel Aviv<br />

Japan vor Deutschland<br />

Der israelische Automarkt erlebte im Vorjahr einen Boom, dann folgte der Absturz.<br />

Der Neuwagenmarkt in Israel erreichte im Jahr 2008 mit 200.000 Verkäufen sein bestes Jahr in der Geschichte, er zählt<br />

Tomer Hader, Auto-Redakteur des Wirtschaftsblattes Calcalist. „Im heurigen Januar sind dann nur 11.500 Autos verkauft worden,<br />

das war ein Einbruch von 50 Prozent,“ weiß er. „Für das Gesamtjahr <strong>2009</strong> rechnen wir mit einem Volumen von 140.000<br />

bis 150.000 Neuwagen.“<br />

In Österreich, einem Land mit ähnlicher Bevölkerungszahl aber höherem Bruttonationalprodukt pro Kopf, pendelte der<br />

Neu wagenmarkt meist zwischen 270.000 und 300.000 Autos. Auch hier wird für heuer ein schwaches bis dramatisch<br />

schlechtes Jahr erwartet.<br />

Vergleicht man die erfolgreichsten Typen und Marken, so unterscheiden sich die Märkte äußerst stark. In Österreich liegt<br />

seit Jahren der VW Golf an der Spitze der Statistik, die Verfolger wechseln, im Vorjahr waren dies etwa zeitweise Audi A4<br />

und Seat Ibiza. In Israel lag der Mazda 3 an der Spitze, gefolgt von Toyota Corolla und Ford Focus.<br />

Was die Marktanteile angeht, so dominiert in Österreich Volkswagen <strong>als</strong> Einzelmarke wie <strong>als</strong> Gruppe: Mit VW, Audi, Seat<br />

und Skoda kumuliert diese einen Anteil von knapp 30 Prozent. In Israel hat VW eine etwas bescheidenere Position, <strong>als</strong><br />

Einzelmarke Rang acht, hinter Mazda, Toyota, Hyundai, Chevrolet, Honda, Ford und Mitsubishi. Addiert man die Marken<br />

der Volkswagen-Group, so erreichte der Konzern im Vorjahr immerhin Rang fünf. „Die Führung der Japaner hat unter anderem<br />

mit der Kaufkraft und den hohen Einfuhr-Abgaben von 70 Prozent zu tun,“ erklärt Auto-Redakteur Hadar, „Der Anfangspreis<br />

von einem Golf liegt immerhin bei 22.000 Euro. Das ist ziemlich teuer.“<br />

Noch teurer sind Autos aus österreichischer, sprich Grazer Produktion. Christian Lassnig, Österreichs Handelsdelegierter in<br />

Tel Aviv erklärt: „Der in Österreich gebaute BMW X3 wird hier kaum verkauft, reiche Israelis greifen gleich zum BMW X5. Die<br />

Chrysler und Jeep-Modelle kommen großteils aus den USA, der eine oder andere Mercedes (Puch) G hat sicherlich den Weg nach<br />

Israel gefunden und die Wahrscheinlichkeit, dass der eine Saab, der 2008 in Israel verkauft wurde, ein Cabriolet aus österreichischer<br />

Produktion ist, steht angesichts des sonnigen Wetters hier gar nicht so schlecht.“ Insgesamt schätzen die Experten der Wirt -<br />

schaftskammer den Exportwert von in Österreich für Israel produzierten PKW und SUV für das Jahr 2008 auf ca. 2,5 Mio. EUR.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 31


ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Vom Ballonmantel<br />

zum Badeanzug<br />

Von Marta S. Halpert<br />

Wie die Ungarin Lea Gottlieb<br />

eine Weltmarke schuf<br />

Gottex-Badeanzüge <strong>als</strong> Synonym<br />

für israelischen Design-Erfolg<br />

©Reuters<br />

Trotz Rollkragenpullis und festen<br />

Jeans frösteln die zwei Einkäufe rin -<br />

nen im Showroom. Ein stämmiger<br />

mann mit Glatzkopf weist mit der<br />

Hand auf eine schlanke, groß ge -<br />

wach sene Zwanzigjährige, die nur<br />

mit einem Hauch von buntem Bikini<br />

bekleidet vor ihm steht. Die junge<br />

Frau dreht und wendet sich auf ihren<br />

hochhackigen Schuhen und lächelt –<br />

Energiebündel Lea Gottlieb<br />

mit Enkel Danny Shir (2008)<br />

© EPA/Jim Hollander<br />

etwas verkrampft. Es ist Winter in Tel<br />

Aviv, aber die Bademoden-Einkäufe -<br />

rin nen müssen die begehrte Ware<br />

schon bestellen, sonst haben sie das<br />

nachsehen. Sie kommen aus dem<br />

nor den von israel, die Gottex-Vertre -<br />

tungen weltweit haben ihre Bestel -<br />

lun gen bereits getätigt.<br />

Von weltweiter Finanzkrise ist hier<br />

nichts zu merken. Das neue Gottex-<br />

Hauptquartier nördlich von Tel Aviv<br />

wird gerade umgebaut und erweitert.<br />

in der näherei, wo die Entwürfe realisiert<br />

werden, herrscht Emsigkeit:<br />

Bunte Stoffballen werden ausgebreitet<br />

und gustiert, muster aufgelegt,<br />

etwa 30 nähmaschinen surren. Hier<br />

wird nur die Verkaufskollektion ge -<br />

fertigt, denn die umfangreiche Pro -<br />

duk tion für die mehr <strong>als</strong> 60 Vertriebs-<br />

Länder findet in der Türkei und in<br />

China statt. Die insgesamt sieben verschiedenen<br />

Gottex-Bademoden-Li -<br />

nien (Gottex, Gideon Oberson, Gottex<br />

Silver, Gottex Blue, Profile by Gottex,<br />

Turkiz und Pilpel) haben zuletzt ei -<br />

nen weltweiten Umsatz von 100 mil -<br />

lio nen US-Dollar überschritten.<br />

Von der Chemikerin zur Designerin<br />

Doch von diesem Umsatz profitiert<br />

die legendäre Gottex-Firmen grün de -<br />

rin nicht mehr. Denn Lea Gottlieb, die<br />

mit der marke Gottex ein Synonym<br />

für einen israelischen Welterfolg ge -<br />

schaffen hat, musste 1997 ihre Anteile<br />

an die Africa-Israel Investments von<br />

Großinvestor Lev Leviev verkaufen.<br />

Bis 2001 blieb sie noch <strong>als</strong> Designerin<br />

in der Firma, dann sei sie in die Pen -<br />

sion gedrängt worden, besagen Bran -<br />

chen-Gerüchte.<br />

Aber dem atemberaubenden Auf -<br />

stieg und dem Ruhm der Flüchtlinge<br />

aus Ungarn kann auch diese Wen -<br />

dung nichts anhaben. 1948 entflohen<br />

32 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Lea und Armin Gottlieb dem Kom -<br />

mu nismus nach Tel Aviv. Angeblich<br />

verkaufte Lea sogar ihren Ehering,<br />

um Startkapital zu haben. ihr mann<br />

war Regenmantelfabrikant gewesen,<br />

sie studierte Chemikerin. in einer win -<br />

zigen Werkstatt in der King George-<br />

Street in Tel Aviv versuchten sie mit<br />

Ballonmänteln ihr Glück. Sehr bald<br />

wurde ihnen klar, dass das Ge schäft<br />

mit Klei dern für verregnete Tage nicht<br />

lohnen würde. Die Gott liebs stiegen<br />

auf Bade mo de um und gründeten<br />

1956 die Firma Gottex. „Wir hatten es<br />

wirklich schwer. Wir schufteten von sechs<br />

Uhr früh bis weit nach Mitter nacht“,<br />

erinnerte sie sich später.<br />

Doch die An stren gung sollte sich lohnen,<br />

die Pro duktion ex pan dierte<br />

schnell und bald gab Gottex mehr <strong>als</strong><br />

tausend men schen Arbeit.<br />

Lea Gottlieb war aber nicht nur im<br />

Design höchst kreativ, sie entdeckte<br />

auch neue materialien für ihre eleganten,<br />

nicht gerade billigen modelle.<br />

Sie wechselte von der Baumwolle zur<br />

Kunstfaser: in den 1960ern entwickelte<br />

sie zuerst das Patent „Spandex“<br />

exklusiv und etwas später das ultraleichte<br />

und stark modellierende Ly cramaterial.<br />

„Gottex steht für hochwertige Desi gner -<br />

bademode made in Israel. Seit mehr <strong>als</strong> 50<br />

Jahren im internationalen Markt tätig,<br />

kommt Gottex in diesem Sommer erstm<strong>als</strong><br />

nach Leip zig“, schrieben die Orga ni sa -<br />

to ren der Leip ziger messe kürzlich<br />

stolz in ihrer An kündigung. „Die Kol -<br />

lektio nen ‘Gottex Silver’ und ‘Gottex<br />

Gold’ richten sich an Frauen mit höchsten<br />

An sprüchen an Mode, Passform und Ma -<br />

terial. Die Kollektionen wurden durch kul -<br />

turelle Einflüsse inspiriert“, heißt es da<br />

weiter, „die junge Linie ‘Gottex Silver’<br />

besticht mit afrikanischen Drucken.“<br />

Lea Gottlieb wurde in den letzten<br />

50 Jahren zur Perfektionistin nicht nur<br />

für Badeanzüge. Denn sie erkannte<br />

bald, dass das Spektrum der Strand -<br />

mode vom Bi ki ni bis zum Abend kleid<br />

reicht. Koor diniert mit Wickel klei dern,<br />

Röc ken, Ho sen aller Art, Sa rongs, Djel -<br />

labahs, Kafta nen und netz män teln ist<br />

aus dem simplen Ba deanzug der eleganteste<br />

Ferien-Out fit für alle Strände<br />

der Welt ge worden. Gottex heimste<br />

international zahlreiche re nom mierte<br />

Preise ein: Den Designer of the Year in<br />

Düsseldorf, den modepreis in Dallas,<br />

den mode-Festival-Preis in Cannes,<br />

den indus trie-Preis in mila no und<br />

den Textil preis in Paris.<br />

Prinzessin Dia na besuchte nur sechs<br />

monate vor ihrem Tod einen Gottex<br />

Showroom in London, um sich für ih re<br />

Rei se nach Austra lien mit passender<br />

Ba de mode auszustatten. „Sie hat mir<br />

nicht nur einen reizenden Dan kes brief<br />

geschickt, sondern auch ein Foto beigelegt,<br />

das sie im Gottex outfit beim Tau chen<br />

zeigt,“ er zählt Lea Gott lieb, die sich<br />

täglich auf ihrer Tel Aviv Terrasse mit<br />

Tai Chi fit hält. Über die Jahre zählten<br />

viele be rühmte Frauen zu den Got tex-<br />

Kun din nen, unter an de rem nan cy<br />

Kissinger, Jackie Ken ne dy-Onassis,<br />

ihre Schwes ter Lee Rad zi wil, Barbara<br />

Walters und Elizabeth Taylor.<br />

©Reinhard Engel<br />

Firmengründung mit 87 Jahren<br />

Einen schweren Rückschlag erlitt die<br />

israelische Designerin vor wenigen<br />

Jah ren: „Zwei Dinge waren unendlich<br />

schwer in meinem Leben. Der Tod von Ju -<br />

dith, sie war mein Liebling - und der Ab -<br />

schied von Gottex.“ Während ihre ältere<br />

Tochter miriam (60) den Gottex Vertrieb<br />

in den USA von new York aus<br />

erfolgreich managt, starb die Jüngere<br />

mit 57 Jahren an Krebs. Obwohl Lea<br />

Gottlieb nach dem Verkauf ihrer Fir -<br />

menanteile an Lev Leviev noch im kre -<br />

ativen Bereich tätig war, kam das end -<br />

gültige Aus mit dem Einstieg der beiden<br />

kanadischen Ge schäftsleute Joey<br />

Schwebel und Chanan Elituv, die heu -<br />

te 50% an Gottex halten.<br />

Doch die Grande Dame der Bade -<br />

mode ließ sich nicht unterkriegen. mit<br />

87 Jahren gründete sie ihr neues La -<br />

bel „Lea Gottlieb“, und ihre neue Kol -<br />

lektion <strong>2009</strong> kann sogar im internet<br />

bewundert werden. Gottliebs neuer<br />

Partner ist Ronny Grundland, inha ber<br />

von Tefron in new York und macro<br />

Clothing Ltd. in israel. „Lea ist ein<br />

nationaler Schatz – und sie ist ein Ar beits -<br />

tier, sie kann nicht aufhören!“<br />

Grundland, der zehn Jahre für Gottex<br />

gearbeitet hatte, gibt sich glücklich<br />

über die Kreativität seiner Partnerin,<br />

die selbst meint: „Meine positive Ener -<br />

gie fließt noch immer, und ich nehme alle<br />

Einflüsse in meine Arbeit auf, sei es die<br />

Na tur in Israel oder die amerikanische Flag -<br />

ge mit den Farben rot, weiß und blau.“<br />

„Uns gefällt besonders die Raffinesse dieses<br />

Modells: Ein verführerisches Schwarz-<br />

Weiß-Modell, das dank sanfter Taupe-Tö -<br />

ne und weicher Blumenaufdrucke nicht<br />

hart sondern unendlich weiblich wirkt.<br />

Das raffiniert geschnittene Oberteil im<br />

originellen Triangel-Stil und der seitlich<br />

geknotete Low-Cut-Slip verleihen dem<br />

En semble einen herrlich eleganten Haute<br />

Couture-Touch“, schreibt das deutsche<br />

Online ma ga zine ‘GOfeminin.de’.<br />

Marketingchefin<br />

Daphne Olinsky<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 33


ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />

Hauptmarkt immer noch die USA<br />

„Unser stärkster Markt bleibt die USA,<br />

auch wenn wir sehr schöne Er folge in<br />

Süd- und Mit teleuropa erringen konnten“,<br />

erzählt Daphna Olinsky, verantwortlich<br />

für den internationalen Ver -<br />

kauf und das marketing von Gottex.<br />

„Neunzig Pro zent unserer Ware ist für<br />

den Export bestimmt, erhältlich ist sie<br />

weltweit an 5.000 Ver kaufs stellen“, so<br />

die erfahrene marke ting l eiterin. Von<br />

Argentinien bis neu seeland, von<br />

Ägypten bis nach Russland und Sin -<br />

ga pore reicht die Palette. „In Japan sind<br />

wir ebenso po pu lär wie in Kasachs tan und<br />

der Ukraine“, be rich tet Olins ky. Ein -<br />

hundert mit ar beiter sind heu te für<br />

Gottex tätig, um die di ver sen mo de -<br />

wün sche zu erfüllen: „Die ‘Gold-<br />

Kollektion’ ist eindeutig in den ehemaligen<br />

russischen Republiken stärker nachgefragt,<br />

während wir mit der ‘Gottex<br />

Silver Line’ eher ein sehr junges Pu bli -<br />

kum in Nord- und Mitteleuropa ansprechen<br />

können.“<br />

Gideon Oberson –<br />

der israelische Lagerfeld<br />

Ein wenig Wehmut schwingt auch<br />

bei der jungen mar ke ting chefin mit,<br />

wenn sie zur Firmen grün derin<br />

Gottlieb be fragt wird. Aber neue<br />

Chefs bringen eben ihr eigenes kreatives<br />

Team mit. neu, aber nicht un -<br />

bedingt sehr jung ist der Kreativ-<br />

Direktor von Got tex. Gideon<br />

Oberson ist eine Art israelischer Karl<br />

La ger feld: Er zählt zu den be -<br />

kanntesten De signern is raels, arbeitete<br />

viele Jahre nur unter seinem eigenen<br />

namen. Seit 1976 entwirft er<br />

auch Bademode, für das Got tex Label<br />

macht er das erst ab 2003. Er ist ein<br />

Allround-Künstler, dessen einteilige<br />

Badeanzüge nichts weniger sind <strong>als</strong><br />

beeindruckende Kunst wer ke: Ober son<br />

orientiert sich bei jeder Kre a tion dreidimensional,<br />

an der mu sik, dem Tanz<br />

und nicht selten mischt sich sogar Ar -<br />

chi tek tur in seinen kre ativen Pro zess.<br />

Geboren in italien, ausgebildet<br />

in Frank reich,<br />

lebt Oberson seit vielen<br />

Jahren in israel.<br />

„Unser nächstes<br />

großes Ziel ist, die Mar ke<br />

Got tex in Chi na einzuführen“,<br />

plau dert<br />

Daph na Olinsky<br />

aus der Schule.<br />

Lea Gott lieb holt<br />

sich auch reichlich<br />

in spi ra ti on<br />

aus dem Reich<br />

der mitte, das<br />

sie immer wieder<br />

be sucht. Viel leicht begegnet sie<br />

bald der marke Got tex in Schang hai.<br />

Falls ja, wird sie sofort mit ‘Lea Gott lieb<br />

swimwear <strong>2009</strong>’ kontern.<br />

Kollektionsbesprechung<br />

©Reinhard Engel<br />

Werkstattbetrieb<br />

©Reinhard Engel<br />

34 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


WISSENSCHAFT<br />

„Die Geheimnistuerei israelischer Fir men<br />

macht es schwer, deren patentierte Er fin -<br />

dungen trotz Nachfrage in aller Welt zu<br />

verkaufen“, klagt ein deutsch-israelischer<br />

Geschäftsmann. Auf Achse zwischen<br />

indien, Aserbeidschan und new<br />

York verkauft er eine in israel entwickelte<br />

„Tapete gegen Bomben“. Die<br />

Wandverkleidung kann mit Blüm -<br />

chen muster übermalt werden und bie -<br />

tet handfesten Schutz gegen Auto -<br />

bomben oder Raketeneinschlag.<br />

in einem schmucklosen Büro in Pe -<br />

tach Tikwa stehen mit Schutzwesten<br />

bekleidete Schaufensterpuppen he -<br />

rum. Drei israelis bieten erstm<strong>als</strong><br />

einem Journalisten einen Blick auf<br />

ihre Produkte. „Alles was wir verkaufen,<br />

wird vom Verteidigungsministerium ge -<br />

neh migt. An Iran oder an die Hisbollah<br />

würden wir niem<strong>als</strong> liefern“, versichert<br />

Amos Zuaretz. Dan Zarchin wirft eine<br />

unübersichtliche Präsentation auf die<br />

weiße Wand. neben der israelischen<br />

Armee werden da die Bundeswehr, die<br />

UnO und Südafrika <strong>als</strong> Kunden an -<br />

ge geben. Deren Firma hatte ihre erste<br />

Fabrik ausgerechnet am Erez-Grenz -<br />

über gang zum Gazastreifen. 130 Pa läs -<br />

tinenser verdienten da ihren Lebens -<br />

un terhalt, bis das industriege biet we -<br />

gen Raketenbeschuss der Hamas und<br />

der Explosion einer von Ha mas-Chef<br />

Scheich Jassin ausgesandten Selbst -<br />

mord attentäterin geschlossen wurde.<br />

„Wir hatten kurz zuvor der Ar mee angeboten,<br />

auf unsere Kosten die Zimmer des<br />

Kontrollpunktes zu tapezieren. Dann hät te<br />

es keine Toten gegeben. Aber die Bü ro kra -<br />

tie verhinderte es“, erzählt Beno Dvir.<br />

Auf dem Tisch liegt zwischen Kaf fee -<br />

tassen und salzigem Gebäck ein grü -<br />

nes Paket mit einer Schuhhalterung.<br />

Stolz öffnet Zarchin das Stoffpaket.<br />

Wir sehen zwei Luftkissen und Schläu -<br />

Tapeten<br />

gegen<br />

Bomben<br />

Von Ulrich W. Sahm<br />

Ran Naor legt letzte Hand an im frisch tapezierten Kindergarten von Kibbuz Miflasim<br />

che zum Aufblasen. „Das sind Spezial -<br />

schu he für Minensucher.“ in langer<br />

Forschungsarbeit wurde der Sonder -<br />

schuh entwickelt, mit dem Feuerwer -<br />

ker gefahrlos minenfelder betreten<br />

können. Die nach Vorschrift aufgeblasenen<br />

Luftkissen verteilen das Ge wicht<br />

des Soldaten. Der Schuh gibt an keiner<br />

Stelle mehr <strong>als</strong> 5 Kilo an den Druck -<br />

zün der einer vergrabenen mine ab.<br />

Der Feuerwerker kann sogar einen<br />

ver letzten Kollegen aus dem minen -<br />

feld tragen, ohne wegen erhöhten Ge -<br />

wichts in die Luft zu fliegen. Oberst -<br />

leut nant a.D. Beno Dvir schwärmt:<br />

„Dachdecker könnten damit auf einem<br />

abschüssigen Dach gehen, ohne die Ziegel<br />

zu zerbrechen.“ Das Paar kostet 1.500<br />

Euro im militärischen Spezialhandel.<br />

Eine Stunde später treffen wir Ran<br />

naor. Am Himmel schwebt ein weißer<br />

Zeppelin und beobachtet das Gesche -<br />

hen im Gazastreifen. Das Gebiet liegt<br />

in Reichweite der Raketen der Ha mas.<br />

naor erklärt die Funktion der Anti-<br />

Bomben-Tapete, wie sie schon weltweit<br />

in israelischen Botschaften und geheimen<br />

militärischen Einrich tun gen an<br />

die Wände geklebt worden sei. Ein<br />

Spe zi<strong>als</strong>toff, wie ihn nur eine in Ös -<br />

terreich produzierte maschine weben<br />

kann, wird in eine feuerfeste Farbe<br />

getunkt und mit einer anderen Spe zial -<br />

maschine genau nach maß mit „bom-<br />

bensicheren“ nähten zusam men -<br />

gesetzt. Am Boden und an der Decke<br />

wird die zwei millimeter dicke Ta -<br />

pete mit metallleisten verankert und<br />

an die Wände geklebt.<br />

in verlassenen Steinbrüchen habe<br />

die israelische Armee mit Auto bom ben<br />

und nachgebauten Kassamra ke ten<br />

tapezierte mauern getestet. Während<br />

die Betonmauern durch die Druck -<br />

wel le zerbröselten, hielt die Spezial ta -<br />

pete. Weder Splitter der Bombe noch<br />

Steine der einbrechenden mauern trafen<br />

menschen im innern der ge schütz -<br />

ten Räume. Der Discovery Channel<br />

berichtete, wie Wände im Pentagon<br />

standhielten, <strong>als</strong> am 11. September 2001<br />

ein Passagierflugzeug in das Ge bäu de<br />

flog. So erfuhren die israelis zufällig,<br />

dass ihre amerikanischen Partner<br />

heim lich das Pentagon „tapeziert“<br />

hat ten.<br />

im Kibbuz miflasim geht naor auf<br />

den Kindergarten zu. Er ist angeblich<br />

„der“ Experte für Zivilschutz. „Hier gab<br />

es Opfer durch eingeschlagene Kas sam -<br />

raketen.“ Über dem alten Kinder gar -<br />

ten mit billigem Asbest-Dach steht<br />

auf Säulen ein dickes Betondach mit<br />

Waben aus Querbalken, <strong>als</strong> Schutz<br />

gegen Direkttreffer. Wenn aber eine<br />

Rakete neben dem Fertighaus einschlüge,<br />

wären die Kleinkinder des<br />

Kibbuz den Splittern schutzlos ausgeliefert.<br />

Das Verteidigungsministerium<br />

finanziert deshalb das „Tapezieren“.<br />

Kindergarten mit Waben-Schutzdach<br />

© U.W.Sahm<br />

Die Fenster aus Panzerglas werden in<br />

die Tapete eingenäht und mit fingerdicken<br />

Stahlröhren zusätzlich verankert,<br />

um bei einer Explosion nicht wie<br />

ein tödliches Geschoss in den Raum zu<br />

fliegen. „In Kiew hatten örtliche Hilfs -<br />

kräfte nur vier statt der vorgeschriebenen<br />

sechs Schrauben verwendet. Bei einem<br />

Bombenanschlag auf die israelische Bot -<br />

schaft flog eines tonnenschweres Fenster<br />

aus der Verankerung und tötete einen<br />

ukrainischen Wachmann. Dank unserer<br />

Tapete gab es beim Botschaftspersonal we -<br />

der Verletzte noch Tote“, erzählt Dvir.<br />

Rund um den Gazastreifen werden<br />

Privathäuser und öffentliche Gebäu de<br />

gegen Raketenbeschuss abgesichert.<br />

Es geht um millionenaufträge an isra -<br />

e lische Spezialfirmen. Jeder Quadrat -<br />

me ter „Tapete“ kostet über 100 Euro.<br />

Wenn auch noch Stahltüren und<br />

Fenster aus Panzerglas eingebaut werden<br />

müssen, liegen die Kosten pro<br />

Klas senzimmer oder Wohn zim mer<br />

weit höher.<br />

WISSENSCHAFT<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 35


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Ivers“, war der Beginn einer Pa ra de -<br />

kar riere in Hollywoods goldener Ära.<br />

Vom harten Boxer midge Kelly in<br />

„Zwi schen Frauen und Seilen“ (1949) bis<br />

zum gepeinigten Künstlergenie Vin -<br />

cent van Gogh in „Vincent van Gogh –<br />

Ein Leben in Leidenschaft“ (1956), verkörperte<br />

Douglas eine enorme Band -<br />

brei te an Charaktären in Filmen wie<br />

„Spar tacus“ (1960), „Stadt der Illusio nen“<br />

(1953), „20.000 Meilen unter dem Meer“<br />

(1954) oder „Wege zum Ruhm“ (1957).<br />

im Laufe seiner langen Karriere war<br />

er zwei mal für den Oscar nominiert<br />

worden und letztendlich erhielt der<br />

den Ehren-Oscar für sein Lebens werk.<br />

1996 erlitt einen Schlaganfall, der<br />

sein Sprachvermögen beeinträchtigte,<br />

doch er blieb auch danach aktiv <strong>als</strong><br />

Philan trop, Autor – und <strong>als</strong> Jude.<br />

in diesem interview erzählte der<br />

Grand Seigneur von Hollywood was<br />

ihn im Laufe seines Lebens immer<br />

näher zu seinem eigenen Judentum<br />

führte.<br />

JÜDISCHE WELT<br />

Kirk Douglas -<br />

Die Weisheit der Jahre<br />

Im Dezember 2008 wurde Kirk Doug las<br />

92. Jede Woche bekommt er auf seinem An -<br />

we sen in Beverly Hills Besuch von sei nem<br />

Rabbiner, Rabbi David Wolpe von der<br />

Sinai Synagoge in Los Angeles, um mit<br />

ihm über das Judentum und das Leben im<br />

Allge meinen zu sprechen.<br />

An einer dieser interessanten Kon ver sa -<br />

tionen dürfen wir nun im folgenden Text<br />

teilhaben. In ihr lernen wir einen Mann<br />

kennen, der das orthodoxe Ju dentum seiner<br />

Jugend hinter sich ließ, um Schau -<br />

spie ler zu werden und „die bösen Jungs“<br />

zu spielen.<br />

Kirk Douglas wurde am 9. De zem -<br />

Interview von Rabbi David Wolpe<br />

(Quelle: Moment, 9/10 2008)<br />

ber 1916 <strong>als</strong> issur Danielo witsch<br />

Demsky geboren und wuchs im amerikanischen<br />

Amsterdam, new York,<br />

in ärmlichen Verhältnissen auf.<br />

Blond, blauäugig, mit der Statur ei -<br />

nes Ringers und seinem marken zei -<br />

chen, dem zerfurchten Kinn, machte<br />

er in new York seine ersten Schritte<br />

auf den Brettern, die die Welt bedeuten.<br />

Der große Durchbruch kam dann<br />

in Hollywood, <strong>als</strong> seine ehemalige<br />

Klas sen kameradin und Freundin Lau -<br />

ren Bacall den Regisseur Hal B. Wallis<br />

auf ihn aufmerksam machte. Sein<br />

Film de büt, 1946 neben Barbara Stan -<br />

wyck in „Die seltsame Liebe der Martha<br />

David Wolpe: Was bedeutete es für Ihre<br />

Eltern, Juden zu sein, und wie war es, in<br />

einem kleinen New Yorker Städtchen aufzuwachsen?<br />

Kirk Douglas: meine Eltern waren<br />

rus sische immigranten. mein Vater<br />

war nicht besonders religiös, meine<br />

mutter dafür umso mehr. ich erinnere<br />

mich, wie sie zu Schabbat stets gesessen<br />

ist – das war die einzige Zeit, wo<br />

ich sie nur sitzen und nicht arbeiten<br />

sah. Wie die meisten jüdischen Jun gen<br />

ging ich zum cheder, was zu dieser<br />

Zeit gar nicht einfach war. ich musste<br />

auf dem Weg dorthin an einer Reihe<br />

von Gangs vorbei, die mir immer<br />

„dreckiger Jude“ nachschrien. Ein<br />

wahrer Spießrutenlauf.<br />

War dies Ihr erster Kontakt mit Antise mi -<br />

tis mus?<br />

Ja, ich denke schon. Aber ich habe<br />

mich gewehrt.<br />

Sind Sie deshalb Ringer geworden?<br />

ich wurde Ringer, weil ich immer wie<br />

mein Vater sein wollte, sehr stark und<br />

kampflustig. Er hat sich stets selbst<br />

verteidigt und gewehrt.<br />

Wodurch entfernten Sie sich vom Ju den -<br />

tum?<br />

36 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Während des cheder hatte ich eine<br />

ernste Auseinandersetzung mit G´tt,<br />

denn ich war wütend auf ihn wegen<br />

isaak. ich stellte mir vor, wie schreck -<br />

lich es für isaak gewesen sein musste,<br />

<strong>als</strong> er Holz für seine eigene Opferung<br />

sammelte. Als Kind hat mich das<br />

zutiefst berührt.<br />

Wie war es für Sie, <strong>als</strong> Sie im Jiddischen<br />

Theater vorsprachen?<br />

Die blickten mich dort an und sagten:<br />

„Hören Sie, wenn wir jemanden für eine<br />

Nazirolle brauchen, rufen wir Sie an.“<br />

Sie dachten wohl nicht, dass ich jü -<br />

disch genug aussehe.<br />

Hat Sie das entmutigt oder verärgert?<br />

nicht wirklich, ich habe danach bald<br />

ei nen Job am Broadway bekommen<br />

und alles war wieder in Ordnung.<br />

Wie war das Leben für jüdische Schau spie -<br />

ler in Hollywood, <strong>als</strong> Sie dort ankamen?<br />

naja, alle Studios wurden von Juden<br />

geführt. Zu Beginn der Filmindustrie<br />

hatte man noch auf sie herabgesehen.<br />

Durchwegs in der Geschichte haben<br />

die Juden immer eine Lücke gefüllt,<br />

wenn sie eine gefunden haben. Wie<br />

schon im Bankenwesen, so erkannten<br />

die Juden auch das Potenzial des<br />

Filmbusiness.<br />

Gab es Solidarität unter den jüdischen<br />

Schau spielern?<br />

nicht wirklich. Und es änderten ja<br />

auch alle ihre namen. nicht nur die<br />

Juden, alle habe es getan. Als meine<br />

Eltern aus Russland kamen hießen sie<br />

Danielovitch. Der Bruder meines Va -<br />

ters nannte sich Demsky, <strong>als</strong>o nahmen<br />

auch sie den namen Demsky an. ich<br />

habe dann meinen namen in Kirk<br />

Douglas geändert.<br />

Sie haben mir erzählt, dass Sie zu Yom<br />

Kippur immer gefastet haben. Warum?<br />

Wissen Sie, der Versöhnungstag hat<br />

mich stets ein wenig geängstigt. im<br />

Buch des Lebens geht es darum, wer<br />

leben und wer sterben soll. Auch<br />

wenn ich am Yom Kippur gearbeitet<br />

habe – was ich heute nicht mehr tun<br />

würde – so habe ich zumindest nichts<br />

gegessen. Aber natürlich litt meine<br />

Aufmerksamkeit darunter... Versu chen<br />

Sie einmal mit Lana Turner Zärtlich -<br />

kei ten auszutauschen, wenn Sie einen<br />

leeren magen haben!<br />

Ich denke, dass viele es zumindest versuchen<br />

würden... (Beide lachen.) Wie er -<br />

lebten Sie den Hubschrau berab sturz 1991?<br />

ich schrieb gerade an einem Buch in<br />

Fill more, Kalifornien, wo mein He raus -<br />

geber beheimatet war. Ein Freund von<br />

mir, noel Blanc, der Sohn von mel<br />

Blanc, meinte, er hätte eine Hub schrau -<br />

ber-Flugstunde und würde mich mitnehmen.<br />

naja, ich hielt das dam<strong>als</strong> für<br />

eine großartige idee. Bis heute habe<br />

ich Schuldgefühle, weil in dem Klein -<br />

flugzeug, mit dem wir zusammenstießen<br />

zwei junge menschen getötet<br />

würden. ich hatte immer das Gefühl,<br />

dass es unser Fehler gewesen ist,<br />

auch wenn ich nur auf dem Rücksitz<br />

mitgeflogen bin.<br />

Ich habe einmal mit einem Chirurgen<br />

gesprochen, der anwesend war <strong>als</strong> Sie<br />

nach dem Absturz ins Krankenhaus eingeliefert<br />

wurden, und er meinte, Sie hätten<br />

überall am Körper schwere Verbren nun -<br />

gen gehabt und seien in wirklich ernster<br />

Verfassung gewesen.<br />

Sehen Sie, an das kann ich mich gar<br />

nicht mehr erinnern. ich weiß nur, dass<br />

mein lieber Freund Jack Valenti, der<br />

erst vor Kurzem gestorben ist, mir ge -<br />

sagt hat, ich wäre ganz schwarz ge we -<br />

sen. ich erinnere mich, dass ich mir den<br />

Kopf angeschlagen habe und dann<br />

dass ich in einem Helikopter abtransportiert<br />

worden bin. Die Ärztin an<br />

Board war eine junge Frau ich weiß<br />

noch, dass ich dachte: „Sie ist ziemlich<br />

hübsch.“ Also war ich der mei nung,<br />

dass ich wohl ok sein muss.<br />

Ja, so sind die Männer! Sogar bei einem<br />

Herzinfarkt flirten sie noch mit der<br />

Krankenschwester. Hat der Absturz Ihr<br />

Verhältnis zum Judentum geändert?<br />

Zuerst dachte ich: „Ich habe ganz schön<br />

viel durchgemacht. Kann es sein, dass<br />

G´tt irgendwie sauer auf mich ist?“ Aber<br />

dann hatte ich so eine Ahnung, dass<br />

G´tt vielleicht will, dass ich noch länger<br />

hier bin, vielleicht weil er noch et -<br />

was mit mir vorhat, eine Aufgabe. Al so<br />

begann ich mich für das Judentum zu<br />

interessieren. ich bin mir meines Ju -<br />

dentums und meines Glaubens nun<br />

viel bewusster. Das Entzünden der<br />

Ker zen am Schabbat ist eine wunderschöne<br />

Zeremonie. Es ist die Zeit, G´tt<br />

für all das zu danken, was er dir ge -<br />

schenkt hat und um einmal in der<br />

Wo che eine Art von Selbstinventur<br />

durchzuführen. meine Frau Anne ist<br />

zum Judentum konvertiert und ihre<br />

Frau hat sie das Gebet mündlich ge -<br />

lehrt, deshalb kennt sie nun das<br />

hebräische Gebet, das zum Kerzen -<br />

zün den am Shabbat gesprochen wird.<br />

Mit 83 feierten Sie eine zweite Bar Mitz -<br />

wah. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen?<br />

Das ist eine Gute Frage. ich habe mich<br />

immer mit den Außenseitern identifiziert.<br />

Was ich an den Juden so mag<br />

ist, dass wir immer die Außenseiter<br />

waren und trotzdem über die all die<br />

Jahrtausende überleben konnten. Aber<br />

was mir Sorgen bereitet, sind die im -<br />

merwährenden Konflikte untereinander,<br />

so wie die fünf verrückten Rab bi -<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 37


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

ner, die die Aussagen des iranischen<br />

Prä sidenten befürworteten. ich glaube<br />

ja nicht, dass viele Juden damit<br />

kon form gehen. Es gibt auch immer<br />

noch Juden, die (wie auch einige<br />

mus ime) der alten Theorie anhängen,<br />

dass Frauen und männer nicht gleichgestellt<br />

sind. Aber die Zeiten haben<br />

sich geändert; die meisten progressiven<br />

jüdischen Bewegungen behandeln<br />

die Frauen völlig gleichwertig.<br />

männer und Frauen sitzen zusammen<br />

in der Synagoge, Frauen können<br />

Rabbiner werden und die Gleichbe -<br />

hand lung ist Realität geworden.<br />

Als ich einmal an einem Film in<br />

Frank reich arbeitete, habe ich auch<br />

Fran zösisch gelernt und mich gar nicht<br />

so schlecht angestellt. Dann fragte<br />

man mich: „Was für ein Landsmann bist<br />

du?“ Und ich antwortete: „Ich bin ein<br />

amerikanischer Jude.“ meine Frau sagte<br />

darauf: „Sie haben dich gar nicht nach<br />

deiner Religion gefragt!“ naja, ich weiß<br />

auch nicht. ich sage immer „amerikanischer<br />

Jude“, dann gibt es auch kei -<br />

ne missverständnisse.<br />

Gab es auch nette Geschenke zu Ihrer<br />

zweiten Bar Mitzwah?<br />

Das schönste Geschenk war, dass<br />

meine Söhne und viele Freunde dabei<br />

waren. Und Sie, Rabbi Wolpe, waren<br />

wunderbar, Sie sind ja stets Teil von<br />

wichtigen Anlässen – den zweiten...<br />

Ja, immer bei den zweiten Anläufen!<br />

Die zweite Hochzeit, die zweite Bar<br />

mitzwah.<br />

Und bald auch das zweite Jahrhundert.<br />

Welche Geschichte aus der Torah ist<br />

Ihnen die liebste?<br />

Die Geschichte von David hat mich<br />

im mer fasziniert. Er wurde zu so<br />

einer wichtigen Figur und meinte<br />

auch „Der Herr ist mein Hirte“, aber<br />

in Wahrheit war er ein Bastard! Er sah<br />

die nackte Bathsheba und schlief mit<br />

ihr. Als sie schwanger wurde, ver -<br />

such te er, ihren Ehemann aus der Ar -<br />

mee nach Hause zu holen. Und <strong>als</strong><br />

dieser sagte: „Nein, ich will bei meinen<br />

Männern bleiben!“, schickte David ihn<br />

an die Front, wo er getötet wurde.<br />

Auch die Erzählung von Joseph, be -<br />

vor er von seinen Brüdern nach Ägypten<br />

verkauft wurde, fasziniert mich.<br />

Aber ich würde ihm gern eine scheu -<br />

ern, weil er immer der Lieb lings sohn<br />

seines Vaters war und dann auch<br />

noch seinen Brüdern von seinem<br />

Traum erzählte, in dem sich alle vor<br />

ihm verneigen. Also wirklich...<br />

Es wäre sicher wesentlich besser gewesen,<br />

ihm eine zu scheuern, <strong>als</strong> ihn in die<br />

Sklaverei zu verkaufen.<br />

Aber dann in Ägypten empfing er<br />

seine Brüder dennoch mit Wohl wol -<br />

len. Es kümmert mich nicht, ob die<br />

Geschichten in der Bibel wahr sind<br />

oder nicht. ich glaube, dass es vielmehr<br />

darum geht, etwas daraus zu<br />

lernen. man kann im Leben Böses<br />

oder Gutes tun, das ist die Botschaft.<br />

Das Leben ist eine mischung und<br />

dann kannst du die Verhältnisse ab -<br />

wägen.<br />

Wie haben Sie es geschafft, über den Ver -<br />

lust Ihres Sohnes Eric im Jahr 2004 hinweg<br />

zu kommen und welchen Rat würden<br />

Sie anderen Menschen geben, die Ähnliches<br />

erleben mussten?<br />

Leider finden solche Tragödien sehr<br />

oft statt – jemand stirbt an einer Überdosis.<br />

Die erste Reaktion darauf ist:<br />

Was habe ich f<strong>als</strong>ch gemacht? Und<br />

die Therapeuten versuchen dich mit<br />

drei Antworten zufrieden zu stellen –<br />

du hast es nicht verursacht; du kannst<br />

es nicht kontrollieren; du kannst es<br />

nicht wieder gut machen. Die Leute<br />

wollen dir helfen und meinen, du<br />

sollst irgendwelche Tabletten nehmen.<br />

Aber damit kann man nicht<br />

abschließen. ich glaube, dass ist et -<br />

was, mit dem man einfach lernen<br />

muss zu leben und es <strong>als</strong> Teil des<br />

Lebens zu akzeptieren.<br />

Denken Sie, dass die heutigen Filme jüdische<br />

Themen besser behandeln <strong>als</strong> früher?<br />

ich denke eher, dass man heute vor<br />

jüdischen Themen eher zurückscheut<br />

<strong>als</strong> dam<strong>als</strong>. Außer Steven Spielberg<br />

natürlich.<br />

Was würden Sie gerne noch erreichen, was<br />

Ihnen bis jetzt noch nicht gelungen ist?<br />

ich bin jetzt 92 und würde gerne noch<br />

eine One-man-Show machen. mein<br />

Schlaganfall hat die Sache sehr schwie -<br />

rig gemacht und mein erster Gedanke<br />

war, dass ich nie wieder ei nen Film<br />

würde machen können. ich dachte:<br />

Was macht ein Schauspieler, der nicht<br />

sprechen kann? Er wartet darauf,<br />

dass der Stummfilm wieder in mode<br />

kommt. Also das würde ich gerne<br />

noch machen bevor ich sterbe.<br />

Mit 92 Jahren noch manche Pläne<br />

Möchten Sie unseren Lesern noch etwas<br />

Abschließendes sagen?<br />

Für mich ist es fast traumatisch, ein<br />

Jude zu sein, und ich fühle mich mit<br />

allen Juden verbunden. ich schätze<br />

alles, was das jüdische Volk erreicht<br />

hat, all die Beiträge, die sie geleistet<br />

haben. ich bin stolz darauf, Jude zu<br />

sein. Es ist wichtig, etwas von dem,<br />

was man bekommen hat, an die<br />

menschheit zurück zu geben. in den<br />

letzten paar Jahren habe ich nach<br />

dem Grundsatz gelebt: „Du weißt erst,<br />

was es heißt, zu leben, wenn du das<br />

Geben lernst.“ Jeder, der so viel Glück<br />

hatte wie ich, sollte etwas davon zu -<br />

rückgeben. Und genau das versuche<br />

ich.<br />

Täglich<br />

aktualisiert!<br />

www. ikg-wien.at<br />

news<br />

events<br />

@ pinwand<br />

38 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


Haifa soll schöner werden<br />

Die Stadt Haifa will ihren Bürgern<br />

nach 60 Jahren wieder einen leichteren<br />

Zugang zum meer verschaffen.<br />

Dies ist einer der zentralen Aspekte<br />

eines groß angelegten Vorhabens, mit<br />

der die nordisraelische Küsten metro -<br />

pole sich selbst zu verschönern ge -<br />

denkt. Dafür sollen umfangreiche<br />

städtebauliche Änderungen vorgenommen<br />

werden.<br />

Die britische mandatsverwaltung<br />

hatte Haifa ein zwiespältiges Erbe<br />

hinterlassen. Einerseits wurde die<br />

Stellung der Stadt durch den Bau des<br />

größten Hafens im Lande und eines<br />

in dustriegebiets, die vielen men schen<br />

Arbeit verschaffte, eindeutig aufgewertet.<br />

Andererseits wurden die Bür -<br />

ger durch die Verlegung der Eisen -<br />

bahn schienen entlang der Küste vom<br />

mittelmeer abgeschnitten. Ein Übriges<br />

tat der große marinestützpunkt,<br />

der danach eingerichtet wurde.<br />

Dem Willen der Stadtverwaltung<br />

nach wird anstelle der marine-Basis<br />

und des zivilen Hafens, die verlegt<br />

werden sollen, nun ein neues Stadt -<br />

viertel mit Yachthafen, Cafés, Restau -<br />

rants und Vergnügungsstätten entstehen.<br />

Auch über eine unterirdische<br />

neu verlegung der Bahntrasse wird<br />

intensiv verhandelt.<br />

nach Ansicht von Bürgermeister<br />

Yonah Yahav bedeutet das Projekt eine<br />

„Revolution im urbanen Leben Hai -<br />

fas“ und wird die lokale Wirtschaft<br />

ankurbeln.<br />

Haaretz<br />

Deutschland fördert<br />

israelisches Traumazentrum<br />

Das Auswärtige Amt unterstützt ein<br />

Zentrum für traumatisierte Kinder in<br />

der südisraelischen Stadt Sderot. Der<br />

deutsche Botschafter in Tel Aviv,<br />

Harald Kindermann, wird am 17. im<br />

Rathaus von Sderot einen Scheck in<br />

Höhe von 200.000 Euro an nATAL<br />

überreichen, dem israelischen „Trau-<br />

mazentrum für Opfer von Terror und<br />

Krieg“, hieß es in einer Presse mit tei -<br />

lung der deutschen Botschaft.<br />

Die Kleinstadt Sderot nahe der Gren ze<br />

zum Gazastreifen war in den letzten<br />

Jahren Ziel tausender Raketen der<br />

Ha mas und anderer palästinensischer<br />

Organisation.<br />

UWS<br />

JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />

Israelische Skisaison<br />

eröffnet<br />

Auf dem Hermon in nordostisrael hat<br />

die diesjährige Skisaison begonnen.<br />

Zum Auftakt besuchten etwa 1.500<br />

Schneefans den höchsten Berg israels<br />

im Golan. Der Hermon ist 2.814 me -<br />

ter hoch und das einzige Skigebiet in<br />

israel.<br />

„In diesem Jahr soll es sechs Skipisten<br />

ge ben“, sagte der manager des Skige -<br />

bie tes, menachem Baruch, der Zei -<br />

tung ‘Jediot Aharonot’. „Ein Teil ist für<br />

Fort geschrittene vorgesehen, ein anderer<br />

für Anfänger.“ Zudem solle ein Snow -<br />

board park mit Sprungschanzen eingerichtet<br />

werden.<br />

Auch die Skischule wird ihren Un -<br />

ter richt wieder aufnehmen. Seit ihrer<br />

Gründung haben rund 100.000 Schü -<br />

ler dort das Skifahren gelernt.<br />

nach Baruchs Angaben liegen an<br />

der unteren Station etwa 40 Zen ti -<br />

meter Schnee. An der oberen Lift<br />

seien es ungefähr 60 Zentimeter. inn<br />

War Pablo Picasso Jude?<br />

Jeder fünfte Spanier und Portugiese<br />

ist in Wirklichkeit ein Jude. Zu diesem<br />

Ergebnis kamen amerikanische Ge ne -<br />

tikforscher. Wie die israelische Zei tung<br />

‘Jedijot Achronot’ berichtete, sei das<br />

Ergebnis der amerikanischen For scher<br />

in der Vierteljahresschrift für menschliche<br />

Genetik veröffentlicht worden.<br />

Wintersport<br />

in Israel<br />

Die Forscher verglichen die das Y<br />

Chro mosom von jüdischen männern<br />

aus Gemeinden, die nach der Vertrei -<br />

bung der Juden aus Spanien 1942 entstanden<br />

sind. Die Juden flüchteten<br />

über marokko nach Ägypten, und<br />

gründeten in Amsterdam, Hamburg,<br />

italien und in der Türkei „sephardische“<br />

Gemeinden. Die Untersuchung<br />

ergab, dass jeder fünfte Spanier oder<br />

Portugiese jüdische Vorfahren gehabt<br />

haben müsse. nach Angaben der For -<br />

scher bezeuge diese Erkenntnis, dass<br />

weit mehr Juden <strong>als</strong> bisher angenommen<br />

auf der iberischen Halbinsel es<br />

vor zogen „Anusim“ (Vergewaltigte) zu<br />

werden, indem sie sich taufen ließen,<br />

anstatt nach einem Ultimatum der<br />

ka tholischen Kirche 1492 das Land zu<br />

verlassen. Besonders in Portugal, wo<br />

angeblich bis zu 30 Prozent der Bür ger<br />

jüdischer Abstammung sind, gibt es<br />

Gemeinden, in denen bis heute heimlich<br />

am Freitag Abend zwei Kerzen<br />

angezündet und andere typisch jüdische<br />

Gebräuche eingehalten werden.<br />

Der israelische Genetiker Professor<br />

Mordechai Schochat kommentierte die -<br />

se Forschungsarbeit <strong>als</strong> „sehr interessant“.<br />

Ähnliche DnS Proben, die<br />

einen „individuellen Stempel“ der<br />

menschen und seiner Vorfahren zeigen,<br />

wären an Juden gemacht worden,<br />

die „Cohen“ heißen und deshalb<br />

zum biblischen Priestergeschlecht ge -<br />

hören. Auch bei ihnen habe man auffällige<br />

Gemeinsamkeiten bei Y-Chro -<br />

mo som gefunden.<br />

UWS<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 39


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

Panorama<br />

Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />

Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />

©Yossi Zamir/Flash 90<br />

livni-wahlplakate zerstört<br />

in ganz Jerusalem haben Vandalen je -<br />

ne Wahlplakate, auf denen die<br />

Spitzenkandidatin der Kadima Par -<br />

tei, Tzipi Livni, zu sehen ist, zerstört<br />

und übermalt. Die Polizei verdächtigt<br />

streng orthodoxe Extremisten, da<br />

diese dafür bekannt sind, gegen die<br />

öffentliche Darstellung von Frauen<br />

vorzugehen. Vor einigen Wochen<br />

waren auch schon Plakate mit Ge -<br />

sichtern anderer Politikerinnen übermalt<br />

worden, berichtet die Polizei.<br />

Black hebrew wird israelischer<br />

staatsbürger<br />

Wie Ynet berichtet, erhielt der 62-jährige<br />

Elyakim Ben-israel nun <strong>als</strong> erstes<br />

mitglied der Black Hebrew Ge mein -<br />

de die israelische Staatsbürgerschaft.<br />

Die ersten Black Hebrews, die sich<br />

selbst <strong>als</strong> nachkommen des Stammes<br />

von Judah bezeichnen, kamen vor<br />

etwa 40 Jahren aus den USA und<br />

Liberia nach israel.<br />

neue ukrainische shoahdatenbank<br />

erstellt<br />

Eine Datensammlung ukrainischer<br />

Holocaustopfer und –überlebender<br />

wurde am 30. Januar an Vertreter von<br />

Yad Vashem übergeben. Erlebnis be -<br />

richte von Überlebenden oder Ange -<br />

hö rigen von Opfern, eine Liste von<br />

Holocaustopfern mit mehr <strong>als</strong> 3.000<br />

zum ersten mal identifizierten und<br />

veröffentlichen namen, Orte von mas -<br />

sakern und Fotos sind dort zu finden<br />

und werden vom Jüdischen Rat der<br />

Ukraine sowie der Gedenkstätte Yad<br />

Vashem für ihr gemeinsames Pro jekt<br />

zur Erfassung und dem Ge denken an<br />

die namen der Shoah-Opfer verwendet.<br />

Es handelt sich hier vor allem um<br />

Personen aus den Regionen Charkas sy<br />

und Chernigovskaya.<br />

Brasiliens Präsident ehrt<br />

holocaustopfer<br />

Der brasilianische Präsident Luis<br />

inacio Lula da Silva nahm, gemeinsam<br />

mit vielen anderen staatlichen<br />

und lokalen Regierungsmitgliedern,<br />

anlässlich des Holocaust-Gedenk ta ges<br />

an zwei Zeremonien zu Ehren der<br />

Shoah-Opfer in Rio de Janeiro und<br />

Sao Paulo teil.<br />

„Ich fühle mich diesem Datum persönlich<br />

verbunden. Wir müssen die Erinnerung<br />

aufrecht halten, um zu verhindern, dass<br />

so ein Massenmord jem<strong>als</strong> wieder ge -<br />

schieht“, sagte Lula in der Beit Yaacov<br />

Synagoge in Sao Paulo nach dem<br />

Entzünden der menorah.<br />

Paris begeht holocaust-gedenktag<br />

Anlässlich der Feiern zum zweiten all -<br />

jährlichen, von der UnESCO initiierten<br />

Holocaust-Gedenktages in Pa ris<br />

un terstrich der französische Un ter -<br />

richts minister Xavier Darcos die<br />

Wichtigkeit der Weiterführung einer<br />

umfassenden Holocaustbildung für<br />

französische Kinder.<br />

Diese Aussagen haben angesichts der<br />

seit israels Krieg in Gaza verschärften<br />

antiisraelischen und antijüdischen<br />

Stimmung eine noch stärkere Be deu -<br />

tung. Unter den Rednern waren auch<br />

Yuli Tamir, die israelische Unter richts -<br />

mi nisterin, und Simone Veil, Holo -<br />

caust überlebende und Ehrenpräsi den -<br />

tin der „Foundation for the me mo ry<br />

of the Shoah“.<br />

hunderte bei holocaustgedenken<br />

in london<br />

Unter dem motto „Widerstand gegen<br />

den Hass“ wurde in Großbritannien<br />

der Holocaustgedenktag begangen.<br />

mehrere hundert Personen kamen<br />

zusammen, um unter der Schirm herr -<br />

schaft von Londons Bürgermeister<br />

Boris Johnson der Shoah-Opfer zu ge -<br />

denken. Der Überlebende Rody<br />

Openheimer sprach über seine Erleb -<br />

nisse und un ter strich die notwen -<br />

digkeit des „niem<strong>als</strong> Vergessens“.<br />

Seit dem Jahr 2001 begeht Groß bri -<br />

tannien den Holocaustgedenktag,<br />

indem es nicht nur an die sechs mil -<br />

lionen ermordeten Juden während<br />

des Zweiten Weltkriegs, sondern auch<br />

an andere Opfer von Genoziden in<br />

aller Welt erinnert.<br />

Der muslimische Rat Großbritan niens<br />

boykottierte allerdings in diesem Jahr<br />

die Gedenkveranstaltungen, um so<br />

ge gen israels militäraktion im Gaza -<br />

streifen zu protestieren.<br />

Großbritanniens Oberrabbiner Jona than<br />

Sacks betonte in seiner Ansprache die<br />

Bedeutung, die ein Vorgehen gehen<br />

Hass und Vorurteile für die Welt hat:<br />

„Wir alle müssen dagegen ankämpfen,<br />

wenn wir Hass und Vorurteile in jegli -<br />

cher Form beobachten, denn jeder einzelne<br />

von uns kann einen Unterschied ausmachen.<br />

Wenn mir Antisemitismus be geg net<br />

protestiere ich – aber protestiere auch,<br />

wenn Moslems oder Hindus oder Sikhs<br />

das Ziel von Ungerechtigkeiten sind, oder<br />

welche Gruppierung unserer Ge sell schaft<br />

auch immer, denn Hass ist gefährlich.“<br />

umfrage: 45 % der italiener<br />

antijüdisch eingestellt<br />

Eine Umfrage des Zentrums für Zeit -<br />

genössische Jüdische Dokumentation<br />

in mailand ergab bei insgesamt 45 %<br />

der Befragten antijüdische Tenden zen.<br />

Drei Formen antijüdischer Stereo ty pe,<br />

die in italien koexistieren, aber nicht<br />

unbedingt überlappen, wurden identifiziert:<br />

Etwa 10% der Befragten spra -<br />

chen nur auf „klassische“ Stereotype<br />

an, wie „Juden fühlen sich nicht wirklich<br />

<strong>als</strong> Italiener“ oder „Juden kann man nicht<br />

trauen“, während 11% nur zu „mo der -<br />

nen“ Stereotypen wie „Juden kontrollieren<br />

Politik und Medien“ oder „Juden sind<br />

loyaler gegenüber Israel <strong>als</strong> zu ihren Hei -<br />

matländern“ tendierten. Weitere 12%<br />

40 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />

der Befragten gaben „gelegentliche“<br />

antisemitische Stereotype von sich,<br />

die großteils mit pro-palästinensischen<br />

oder antizionistischen Blick -<br />

winkeln in Verbindung stehen.<br />

Allen drei Arten von Stereotypen<br />

sprachen wiederum 12% zu und<br />

konnten damit <strong>als</strong> „echte Antise mi -<br />

ten“ identifiziert werden.<br />

55 % wiesen dafür keinerlei antisemitische<br />

Tendenzen auf oder waren<br />

„gleichgültig“.<br />

Die größte Zahl der „echten Antise -<br />

miten“ ist in den extrem linken und<br />

extrem rechten Bevölkerungsgrup pen<br />

zu finden.<br />

führung des lateinamerikanischen<br />

Judentums wiedergewählt<br />

in einer anonymen Abstimmung<br />

wurde der brasilianische Präsident<br />

des Lateinamerikanischen Jüdischen<br />

Kongresses Jack Terpins, 61, in seinem<br />

Amt bestätigt. Der langjährige<br />

brasilianische Aktivist beendete erst<br />

kürzlich seine Tätigkeit <strong>als</strong> Präsident<br />

der Brasilianisch-israelitischen Kon -<br />

fö deration, Brasiliens jüdischer Dach -<br />

organisation.<br />

everest-Besteigerin erhält<br />

australische ehren<br />

Eine der höchsten australischen Aus -<br />

zeichnungen wurde nun der jüdischen<br />

mount Everest-Besteigerin Che ryl Bart<br />

zuteil, die den höchsten Berg der Welt<br />

gemeinsam mit ihrer Tochter erklommen<br />

und dort die israelische Fahne<br />

ge hisst hatte. Sie widmete die Aus zeich -<br />

nung ihrem Vater, dem Holo caust-<br />

Überlebenden Eric Klinghoffer, der nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn<br />

nach Australien gekommen war.<br />

Bart wurde für ihren Beitrag zum<br />

australischen Sportwesen und der<br />

öko nomischen und kulturellen Ent -<br />

wick lung des südlichen Australiens<br />

geehrt.<br />

Unter den anderen jüdischen Aus ge -<br />

zeich neten befanden sich der Richter<br />

Ronald Sackville; Michael Naphtali, der<br />

Präsident des Jüdischen national -<br />

fonds und Dr. Philip Opas.<br />

aish hatorah-gründer<br />

rabbi noah weinberg gestorben<br />

Rabbi noah Weinberg gründete im<br />

Jahr 1974 die Bewegung Aish Hato -<br />

rah, die heute mit 27 Zweigen in der<br />

ganzen Welt vertreten ist. An der Kla -<br />

gemauer in Jerusalem führt Aish Ha -<br />

to rah eine Rabbinerschule sowie eine<br />

Hesder Yeshiva, wo die Studenten<br />

ihren militärdienst mit dem Torahstu -<br />

dium kombinieren können.<br />

„Rabbi Weinberg widmete sein Leben der<br />

Renaissance des jüdischen Volkes, er<br />

wand te sich an jeden Juden, um ihn wieder<br />

mit der Tiefe und der Bedeutung un -<br />

seres Erbe in Verbindung zu bringen“,<br />

heißt es in einem Schreiben der Be we -<br />

gung. „Das jüdische Volk soll ein Licht für<br />

alle Nationen darstellen; Rabbi Weinberg<br />

wollte das jüdische Volk wachrütteln und<br />

uns dazu inspirieren, unsere Mission zu<br />

le ben und Kiddush Hashem zu sein –<br />

G´ttes Namen in dieser Welt zu heiligen.“<br />

Rabbi noah Weinberg starb im Alter<br />

von 78 Jahren.<br />

lauder <strong>als</strong> wJc Präsident<br />

wiedergewählt<br />

Bei der 13. Plenarversammlung des<br />

World Jewish Congress in Jerusalem<br />

wurde Präsident Ronald Lauder in sei -<br />

nem Amt bestätigt. Eduardo Elsztain<br />

aus Argentinien löste Matthew Bronf man<br />

<strong>als</strong> Vorsitzender des WJC Ver wal tungs -<br />

rates ab.<br />

Lauder betonte die unverbrüchliche<br />

Un terstützung des Diasporajuden -<br />

tums für den jüdischen Staat und kritisierte,<br />

dass internationale Organisa -<br />

tionen wie die UnO oftm<strong>als</strong> mit<br />

„zweierlei maß“ messen würden,<br />

was israel betrifft.<br />

israelische scheidungsrate<br />

steigt über 10.000<br />

im Jahr 2008 stieg die israelische Schei -<br />

dungsrate um 5% auf 10.225 Schei -<br />

dun gen an, die meisten davon (817) in<br />

Tel Aviv, was einem Anstieg von 7%<br />

entspricht.<br />

73 Personen wurden für die Ver wei -<br />

ge rung einer Scheidung gegenüber<br />

ihrem Ehepartner sanktioniert.<br />

neues zentrum soll<br />

schoah-Überlebenden helfen<br />

Der scheidende Premierminister Ehud<br />

Olmert hat das erste Zentrum für die<br />

Rechte von Holocaust-Überlebenden<br />

in israel eingeweiht. Es soll die<br />

250.000 menschen im Land unterstützen,<br />

welche die Judenverfolgung der<br />

nS-Zeit überstanden haben.<br />

Wie die Tageszeitung "ma´ariv" be -<br />

richtet, soll das Zentrum für 2.200<br />

Überlebende eine monatliche Versor -<br />

gung zur Verfügung stellen. Jeder<br />

von ihnen soll jährlich Dienste im<br />

Wert von umgerechnet 460.540 Euro<br />

erhalten. Zudem ist vorgesehen, dass<br />

Lager- und Ghetto-Überlebende alle<br />

ein bis zwei Jahre rund 767.566 Euro<br />

be kommen.<br />

Das Büro des israelischen Regie rungs -<br />

chefs hat mit weiteren Behör den eine<br />

Kampagne gestartet. Sie steht unter<br />

dem Titel: "Wir schaffen historische und<br />

gesellschaftliche Gerechtigkeit<br />

Von den Überlebenden in israel gelten<br />

etwa 60.000 <strong>als</strong> bedürftig.<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 41


KULTUR<br />

Ehrung für<br />

Wehrmachtsoffizier<br />

aus „Der Pianist“<br />

in Jerusalem<br />

Szene aus dem FIlm<br />

KULTUR<br />

in Roman Polanskis Film „Der Pia -<br />

nist“ rettet ein deutscher Wehr machts -<br />

offizier einem entkommenden Juden<br />

das Leben. Der Offizier, Wilhelm<br />

„Wilm“ Hosenfeld, (1895 – 1952) aus<br />

Hosenfeld bei Fulda wurde jetzt posthum<br />

von der Jerusalemer Holocaust -<br />

ge denkbehörde Jad Vaschem zum<br />

„Gerechten der Völker“ ernannt. Das<br />

ist die höchste Ehrung, die das jüdische<br />

Volk ausschließlich nichtjuden<br />

erteilt, wenn durch jüdische Zeugen<br />

nachgewiesen worden ist, dass sie<br />

unter dem Einsatz ihres Lebens Juden<br />

gerettet haben.<br />

Leon Wurm hatte bezeugt, dass Ho -<br />

sen feld ihn in seinem Sportzentrum<br />

beschäftigt hatte, nachdem es ihm<br />

gelungen war, aus dem Zug zum Ver -<br />

nichtungslager Treblinka zu fliehen.<br />

Wladyslaw Szpilman hatte Jad Va schem<br />

geschrieben und in seinen Tagebü -<br />

chern festgehalten, wie Hosenfeld ihm<br />

im november 1944 geholfen habe,<br />

ein Versteck zu finden. Danach habe<br />

Ho senfeld dem “Pianisten” Szpilman<br />

Decken und nahrungsmittel ge bracht<br />

und ihn moralisch gestützt. Diese<br />

Tagebücher dienten dem Regisseur<br />

Po lanski <strong>als</strong> Quelle für das Drehbuch<br />

seines Films.<br />

Der Gedenkbehörde waren diese<br />

Zeug nisse auch schon vor dem Dre -<br />

hen des Films bekannt. Doch sah man<br />

davon ab, Hosenfeld die Ehrung auszusprechen,<br />

solange nicht geklärt war,<br />

ob er während des Aufstandes im War -<br />

schauer Ghetto 1944 Kriegs verbre -<br />

chen begangen habe.<br />

Hosenfeld, ein überzeugter Katho -<br />

lik und von Beruf Volksschullehrer,<br />

war kurz vor dem Krieg eingezogen<br />

worden und hatte während des<br />

Krieges in Polen gedient, ab 1940 in<br />

Warschau <strong>als</strong> Sport- und Kulturoffi -<br />

zier. Während des Aufstandes verhörte<br />

er Gefangene. nach dem Krieg<br />

verhafteten ihn die Sowjets und verurteilten<br />

ihn zu einer lebenslängli -<br />

chen Strafe. Er starb 1952 in einem<br />

sow jetischen Gefängnis. Angeblich<br />

plädierten viele menschen für seine<br />

Frei lassung. Aber die Sowjets konnten<br />

sich nicht vorstellen, dass ein Wehr -<br />

machtsoffizier im Rang eines Haupt -<br />

manns der Reserve nicht in Kriegs -<br />

ver brechen verwickelt gewesen sein<br />

könnte.<br />

in jüngster Zeit seien neue Doku -<br />

men te aufgetaucht, darunter Briefe<br />

Hosenfelds an seine Frau und Tage -<br />

bü cher. Aus ihnen ging hervor, dass er<br />

an einer Ablehnung gegen die Ju den -<br />

politik der nazis festhielt, obgleich er<br />

zunächst die nazi-Partei unterstützt<br />

hatte. 1933 trat er in die SA ein, 1935<br />

in die nS-Partei. im Frühjahr 1941 las<br />

Hosenfeld "mein Kampf", und verstand,<br />

dass Hitler nur ausführte, was<br />

er angekündigt hatte. Hosenfeld folgerte,<br />

dass Hitler die Sowjetunion<br />

angreifen und die Juden vernichten<br />

werde. „Nach Hitler wird es in Europa<br />

keine Juden mehr geben," schrieb Ho -<br />

sen feld in sein Tagebuch. Ein prägendes<br />

Element, so „Die Welt“ in einem<br />

Ar tikel über ihn, „war sein tief verwurzelter<br />

katholischer Glauben, der vor allem<br />

im Gefühl begründet war. Und eben dieses<br />

Gefühl - die Fähigkeit zum Mitleid - hinderte<br />

ihn, zum hundertprozentigen Na tio -<br />

n<strong>als</strong>ozialisten zu werden, und aus diesem<br />

elementaren Mitgefühl heraus wurde er<br />

auch, <strong>als</strong> es möglich und nötig wurde,<br />

zum Retter.“<br />

Hosenfelds hat mehreren Juden das<br />

Leben gerettet, die im Versteck lebten.<br />

Er hat mehreren Polen eine schützende<br />

Anstellung, f<strong>als</strong>che Papiere oder<br />

Lebensmittel verschafft, darunter<br />

einem polnischen Priester und einem<br />

deutschen Kommunisten, der Jahre<br />

im KZ hinter sich hatte und an die<br />

Front geschickt worden war.<br />

Sehr spät kam Hosenfeld nach An ga -<br />

ben der „Welt“ zu der Einsicht: „Die<br />

Gräuel hier im Osten ... sind nur die ge rad -<br />

linige Fortsetzung dessen, was anfangs<br />

mit den politischen Gegnern in Deutsch -<br />

land geschah." Den Judenmord be -<br />

zeichnet er <strong>als</strong> "untilgbare Schande" und<br />

"unauslöschlichen Fluch". Weiter<br />

schrieb er: „Wir verdienen keine Gnade,<br />

wir sind alle mitschuldig.“ Und: „Ich<br />

kann nicht verstehen, wie wir zu derartigen<br />

Verbrechen gegen schutzlose Zivilis -<br />

ten, gegen Juden, begehen konnten. Ich<br />

frage mich immer wieder, wie war das<br />

möglich?“<br />

Friedel Hosenfeld hat auf seiner Ho -<br />

mepage im internet Bilder und Texte<br />

über seinen Groß vater ge sammelt.<br />

in Deutschland leben zwei Söhne und<br />

zwei Töchter des posthum geehrten<br />

Wehrmachtsoffiziers. ihnen soll an<br />

einem noch nicht festgelegten Termin<br />

die Ehrung der Gedenkbehörde überreicht<br />

werden.<br />

UWS<br />

buch-tipp<br />

42 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


KULTUR<br />

Israelischer<br />

Popsong<br />

feiert<br />

Erfolge<br />

in China<br />

Seit einigen Wo -<br />

chen erobert ein israelischer Pop-Hit<br />

die Charts in China und Hong-Kong.<br />

Es handelt sich um die die chinesische<br />

Version des Songs ‚In der Hitze<br />

Tel Avivs’ der israelischen Pop -<br />

sängerin Sarit Ha dad. ihre chinesische<br />

Kollegin Yumiko Cheng ist damit in den<br />

Diskotheken des meist bevölkerten<br />

Landes der Erde allgegenwärtig.<br />

Die in Hong-Kong lebende Cheng<br />

gehört in ihrer Heimat zu den erfolgreichsten<br />

Popstars überhaupt. Als sie<br />

an ihrem letzten Album arbeitete,<br />

wandten ihre Produzenten sich an<br />

einige internationale Plattenfirmen,<br />

um an interessantes material zu<br />

gelangen. Emi schickte ihnen daraufhin<br />

Hadads israelischen Hit, der so -<br />

fort Gefallen bei den Chinesen fand.<br />

Ivri Lider, der den Originaltext ge -<br />

schrieben hat, findet die chinesische<br />

Version „süß und lustig“. Hadad<br />

selbst träumt bereits von einem ge -<br />

mein sam Auftritt mit Cheng in China.<br />

Das israelische Original gibt es unter<br />

dem folgenden Link: http://www.<br />

youtube.com/watch?v=PMcveFmv66c&<br />

feature=related<br />

Die chinesische Version gibt es un -<br />

ter dem folgenden Link: http://www.<br />

56.com/u26/v_Mzk3NzEwODc.html<br />

Anne-Frank-Beschützerin<br />

Miep Gies wurde 100 Jahre alt<br />

Die Amsterdamerin miep Gies, die<br />

während des Zweiten Weltkriegs half,<br />

das jüdische mädchen Anne Frank<br />

und ihre Familie vor den nazis zu<br />

ver stecken, beging ihren 100. Ge burts -<br />

tag. Wie das Anne-Frank-Haus in<br />

Am sterdam mitteilte, erfreut sich die<br />

Jubilarin einer „ziemlich guten Ge -<br />

sundheit“ und verfolgt nach wie vor<br />

aufmerksam alles, was mit ihrem<br />

1944 entdeckten und deportierten<br />

Schützling zu tun hat. Sie sei „keine<br />

Heldin“, sondern habe lediglich ge -<br />

tan, was sie habe tun können, um zu<br />

helfen, heißt es in der mittei lung.<br />

Die am 15. <strong>Februar</strong> 1909 in Wien ge -<br />

borene Gies war <strong>als</strong> Elfjährige in die<br />

niederlande gekommen. Seit 1942<br />

kümmerte sie sich um die vier in ih -<br />

rem Hinterhaus in der Prinsengracht<br />

versteckten mitglieder der Frank-Fa -<br />

milie und vier weitere Unterge tauch -<br />

te. Die von ihr nach der Deportation<br />

gefundenen Aufzeichnungen Anne<br />

Franks übergab sie 1947 an deren Va -<br />

ter Otto Frank, dem einzigen Überlebenden<br />

der acht Untergetauchten.<br />

Un ter dem Titel „Das Tagebuch der<br />

Anne Frank“ wurden die Auf zeich -<br />

nungen in zahlreiche Sprachen übersetzt<br />

und weltweit berühmt. Anne<br />

Frank war nach dem machtantritt der<br />

nation<strong>als</strong>ozialisten mit ihrer Familie<br />

aus Deutschland nach Amsterdam ge -<br />

flüchtet. Sie starb im märz 1945, we -<br />

nige Tage vor Ende des Krieges, im<br />

Konzentrationslager Bergen-Bel sen.<br />

buch-tipp<br />

Der Milena Verlag und die IKG-Kulturkommission<br />

laden zur Buchpräsentation und Lesung:<br />

Alexia Weiss<br />

HASCHEMS LASSO<br />

Roman<br />

Wien - new York - israel. Ein unterhaltsamer<br />

und packender Einblick in<br />

das vielfältige jüdische Leben der Ge -<br />

gen wart.<br />

Alexia Weiss entführt das Publikum in<br />

die Lebenswelten von sie ben Jüdin nen<br />

in Wien, 60 Jahre nach dem Holo caust.<br />

in ih rem Roman erzählt sie davon, wie<br />

Desirée, Jekaterina, Clau dia, Ruth, Jen -<br />

nifer, Hanni und Rachel hier und heu -<br />

te leben, denken, lieben und handeln.<br />

HASCHEMS LASSO<br />

Milena Verlag<br />

ISBN 978-3 85286 175 3<br />

248 Seiten - EUR 19,90<br />

Lesung: Alexia Weiss<br />

DJ: Paul Divjak (Konkord)<br />

5. März <strong>2009</strong>, 19.30 Uhr<br />

Gemeindezentrum der IKG<br />

Seitenstettengasse 2, 1010 Wien<br />

Einlass ab 19 Uhr - für die Sicherheitskontrolle bit te<br />

einen Ausweis und etwas Geduld mitbringen.<br />

Die einen tragen den Scheitel und<br />

interessieren sich dafür, ob Coke Zero<br />

auf der Koscher-Liste steht, die anderen<br />

gehen nicht einmal mehr zu Jom<br />

Kippur in den Tempel. Was die Frau en<br />

ver bindet ist die Frage nach ihrer iden -<br />

tität und die Sehnsucht nach Glück.<br />

Sieben Frauen, sieben Leben und sieben<br />

Mal wissen wollen, wie die Geschichten<br />

weitergehen.<br />

erhÄltlich aB 5. mÄrz<br />

in Jeder Buchhandlung<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 43


KULTUR<br />

Das Wiener Konzerthaus<br />

präsentiert in seiner neuen Reihe<br />

Tänzerin Stella Mann in London geehrt<br />

© Aarin Seligman<br />

„Im Loth“:<br />

«klezmer vibes & funky beats»<br />

mit Socalled<br />

Montag, 16. März, 20.00 Uhr<br />

Konzerthaus, Neuer Saal<br />

SoCalled, MPC-Sampler, Klavier, Akkordeon, Gesang<br />

Katie Moore, Gesang<br />

Michael Winograd, Klarinette<br />

Allen Watsky, Gitarre<br />

Fred Liebert, Bass<br />

mit seinen Samples aus Hip-Hop- und al -<br />

ten Klezmeraufnahmen macht der kanadische<br />

mC Socalled szeneweit Fu ro re. Josh<br />

Dolgin, wie der vielseitige musiker mit bürgerlichem<br />

namen heißt, geht bei seiner Ar -<br />

beit recht un dogmatisch vor: Sampler und<br />

Beat ma chine zählen ebenso zu seiner mu si -<br />

kalischen Grund aus stattung wie Ak kor de on<br />

und Klavier, dazu eine mehrköpfige Live-<br />

Band, die diese ge ballte La dung Stilfusion<br />

erst so richtig rocken lässt. Socalled ist nichts<br />

für sanfte Gemüter, hier treffen Funk und<br />

Hip-Hop-infusionen auf alte jiddische Sy -<br />

na gogengesänge und Volksme lo dien – und<br />

eine äußerst sympathische Prise Selbst iro nie.<br />

mC Socalled trat im Laufe seiner Karriere <strong>als</strong><br />

Rapper, Ak kor deonist, Pianist, Song schrei -<br />

ber und Pro duzent in Erscheinung und hat<br />

mit so unterschiedlichen musikern wie dem<br />

Rap per Killah Priest, den Klezmerstars Frank<br />

London und Da vid Krakauer, dem le gen dären<br />

Ca lypso-interpreten Mighty Sparrow und<br />

dem US-Folksänger und Schau spie ler Theo -<br />

do re Bikel zusammengearbeitet. mit seinem<br />

jüngsten Album „Ghet to blaster“ feiert er<br />

so wohl in nordamerika <strong>als</strong> auch in Eu ro pa<br />

große Erfolge.<br />

Tickets und Infos: Preis: Euro 13,<br />

- 50% Ermäßigung für Jugendliche bis 26 Jahre<br />

www.konzerthaus.at<br />

Rechtzeitig zum 97. Geburtstag (!) ver -<br />

lieh Wiens Kulturstadtrat Andreas<br />

mailath-Pokorny im Rahmen seines<br />

Lon don-Besuchs der Choreographin<br />

und Tänzerin Stella mann das „Gol-<br />

de ne Verdienstzeichen des Lan des<br />

Wien“.<br />

„Stella Mann zählt zu den Pionie rin nen<br />

des modernen Ausdruckstanzes und ist<br />

Vorbild für Generationen von Tänze rin -<br />

nen“, betonte mailath, der in seiner<br />

Ansprache auch an die Verfolgung<br />

Stella manns durch den nation<strong>als</strong>o -<br />

zia lis mus und an ihre 1938 erfolgte<br />

Flucht aus Wien erinnerte. Die Zere -<br />

monie fand in der österreichischen<br />

Botschaft in Anwesenheit von Bot -<br />

schaf terin Gabriele Matzner-Holzer und<br />

zahlreichen Gästen statt.<br />

Stella mann wurde am 24. Jänner<br />

1912 in Wien geboren. Sie studierte<br />

modernen Tanz bei Gertrud Boden -<br />

wieser an der Staatsakademie Wien<br />

und trat solistisch <strong>als</strong> auch mit En -<br />

semb les auf zahlreichen Bühnen Wiens<br />

auf, wie den Wie ner Kammerspielen,<br />

der Urania und anderen Volks bil -<br />

dungs häusern.<br />

1938 floh die Künstlerin aus Wien<br />

und gelangte über Belgien und Hol -<br />

land nach Großbritannien, wo sie sich<br />

1946 mit der Gründung ihrer eigenen<br />

Tanz schule, dem Stella Mann College,<br />

eine neue Existenz aufbaute. Stella<br />

mann unterrichtete im Laufe ihres<br />

jahrzehntelangen tanzpädagogischen<br />

Wirkens viele bekannt ge wordene<br />

Tänzerinnen und Choreographinnen.<br />

Heute lebt Stella mann in London<br />

und geht ihren vielfältigen in teressen<br />

in Kunst, Poesie, Französischer Kon -<br />

ver sation und Bridge nach.<br />

Sotheby's bietet einzigartige Sammlung hebräischer Texte an<br />

Eine Sammlung mit 13.000 hebräischen Büchern und Manuskripten wird vom Auktions haus<br />

Sotheby's in New York zum Kauf angeboten. Die nach einer Stadt in Italien benannte Val -<br />

ma donna Trust Library wurde von dem 1924 in Antwerpen geborenen Diamanten händ ler<br />

Jack V. Lunzer zusammengestellt. Ihre Schriften wurden in Städten wie Amsterdam, Bag dad,<br />

Jerusalem, Kalkutta und Shanghai verfasst und gedruckt und reflektieren die Ge schichte florierender<br />

jüdischer Gemeinden in aller Welt. Die ältesten Dokumente sind über tausend<br />

Jahre alt.<br />

Sotheby's preist die Sammlung <strong>als</strong> „beste Bibliothek hebräischer Texte weltweit“und beziffert<br />

den Wert auf etwa 40 Milo. Dollar (31 Mio. Euro). Zu den besonderen Kostbarkeiten<br />

gehört eine handgeschriebene hebräische Bibel aus England vom Jahr 1189. Nach Angaben<br />

der ‘New York Times’ handelt es sich bei ihr um den einzigen datierten Text in hebräischer<br />

Spra che, der in England zu Papier gebracht wurde, bevor König Eward I. alle Juden 1290<br />

des Landes verwies.<br />

44 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


Neues Online-Portal<br />

www.zwangsarbeit-archiv.de vorgestellt<br />

600 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und<br />

Zwangsarbeiter aus 26 Ländern erinnern sich<br />

Eine Kooperation der Stiftung „Erinnerung, Verantwor tung und<br />

Zu kunft" mit der Freien Universität Berlin und dem Deutschen<br />

Historischen Museum.<br />

KULTUR<br />

Das Online-Archiv zum Thema Zwangsarbeit im nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />

Deutschland wurde der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt. Das Portal "Zwangsarbeit 1939-1945" trägt zur<br />

Erinnerung an die über zwölf millionen menschen, die<br />

für das nation<strong>als</strong>ozialistische Deutschland Zwangsarbeit<br />

geleistet haben, bei.<br />

590 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus 26 Ländern er -<br />

zählen ihre Lebensgeschichten in 398 Audio- und 192 Vi deointerviews.<br />

„Viele Überlebende aus Mittel- und Osteuropa ha -<br />

ben in den nun vorliegenden Interviews erstm<strong>als</strong> über das Er -<br />

littene und die oftm<strong>als</strong> schwere Zeit nach 1945 berichtet. Die<br />

Stiftung EVZ will mit dem von ihr geförderten Online-Archiv<br />

zur Zwangsarbeit die Erinnerungen dieser NS-Opfer wach halten<br />

und sie zugleich jungen Menschen und Wissenschaftlern für<br />

die politische Bildung und Forschung nutzbar machen.", er -<br />

klärte der Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwor -<br />

tung und Zukunft“ (EVZ), Günter Saathoff, auf einer Pres -<br />

sekonfe renz in Berlin.<br />

Abrufbar sind Erinnerungen jüdischer und nichtjüdischer<br />

KZ-Häftlinge, von Sinti und Roma, von Zwangsar bei tern,<br />

die im Bergbau, der industrie oder der Land wirtschaft<br />

arbeiten mussten, von italienischen militärinternierten<br />

und von sowjetischen Kriegsgefan genen.<br />

Das Online-Archiv wurde seit 2004 vorbereitet. 32 Teams<br />

internationaler institutionen nahmen insgesamt 2.000<br />

Bänder mit den Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiter<br />

auf. 2007 konnte die Kooperation zwischen der Stiftung<br />

EVZ und der Freien Universität Berlin zur Erschließung<br />

der interviews unterzeichnet werden. Seitdem werden<br />

von einem wissenschaftlichen Team unter der Leitung von<br />

Prof. Dr. Gertrud Pickhan und Prof. Dr. Nicolas Aposto lo -<br />

poulos die Audio- und Videobänder verschlagwortet, digital<br />

archiviert und das Online-Archiv realisiert.<br />

Palais schönburg:<br />

Die neue resiDenz für events<br />

Das barocke Palais Schönburg befindet sich im Zentrum Wiens<br />

und ist von einer 15.000 m 2 großen Gartenanlage umgeben.<br />

Es wurde in den Jahren 1700-1706 im Auftrag von Gundaker<br />

Graf Starhemberg errichtet und - ebenso wie das Schloss Bel -<br />

vedere - von Johann Lukas von Hildebrandt gebaut. Erst vor<br />

kurzem sind das Gebäude und die Gartenanlage umfassend<br />

renoviert worden.<br />

Die einzigartige Akustik des Festsa<strong>als</strong> führte bereits in den 60erund<br />

70er-Jahren des 20. Jahrhunderts weltbekannte Musiker<br />

für Konzerte und Aufnahmen ins Palais, so etwa Leonard<br />

Bern stein, Nikolaus Harnoncourt und Alfred Brendel.<br />

Die wunderschöne Location kann nunmehr <strong>als</strong> ‚Residenz für<br />

Ihre Events’ gemietet werden.<br />

Der private Charakter des Hauses bietet den idealen Rahmen<br />

für Veranstaltungen von bis zu 350 Personen: Hochzeiten,<br />

Jubi lä ums feiern, Geburtstagsfeste, aber auch Konzerte, Le -<br />

sun gen u.v.m.<br />

Gäste gelangen durch den vorderen Teil der Parkanlage zum<br />

Palais. Das Gebäude selbst wird durch ein fast neun Meter<br />

hohes Vestibul betreten. Von dort erreicht man das Souterrain<br />

und über zwei Feststiegen die Räumlichkeiten der Beletage. In<br />

der Beletage befinden sich prachtvolle Festräume mit insgesamt<br />

ca. 335 m 2 - darunter die historische Bibliothek, die auch<br />

separat angemietet werden kann. Weiters steht im Sou ter rain<br />

eine moderne Lounge (84 m 2 ) zur Verfügung. Das Palais ist<br />

mit Klimaanlage, Aufzug, W-LAN, Audio-/Vi deo anschlussen<br />

und vielem mehr ausgestattet und eignet sich somit auch hervorragend<br />

für Seminare, Konferenzen, Work shops etc.<br />

Eine der wenigen Gelegenheiten in Wien in einem Garten zu<br />

feiern, bietet die unmittelbar an den rückwärtigen Teil des Ge -<br />

bäudes anschließende Rasenfläche mit 1.600 m 2 , die von<br />

zahlreichen alten Bäumen eingesäumt ist. Sie ist für Festzelte<br />

mit bis zu 500 Personen geeignet. Wien, <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong><br />

Ausführliche Informationen finden Sie<br />

unter www.palais-schoenburg.at<br />

Kontakt:<br />

Palais Schönburg Eventmanagement<br />

Mag. Leon Widecki<br />

Tel. + 43 1 588 10 27<br />

widecki@gertnergroup.com<br />

Bezahlte Anzeige<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 45


KULTUR<br />

Jüdischer Filmclub Wien<br />

Neu­ und­ provokativ,­ vertraut­ aber<br />

nicht­in­Vergessenheit­geraten,­be­weg­te­Bilder­jüdischer­Lebenswelten­von<br />

Sydney­bis­New­York:­So­sind­die­Fil­me,­die­im­Rahmen­des­neu­gegründeten<br />

Jüdischen­Filmclubs­Wien­vorgestellt<br />

wurden.­Er­ist­eine­Initiative­von­Bel­la<br />

Makagon­(Moadon­–­Club­junger­jü­di­scher­<br />

Erwachsener),­ Prof.­ Frank<br />

Stern­ (Visuelle­ Zeit-­ und­ Kulturge­schich­te­am­Institut­für­Zeitge­schich­te)<br />

und­Prof.­Klaus­Davidowicz­(Institut<br />

für­Judaistik,­beide­Universität­Wien).<br />

mit der initiative zur Gründung eines<br />

Jüdischen Filmclubs in Wien gehen<br />

langwierige Bemühungen von Frank<br />

Stern und Klaus Davidowicz nun endlich<br />

in Erfüllung. Versuche, geeignete<br />

Die internationale jüdische<br />

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />

Weber José<br />

PF 180182<br />

D-60082 Frankfurt a.M.<br />

Telefon +49/69-597 34 57<br />

+49/17/267 14940<br />

Fax +49/69-55 75 95<br />

eMail: weber@simantov.de<br />

www.simantov.de<br />

Kooperationspartner für einen Film -<br />

club zu finden, waren zunächst leider<br />

wenig erfolgreich. Doch schließlich ist<br />

es gemeinsam mit moadon und dem<br />

metro Kino des Filmarchivs Austria<br />

ge lungen, das Vorhaben umzusetzen.<br />

Und damit wird nicht nur ein Beitrag<br />

zur Wahrung und Stärkung der jüdischen<br />

identität, sondern auch für die<br />

Filmkultur der Stadt Wien insgesamt<br />

geleistet.<br />

„Wir machen Ausflüge zu jüdischen Se -<br />

hens würdigkeiten, organisieren jüdische<br />

Events, feiern gemeinsam jüdische Feste,<br />

gehen zusammen ins Theater und ins<br />

Kino. Der Jüdische Filmclub hat hervorragend<br />

in unser Konzept gepasst“ er zählt<br />

Bella Makagon, Vorstand von moadon.<br />

Am institut für Zeitgeschichte und an<br />

der Judaistik der Universität Wien gibt<br />

es bereits eine langjährige Tra di tion jü -<br />

discher Filmretrospektiven mit Un ter -<br />

stützung der Jüdischen Hochschü ler -<br />

innenschaft. Diese initiativen sollen<br />

nun zusammengeführt und mit dem<br />

Jüdischen Filmclub wie nichtjüdischen<br />

Publikum, näher gebracht werden.<br />

Sechs mal pro Jahr gibt es wieder<br />

Filme aus aller Welt, die sich mit der<br />

jüdischen Kultur und Tradition, mit<br />

Geschichte und Religion beschäftigen:<br />

Komödien, Dramen, Krimis, His to ri enund<br />

Dokumentarfilme, die in Österreich<br />

überhaupt nicht oder nur kurz<br />

in den Kinos oder auf Festiv<strong>als</strong> ge zeigt<br />

werden. Großes Augenmerk wird<br />

dabei auch auf Filme junger Regis -<br />

seur innen gelegt. Themen, die die<br />

Schoa berühren, religiös-säkulare und<br />

jüdisch- nichtjüdische Beziehungen<br />

werden auf der Leinwand zu sehen<br />

sein. nach den Filmvorführungen<br />

gibt es jedes mal die möglichkeit, bei<br />

einem Glas Wein, einem Kaffee über<br />

den Film zu diskutieren.<br />

Der erste Filmnachmittag war vielver -<br />

sprechend: ein mit Zuschauern bis zum<br />

Bersten gefüllter Kinosaal, ein spannender<br />

Film und ein kulinarischer<br />

Aus klang mit koscherem Buffet von<br />

Bernholtz Catering sowie Wein von<br />

Hafner. Bei den Sponsoren, insbesondere<br />

beim Kooperationspartner Film ar -<br />

chiv Austria, die den Erfolg ermöglicht<br />

haben, möchten sich die Organisa to -<br />

ren herzlich be dan ken.<br />

Gemeinsam nachdenken und La chen,<br />

neue Freundschaften knüpfen und<br />

alte zu erhalten, die jüdische identität<br />

zu bewahren und sie weiter zu entwickeln<br />

ist das Ziel des Jüdischen Film -<br />

clubs Wien.<br />

(OVA)<br />

office@juedischer-filmclub.at/<br />

Spenden & Schenken<br />

MISCHLOACH MANOT<br />

<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />

Bestellschein auf der Umschlagseite!<br />

46 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769


KULTUR<br />

Bal Paré<br />

7. März <strong>2009</strong><br />

einlass 21.15 • beginn 22.00<br />

rathaus Wien<br />

eingang lichtenfelsgasse<br />

Karten: erwachsene euro 85,-<br />

studenten und schüler euro 40,-<br />

inkl. 1 Welcome-Drink, 1 sabre-teller<br />

infos: tel. +43 1 968 72 66,<br />

e-Mail: info@milli.segal.at<br />

Karten- und tischreservierung:<br />

Jewish Welcome service<br />

tel.: 5332730,<br />

Mo - Do 9.00 - 16.00 und fr 9.00 - 14.00<br />

Der reinertrag dieser veranstaltung kommt<br />

dem Wizo Projekt „Kindertagesstätte in<br />

rechovot“ zugute.<br />

ehrenschutz: bürgermeister der stadt Wien Dr. Michael häupl,<br />

botschafter des staates israel Dan ashbel und frau zahava<br />

<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 47


Fax-Bestellung<br />

an Fax: +43 1/53104-279<br />

oder fundraising@ikg-wien.at<br />

Telefonische Anfragen: 0676/844 512 601<br />

Spenden & Schenken<br />

MISCHLOACH MANOT<br />

<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />

Geschenkkorb mit verschiedenen<br />

Früchten, vielen Nasche -<br />

reien und einem oder mehreren<br />

Getränken(je nach Größe)<br />

EINZAHLUNG:<br />

KtoNr. 02010724000 -<br />

BLZ 14000<br />

Kennwort „Mischloach Manot“<br />

Der Reinerlös dient der<br />

Unterstützung bedürftiger<br />

Familien mit Kindern<br />

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E-MAIL<br />

ABSENDER<br />

BESTELLUNG FÜR<br />

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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />

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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />

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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-


EIN HISTORISCHES DOKUMENT: Ein Brief<br />

von (Elias) Eliyahu Sasson, einem leitenden<br />

israelischen Diplomaten, an Azzam Pasha,<br />

dem Gener<strong>als</strong>ekretär der Ara bi schen Liga,<br />

vom 5.12.1947<br />

3. Dezember 1947<br />

Lieber Azzam Pasha,<br />

Ich habe Ihnen bereits in der Vergangenheit seit einiger<br />

Zeit schreiben wollen, aber ich habe damit gezögert,<br />

weil ich erst die Entscheidung der Verein ten<br />

Nationen zu Palästina abwarten wollte. Jetzt, nachdem<br />

der Schritt vollzogen worden ist und ein neues<br />

Kapitel beginnt, will ich dies nicht länger auf die<br />

lange Bank schieben, vor allem im Licht von dem,<br />

was in der Presse in den ver gangenen wenigen Tagen<br />

geschrieben worden ist, und was sich auf Ihre kürz -<br />

lichen Äuße rungen über Palästina und die<br />

Entscheidung der Ver samm lung der Verein ten<br />

Nationen bezieht.<br />

Wir sind nicht vom Siegeswillen vergiftet, lieber Azzam<br />

Pasha, trotz der Tat sa che, dass wir nach dem anstrengendsten<br />

politischen Kampf, den wir je m<strong>als</strong> er tragen<br />

mussten, nach der ausführlichsten Untersuchung unseres<br />

Proble mes, der wir uns gegenüber gestellt sahen, die<br />

Mehrheit der zivilisierten Mensch heit die Recht -<br />

mäßigkeit unserer Sache anerkannt hat. Wir wissen,<br />

dass vor uns noch eine aussergewöhnliche Aufgabe<br />

liegt. Diese besteht in dem Be mü hen, eine Nation zu<br />

formen, wofür es in der Geschichte der Menschheit kein<br />

Bei spiel gibt.<br />

Wir müssen Hindernisse überwinden, denen sich kein<br />

Quelle: State of Israel and World Zionist Organization, politis<br />

c h e<br />

Paul Dean (StoneColdCrazy), in September 2007,<br />

and shows the Kindertransport memorial, by<br />

Frank Meisler, which stands outside Liverpool<br />

Street Station.<br />

I give permission for this image to be shared and<br />

used under the terms of the Creative Commons<br />

license (ie, please credit me as author, but no pay-<br />

Buchtipp<br />

UNO<br />

„Das Primärgefühl der<br />

Fassungslosigkeit bewahren“<br />

Saul Friedländer beschreibt den<br />

Holocaust<br />

Von L. Joseph Heid<br />

In seinem im Herbst 2006 erschienenen<br />

Opus magnum Die Jahre der<br />

Vernichtung (<strong>als</strong> 2. Bd. von „Das<br />

Dritte Reich und die Juden“, C.H.<br />

Beck, München 1998/2006) - ein<br />

For-schungsprojekt, an dem er sechzehn<br />

Jahre arbeitete - hat er eine<br />

ganz neue Erzählform gefunden: Er<br />

warf einen mikroskopisch genauen<br />

Blick auf die Mordhandlungen, die<br />

sich in sämtlichen besetzten und mit<br />

Deutschland verbündeten Ländern<br />

gleichzeitig voll zogen, und rückte sie<br />

in einen großen internationalen<br />

Kontext. Das war der wohl<br />

anspruchsvollste Versuch, den<br />

Judenmord zu verstehen. Nie zuvor<br />

sind die Perspektiven von Täter- und<br />

Op fergeschichte historiographisch so<br />

integral zusammengeknüpft worden.<br />

Und <strong>als</strong> dritte Seite gilt sein Blick der<br />

Ebene der Kollaborateure – die Bevöl -<br />

kerung, die Eliten und selbstverständ -<br />

lich die Kirchen. Vieles in seinem<br />

Haupt werk Dargestellte integriert der<br />

Apostrophierte in sein jüngstes Werk,<br />

in dem er sich ein weiteres Mal<br />

bemüht, den Holocaust zu erklären.<br />

Der Holocaust lässt ihn seit seinen<br />

Kindheitstagen nicht in Ruhe. Wie<br />

sollte er auch? Er selbst, dessen Eltern<br />

1942 aus Vichy-Frankreich verschleppt<br />

und in Auschwitz ermordet<br />

wurden, überlebte, streng katholisch<br />

erzogen, in einem französischen<br />

Internat.<br />

Pavel Friedländer, wie er dam<strong>als</strong><br />

hieß, war während des Krieges<br />

Priester schü ler, doch nach seiner<br />

Befreiung spürte er in sich Jüdischkeit<br />

und aus dem christkatholischen<br />

Paulus wurde der zionistische Jude<br />

Saulus.<br />

Forscher und Überlebender<br />

EU<br />

Als David Ben-Gurion vor 60 Jahren Is -<br />

raels Unabhängigkeit erklärte, be stand dessen<br />

Armee aus lediglich 29.000 Sol daten,<br />

verfügte über keinerlei Pan zer und nur<br />

vier Messerschmitt Kampf flugzeuge. Als<br />

sieben arabische Heere sich auf den<br />

Einmarsch vorbereiteten,<br />

sagte der an gesehene britische<br />

General Ber nard<br />

Montgomery voraus,<br />

dass die Juden dem keinesfalls<br />

länger <strong>als</strong> ein paar Wochen würden<br />

standhalten können. Ben-Gurions ei -<br />

ge ne Generäle bezifferten Israels Über -<br />

lebenschancen mit 50:50.<br />

Heute hat der jüdische Staat eine stehende<br />

Streitmacht von 187.000 Mann und<br />

geschätzte 450.000 Reservisten, hun derte<br />

Panzer und modernste Kampf flugzeuge,<br />

was Israels militärische Kraft größer <strong>als</strong><br />

die Großbritan ni ens macht und von den<br />

meisten Ex per ten <strong>als</strong> die stärkstes<br />

Potential im gesamten Mittleren Osten<br />

angesehen wird. Auch von einem Nuklear -<br />

Wie kann Israel seine Zukunft sichern?<br />

von Leslie Susser, JTA; Übersetzung: Karin Fasching<br />

waf fen arsenal ist inoffiziell die Rede.<br />

Gravierende existenzielle Bedrohungen<br />

Natürlich kann man Israels Militär von<br />

einst und jetzt nicht vergleichen. Aber ist<br />

jener Staat, der <strong>als</strong> der sichere Hafen für<br />

das jüdische Volk gedacht war, heute tatsächlich<br />

sicherer <strong>als</strong> noch am 14. Mai<br />

1948, <strong>als</strong> Ben-Gurion Is ra els<br />

Unabhängigkeitserklärung in Tel Aviv<br />

verlas? Trotz seines enormen Auf gebotes<br />

an Waf fen, diplomatischen sowie wirtschaftlichen<br />

Errun gen schaf ten, sieht sich<br />

der Staat auch<br />

heute noch gravierenden<br />

existenziellen<br />

Be drohungen<br />

gegenüber.<br />

Die offensichtlichste Bedrohung stellt der<br />

Iran dar. Ein mit Nuklearwaffen ausgestattetes<br />

radikales schiitisches Re gime in<br />

Teheran wäre eine größere Gefahr für<br />

Israel, <strong>als</strong> alle anderen Fein de, gegen die<br />

der jüdische Staat sich in seiner 60jährigen<br />

Geschichte be haup ten musste.<br />

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