Februar 2009 als pdf herunterladen - Israelitische Kultusgemeinde ...
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GEMEINDE<br />
DVR 0112305 € 2.-<br />
nr. 639 februar <strong>2009</strong><br />
Schwat 5769<br />
Erscheinungsort Wien<br />
Verlagspostamt 1010 P.b.b<br />
eGZ 2.- 03Z034854 W<br />
Die Die<br />
offizielles organ der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong> wien<br />
magazin
INHALT<br />
&<br />
AUS DEM BÜRO DES<br />
PRÄSIDENTEN<br />
Gegegn Rechtsradikalismus 3<br />
Treffen deutschsprachiger<br />
Gemeinden 4<br />
IN EIGENER SACHE<br />
MIRIAM TENNER<br />
Unbekannte Dimensionen 5<br />
ALEXIA WEISS<br />
Serie: Hinter den Kulissen der IKG<br />
Teil 6: Der gute Geist der<br />
Seitenstettegasse 6<br />
ILAN KNAPP<br />
Jüdische Zuwanderung<br />
und Integration 8<br />
POLITIK<br />
IN- UND AUSLAND<br />
Mauthausen-Gedenkstätte<br />
beschmiert 9<br />
Stadtschulrat entzieht<br />
Religionslehrer Unterrichts -<br />
erlaubnis 10<br />
Lichter gegen Rechts 10<br />
BOTSCHAFTER DAN ASHBEL<br />
Gastkommentar 12<br />
REINHARD ENGEL<br />
Fabriken ohne Aufträge 14<br />
Umfrage: Juden haben zu<br />
großen Einfluss 16<br />
„Zeitungszeugen“ 17<br />
Konferenz europäischer<br />
Rechtsparteien in WIen 17<br />
KRIEGSVERBRECHER<br />
Heim & Demjanjuk 18<br />
VATIKAN<br />
Beziehungen Vatikan-Israel 20<br />
Shoah-Frage: Jüdische<br />
Delegation beim Papst 21<br />
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligence<br />
centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, u.v.a.<br />
GEmEinDE<br />
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>Israelitische</strong> <strong>Kultusgemeinde</strong> Wien.<br />
Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen<br />
und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen<br />
Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.<br />
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail redaktion@ikg-wien.at<br />
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien<br />
Alle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der<br />
Mei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen<br />
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redak -<br />
tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.<br />
Die<br />
WAHLEN IN ISRAEL<br />
Die 18. Knesseth 22<br />
ULRICH W.SAHM<br />
Trend zum Pragmatismus 23<br />
Pressestimmen 24<br />
Forderungen 25<br />
SHIMON PERES<br />
Eine Region, zwei Staaten 26<br />
ULRICH W. SAHM<br />
Hamas in Verruf 27<br />
Gaza-Bewohner berichten über<br />
Missbrauch durch Hamas 28<br />
WIRTSCHAFT<br />
REINHARD ENGEL<br />
Abschied vom Toten Meer 30<br />
MARTA S. HALPERT<br />
Vom Ballonmantel zum<br />
Badeanzug 32<br />
WISSENSCHAFT<br />
ULRICH W. SAHM<br />
Tapeten gegen Bomben 35<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Kirk Douglas - Die Weisheit<br />
der Jahre 36<br />
Panorama 40<br />
KULTUR<br />
Ehrung für Wilm Hosenfeld 42<br />
Ehrung für Stella Mann 44<br />
Zwangsarbeit-Archiv<br />
geht online 45<br />
Jüdischer Filmclub 46<br />
Titelbild: Wahlen in Israel -<br />
Stimmenauszählung<br />
© Olivier Fitoussi /Flash90<br />
PLENUM: Donnerstag, 12. März Wegen der Teilnahme des Präsidenten<br />
an der Generalver sammlung der US Friends of the IKG in New York, verschiebt<br />
sich die Sitzung auf Dienstag, 26. März!<br />
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SAJIN ADAR<br />
Anlässlich der Jahrzeit von Mosche<br />
Rabenu am Sajin Adar gedenken wir im<br />
Rahmen eines Gottes dienstes – nach<br />
alter Tradition der Chewra Ka di scha –<br />
auch unserer verstorbenen Mitglieder<br />
der israelitischen <strong>Kultusgemeinde</strong>.<br />
Der Gottesdienst wird in diesem<br />
Jahr amErev Sajin Adar 5769, am<br />
Montag, dem 02. März <strong>2009</strong>,<br />
um 17.40 Uhr<br />
s.G.w. im Wiener Stadttempel<br />
stattfinden.<br />
Im Anschluss an den Gottesdienst findet<br />
die von der Chewra Kadischa<br />
gespendete traditionelle SEUDA statt.<br />
2 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />
Sehr geehrte Gemeindemitglieder!<br />
Angesichts des immer unerträglicher werdenden Rechtsextremismus, Antisemitismus<br />
und neonazismus innerhalb der FPÖ, insbesondere bei ihren Funktionären, hat sich die<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong> entschlossen, folgende initiative zu ergreifen:<br />
KOALITION DER BÜRGER ÖSTERREICHS GEGEN RECHTSRADIKALE,<br />
„KELLERNAZIS“ UND ANTISEMITEN IN POLITISCHEN FUNKTIONEN<br />
in den letzten monaten sind immer mehr Funktionäre der FPÖ mit rechtsextremen oder an -<br />
ti semitischen Äußerungen auffällig geworden, ohne dass dies irgendwelche Konse quen zen<br />
gehabt hätte. Bestenfalls gibt es irgendwelche Lippenbekenntnisse und Pseudo distan zie -<br />
run gen. Wir Bürger, die Österreich lieben und schätzen, wollen verhindern, dass solche<br />
Funktionäre mit dieser Gesinnung politische Ämter in unserem Land bekleiden.<br />
Es geht dabei nicht um die Ausgrenzung der Wähler, sondern um jene Funktionäre der FPÖ,<br />
die in den letzten Jahren immer dreister rechtsextremes, neonazistisches oder antisemiti -<br />
sches Gedankengut verbreiten, oder Organisationen angehören, die dies tun (z.B. Bur schen -<br />
schaft Olympia), oder in einschlägigen medien publizieren (z.B. ‘Aula’), oder antisemitische<br />
initiativen setzen (Parlamentarische Anfragen betreffend moishe Arie Friedman, Ernst Str.).<br />
◉ Unser Protest richtet sich unter anderen gegen folgende Funktionäre, mitarbeiter<br />
und Aktivisten der FPÖ. Das Dokumentationszentrum des Österreichischen Wi -<br />
der stands hat hierzu entsprechende Unterlagen zusammengestellt.<br />
◉ Unser Protest richtet sich gegen die Unterstützung von Holocaust Leugnern und<br />
Re visionisten. Die FPÖ fördert und unterstützt Holocaust Leugner medial (m.A.<br />
Friedman) und Revisionisten, lädt sie durch ihre Vorfeldorganisationen zu Vor -<br />
trä gen ein (D. irving).<br />
◉ Einer der schlimmsten und skrupellosesten Holocaust Leugner, moishe Arie Fried -<br />
man, verkleidet sich <strong>als</strong> orthodoxer „Rabbiner“, wird vom iran und einer Reihe<br />
von FPÖ-Funktionären oder FPÖ nahen Politikern (John Gudenus) finanziell und<br />
juristisch (nRAbg. Hübner) unterstützt. Zuletzt haben die Abgeordneten Werner<br />
neubauer, Dr. Rosenkranz und Kollegen zwei parlamentarische Anfragen in<br />
Sachen Friedman (12. September und 19. Dezember 2008) gestellt, deren wahres<br />
Ziel die Vernichtung der ältesten jüdischen Schule in Österreich (Talmud Thora<br />
Schule der machsike Hadass) ist, bei welchem sowohl das Privatschulgesetz <strong>als</strong><br />
auch die Religionsfreiheit in Österreich umgangen und diese jüdische Schule fi -<br />
nan ziell ruiniert werden soll. in all diesen Prozessen wird moishe Arie Friedman<br />
vom FPÖ nationalratsabgeordneten Hübner vertreten und unterstützt.<br />
moishe Arie Friedman ist Amerikaner, geht keiner geregelten Arbeit nach und lebt<br />
im Wesentlichen von Sozialtransfers der Republik Österreich (Kinderbeihilfe, etc.).<br />
moishe Arie Friedman wurde nach langjährigen Räumungsklagen wegen nicht -<br />
be zahlung seiner miete sowohl aus seiner Wohnung <strong>als</strong> auch aus einer Betstube<br />
de logiert und der Zechprellerei gegenüber dem Palais Pallavicini im Zusammen -<br />
hang mit einer Barmitzwa Feier beschuldigt.<br />
◉ Unser Protest richtet sich gegen antisemitische initiativen der FPÖ bzw. von Funk -<br />
tionären und Unterstützern der FPÖ.<br />
Parlamentarische Anfragen des nationalratsabgeordneten neubauer und Kol le gen:<br />
im Zusammenhang mit einem des Betrugs beschuldigten immo bilien kauf manns<br />
(Ernst S.) wurden folgende Fragen gestellt: Wurden die Kontakte des Herrn S. zur<br />
iKG überprüft, wenn ja, in welcher Form? ist ihnen bekannt, dass Herr S. wesentlich<br />
von iKG Kreisen bei der Flucht unterstützt wurde. Welche Kreise/Personen<br />
/Vereine haben Herrn S. in den USA unterstützt, haben interveniert, um die Ver -<br />
haf tung in den USA zu verhindern? Besteht ein Zusammenhang zwischen iKG<br />
und Herrn S.? Besteht ein Zusammenhang zwischen Dr. muzicant und Herrn S.?<br />
Besteht ein Zusammenhang zwischen Dr. muzicant, Oskar Deutsch und Herrn S.?<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 3
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN<br />
Hat Herr martin Schlaff in dieser Causa interveniert?<br />
Der Versuch der FPÖ Abgeordneten, aus einem möglichen Kriminalfall eine jüdische<br />
Causa zu machen, ist Antisemitismus! Dies ist genauso, wie wenn bei einem<br />
katholischen Verdächtigen nachgefragt wird, ob Kontakte zum Erzbischöflichen<br />
Palais, zum Kardinal oder zu irgendeinem anderen Vertreter der katholischen<br />
Kirche besteht. Diese Fragestellung dient einzig und allein dazu, antisemitische<br />
Vorurteile zu schüren.<br />
◉ Wir protestieren gegen die „Kellernazis“ in der FPÖ, die mittlerweile ein dichtes<br />
netzwerk mit Gleichgesinnten in Deutschland, Holland, Ungarn, Frank reich,<br />
Belgien usw. gebildet haben und jetzt auch eine rechtsextreme Verbreitung im<br />
Europäischen Parlament anstreben.<br />
„Uns reicht es“.<br />
Wir sind kein „naziland“.<br />
Deshalb setzen wir diese initiative und müssen hier in Österreich „Kellernazis“,<br />
Rechtsextreme oder Antisemiten bekämpfen.<br />
Herzlichst,<br />
ihr<br />
Dr. Ariel muzicant<br />
Deutschsprachige jüdische<br />
Gemeinden besorgt über Zunahme<br />
des Antisemitismus<br />
Am 1. und 2. <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong> trafen sich zum dritten<br />
mal Vertreter der deutschsprachigen jüdischen<br />
Ge mein den Deutschlands, Österreichs und der<br />
Schweiz in Zürich. Die Gemeindeverant wort li chen<br />
be sprachen Kooperationen und Projekte in den Be -<br />
reichen Religion, Kultur, Er zie hung und So ziales.<br />
Ariel Muzicant, Charlotte Knobloch, André<br />
Bollag, Shella Kertesz, Herbert Winter (v.l.n.r.)<br />
Ein Thema war unter anderem der aufkeimende<br />
Antisemitismus in Europa. Anti se mi ti sche Zuschriften, Schmierereien und Übergriffe ha ben<br />
im Zuge der aktuellen Situation im Na hen Osten dramatisch zugenommen. Einseitige Ver -<br />
ur teilungen Israels im Kampf gegen die durch den Iran unterstützte, radikal-islamistische<br />
Terrororganisation Hamas, die Is raels Ver nichtung und den Kampf gegen die Juden weltweit<br />
fordert, spielen antisemitisch motivierten Kräften in die Hände.<br />
Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden blicken zudem mit großer Besorgnis auf die<br />
UN-Folgekonferenz gegen Rassismus, die im April <strong>2009</strong> in Genf stattfinden wird. Es ist<br />
aufgrund vorliegender UN-Entwürfe zu befürchten, dass es in den Schlussdokumenten an<br />
dieser Konferenz, wie bereits im Jahre 2001 in Durban, zu antisemitischen Aussagen kom -<br />
men wird.<br />
Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden appellieren deshalb an die Regierungen ih rer<br />
Länder, sicherzustellen, dass die von europäischen Ländern bestimmten "roten Li ni en"<br />
nicht überschritten werden. Sie fordern unter anderem, dass westliche Werte wie Mei -<br />
nungs äußerungsfreiheit hochgehalten werden und ein Verbot von Religionskritik nicht Teil<br />
einer Resolution sein darf. Außerdem soll die Konferenz nicht für einseitige Stellung nah men<br />
gegen einzelne Länder, sprich Israel, missbraucht werden.<br />
Die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden erinnern an die antisemitischen Auswüch se<br />
von 2001 in Durban und rufen alle Behörden und Nichtregierungsorganisationen auf, ent -<br />
schieden gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen.<br />
Im Übrigen haben sich die deutschsprachigen jüdischen Gemeinden sehr besorgt ge zeigt<br />
über das kürzlich erfolgte Aufheben der Exkommunikation des Holocaustleugners Wil li am -<br />
son.<br />
Presseerklärung<br />
4 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
IN EIGENER SACHE • FUNDRAISING<br />
Unbekannte Dimensionen<br />
Die IKG ist für viele jüdische Familien<br />
in Wien oft letzter Rettungsanker in ei ner<br />
Situation größter finanzieller Not.<br />
Bis vor einem halben Jahr – vor Be -<br />
ginn meiner Tätigkeit für Fundraising<br />
der iKG – hätte ich mir diese<br />
Dimension nicht vorstellen können.<br />
Ja, es ist be kannt es gibt ESRA mit<br />
eigenem ex ter nen Budget sowie die<br />
Sozialab tei lung der <strong>Kultusgemeinde</strong><br />
mit ihrem So zi al budget. Aber was<br />
genau dahintersteckt und in welcher<br />
Beziehung ge nau ESRA und die<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong> zu einander stehen,<br />
war mir nicht klar.<br />
Die Zahlen und die persönlichen<br />
Schicksale sprechen jedoch eine eigene<br />
Sprache.ich möchte an dieser<br />
Stelle die mir wesentlich erscheinenden<br />
Fakten darlegen.<br />
Zunächst einmal zu ESRA selbst. Die<br />
herausragenden Leistungen zur psy -<br />
chosozialen Betreuung sind mittlererweile<br />
österreichweit und auch international<br />
anerkannt. Weniger bekannt ist<br />
wohl die Tatsache, dass die Sozialbe -<br />
ra tung in ESRA <strong>als</strong> Vermittlerin für<br />
alle Anträge auf finanzielle Un ter stüt -<br />
zung an die iKG zuständig ist und<br />
diese vorab professionell bearbeitet.<br />
D.h. jeder einzelne Antrag wird überprüft<br />
im Hinblick auf die möglichkeit<br />
einer Unterstützung durch die öffentliche<br />
Hand. in vielen Fällen reicht die se<br />
Unterstützung jedoch nicht aus um z.B.<br />
Alleinerzieherinnen oder Famili en mit<br />
vielen Kindern vor einer Delogierung<br />
zu schützen. in solchen Fällen greift<br />
dann die Sozialabteilung der Kultus -<br />
ge meinde. Hier wird in der Sozial kom -<br />
mission beschlossen, wer welche Form<br />
der Unterstützung erhalten soll. Wird<br />
z.B. dringend eine Wohnung benötigt<br />
und muss die Familie mit den notwendigsten<br />
Dingen versorgt werden?<br />
Wer braucht einen einmaligen Heiz -<br />
kos tenzuschuss? usw.<br />
Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2008<br />
insgesamt haben 416 Personen Un ter -<br />
stützung aus dem Sozialbudget der<br />
iKG erhalten. Davon waren al lein 23<br />
Haushalte von alleinerziehenden müt -<br />
tern mit insgesamt 62 Erwachsenen<br />
und Kindern betroffen. Die restlichen<br />
354 Personen verteilen sich auf Fa mi -<br />
li en sowie auf ältere menschen (oft<br />
Ho locaustüberlebende) sowie Kran ke.<br />
Um ein solches Einzelschicksal deut -<br />
lich zu machen, werde ich im folgenden<br />
ein kurzes Fallbeispiel präsentieren,<br />
dass leider kein Einzelfall ist.<br />
Fallgeschichte Familie R., 5 Kinder<br />
Herr R. stammt aus der Ukraine und<br />
emigrierte 1990 im Alter von 15 Jah ren<br />
nach Österreich, er ist mittlerweile ös -<br />
ter reichischer Staatsbürger. Seine<br />
gleich altrige Frau heiratete er im Al ter<br />
von 21 Jahren in israel, wo es für bei de<br />
aber nicht möglich war, Fuß zu fassen.<br />
Das Paar kehrte 1997 nach Wien zu -<br />
rück, das erste Kind kam noch im selben<br />
Jahr zur Welt. Herr R. eröffnete<br />
ein kleines Schuhservice-Geschäft,<br />
welches anfangs auch den Lebens un -<br />
ter halt der Familie sicherte. Durch<br />
Fehl investitionen häuften sich in we -<br />
nigen Jahren die Schulden und <strong>als</strong> das<br />
Gebäude, indem sich das Ge schäft<br />
be fand, einen neuen Besitzer bekam,<br />
wurde auch die Geschäftsmiete empfindlich<br />
erhöht.<br />
Familie R. kam im Jahr 2001 erstm<strong>als</strong><br />
in die ESRA-Sozialberatung. An -<br />
lass waren hohe Zahlungsrück stän de.<br />
im Zuge der Anamnese stellte sich<br />
zudem heraus, dass die Familie mit<br />
fast allen Zahlungen in Verzug war<br />
und zudem die Delogierung drohte.<br />
Frau R. war zu diesem Zeitpunkt mit<br />
ihrem dritten Kind schwanger und<br />
hatte massive gesundheitliche (er höh -<br />
ter Blutdruck, Diabetes, rheumatische<br />
Erkrankung) Probleme. neben der<br />
Schul denregulierung musste auch<br />
eine neue und günstigere Wohnung<br />
ge funden werden, da Frau R. es kaum<br />
noch in den dritten Stock der gemeinsamen<br />
Wohnung schaffte. Über Ver -<br />
mittlung des Arbeitsamtes (AmS) fand<br />
Herr R. eine Anstellung <strong>als</strong> Boten fah -<br />
rer, das Schuhservice-Geschäft gab er<br />
auf. Die getroffenen Ratenverein ba -<br />
rungen wurden eingehalten, die Si tu -<br />
a tion schien sich zu stabilisieren.<br />
Ende 2003 kam Herr R. wieder in<br />
die Kinder- und Jugendberatung von<br />
ESRA: Das älteste Kind ging mittlerweile<br />
zur Schule und musste aufgrund<br />
von diagnostizierten Lernschwächen<br />
die erste Klasse wiederholen, eine Be -<br />
gleit lehrerin wurde zugezogen. Frau<br />
R. war zum vierten mal schwanger –<br />
diesmal mit Zwillingen – und litt un ter<br />
Rheumaanfällen und massiven de pres -<br />
siven Verstimmungen, das Verlassen<br />
der Wohnung war nur in Begleitung<br />
ihres mannes möglich.<br />
Als Herr R. Anfang 2005 seine Ar -<br />
beit verlor, verschlimmerte sich die Si -<br />
tuation der Familie zusehends. Der zeit<br />
sind drei von fünf Kindern in ESRA<br />
in pädagogischer Betreuung, die Dek -<br />
kung des Lebensunterhaltes gelingt<br />
nur mit regelmäßigen Unterstüt zungs -<br />
zahlungen der iKG. Durch die Fami -<br />
li engröße bedingt sind die Ausgaben<br />
für Wohnen und Heizen entsprechend<br />
hoch. nachzahlungen von Wien-Ener -<br />
gie (Jahresabrechnungen) konnten nur<br />
mit Hilfe von Beschlüssen der iKG-<br />
Sozialkommission abgedeckt wer den.<br />
Die Dynamik der internationalen<br />
Fi nanz krise lässt auch immer mehr<br />
men schen unserer Gemeinde in die Ar -<br />
beits losigkeit und zum Teil auswegslose<br />
Si tuationen rutschen. Die, die<br />
am meisten darunter leiden sind die<br />
Schwächsten unserer Gesellschaft<br />
wie Kinder, Kranke und Alte.<br />
Unsere Purim- Aktion<br />
„Spenden und Schen ken –<br />
Mischloach Manot“<br />
(s.S.48) bietet eine gute Gelegenheit ge -<br />
rade mit jenen jüdischen Bürgern so li -<br />
darisch zu sein, die am sozial bedürftigsten<br />
sind.<br />
ich bitte und hoffe auf ihre zahlreiche<br />
Unterstützung. Der Reinerlös fließt zu<br />
100% in das Sozialbudget der Kul tus -<br />
gemeinde.<br />
ich wünsche ein Chag Sameach und<br />
Happy Purim!<br />
ihre<br />
miriam<br />
Tenner<br />
Fundraising<br />
iKG Wien<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 5
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
SERIE<br />
Hinter den Kulissen –<br />
Die IKG Wien stellt sich vor<br />
Teil 6: Der gute Geist der<br />
Seitenstettengasse<br />
serVice<br />
erreichbarkeit<br />
von willy steiner<br />
montag bis Freitag<br />
7.00 Uhr bis 15.30 Uhr<br />
unter 0676 - 844 512 204<br />
„Nervlich<br />
gestählt“<br />
Seit 1988 ist Willy Steiner Haus techniker<br />
in der <strong>Kultusgemeinde</strong>. Da kannte er das<br />
Haus allerdings schon gut: denn bereits<br />
zuvor half er immer wieder aus, etwa bei<br />
großen Veranstaltungen. So hat er 1982<br />
auch das Attentat vor dem Stadttempel<br />
miterlebt. Manch mal ist der Alltag in der<br />
Seitenstetten gasse aber auch heiter –<br />
und ganz sicher nie langweilig.<br />
VON ALEXIA WEISS<br />
Jeden Tag um 7.00 Uhr beginnt Willy<br />
Steiner seinen Dienst in den Räumen<br />
der <strong>Kultusgemeinde</strong> in der Seiten stet -<br />
tengasse 4. Die erste Aufgabe: „Ich<br />
kontrolliere, ob der Aufzug in Ordnung<br />
ist.“ Danach steht im Winter die<br />
Kontrolle der Heizungsanlage an, im<br />
Sommer die der Lüftung im Tempel<br />
so wie der Klimaanlagen in den Bü ros.<br />
Darüberhinaus ist er für die Anlagen<br />
im Haus nummer zwei, in dem u.a.<br />
die Anlaufstelle untergebracht ist,<br />
verantwortlich. Das ist die tägliche<br />
mor genroutine. Wenn es schneit ist er<br />
auch für die Räumung des Gehsteiges<br />
zuständig – „leider“, sagt Steiner, denn<br />
auf Grund der Steigung und des<br />
Kopfsteinpflasters „muss man mit dem<br />
Besen kehren. Scheren geht nicht“.<br />
Auch danach wird Steiner nicht langweilig.<br />
Glühbirnen austauschen ge -<br />
hört ebenso zu den Standardaufga ben<br />
wie kleinere handwerkliche Repara tu -<br />
ren. muss ein Professionist Hand an le -<br />
gen, koordiniert Steiner die Termine<br />
mit den Handwerkern. Dazwischen<br />
übernimmt er für die verschiedenen<br />
Ab teilungen der iKG Erledigungen<br />
und Behördenwege.<br />
Viel Arbeit bescheren Steiner zudem<br />
die Veranstaltungen. Er ist es, der die<br />
Räume für jeden Termin – von der<br />
kleinen Sitzung bis zum Plenum des<br />
Kultusvorstands – vorbereitet. Er ist es<br />
aber auch, der das Gemein dezen trum<br />
für Podiumsdiskussionen, Pres se kon -<br />
fe renzen oder Bar mitzwas und Hoch -<br />
zeiten je nach Anlass entsprechend<br />
be stuhlt und dann bei der Veranstal -<br />
tung für den Ton sorgt. „Bei Hochzei -<br />
ten stelle ich auch oft die Chuppa auf“, so<br />
Steiner. Oft werde dann bis zur letzten<br />
Sekunde „gearbeitet, umgeplant und<br />
improvisiert“.<br />
6 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN<br />
mit den Jahren und der vielen Er fah -<br />
rung sei er aber inzwischen „nervlich<br />
gestählt“. noch gut kann sich Steiner<br />
an die Hektik erinnern, die am 9. no -<br />
vember 2002 ausgebrochen ist. Für 19<br />
Uhr dieses Tages war die feierliche<br />
Ein weihung der Gedenkstätte für die<br />
65.000 von den nation<strong>als</strong>ozialisten<br />
er mordeten österreichischen Juden<br />
im Foyer vor dem Tempel anberaumt<br />
– im Beisein des Bundespräsidenten.<br />
„An diesem Tag hat es stark geregnet und<br />
<strong>als</strong> ich da um 17.15 Uhr hinkam, stand<br />
der ganze Raum unter Wasser.“ Ge mein -<br />
sam mit Architekt Thomas Feiger und<br />
Ronald Geissler, dem Leiter der im -<br />
mo bilienverwaltung, habe man dann<br />
mit vereinten Kräften den Raum „mit<br />
Kübeln und Fetzen“ trocken bekommen.<br />
Ein Elektriker reparierte die Beleuch -<br />
tung. „Als die Gäste kamen, hat alles so<br />
ausgesehen, <strong>als</strong> ob nichts passiert wäre“,<br />
erzählt Steiner stolz.<br />
An einem Tag war allerdings mit ei nem<br />
Schlag alles anders. Das war 1982, <strong>als</strong><br />
Steiner neben seinem Posten im Ver -<br />
kauf einer in Wien angesiedelten<br />
Schwei zer Firma schon gelegentlich<br />
in der <strong>Kultusgemeinde</strong> aushalf. Da -<br />
m<strong>als</strong> war seine mutter noch ganztägig<br />
für die iKG tätig und es wurde<br />
eine große Bar mitzwa gefeiert. Der<br />
Festsaal befand sich dort, wo heute<br />
die Bibliothek ist und die Gäste muss -<br />
ten nach der Zeremonie den Tempel<br />
verlassen, auf die Straße hinaustreten<br />
und beim angrenzenden Haus wieder<br />
hineingehen, um in den Festssaal zu<br />
gelangen. Als erstes verließ bei solchen<br />
Anlässen stets der Rabbiner den<br />
Tempel.<br />
Steiners mutter bat ihren Sohn <strong>als</strong>o,<br />
aus dem Fenster zu schauen, und ihr<br />
zu sagen, wann der Rabbiner auf die<br />
Straße trete. Steiner stand daher im<br />
ers ten Stock am Fenster und beobachtete<br />
dabei zwei männer, einen jungen<br />
und einen älteren, die sich unterhielten,<br />
dabei immer lautstarker wurden<br />
und gestikulierten. nach fünf, sechs<br />
minuten habe sich der jüngere umgedreht<br />
„und ein Eierbrikett geworfen“.<br />
Steiner dachte, der mann wolle damit<br />
jemanden erschrecken.<br />
„In dem Moment gab es eine Detona ti on.“<br />
Das „Eierbrikett“ entpuppte sich <strong>als</strong><br />
Handgranate. „Rundherum waren die<br />
Scheiben kaputt, die Splitter lagen auch<br />
im ersten Stock. Ich habe dann gerufen,<br />
Mama, Mama, das ist ein Anschlag, und<br />
bin hinunter auf die Straße gelaufen. Und<br />
dann habe ich den verletzten Po li zisten in<br />
das der <strong>Kultusgemeinde</strong> gegenüberliegende<br />
Haustor gezogen und einen ebenfalls<br />
durch Splitter verletzten älteren Herren<br />
von der Straßenmitte auf die Seite, <strong>als</strong>o<br />
den Gehsteig, gezogen, wo ich ihn mit dem<br />
Rücken an die Hauswand stützend abgesetzt<br />
habe.“ Die Bar mitzwa-Feier lich -<br />
keiten seien damit beendet gewesen.<br />
Am nachmittag dieses Tages sei aber<br />
noch etwas Absonderliches passiert,<br />
erinnert sich Steiner. Alles sei abgesperrt<br />
gewesen und in der Höhe des<br />
heutigen Lok<strong>als</strong> „Krah Krah“ seien<br />
die Schaulustigen in vier, fünf Reihen<br />
gestanden, um einen Blick auf die Sei -<br />
tenstettengasse zu erhaschen. Plötz lich<br />
seien Schüsse gefallen. Und dann ha be<br />
sich herausgestellt, „das war ein Pas -<br />
sant. Weil er nichts gesehen hat, hat er<br />
mit einer Schreckschusspistole in die Luft<br />
geschossen.“<br />
Zum Kopfschütteln ist auch folgende<br />
von Steiner geschilderte Situation: ei -<br />
ne mitarbeiterin der iKG habe ihn vor<br />
vielen Jahren angerufen und ge meint,<br />
ihr sei so kalt, er möge doch nach der<br />
Heizung sehen. Als er ihr Büro betrat<br />
„stand das Fenster sperangelweit offen“.<br />
Das habe sie übersehen, habe sie zu<br />
ihm gemeint. An einem anderen Tag<br />
habe sie ihn gebeten, dafür zu sorgen,<br />
dass es in ihrem Zimmer nicht so dun -<br />
kel sei. Das Betätigen des Licht schal -<br />
ters reichte aus. „Das habe ich vergessen“,<br />
habe sie darauf zu ihm gemeint.<br />
Ähnliche Szenen erlebe er immer<br />
wieder, sagt Steiner und lacht.<br />
Stolz ist Steiner darauf, dass er sich<br />
bis her noch keinen einzigen Tag<br />
krank gemeldet hat. Und selbst wenn<br />
er auf Urlaub ist, ist er da, wenn man<br />
ihn braucht. Er fliege nicht gerne und<br />
sei am liebsten in seinem Garten, im<br />
na turschutzgebiet an der Donau,<br />
nicht weit vom Albernen Hafen. Dort<br />
hat er jeden Sommer alle Hände voll<br />
zu tun, denn oft gebe es Hochwasser<br />
und obgleich er sein Stelzenhaus<br />
inzwischen um einen meter angehoben<br />
habe, passiere es doch immer<br />
wie der, dass nicht nur der Garten,<br />
son dern auch die erste Etage des<br />
Hauses unter Wasser stehe.<br />
Und wenn ihn dann in seinem Garten<br />
im Sommer der Anruf ereilt mit der<br />
Bitte, er werde dringend gebraucht, ist<br />
Steiner zur Stelle. Dann ist er auch<br />
braun gebrannt. Steiner liebt nämlich<br />
die Sonne. Und braun gebrannt fühlt<br />
er sich am wohlsten.<br />
zur Person<br />
willy steiner, geb. 1955 in Wien,<br />
die matura an der Handelsaka de -<br />
mie fiel der Liebe zum Eishockey<br />
zum Opfer, daher Wechsel an die<br />
Handelsschule. nach dem HAS-<br />
Ab schluss im Verkauf eines Schwei -<br />
zer Unternehmens in Wien tätig.<br />
An fang der achtziger Jahre gelegentlich<br />
nebenberuflich Aushilfsund<br />
Handwerkstätigkeiten für die<br />
<strong>Kultusgemeinde</strong>. Seit Juni 1988<br />
hauptberuflich <strong>als</strong> Haustechniker<br />
der iKG beschäftigt. Steiners mut -<br />
ter maria Dietl (geb. 1925) betreut<br />
bis heute die Garderobe des Stadt -<br />
tem pels sowie das Gemeinde zen -<br />
trum.<br />
Purim-Café &<br />
misChloaCh-manot-markt<br />
Spenden & Schenken<br />
sonnntag, 8. märz <strong>2009</strong> - ab 15.00 uhr<br />
Jüdisches museum am Judenplatz, 1010 Wien<br />
obst - Weine - naschereien<br />
Verpackungs- und Zustell-service<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 7
IN EIGENER SACHE • ZUWANDERUNG UND INTEGRATION<br />
Jüdische Zuwanderung und Integration Burschenschaften in Tirol -<br />
Graf ist Festrede "eine Ehre"<br />
Aus gegebenem Anlass möchte ich Sie<br />
<strong>als</strong> Vorsitzender der „SonderkommissionzurGewinnungneuerGemeindemitglieder<br />
und Zuwanderung“ über<br />
die derzeit laufenden Grund la gen ar -<br />
bei ten in der Kommission informieren.<br />
Die Grundlagenarbeiten, an der mehrere<br />
mitarbeiter arbeiten, werden von<br />
der Österreichischen nationalbank<br />
gefördert und sollen mit Jahresende<br />
<strong>2009</strong> abgeschlossen sein.<br />
Sie stellt die Basis für Verhandlungen<br />
von Präsident Ariel muzicant und<br />
mir mit Regierungsvertretern und an -<br />
deren Repräsentanten des offiziellen<br />
Österreichs dar.<br />
Dank meiner langjährigen Bezie hun -<br />
gen und Kontakte im öffentlichen Be -<br />
reich ist es mir gelungen, wesentliche<br />
in halte zur integration von zuwan -<br />
dern den menschen im Regierungs pro -<br />
gramm beizutragen. So steht u.a. im<br />
Regierungsprogramm, dass die Be -<br />
schäf tigungsmöglichkeiten von ausländischen<br />
Studierenden und Ab sol -<br />
ven ten erweitert werden sollen. Dies<br />
betrifft zum Beispiel ausländische<br />
Absolventen der Lauder Business<br />
School. nach derzeitiger Gesetzes la ge<br />
müssen sie Österreich nach Ende des<br />
Studiums sofort verlassen. Den ge nau -<br />
en Wortlaut entnehmen Sie dem im in -<br />
ter net abrufbaren Regierungs pro -<br />
gramm.<br />
Die mitgliederzahlen der jüdischen<br />
Gemeinden Österreichs nehmen nur<br />
geringfügig zu und brauchen für die<br />
Zukunft eine massive Steigerung.<br />
in Hinblick auf die Altersstruktur der<br />
jüdischen Gemeinden in Österreich ist<br />
die Gewinnung neuer Gemeindemitglie<br />
der durch Zuwanderung nach<br />
Österreich ein wichtiges Ziel der iKG.<br />
Es handelt sich demnach um eine ge -<br />
steuerte Zuwanderung nach Österreich,<br />
die von der Kommission und<br />
mir unterstützt wird. Die Zielgruppe<br />
bilden jüdische menschen, die der<br />
Wirt schaft Österreichs dienen und sich<br />
bereits im Heimatland Grund kennt -<br />
nis se der deutschen Sprache aneignen.<br />
Eine positive integrationsprognose für<br />
die Einwanderung nach Österreich ist<br />
dabei ausschlaggebend.<br />
Ein modell, das uns zeigt, wie es funktionieren<br />
könnte und welche Fehler<br />
vermieden werden müssen, liefert uns<br />
vor allem Deutschland. nach Deutsch -<br />
land sind seit 1991 bis heute ca. 150.000<br />
jüdische menschen aus den Ländern<br />
der ehemaligen Sowjetunion zugewandert.<br />
meine mitarbeiter am Pro jekt<br />
Zuwanderung und mich verbinden<br />
da her enge Arbeitskontakte zu den<br />
re le vanten Behörden und institutio -<br />
nen in Deutschland und Russland.<br />
natürlich ist auch die Rückgewin nung<br />
von jüdischen menschen, die nicht<br />
mitglieder der <strong>Kultusgemeinde</strong> sind,<br />
sehr vordringlich. Leider nimmt de ren<br />
Zahl in Österreich immer weiter ab<br />
(Überalterung, Auswanderung, Assi -<br />
mi lation). Deren Anzahl schätzen wir<br />
auf etwa 500 bis 800.<br />
Unser Hauptziel ist es, die österreichische<br />
Bundesregierung davon zu<br />
überzeugen, dass eine starke und<br />
expandierende jüdische Gemeinde in<br />
Österreich in erster Linie ein Vorteil<br />
für Österreich selbst darstellt.<br />
ich werde mir erlauben, Sie an dieser<br />
Stelle in Zukunft jedes Quartal über<br />
die aktuellen Entwicklungen und den<br />
weiteren Verlauf der Kommissionsar -<br />
beit zu informieren.<br />
Bei Rückfragen ersuche ich Sie um<br />
Kontaktaufnahme unter: knapp@jbbz.at<br />
ihr Prof. mmag. Dr. ilan Knapp<br />
Vorsitzender der Sonderkommission<br />
für die Gewinnung von neuen Mitgliedern<br />
und Zuwanderung<br />
Der Dritte nationalratspräsident mar -<br />
tin Graf versteht die Aufregung um<br />
den im Juni stattfindenden Fest kom -<br />
mers schlagender Burschen schaf ter in<br />
Tirol nicht. Er werde auch gerne eine<br />
Festrede halten, wie er in einer Aus -<br />
sendung betonte. Es sei „eine Eh re,<br />
zum Gedenken an den Tiroler Frei heits -<br />
helden Andreas Hofer vor mehr <strong>als</strong> 1.000<br />
Akademikern reden zu dürfen“, erklärte<br />
der FPÖ-Politiker.<br />
Graf sprach von einer langgeübten<br />
Tradition, „dass zu runden Jubiläen im<br />
Andenken an den Tiroler Freiheitshelden<br />
Andreas Hofer in Tirol eine Großveran -<br />
staltung stattfindet“. man werde sich<br />
dies „auch nicht von linken und linksextremen<br />
Gruppierungen verbieten lassen“.<br />
Den Ehrenschutz wird Graf nicht<br />
übernehmen: Wie bei solchen Veran -<br />
stal tungen üblich, gebe es diesen<br />
nicht, erläuterte der Dritte national -<br />
ratspräsident.<br />
▣<br />
Hannah Lessing weiterhin<br />
Gener<strong>als</strong>ekretärin des<br />
Nationalfonds<br />
Hannah Lessing ist für eine weitere<br />
Ge setzgebungsperiode Gener<strong>als</strong>e kre -<br />
tärin des Allgemeinen Entschädi -<br />
gungs fonds und nationalfonds der<br />
Republik Österreich für Opfer des<br />
na tion<strong>als</strong>ozialismus. Sie ist bereits<br />
von nationalratspräsidentin Barbara<br />
Prammer nach Beratung in der Prä si -<br />
dialkonferenz wiederbestellt worden<br />
Lessing ist seit 1995 Gene ral se kre tä -<br />
rin des nationalfonds und seit 2001<br />
Gener<strong>als</strong>ekretärin des Allgemeinen<br />
Ent schädigungsfonds. Damit ist sie<br />
verantwortlich für die Umsetzung<br />
des Washingtoner Abkommens, dessen<br />
Ziel es ist, jene materiellen Ver -<br />
luste zu berücksichtigen, die durch<br />
frühere Restitutions- oder Entschädi -<br />
gungsmaßnahmen nicht oder nicht<br />
hinreichend entschädigt wurden. Zu<br />
Lessings Aufgaben gehören unter<br />
anderem auch die Ausarbeitung des<br />
Verfahrens für die Entschädigung<br />
von Opfern des nation<strong>als</strong>ozialismus,<br />
informationsvorträge für Überlebende<br />
weltweit sowie die Vernetzung mit<br />
internationalen Opferverbänden. APA<br />
8 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • INLAND<br />
Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer:<br />
Erinnerung an Verbrechen der NS-Zeit<br />
mehr den je wach halten<br />
Anlässlich des Holo caust-Gedenk ta -<br />
ges, der am Tag der Be freiung der<br />
letz ten Überlebenden des nS-Ver nich -<br />
tungslagers Au schwitz-Birkenau in -<br />
ternational began gen wird, stellte der<br />
Bund Sozialdemokratischer Freiheits -<br />
kämpfer und Opfer des Faschismus<br />
bei einer Gedenksitzung fest, dass die<br />
Erinnerung an das größte Verbrechen<br />
der jüngeren Geschichte, dem vor al lem<br />
die europäischen Juden sowie po li tische<br />
Gegner und nationale Wi der -<br />
stand skämpfer zum Opfer gefallen<br />
sind, mehr denn je wach gehalten<br />
werden muss.<br />
Neo-Antisemitismus<br />
Gerade in den letzten monaten ist ein<br />
neo-Antisemitismus zu verzeichnen,<br />
der meist unter der Devise des An ti -<br />
zi onismus nicht nur von Rechtsex -<br />
tremisten und islamitischen Grup pie -<br />
rungen zu verzeichnen ist. Der Ver -<br />
gleich von Auseinandersetzungen in<br />
der Gegenwart mit der nS-mas sen -<br />
ver nichtungsmaschinerie ist eine un -<br />
ge heuerliche Umdeutung der jüngsten<br />
Geschichte.<br />
„Im internationalen E- Mailverkehr, insbesondere<br />
in Deutschland und Österreich<br />
werden unverblümt rechtsextreme und<br />
neonazistische Auffassungen transportiert.<br />
Aktivitäten von rechten Schläger grup pen<br />
werden neuerdings verstärkt registriert“,<br />
Gedenkstätte<br />
des ehemaligen<br />
KZ Mauthausen<br />
beschmiert<br />
bemerkte der Abg.z.nR. a.D. Ing. Ernst<br />
Nedwed, Vorsitzender des Bun des der<br />
Sozialdemokratischen Frei heits kämp -<br />
fer und Opfer des Faschismus. in<br />
einer anderen Frage ist es zu begrüßen,<br />
dass nunmehr klare Worte zum<br />
Umfeld des dritten Präsidenten des<br />
na tionalrats gefunden wurden. Ab -<br />
ge ordnete der SPÖ, ÖVP und der<br />
Grünen haben Konsequenzen verlangt,<br />
die bedauerlicherweise nur im verbalen<br />
Bereich, nicht jedoch in der Perso -<br />
nalpolitik des strammen „Bur schen -<br />
schaf ters der Olympia“ einen nieder -<br />
schlag gefunden haben.<br />
nedwed, der vor kurzem gemeinsam<br />
mit der Arbeitsgemeinschaft der KZ-<br />
Verbände und Widerstandskämpfer<br />
Österreichs die Gedenkstätte Au -<br />
schwitz-Birkenau besucht hat, wies<br />
abschließend darauf hin, dass die<br />
schon seit längerer Zeit erforderliche<br />
Überarbeitung und Erneuerung der<br />
Österreichausstellung im museums-<br />
Komplex in Auschwitz dringend<br />
erforderlich ist.<br />
Die bereits seit längerer Zeit vom Do -<br />
kumentationsarchiv des österreichischen<br />
Widerstandes angeregte neu ge -<br />
staltung harrt noch immer der Um -<br />
set zung. Es ist zu hoffen, dass dafür<br />
recht bald staatliche finanzielle mittel<br />
zur Verfügung gestellt werden können.<br />
Die Außenmauer der Gedenkstätte des<br />
ehemaligen Konzentrationslagers<br />
maut hausen in Oberösterreich ist<br />
beschmiert worden. Große Lettern ru -<br />
fen zu einem „Kreuzzug“ gegen mus -<br />
lime auf. Das „Mauthausen Ko mitee<br />
Ös terreich“ vermutet die Täter in<br />
rechts radikalen Kreisen.<br />
Die Beschmierung „WAS UNSEREN<br />
VÄTERN DER JUD IST FÜR UNS<br />
DIEMOSLEMBRUTSEIDAUFDER<br />
HUT! 3. WELTKRIEG - 8. KREUZ-<br />
ZUG“ wurde an der Außenmauer<br />
links vom Eingang zur Gedenkstätte<br />
angebracht. Die rund 70 Zentimeter<br />
großen Buchstaben sind dort weithin<br />
sichtbar.<br />
Der Vorsitzende des mauthausen Ko -<br />
mi tee Österreich Willi Mernyi berichtet,<br />
die Schmieraktion dürfte bereits in der<br />
nacht zum 12.2. verübt worden sein.<br />
Weil sie in der Zeit zwischen 20.00 und<br />
7.00 Uhr und „nicht irgendwo - etwa an<br />
einer Unterführung“, sondern an der<br />
Ge denkstätte mauthausen durchgeführt<br />
wurde, seien wohl nicht spontan<br />
agierende „blede Buam“, sondern gut<br />
vorbereitete Täter am Werk ge we sen.<br />
Diese müssten unter anderem mit<br />
Licht und Farbe ausgestattet vorgangen<br />
sein.<br />
Vermutlich kein Einzeltäter<br />
Eine Anzeige bei der Polizei wurde<br />
be reits erstattet. Für mernyi ist es die<br />
ärgste Schändung, die es bisher gegeben<br />
habe. Es dürfte sich auch um keinen<br />
Einzeltäter handeln, sagte mern yi.<br />
Für ihn handelt es sich um „rechts ra di -<br />
kale Provokateure“. Die Wortwahl zei ge,<br />
dass die Täter mit der Diktion von<br />
nS-Hetzblättern vertraut seien. Die<br />
Schmieraktion bedeute eine „ganz neue<br />
Dimension des Rechtsex tremis mus“. Ge -<br />
gen die unbekannten Täter sei An zei ge<br />
erstattet worden.<br />
Ermittlungen eingeleitet<br />
Eine Reinigungsfirma soll die Farbe<br />
entfernen. Dazu sind aber Plusgrade<br />
notwendig. Bis dahin soll die Schrift<br />
mit einem Fassadennetz verhängt<br />
werden. Der oberösterreichische Si -<br />
cher heitsdirektor Alois Lißl bestätigte<br />
die Anzeige. Die Ermittlungen seien im<br />
Gange. Es gebe aber noch keine konkrete<br />
Spur zu den Tätern.<br />
red<br />
Im KZ Mauthausen und seinen Ne ben lagern ha ben<br />
die National so zia lis ten rund 200.000 Men schen<br />
gefangen gehalten. Etwa die Hälf te von ihnen überlebte<br />
diese Vernichtungs ma schi ne rie nicht.<br />
POLITIK<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 9
POLITIK • INLAND<br />
Stadtschulrat entzieht<br />
Unterrichtserlaubnis für Religionslehrer<br />
Wichtige Klärung der rechtlichen Möglichkeiten<br />
gegenüber konfessionellen Lehrern durch Ministerium<br />
im Zuge der Diskussion um islam-<br />
Leh rer hat das Unterrichtsministe ri -<br />
um nun erstm<strong>als</strong> in den <strong>als</strong> Tabu geltenden<br />
konfessionellen Religionsun -<br />
ter richt eingegriffen: ministerin Clau -<br />
dia Schmied hat am 12. <strong>Februar</strong> den<br />
Wiener Stadtschulrat aufgefordert,<br />
we gen „Gefahr im Verzug“ ein Un -<br />
terrichtsverbot gegen einen der antisemitischen<br />
Hetze beschuldigten is -<br />
lam-Lehrer auszusprechen. Dem kam<br />
der Stadtschulrat sofort nach. Die<br />
islamische Glaubensgemeinschaft<br />
(iGGiÖ) hat sie aufgefordert, ihm die<br />
Unterrichtserlaubnis zu entziehen.<br />
Die Staatsanwaltschaft soll außerdem<br />
prüfen, ob der Tatbestand der Verhet -<br />
zung erfüllt ist.<br />
Der betreffende Lehrer wird be -<br />
schuldigt, mitte Januar an der Koope -<br />
ra tiven mittelschule (KmS) Brüßl gas -<br />
se in Wien-Ottakring Flugblätter mit<br />
einer Liste internationaler Konzerne<br />
an seine Schüler verteilt und sie aufgefordert<br />
zu haben, nicht bei diesen<br />
Unternehmen einzukaufen, da diese<br />
„jüdisch“ seien. Der mann bekam da -<br />
raufhin eine „letzte Abmahnung“<br />
vom Stadtschulrat, die iGGiÖ leitete<br />
ein - noch nicht abgeschlossenes - Dis -<br />
zi plinarverfahren ein.<br />
Schmied be grün dete ihr ungewöhnliches<br />
Eingreifen damit, dass der Leh -<br />
rer gegen in der Bundesver fas sung fest -<br />
geschriebene Wertvor stellungen verstoßen<br />
habe. Außerdem unterliegen<br />
Re ligionslehrer laut Religionsun ter -<br />
richts gesetz den allgemeinen staatli -<br />
chen schulrechtlichen Vorschriften.<br />
Prinzipiell können Religionslehrer in<br />
Österreich nämlich nur von der je wei -<br />
ligen Glaubensgemeinschaft für den<br />
Religionsunterricht nominiert und<br />
wieder abberufen werden. Schmied<br />
be ruft sich allerdings auf das vor kurzem<br />
mit iGGiÖ-Präsident Anas Schak -<br />
feh vereinbarte Fünf-Punkte-Pro gramm<br />
für islam-Lehrer, wonach „die Glau -<br />
bens gemeinschaft allen Religionslehrern,<br />
die in ihrem Unterricht Demokratie, Ver -<br />
fassung und Menschenrechte missachten,<br />
die Unterrichtserlaubnis entzieht“, so<br />
Schmied.<br />
Die Wiener Stadtschul rats präsiden -<br />
tin Susanne Brandsteidl begrüßte die<br />
„moralisch und - wie jetzt durch das Mi -<br />
nis terium geklärt - auch juristisch richtige<br />
Antwort“. Sie sieht in der maßnahme<br />
„eine endgültige und klare Antwort auf die<br />
Frage der rechtlichen Möglichkeiten des<br />
Staates gegenüber allen konfessionellen<br />
Lehrern“. Schakfeh sprach sich für ein<br />
rasches Verfahren aus, meinte aber,<br />
dass es sich dabei um einen „Einzel fall“<br />
handelt. Versäumnisse der iGGiÖ sieht<br />
Schakfeh nicht, man habe schon nach<br />
dem Bekanntwerden der Vor fälle den<br />
Betroffenen sofort ermahnt und ein<br />
Dis ziplinarverfahren eingeleitet. mit<br />
dem Verhalten der Be hör den hat der<br />
iGGiÖ-Präsident kein Problem. Sol che<br />
Konsequenzen seien in einem Rechts -<br />
staat „normal“.<br />
Wie vereinbart haben auch die Fach -<br />
inspektoren für den islamischen Re -<br />
ligionsunterricht einen umfassenden<br />
Verstärkter Polizeischutz für Innsbrucker Synagoge - Für die inns bruc ker<br />
Synagoge gibt es verstärkten Polizeischutz. in der Ver gan genheit war es wie -<br />
derholt zu Van da lenakten gekommen. Zuletzt wur de die Gegen sprech anlage<br />
durch einen Wurf mit einer offenen Tomatendose zerstört, sagte der Leiter<br />
des Tiroler Ver fassungsschutzes, Ludwig Spörr. man habe deshalb beim in nen -<br />
ministerium angefragt und wer de zusätzlich zu den bis herigen maß nahmen<br />
während der Öffnungszeiten der Synagoge einen Beamten abstellen.<br />
Begonnen hatten die Übergriffe nach der Demonstration gegen die israelische<br />
Offensive im Gazastreifen am 10. Januar. Dabei sei „heftig gegen die Eingangs -<br />
türe getreten und eine Bierflasche auf sie geworfen“ worden, zitierte die „Tiroler<br />
Tageszeitung“ Esther Fritsch, Präsidentin der Kul tus gemeinde. Den Täter von<br />
Januar habe man be reits ausforschen können, sagte Spörr. Es hand le sich<br />
dabei um einen Österreicher mit türkischem migrations hin ter grund. APA<br />
Tätigkeitsbericht an das Unter richts -<br />
ministerium übermittelt. Es handle<br />
sich dabei um ein mehrere hundert<br />
Seiten umfassendes Papier, das in den<br />
nächsten Tagen im ministerium analysiert<br />
werden soll, hieß es im Büro<br />
Schmieds. in Zukunft sollen die Fach -<br />
in spek to ren jedes Semester einen derartigen<br />
Bericht abliefern.<br />
Das Unter richts ver bot für den Re li -<br />
gionslehrer wurde von Vertretern al ler<br />
Parla ments parteien begrüßt. SPÖintegra<br />
tions sprecherin Angela Lueger<br />
sprach von einem „wichtigen Signal“<br />
gegen politischen und religiösen Ex tre -<br />
mis mus. Derartige Vorfälle seien nicht<br />
zu tolerieren, so ÖVP-Bildungs spre -<br />
cher Werner Amon. Die Grünen wollen<br />
ei ne „flächendeckende Kontrolle“<br />
des konfessionellen Religionsunter -<br />
richt. FPÖ und BZÖ verlangen, dass<br />
radikal-islamische Aussagen mit Ab -<br />
schie bung geahndet werden. APA<br />
„Lichter gegen Rechts!“<br />
Die Sozialistische Jugend und die Ge -<br />
werkschaftsjugend in Oberöster reich<br />
kündigten einen großen Lichterzug<br />
ge gen Rechtsextremismus am 30.<br />
April <strong>2009</strong> an. „Wir sehen es <strong>als</strong> Pro vokation,<br />
dass die Nationale Volks partei für<br />
18. April und 1. Mai Aufmärsche angekündigt<br />
hat. Die NVP wurde vom DÖW<br />
bereits <strong>als</strong> rechtsextrem eingestuft. Mit<br />
unserem Lichterzug am Vorabend des 1.<br />
Mai wollen wir mit tausenden Lichtern<br />
ein deutliches Zeichen gegen Rechts ex -<br />
tre mismus und Fremdenfeindlichkeit setzen“<br />
so der Landesvorsitzende der<br />
Sozialistischen Jugend OÖ, Michael<br />
Lind ner. Andreas Krammer, Landes vor -<br />
sit zender der ÖGJ: „Als antifaschistische<br />
Jugendorganisation setzen wir uns für<br />
Toleranz und Weltoffenheit ein. Wir werden<br />
nicht tatenlos zusehen, wie verbohrte<br />
Rechtsextreme den internationalen Tag der<br />
Arbeit für ihre ewiggestrige Propa gan da<br />
missbrauchen. Deshalb rufen wir gemeinsam<br />
mit der SJ zum Lichterzug auf.“<br />
Als nächsten Schritt werden SJ und<br />
ÖGJ auf alle aktiven Organisationen<br />
zu gehen, die sich gegen Rechtsextre -<br />
mismus und Fremdenfeindlichkeit en -<br />
gagieren: „Mit einem breiten Bünd nis<br />
wollen wir zeigen, dass es eine klare Ableh -<br />
nung von rechter Menschenhetze und<br />
rechts extremen Aufmärschen gibt!“ so<br />
beide abschließend.<br />
APA<br />
10 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 11
POLITIK • GASTKOMMENTAR<br />
Gastkommentar*<br />
von Botschafter Dan Ashbel<br />
Botschafter des Staates Israel in Österreich<br />
Von insgesamt zwölf Seiten der Aus lands -<br />
themen im Profil vom 2. Fe bru ar <strong>2009</strong><br />
wur den sieben Seiten ausschließlich der<br />
„Is rael-Kritik“ gewidmet. Die Reportagen<br />
und Berichte konzentrieren sich auf die<br />
Ereignisse der letzten Wochen im Gaza-<br />
Streifen nicht etwa auf Terroranschläge,<br />
den Raketen be schuss auf israelische Zi vi -<br />
listen in den vergangenen acht(!) Jahren,<br />
sondern nur mit der Reaktion auf diese un -<br />
mög liche Situation seitens Israel. Da muss<br />
man zur Schlussfolgerung kommen, dass<br />
solange Israel ohne jede Ge gen wehr hinnimmt,<br />
dass ein er heb li cher Teil seiner<br />
Be völkerung regelmäßig im Bunker leben<br />
muss, um nicht Opfer ei ner Hamas-Rake -<br />
te zu werden, sein Ver halten toleriert<br />
wird. Wehrt es sich dagegen, wird es auf ei -<br />
ne Ebe ne mit den Hamas-Terro ris ten ge -<br />
stellt. So kann man zugleich „fortschrittlich“<br />
wie auch „Israel-kritisch“ sein.<br />
Nur Dreizehn Zeilen für Terror<br />
Der Terror-Organisation Hamas werden<br />
auf diesen sieben Seiten magere<br />
dreizehn Zeilen gewidmet, und auch<br />
die zeichnen sich durch eine sehr ge -<br />
neralisierende Beschreibung aus. „Ra-<br />
di kal-islamisch“ wird die Organisa ti -<br />
on genannt, die ihre Gegner erschießt,<br />
oder ihnen, im besseren Fall in die<br />
Knie schießt, damit sie nie mehr gehen<br />
kön nen. mit keinem Wort wird die<br />
Terro ri sie rung der eigenen Bevölke -<br />
rung er wähnt. Auch die Redakteure<br />
und Re porter des ‘Profil’ können,<br />
wenn sie nur wollen, Berichte in arabischen<br />
wie auch europäischen me di en<br />
lesen, die beschreiben, wie die Ha mas<br />
palästinensische Zivilisten <strong>als</strong> Geiseln<br />
und <strong>als</strong> Schutzschilde be nutzt hat,<br />
abgesehen vom Stehlen von Hilfs gü -<br />
tern, die für die gesamte Bevölkerung<br />
in Gaza gedacht waren. Die Bemer -<br />
kung im ‘Profil’ „Der Hamas, die sich<br />
an keinerlei völkerrechtliche Vorschriften<br />
gebunden fühlt, war das freilich egal“,<br />
sollte doch zu einer ernsten Aus ein -<br />
an dersetzung mit der Frage, wer die -<br />
se Organisation ist, und welche Ziele<br />
sie hat, führen. Dazu war aber auf<br />
den sieben Seiten kein Platz.<br />
Henry Siegman<br />
Zum interview mit Henry Siegman:<br />
Wa rum ist es wichtig, dass Herr Sieg -<br />
man „ehemaliger Vorstand des American<br />
Jewish Congress sowie des Synagogue<br />
Coun cil of America“ ist oder dass er<br />
„1933 mit seinen Eltern vor den Nazis<br />
floh“? mehr noch, was hat die Frage,<br />
„Sie werden immer wieder <strong>als</strong> Nestbe -<br />
schmut zer und <strong>als</strong> selbsthassender Jude<br />
und Antisemit beschimpft. Wie leben Sie<br />
damit?” mit der Expertise von Herrn<br />
Sieg man zu tun? Übrigens, auch Dr.<br />
Daniel Pipes ist Jude und beschäftigt<br />
sich seit Jahrzehnten mit dem nahen<br />
Osten. Von Herrn Hoffmann-Osten hof<br />
bekommt Dr. Pipes nur die Bezeich -<br />
nung „nahost-Falke“.<br />
Henry Siegman nimmt israel in die<br />
Pflicht, seine Ziele auf friedliche Wei se<br />
zu erreichen.<br />
Acht Jahre lange Zurückhaltung ge -<br />
genüber Raketenbeschuss der zivilen<br />
Bevölkerung, totaler Auszug aus dem<br />
Gaza-Streifen und ständige Verhand -<br />
lun gen mit den Palästinensern sind<br />
friedliche Wege, die von der Hamas <strong>als</strong><br />
Zeichen der Schwäche interpretiert,<br />
und <strong>als</strong> Er munterung für ihre terroristische<br />
Vorgangsweise gesehen werden.<br />
Henry Siegman nennt die Blockade<br />
des Gaza-Streifens <strong>als</strong> Grund für den<br />
Raketenbeschuss der Hamas. Der Ra -<br />
ke tenbeschuss israelischer Städte (Sde-<br />
rot, Ashkelon) durch die Hamas be -<br />
gann vor acht Jahren und nicht erst<br />
jetzt „wegen der Blockade“. Auch in<br />
Zeiten der Waffenruhe schlugen fast<br />
täglich Raketen ein, töteten menschen<br />
und verursachten große Schäden. im<br />
Jahr 2005 hat israel den Gaza-Streifen<br />
geräumt. Hat das zu einem Ende des<br />
Ra ketenbeschusses geführt? nein.<br />
Die Grenzübergänge nach Gaza wa ren<br />
offen, solange sie nicht Ziel für An -<br />
griffe und Terror-Anschläge wurden.<br />
Auch nach solchen Angriffen wurden<br />
sie wieder geöffnet. Sogar wäh rend<br />
der Kampfhandlungen in Gaza wurden<br />
Hilfsgüter hinein gelassen.<br />
Was die Verletzung des sogenannten<br />
Waffenstillstands betrifft, so muss<br />
klar gestellt werden, dass auch während<br />
der sechs monate der sogenannten<br />
„Ruhe“ die Hamas weiter auf is -<br />
raelisches Gebiet geschossen hat.<br />
Henry Siegman sagt, dass „die Hamas<br />
nie zulassen wird, dass die seit dem Sechs -<br />
tagekrieg von 1967 besetzten Territorien<br />
aufgegeben werden“. Er irrt nur im Da -<br />
tum, die Hamas sieht auch israel in<br />
den Waffenstillstandslinien von 1949<br />
<strong>als</strong> „besetztes Territorium“ und Herr<br />
maschal, Führer der Hamas in Da mas -<br />
kus, hat diese Position auch in den<br />
letzten Tagen klar und deutlich wie -<br />
der holt.<br />
Laut Henry Siegman ist die Charta der<br />
Hamas „politisch nicht von Bedeutung“.<br />
Wie soll man den Absatz 7 dieser Char -<br />
ta, der besagt, „An diesem Tag werden<br />
die Bäume und die Felsen dem mus -<br />
limischen Kämpfer zurufen, hier der Jude<br />
versteckt sich hinter uns, töte ihn“, beurteilen?<br />
Da wird nicht von isra e lis,<br />
nicht von israel gesprochen, sondern<br />
von „dem Juden“. Soll man das ignorieren?<br />
Das ‘Profil’ zitiert westliche Staats -<br />
chefs, die die Anerkennung des Exis -<br />
tenz rechts israels <strong>als</strong> Bedingung nennen.<br />
Hier ist zu bemerken, dass es<br />
sich um das internationale Quartett<br />
(USA, Russland, die EU und die<br />
UnO) handelt, das der palästinensischen<br />
Regie rung DREi Bedingungen<br />
gestellt hat. Zu der schon Erwähnten<br />
kommen noch die Einhaltung der<br />
unterzeichneten Abkommen zwischen<br />
israel und den Palästinensern wie<br />
auch das Beenden von Terroran schlä -<br />
gen. Diese Bedingungen beruhen auf<br />
der Tatsa che, dass beide Seiten schon<br />
einige Ver pflich tungen auf sich ge -<br />
nommen ha ben, die auch für eine neu<br />
gewählte Regierung bindend sind.<br />
12 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • GASTKOMMENTAR<br />
Für Henry Siegman sind diese For de -<br />
rungen schlicht und einfach absurd.<br />
Aug’ um Auge, Zahn um Zahn?<br />
im Artikel von Gregor Mayer und Shab -<br />
tai Gold „Verbrannte Erde“, wird EU-<br />
Kommissar Louis michell wie folgt zi -<br />
tiert: „Die Antwort darauf (auf den Ra ke -<br />
ten beschuss, Anmerkung des Au tors) war<br />
völlig disproportional.“ Wenn man „Ver -<br />
hältnismäßigkeit“ fordert, soll das heis -<br />
sen: Für jede Rakete, die auf Sderot<br />
niedergeht, darf israel blind eine Ra -<br />
ke te auf Gaza-Stadt schießen und für<br />
je den in die Luft gesprengten Bus in<br />
israel, einen arabischen Bus in die Luft<br />
sprengen? Zudem sollte auch festgestellt<br />
werden, dass solange die Paläs -<br />
ti nenser dulden, dass die Ha mas aus<br />
ihrer mitte, aus ihren Häusern und<br />
Schu len Raketen auf israelische Kin -<br />
der gärten abfeuert, sie nicht wirklich<br />
<strong>als</strong> „unschuldige zivile Opfer“ gelten<br />
können. nicht israels Gegenwehr ist<br />
disproportional sondern die Kritik an<br />
dieser Gegenwehr ist es.<br />
Was die Anwendung phosphorhaltiger<br />
munition betrifft hat Peter Herby,<br />
Leiter der minen-Waffen-Einheit vom<br />
internationalen Roten Kreuz am 13.<br />
Januar <strong>2009</strong> bestätigt, dass diese mu -<br />
ni tion <strong>als</strong> nebel und Beleuchtungs -<br />
gra naten eingesetzt wurde, was den<br />
Regeln des Völkerrechts entspricht.<br />
„Wir haben keinen Beweis dafür, dass diese<br />
Munition in einer anderen Art verwendet<br />
wurde“, sagte Herby gegenüber<br />
der nachrichten Agentur AP.<br />
Unüberprüftes<br />
Dem israelischen militär wird im Ar -<br />
ti kel vorgeworfen „vielfach jegliche<br />
Rücksicht auf Zivilisten“ vermissen zu<br />
lassen. Damit wird ignoriert, dass mehr<br />
<strong>als</strong> 300.000 Telefonanrufe, gerade an<br />
Zivilisten, getätigt wurden, um sie vor<br />
den Angriffen zu warnen. Es wird zu -<br />
gleich verschwiegen, dass auch während<br />
der Kampfhandlungen, täglich<br />
ca. 100 LKWs mit humanitären Gü tern<br />
in den Gaza-Streifen gelassen wurden,<br />
und dass zehn neue Ambu lan zen nach<br />
Gaza geschickt wurden. ignoriert<br />
wird auch, dass Rettungsautos zum<br />
Transport von Waffen und kämpfenden<br />
Terroristen, gegen alle internationale<br />
Regeln, von der Hamas benutzt<br />
wurden.<br />
ich weiß auch nicht, woher das Ge -<br />
rücht kommt, dass Palästinenser –<br />
nicht et wa Hamas-Leute, Gefangene<br />
oder Terroristen – „ohne Nahrung und<br />
ohne Möglichkeit, ihre Notdurft zu verrichten“<br />
gehalten wurden. Es ist<br />
schlicht und einfach nicht wahr.<br />
Es fällt mir schwer nachzuvollziehen,<br />
was an einer angeblichen Kluft „zwischen<br />
Washington und Jerusalem“, wie es<br />
Herr Hoffmann-Ostenhof darstellt, so<br />
„gut“ ist. US-Präsident Obama hat<br />
wäh rend seines Besuchs in der Stadt<br />
Sderot in israel gesagt, dass er so ei nen<br />
ständigen Beschuss nie dulden wür de.<br />
Genauso irrelevant wie das Judentum<br />
von Henry Siegman ist die Fest stel -<br />
lung, dass George mitchell „eine libanesische<br />
Mutter“ hat. Will damit Herr<br />
Hoffmann-Ostenhof die integrität von<br />
Herrn mitchell in Frage stellen?<br />
nicht nur „die Mehrheit der US-Demokra<br />
ten... hätten... viel lieber Verhand lun -<br />
gen Jerusalems mit den Palästinensern<br />
<strong>als</strong> Bombardements und Panzer gesehen“.<br />
Auch die israelis und die Regierung is -<br />
raels würden lieber eine Zwei-Staa ten<br />
für zwei-Völker-Lösung se hen. mehr<br />
noch, seit seiner Gründung im Jahr<br />
1948 sind die Hoffnungen auf und<br />
das Bestreben nach Frieden mit allen<br />
unseren nachbarn ein fester Bestand -<br />
teil aller israelischen Regierungs pro -<br />
gramme. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
hat israel die Sinai Halbinsel (dreimal<br />
so groß wie der Staat israel) an Ägyp-<br />
Obama in Sderot<br />
ten zurück gegeben, auch mit Jorda -<br />
ni en einen Friedensvertrag unterzeichnet<br />
und führt auch heute Ver -<br />
hand lungen mit den Palästinensern.<br />
Die Annahme, israel könnte mit der<br />
Ha mas einen politischen Ausgleich<br />
finden, ist leider ein bisschen naiv.<br />
Denn was die Hamas mit al-Qaida<br />
ver bindet, ist (unter anderem), das<br />
tiefsitzende Bedürfnis, israel und die<br />
isra e lis auszulöschen, das heißt, physisch<br />
zu vernichten. Diesen Gefallen<br />
werden wir weder der Hamas noch<br />
irgendjemand anderem tun.<br />
ich werde die interviews mit den drei<br />
Palästinensern inhaltlich nicht kommentieren.<br />
Es ist aber zu bedauern,<br />
dass auf sieben Seiten kein Platz für<br />
interviews mit pa läs tinensischen Op -<br />
fern der Hamas, ganz zu schweigen<br />
von interviews mit israelischen Opfern<br />
der Terror-An grif fe, gefunden wurde .<br />
Andere internationale medien ha ben<br />
genau das gemacht, um die Schwie -<br />
rig keit und die Tragik der Situation<br />
ih ren Leserinnen zu präsentieren. Lei -<br />
der muss ich zur Erkenntnis kommen,<br />
dass genau das sehr weit von den Zie -<br />
len des ‘Profil’ in dieser Aus gabe war.<br />
*Anm.d. Redaktion: ’Profil’, das unabhängige<br />
Magazin Österreichs, hat sich leider nicht be reit<br />
erklärt diesen Artikel zu veröffentlichen.<br />
©JTA<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 13
WIRTSCHAFT<br />
Rupert Petry<br />
Alon Shklarek<br />
Fabriken ohne Aufträge<br />
Die Krise hat die Industrieunternehmen<br />
Osteuropas erreicht. Berater aus Wien<br />
suchen nach kurzfristiger Hilfe und<br />
nach strategischen Antworten.<br />
VON REINHARD ENGEL<br />
„Im Dezember ist die Krise in Ost eu ro pa<br />
angekommen.“ Robert Kremlicka leitet<br />
das Wiener Büro des globalen Stra te -<br />
gie-Beraters A.T.Kearney und arbeitet<br />
vorrangig für Unternehmen, die in<br />
der Region mittel- und Südost europa<br />
aktiv sind. „Wir waren selbst überrascht,<br />
wie schnell sich diese weltweit ausgebreitet<br />
hat.“<br />
noch im Herbst liefen die ma schi -<br />
nen zwischen Budapest, Belgrad und<br />
Bukarest weitgehend ohne Stottern,<br />
und mit Aufträgen aus dem starken<br />
Vorjahr ist nach wie vor ein Gutteil der<br />
industriebeschäftigten in Arbeit und<br />
Brot. Dann aber riss es abrupt ab.<br />
Krem licka: „Jetzt feilt praktisch jedes<br />
Ma nagement an einem Plan B, viele be -<br />
reits an einem Plan C.“ mit Plan B sind<br />
firmeninterne Budgetrechnun gen ge -<br />
meint, die von einem Auftrags-Rück -<br />
gang um 20 Prozent ausgehen, bei Plan<br />
C befürchten die Finanz vor stände<br />
schon drastische Einbrüche von 50 Pro -<br />
zent und mehr. <strong>2009</strong> dürfte grausam<br />
werden.<br />
Kremlicka bearbeitet die Region von<br />
Wien aus, wie andere seiner Bran chen -<br />
kollegen. Wien ist für die großen, welt -<br />
weit tätigen Consulter eine Art Brük -<br />
ken kopf nach Ost- und Südosteuro pa,<br />
heißen sie nun Boston Consulting<br />
Group, mc.Kinsey & Company, Booz<br />
Allen Hamilton oder A.T. Kearney.<br />
Von hier schicken auch weitere, regional<br />
wichtige Beratungs-Unternehmen<br />
ihre Spezialisten an die ungarischen,<br />
ru mänischen oder ukrainischen Stand -<br />
orte der Konzerne, etwa Roland Ber ger<br />
aus münchen oder das malik mana ge -<br />
ment Zentrum St. Gallen. Es gibt aber<br />
auch lokale Spezialisten mit internationaler<br />
Kundschaft wie ASP Con sul -<br />
ting, die für Riesen wie ABB, Swedish<br />
match, mobil Exxon oder Solvay<br />
arbeitet.<br />
Die vorsichtigen Schweizer in St.<br />
Gal len hatten übrigens zu jenen ge -<br />
zählt, die bereits im vorigen Frühjahr<br />
ihre Kunden systematisch auf die he -<br />
rannahende Krise aufmerksam zu ma -<br />
chen versuchten. martin Hag leitner,<br />
Wiener Geschäftsführer des malik ma -<br />
nagement Zentrums dam<strong>als</strong>: „Wir er -<br />
ar beiten schon für eine Reihe von Kun den<br />
Alternativ-Szenarien: Was machen wir bei<br />
einem 30-prozentigen Umsatz-Ein bruch?“<br />
Aber, so Hagleitner heute in der Rück -<br />
schau, viele wollten dam<strong>als</strong> Derar ti ges<br />
nicht hören, nach dem motto: Was<br />
nicht sein darf, kann auch nicht sein.<br />
„Hoffnung ist immer eine Strategie“,<br />
gibt auch Alon Shklarek ironisch <strong>als</strong><br />
Erklärung dafür, dass sich manche ma -<br />
nager gegen unliebsame Wahrheiten<br />
bis zu letzt quer legten. Aber er hat<br />
ebenso wie Hagleitner mit seiner ASP<br />
Consulting schon im Vorjahr eine Rei -<br />
he seiner internationalen Kunden auf<br />
die Krise vorbereitet. „Das war absehbar,<br />
wenn auch vielleicht nicht in der ganzen<br />
Schärfe. Seit einem Jahr gibt es diese<br />
Szen a rien – wo Divestments er fol gen<br />
könnten, falls der Markt dreht, welche<br />
Pro jekte dann noch Priorität haben, und<br />
welche zurückgestellt werden. Der größte<br />
Fehler ist, sich nicht vorbereitet zu haben,<br />
denn dann kann man in der Krise nicht<br />
schnell entscheiden. Jetzt geht es eben da -<br />
rum, diese Maßnahmen möglichst schnell<br />
und effizient umzusetzen.“<br />
Hartes Kostensenken lautet <strong>als</strong>o die<br />
Devise in den Unternehmen. Ohne hin<br />
schon schlanke Strukturen werden<br />
noch einmal genau durchforstet, um<br />
die Umsatz-Rückgänge beim Auf wand<br />
14 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
WIRTSCHAFT<br />
Robert Kremlicka<br />
wenigstens einigermaßen ab zu fan gen.<br />
A.T.Kearney-Chef Kremlicka: „Es gibt<br />
heute keinen Bereich, der sich nicht von<br />
der Krise betroffen sieht.“ Shkla rek war<br />
bei seinen Kunden noch nicht<br />
gezwungen, ganze Standorte in Ost -<br />
europa zu schließen, kennt derartige<br />
Fälle aber bereits.<br />
Und das Abspecken allein dürfte bei<br />
einer großen Zahl von industrief ir men<br />
auch nicht mehr reichen. Es gab teilweise<br />
schon vorher dünne Kapital -<br />
decken, manche lokale Rauchfänge<br />
waren nur mehr warm, weil die je -<br />
wei lige Regierung mit billigem Geld<br />
immer wieder über die Runden half.<br />
Das geht nun zu Ende. Roland Ber -<br />
ger-Partner Rupert Petry: „In einigen<br />
Ländern, etwa in Rumänien oder Kroa -<br />
tien, rechnen wir erstm<strong>als</strong> mit größeren<br />
Restrukturierungen wie sie anderswo<br />
schon längst gemacht wurden.“<br />
Sowohl in der industrie selbst <strong>als</strong><br />
auch in benachbarten Branchen, etwa<br />
der Logistik, erwarten die Berater eine<br />
Welle von Firmenzusammen brü chen<br />
oder Übernahmen. A.T. Kear neymann<br />
Kremlicka: „Selbst wenn Un ter -<br />
neh men billig sind, fehlt anderen oft das<br />
Geld, sie zu kaufen. Es wird <strong>als</strong>o vermehrt<br />
Allianzen geben oder Zusammen schlüs se.“<br />
mit Übernahmen rechnet auch ASP-<br />
Chef Shklarek: „Kapit<strong>als</strong>tarke Unter -<br />
neh men werden jetzt belohnt. Wenn je -<br />
mand schon vorher knappes Eigenkapital<br />
hatte und dann 50 Prozent vom Umsatz<br />
verliert, kann es sich nicht ausgehen.“<br />
Shklarek sieht eine Renaissance von<br />
privaten Kapitalbeteiligungen in un -<br />
ter schiedlichsten Formen, heißen sie<br />
jetzt mezzaninkapital, Wan del an lei hen<br />
oder Junior-debt-Konstruk tionen. Die<br />
Banken vergeben kaum Kredite, schon<br />
gar nicht zum Abdecken laufender<br />
Verluste, <strong>als</strong>o müssen die Unterneh -<br />
men andere Varianten suchen, um zu<br />
überleben.<br />
„Die Stunde der Käufer kommt be -<br />
stimmt,“ so Shklarek. Die smartes ten<br />
Unternehmer planen bereits für die<br />
Zeit des Aufschwungs, überlegen, wo<br />
sich die märkte zukünftig hinbewe -<br />
gen, was man eventuell dazukaufen<br />
könnte. Das ist aber noch die min -<br />
derzahl, die meisten kämpfen gerade<br />
hart mit der Krisenbewältigung.<br />
Lichter im Tunnel<br />
Trotz allem hektischen Krisenmanagement sind die Strategieberater für ganz Ost- und Südosteuropa weiterhin<br />
relativ optimistisch. in einem Großteil der Länder sollte es weiter Wachstum geben, wenn auch deutlich<br />
schwächer <strong>als</strong> zuletzt. Und nicht alle Branchen zeigen sich gleich betroffen.<br />
So rechnen zwar alle mit einem dramatischen Einbruch auf dem immobiliensektor. Beim privaten Hochbau,<br />
ob es jetzt Bürohäuser oder Einkaufszentren sind, wird im besten Fall fertig gebaut, was begonnen wurde. Für<br />
neue Projekte gibt es derzeit kein Geld. Ganz anders sieht die Situation im Bereich infrastruktur aus. Auch<br />
wenn in mehreren Ländern die Autobahnnetze weitgehend vollendet sind, jetzt ist die Bahn-modernisierung<br />
vonnöten. Und dafür werden mittel fließen, aus den jeweiligen nationalen Budgets wie aus Brüssel. Ähnliches<br />
gilt für den Umwelt-Bereich, wo die EU sowohl durch harte Grenzwerte <strong>als</strong> auch durch Fördermittel stimulierend<br />
wirkt. Gerade diese Branche sollte dem spezialisierten mittelstand in Österreich, Deutschland und der<br />
Schweiz Aufträge bescheren. Großen nachholbedarf sehen die Berater auch im Gesundheitswesen, gekauft wer -<br />
den Arzneimittel, Geräte aber auch Reorganisationsleistungen für die teils maroden Spitäler und Al ten hei me.<br />
Selbst für den industrieanlagenbau sind die Spezialisten in Wien nicht ganz pessimistisch. Gerade erst hat<br />
die Gaskrise drastisch vor Augen geführt, welche Rolle Energieeffizienz spielen kann, daher könnte hier auch<br />
verstärkt investiert werden. Über die Rolle der osteuropäischen Konsumenten und ihre Kaufkraft sind sich die<br />
Consulter nicht ganz einig: Wohl besteht nach wie vor enormer nachholbedarf. Aber vieles wurde in den letzten<br />
Jahren mit Privatkrediten gekauft, nicht bloß Wohnungen und Autos, selbst Fernseher, Waschmaschinen und<br />
Schlagbohrer. Und die Banken sind nicht nur den Unternehmen gegenüber knausrig geworden, sondern auch<br />
gegenüber den Privatkunden.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 15
POLITIK • AUSLAND<br />
UMFRAGE IN EUROPA:<br />
"Juden haben zu großen Einfluss auf Finanzwelt"<br />
Die Weltwirtschaftskrise und die is -<br />
raelische Offensive gegen die Hamas<br />
im Gazastreifen haben antisemitische<br />
Einstellungen in sieben europäischen<br />
Ländern beeinflusst. Das geht aus ei -<br />
ner aktuellen Umfrage der „Anti-De-<br />
famation League“ (ADL) hervor.<br />
Demnach geben 31 Prozent der Be frag -<br />
ten den Juden in der Finanz in dustrie<br />
die Schuld für die Finanz krise.<br />
Für die Umfrage wurden jeweils 500<br />
menschen in Deutschland, Großbri -<br />
tan nien, Spanien, Österreich, Ungarn,<br />
Frankreich und Polen befragt.<br />
Die Aussage „Juden haben zuviel Ein -<br />
fluss in der Geschäftswelt“ unterstützten<br />
insgesamt 40 Prozent der Be frag ten.<br />
in Großbritannien waren mit 15 Pro -<br />
zent die wenigsten menschen dieser<br />
meinung, gefolgt von Deutsch land mit<br />
21 Prozent. Die meisten Un terstützer<br />
dieser These fanden sich in Ungarn<br />
mit 67 Prozent. in Österreich waren<br />
es 36 Prozent (2007:37)<br />
Dass Juden zuviel Einfluss bei den internationalen<br />
Finanzmärkten haben, glaub -<br />
ten insgesamt 41 Prozent. mit 74 Pro -<br />
zent waren in Spanien die meisten Be -<br />
fragten dieser meinung. in Österreich<br />
waren es 37 Prozent (2007:43)<br />
insgesamt vertraten 44 Prozent der Um -<br />
frage teil neh mer die Ansicht, „Juden<br />
sprechen immer noch zu viel über das, was<br />
ihnen während des Holocaust angetan<br />
wur de". Auch hier waren mit 20 Pro -<br />
zent in Groß britannien die wenigsten<br />
Be frag ten dieser meinung - im Jahr<br />
2007 hatten noch 28 Prozent der Aus -<br />
sage zugestimmt. in Österreich waren<br />
es 55 Prozent (2007:54 Prozent). Die<br />
meisten Anhänger dieser Ansicht fanden<br />
sich mit 56 Prozent in Ungarn -<br />
das waren zwei Prozent weniger <strong>als</strong><br />
2007.<br />
insgesamt machten zudem 23 Pro zent<br />
der befragten Europäer die Juden für<br />
den Tod von Jesus verantwortlich. Eben -<br />
falls 23 Prozent gaben an, ihre mei -<br />
nung hinsichtlich der jüdischen Be völ -<br />
kerung werde durch die Politik des<br />
Staates israel beeinflusst.<br />
Verglichen mit einer Umfrage aus dem<br />
Jahr 2007 sind in Großbritannien die<br />
an ti-semitischen Einstellungen bei al len<br />
Fragen zurückgegangen. in den an de -<br />
ren sechs Staaten blieben diese wei test -<br />
gehend unverändert oder nah men zu.<br />
Die Umfrage wurde zwischen dem 1.<br />
Dezember 2008 und dem 13. Januar<br />
<strong>2009</strong> durchgeführt. Die Fehlerquote<br />
liegt bei etwa 4 Prozent.<br />
inn/red<br />
www.adl.org/PresRele/ASInt_13/5465_13.htm<br />
Randalierer verwüsteten<br />
Synagoge in Caracas<br />
Eine Gruppe bewaffneter Randalierer<br />
hat in der venezolanischen Haupt stadt<br />
Caracas eine Synagoge überfallen und<br />
verwüstet. Wie der Bund der is ra e liti -<br />
schen Vereinigungen Venezu elas (CA-<br />
iV) in einer Erklärung mitteilte, überwältigten<br />
etwa 15 männer zwei Wach -<br />
leute der Synagoge und richteten un ter<br />
anderem in der Bibliothek und verschiedenen<br />
Studienräumen erhebli -<br />
chen Schaden an. Dabei sei auch der<br />
Schrank mit der heiligen Schriftrolle<br />
Tora entweiht worden. Die Ein dring -<br />
lin ge sprühten zudem antisemitische<br />
Parolen an die Wände. Die Vereini -<br />
gung sprach von einem Akt des Van da -<br />
lis mus, der in der Geschichte Vene -<br />
zue las „beispiellos“ sei und der einen<br />
An griff auf alle Juden im Land darstelle.<br />
Der Vorfall sei eine Konse quenz<br />
der von der Regierung geschürten an -<br />
tijüdischen Stimmung: Venezuela hat te<br />
aus Protest gegen die israelische mi li -<br />
täraktion im Gazastreifen den Bot -<br />
schaf ter israels, Schlomo Cohen, des<br />
Lan des verwiesen. Staatschef Hugo<br />
Cha vez warf der israelischen Regie -<br />
rung „Völkermord“ vor.<br />
Venezuelas Außenminister nicolas<br />
ma duro verurteilte die Tat <strong>als</strong> „verbrecherisch“<br />
und versprach eine lü c ken -<br />
lose Aufklärung. Die venezolanische<br />
Regierung lehne derartige Vorfälle ge -<br />
nauso ab wie die „Verbrechen gegen das<br />
palästinensische Volk“, die von der re -<br />
gie renden Elite in israel begangen wür -<br />
den. Zugleich warnte der minister vor<br />
einer internationalen Kampagne, die<br />
Venezuela aufgrund seiner israel-Kri -<br />
tik in eine antisemitische Ecke stellen<br />
wolle. in Venezuela sei die Re legionsfrei<br />
heit verfassungsrechtlich garantiert,<br />
versicherte maduro.<br />
Kampagne gegen<br />
Internet-Handel mit<br />
Nazi-Symbolen<br />
Ein mann vor einem Computermo ni -<br />
tor, auf dessen H<strong>als</strong> anstelle des Kop fes<br />
ein Hakenkreuz prangt: Auf kle ber mit<br />
diesem Bild sind in Warschau derzeit<br />
an Haltestellen und auf Werbepla ka -<br />
ten zu sehen. Sie sollen die Bürger zur<br />
Unterzeichnung eines Appells an die<br />
größte polnischen internet-Börse www.<br />
allegro.pl bewegen, damit Gegenstände<br />
mit nazi-Symbolik aus den Auktio<br />
nen genommen werden.<br />
Die Unterschrif tenaktion ist Teil einer<br />
landesweiten Kampagne der Orga ni -<br />
sa tion „Nie wieder“ gegen den inter -<br />
net-Handel mit nazi-Symbolen, wie<br />
die Tageszeitung ‘Gazeta Wyborcza’<br />
berichtete.<br />
Den Appell unterzeichneten viele be -<br />
kannte polnische Persönlichkeiten,<br />
darunter Schriftsteller und Rocksän ger.<br />
Der initiator der Aktion, Dariusz Pacz -<br />
kowski, erklärte gegenüber der Zei tung,<br />
dass auf dem Auktionsportal www.<br />
allegro.pl alles angeboten wird, was<br />
das neonazi-Herz begehre, von SS-<br />
Ab zeichen bis zur Reichskriegs flag ge.<br />
Auf der internetseite kann man<br />
außerdem neonazi-Veröffentli chun -<br />
gen und CDs von Skinhead-Bands wie<br />
Konkwista 88 („88“ ist ein in neo na zi-<br />
Kreisen verbreiteter Code für „Heil<br />
Hit ler“) erwerben.<br />
Die Verantwortlichen des Unterneh -<br />
mens verweigern bisher jeden Dialog<br />
über die anrüchigen „Sammler stücke“,<br />
wie sie im internet bezeichnet werden.<br />
„Die genannte Auktionen verletzen<br />
das Reglement von Allegro nicht“, weil<br />
sie nicht zum Hass aufgrund von Ras -<br />
se, Ethnie, nationalität oder Religion<br />
anspornten. Sie könnten nur in diesem<br />
Fall verboten werden, so die Antwort<br />
des internetanbieters. Das betont auch<br />
der Pressesprecher des Port<strong>als</strong>, Pa tryk<br />
Tryzubiak. „Zum Hass spornen nicht Ge -<br />
genstände, sondern Menschen an. Und das<br />
polnisches Recht verbietet das Ver kau fen<br />
von Gegenständen mit dem Hakenkreuz<br />
nicht“, sagte er gegenüber der Zei tung.<br />
Die Aufkleber sind nur der An fang<br />
einer größeren Aktion. im Früh ling<br />
möchte die Organisation „nie wieder“<br />
Graffiti in den größten polnischen<br />
Städten anbringen.<br />
16 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
nach der Beschlagnahme der um strit -<br />
tenen neuen Wochenpublikation „Zei-<br />
tungszeugen“ müssen voraussichtlich<br />
die deutschen Gerichte über die Zu -<br />
kunft des nS-Forschungsprojekts ent -<br />
scheiden. Der englische Herausgeber<br />
Peter mcGee legte Beschwerde ein und<br />
will notfalls bis zum Bundesverfas -<br />
sungs gericht ziehen. Er wolle eine<br />
mög lichst rasche gerichtliche Klä rung,<br />
sagte mcGee in münchen. Bis dahin<br />
werde es keine nachdrucke mehr<br />
geben, die zu einer Konfrontation<br />
mit der bayerischen Staatsregierung<br />
führen könnten.<br />
Er wolle weiter kommentierte Origi -<br />
nal-nachdrucke historischer Zeitun gen<br />
der Jahre 1933 bis 1945 herausgeben,<br />
sagte mcGee. Es gehe um die unmit -<br />
tel bare Begegnung mit Dokumenten<br />
von dam<strong>als</strong>, die allerdings eingebettet<br />
seien in einen redaktionellen Teil. Dies<br />
könne damaligen Alltag direkter vermitteln<br />
<strong>als</strong> Lehrbücher. Sollten die Ge -<br />
richte aber entscheiden, dass das Pro -<br />
jekt mit den Gesetzen der Bundes re -<br />
publik Deutschland nicht vereinbar<br />
sei, werde es gestoppt. in acht anderen<br />
Ländern sei die Publikation er folg -<br />
reich gewesen, unter anderem in Ös -<br />
terreich. Gegen mcGee wird wegen<br />
Ver wendens von Kennzeichen verfassungswidriger<br />
Organisationen und<br />
Ver stoßes gegen das Urheberrechts ge -<br />
setz ermittelt. Die dritte Ausgabe von<br />
„Zeitungszeugen“ zum Ermäch ti -<br />
gungs gesetz von 1933 und dem Ende<br />
der Demokratie erschien <strong>als</strong> „Son der -<br />
nummer“ ohne Beilage mit dem Auf -<br />
druck „zensiert“. Die nächste Aus gabe<br />
soll wieder historische nach drucke<br />
enthalten, jedoch keine des früheren<br />
nS-Verlages Franz Eher, an dem seit<br />
dem Verbot der nSDAP das bayerische<br />
Finanzministerium die Rechte<br />
hält. „Die Materialen gibt es, sie sind Teil<br />
unserer Geschichte - wie gehen wir damit<br />
um?“, sagte Chefredakteurin Sandra<br />
Paweronschitz. mcGee sagte, er stelle<br />
sich die Frage: „Was passiert hier? Ist das<br />
eine große Überreaktion der bayerischen<br />
Staatsregierung - oder haben wir das wirk -<br />
lich unterschätzt?“ Er <strong>als</strong> Engländer<br />
könne nicht entscheiden: „Wie wollen<br />
Sie mit dem schwierigen material um -<br />
gehen?“<br />
POLITIK • AUSLAND<br />
„Zeitungszeugen“ -<br />
Umstrittene Publikation beschlagnahmt<br />
Das nS-<br />
For schung s projekt, das<br />
von ei nem Beirat aus Wis sen -<br />
schaft lern begleitet wird, sehe das<br />
Beilegen der nachdrucke <strong>als</strong> zulässig<br />
an, betonte Anwalt Ulrich michel. Er<br />
gehe davon aus, dass die Beschwerde<br />
kommende Woche beim Landgericht<br />
münchen vorliege und rasch bearbeitet<br />
werde. nach dem Urheberrecht sei<br />
auch das Zitieren ganzer Werke er -<br />
laubt. Ver wer tungsinteressen Bayerns<br />
würden nicht verletzt, da dieser kein<br />
oder zu mindest kein auf Profit gerichtetes<br />
Ver wertungsinteresse habe. Die<br />
Veröf fent lichung der früheren Hetzund<br />
Pro pa gandamittel eingebunden<br />
in einen erklärenden mantel sei auch<br />
durch die Pressefreiheit und die Frei -<br />
heit von Wissenschaft und Lehre ge -<br />
deckt.<br />
Der Journalismusforscher Horst Pött ker,<br />
mitglied im Beirat von „Zeitungs zeu -<br />
gen“, sagte, es sei es an der Zeit, die<br />
Do kumente von da m<strong>als</strong> zu ver öf -<br />
fent li chen.<br />
„Eine Dis kus -<br />
s i o n<br />
anzuregen<br />
kann<br />
ja wohl<br />
nicht verkehrt<br />
sein.“<br />
Es ge he da -<br />
rum, „das ge -<br />
samte Spek trum<br />
der Pres se von<br />
da m<strong>als</strong> zugänglich<br />
zu ma chen“. So lag<br />
der beschlagnahm -<br />
ten nummer 2, in<br />
der es um den<br />
Reichs tags brand ging,<br />
nicht nur das nazi-<br />
Blatt ‘Völki s cher Beobach ter’, sondern<br />
auch der so zial de mo kra tische ‘Vor-<br />
wärts’ und die bürgerliche ‘Vossische<br />
Zeitung’ bei. Geplant seien auch nach -<br />
drucke von jüdischen Exil zei tungen<br />
oder ausländischen Blät tern, die das<br />
Geschehen in Deutsch land dokumentierten.<br />
Laut mcGee wurden bei der<br />
Beschlagnah me aktion am vergangenen<br />
Wochen en de bundesweit 10.000<br />
bis 30.000 Exem p lare beschlagnahmt.<br />
Konferenz europäischer Rechtsparteien in Wien<br />
nachdem die auf Einladung der FPÖ in Wien zustande gekommene Kon fe -<br />
renz europäischer Rechtsparteien zu Ende gegangen ist, zeigen sich der freiheitliche<br />
Bundesparteiobmann HC Strache und der FPÖ-EU-Ab ge ord ne te<br />
An dre as Mölzer über einen weiteren Ausbau der Kooperation sehr zuversichtlich.<br />
Gäste der FPÖ waren Vertreter aus der Schweiz, aus Dänemark,<br />
italien, Bel gi en, Frank reich, Bulgarien, Deutschland, Serbien und Russland.<br />
Konkret nahmen Walter Wobmann, nationalrat der Schweizer Volkspartei, Mo -<br />
gens Camre, EU-Ab geord ne ter der Dänischen Volkspartei, Philip Claeys vom Vlaams<br />
Belang, und Prof. Bruno Gollnisch <strong>als</strong> EU-Abgeordneter teil, außerdem noch<br />
Vertreter von „pro Köln“, bzw. „pro nRW“.<br />
Besonders erfreut zeigten sich Strache und mölzer über einen möglichen Bei -<br />
tritt der FPÖ zur EU-Parlamentsfraktion „Europa der nationen“ - die Frak -<br />
tion ist derzeit die viertstärkste im EU-Parlament, und könnte nach einem<br />
guten Ab schneiden nach der EU-Wahl im Juni mit freiheitlicher Unter stüt -<br />
zung gar zu drittstärksten werden. „Man sieht, in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten<br />
Grup pen können wir in Europa die dritte politische Kraft werden", zeigt<br />
sich Strache sehr erfreut und kündigt abschließend an, ausgehend von der<br />
aktuellen Konferenz die Zusammenarbeit und die Beziehungen zu positiven<br />
Kräften auszubauen.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 17
POLITIK • KRIEGSVERBRECHER<br />
Der Fall<br />
Arbert Heim<br />
Aktentasche soll Rätsel über<br />
NS-Verbrecher Heim lösen<br />
Eine Aktentasche voller Dokumente<br />
soll die letzten Rätsel über das Ende<br />
des meistgesuchten nS-Verbrechers<br />
Ari bert Heim klären. Ein Rechts an walt<br />
habe die schriftlichen Unterla gen, die<br />
dem früheren KZ-Arzt zugeordnet<br />
wer den, dem Landeskriminalamt Ba -<br />
den-Württemberg übergeben, teilte<br />
die Behörde mit. Zielfahnder erhoffen<br />
sich von den Papieren Aufschluss<br />
über den vermuteten Tod von Aribert<br />
Heim 1992 in Kairo. So soll sich in der<br />
Ak tentasche auch eine - allerdings auf<br />
Arabisch verfasste - Abschrift der Ster -<br />
beurkunde befinden. Die Unter la gen<br />
würden auch auf Fingerab drü c ke von<br />
„Dr. Tod“ untersucht. Die Echt heit der<br />
Dokumente sei noch nicht ge klärt, die<br />
kriminaltechnischen Unter su chun gen<br />
stünden noch aus. Weiter warten muss<br />
das LKA auch auf eine Reise nach<br />
Ägyp ten, wo nach sterbli chen Überresten<br />
des nS-Verbrechers ge sucht<br />
werden soll. Die Behörden in Ägypten<br />
hätten bisher keine Erlaub nis<br />
erteilt, hieß es.<br />
Heim soll 30 Jahre lang in Ägypten<br />
ge lebt und dort 1992 im Alter von 78<br />
Jahren an Krebs gestorben sein. Dies<br />
wird jedoch von Fahndern und nazi-<br />
Jägern infrage gestellt.<br />
APA/dpa<br />
Ärzte <strong>als</strong> Mörder - Menschenversuche in Konzentrationslagern<br />
Bei medizinischen Menschenver suchen<br />
wur den während der Nazi-Herr schaft in vielen<br />
Konzentra tions la gern Häftlinge ge quält.<br />
Zehntausen d e wur den dabei er mordet. Die<br />
Ärzte für die unterschiedlich sten Experi men -<br />
te ka men aus der SS, der Wehrmacht oder<br />
aus Universitäten. Man che Ver su che sollten<br />
„kriegswichtige“ Fragen klären, andere wa ren<br />
<strong>als</strong> Bau stei ne für wissenschaftliche Kar rie -<br />
ren ge dacht.<br />
Alle Experimente waren nur im KZ mög -<br />
lich, wo der Forschung keine Schran ken ge -<br />
setzt wurden. Die meisten Ver su che waren<br />
bewusst auf den Tod der Op fer ausgerichtet.<br />
Bevor zugt wählten die Me di ziner nach der<br />
Nazi-Ideologie <strong>als</strong> „le bens un wert“ eingestufte<br />
Häftlin ge, wie zum Bei spiel Ro ma- und<br />
Sinti-Zwil lin ge, jü di sche Kin der oder russische<br />
Kriegs ge fan ge ne.<br />
Rund 350 Ärzte waren an me dizi ni schen<br />
Versuchen in KZs be tei ligt.Nur ein geringer<br />
Teil von ihnen muss te sich nach dem Krieg<br />
vor Ge richt verantworten, vie le arbeiteten<br />
auch nach 1945 <strong>als</strong> Arzt. Im Nürn ber ger<br />
„Ärzteprozess“ 1946/47 wurden von 23 An -<br />
geklagten sie ben zum Tode verurteilt und<br />
sieben freigesprochen, die übrigen erhielten<br />
Haft strafen.<br />
Josef Mengele - Er gilt <strong>als</strong> einer der skrupellosesten<br />
Ärzte. Im Vernichtungs la ger Au -<br />
schwitz tötete er bei Versuchen zahl reiche<br />
Menschen. Zu seinen Spe zial gebieten ge -<br />
hör ten Infektions ver su che mit Typhus bakterien<br />
an eineiigen Zwil lin gen. Er amputierte ihnen<br />
Glie der, schnitt ih nen Organe aus dem Kör -<br />
per oder er schoss sie, um Krank heits herde<br />
besser beobachten zu können.<br />
Men ge le wurde nie vor Gericht ge stellt. Er<br />
konnte sich nach Südame ri ka absetzen, wo<br />
er 1979 starb.<br />
Aribert Heim - Der <strong>als</strong> „Doktor Tod“ berüchtigte<br />
Heim quälte <strong>als</strong> KZ-Arzt in Sachsen hau -<br />
sen, Buchenwald und Maut hausen Men -<br />
schen. In Mauthau sen soll er hunderte mit<br />
Injek tio nen ins Herz umgebracht ha ben.<br />
Nach dem Krieg arbeitete er <strong>als</strong> Frau enarzt<br />
und ist seit 1962 auf der Flucht.<br />
Sigmund Rascher - Weil man für die Marine<br />
wissen wollte, wie lange ein Mensch in kaltem<br />
Was ser überleben kann, ließ der KZ-<br />
Arzt in Dachau Menschen in Eis bec ken liegen,<br />
bis sie tot waren. Um In for ma tio nen für die<br />
Luft fahrt zu er halten, wurden Häftlinge in<br />
Un ter druck kammern ge steckt, bis sie an der<br />
Hö hen krankheit starben.<br />
Claus Schillung - Der Tropenmediziner Cbe -<br />
trieb in Dachau eine Malaria-Ver such s sta ti on,<br />
bei der etwa 1.100 Men schen infiziert wurden<br />
- Hunderte starben.<br />
Prof. Karl Gebhardt - Er ließ Häftlingen in<br />
Ra vensbrück unter anderem Gas brand- und<br />
Tetanuserreger injizieren, um die Wir kung von<br />
Medikamenten zu erproben.<br />
Carl Clauberg - Der Gynäkologe experimentierte<br />
in Auschwitz an Massen s te ri li sa tio nen<br />
ohne Operation und ließ dazu Frauen ohn e<br />
Betäubung ät zende Sub stan zen in die Ge bär -<br />
mutter spritzen. In Sachsenhausen wur den<br />
jüdische Kinder mit Hepatis infiziert, bei an -<br />
de ren Gefan ge nen wurden Versuche mit den<br />
Giftga sen Lost und Phosgen gemacht. In Bu -<br />
chen wald gab es Versuchsreihen mit bis zu<br />
800 künstlich infizierten Russen, an de nen<br />
Fleckfieberimpfstoffe erprobt wurden.<br />
Wiesenthal-Center übergab Ägypten Nazi-Liste<br />
Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat eine Liste mit den namen von 29 nS-Ver -<br />
bre chern an die ägyptische Bot schaft in Tel Aviv übergeben. Die zum Teil prominenten<br />
nazis sollen in Ägypten untergetaucht sein. „Wir hoffen, dass uns die<br />
ägyptischen Behörden bei der Überprüfung des Todes von Heim hel fen werden. Eine<br />
Bestätigung der In for mati on über die anderen NS-Täter in Ägyp ten ist von großer historischer<br />
Be deu tung. Es wird aber kaum zu neuen Straf verfahren kommen,“ erklärte der<br />
Leiter des Jerusa le mer Büros des Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff.<br />
neben Ari bert Heim stehen zwei enge mitarbei ter des in israel hingerichteten<br />
nS-Verbrechers Adolf Eichmann, Alois Brunner und Franz Abromeit, auf der<br />
Lis te. Außerdem scheinen darauf der stellvertretende Lagerkommandant des<br />
KZ Sobibor, Gustav Wagner, der später in Brasilien Selbstmord verübte, der Ges -<br />
tapochef von Kattowitz (Ka to wice), Rudolf Mildner, und der Kom man dant des<br />
KZ Janowska, Fried rich Warzok auf.<br />
red<br />
18 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • KRIEGSVERBRECHER<br />
Ermittler können Dienstausweis von<br />
KZ-Aufseher Demjanjuk prüfen<br />
US-Behörde bietet Überstellung des Beweisstücks an<br />
Der Fall<br />
im Fall des mutmaßlichen KZ-Auf se -<br />
hers John Demjanjuk können die Er -<br />
mitt ler laut einem Zeitungsbericht des -<br />
sen Dienstausweis auf Echtheit prü fen.<br />
Das deutsche nachrichtenmagazin<br />
„Der Spiegel“ berichtet, dass die US-<br />
Sonderermittlungsbehörde für nS-<br />
Verbrechen und menschenrechts ver -<br />
let zungen anbiete, den von der SS aus -<br />
ge stellten „Dienstausweis nr. 1393“<br />
sofort zu Analysen nach Deutschland<br />
zu schicken. Ein Sprecher der zuständigen<br />
Staatsanwaltschaft münchen i<br />
bestätigte der AP, dass ein solches An -<br />
gebot vorliegt.<br />
Demjanjuk war nach den Ermitt lun -<br />
gen der Zentralen Stelle der Landes -<br />
jus tiz verwaltungen zur Aufklärung<br />
nation<strong>als</strong>ozialistischer Verbrechen in<br />
Ludwigsburg 1943 im Vernichtungs la -<br />
ger Sobibor Aufseher. 1952 kam er in<br />
die USA und erhielt 1958 die amerikanische<br />
Staatsbürgerschaft, die ihm in -<br />
zwischen aberkannt wurde. Er kämpft<br />
nun gegen seine Ausweisung. Da sich<br />
der gebürtige Ukrainer Dem jan juk<br />
1951 mehrere monate in einem Lager<br />
bei münchen aufhielt, hatte der Bun -<br />
des gerichtshof im Dezember dem<br />
Land gericht münchen ii das Verfah ren<br />
übertragen. Die Staatsanwalt schaft<br />
prüft nun, ob sie Anklage erhebt. Laut<br />
© ZST Lundwigsburg<br />
„Spiegel“ weist das Dokument den<br />
heute 88-Jährigen <strong>als</strong> KZ-Auf se her der<br />
„Trawnikis“ aus, einer Grup pe von<br />
rund 5.000 Balten und anderen Aus -<br />
ländern, die für die nazis arbeiteten.<br />
Der Chef der amerikanischen Be hör -<br />
de, Eli Rosenbaum, zeigte sich laut<br />
„Spiegel“ befremdet darüber, dass in<br />
Deutschland immer noch Gerüchte<br />
über Zweifel an der Echtheit des Aus -<br />
wei ses kursierten. Dem Bericht zu folge<br />
hatten BKA-Angehörige im Um feld<br />
eines früheren Verfahrens gegen Dem -<br />
janjuk in israel 1987 Auffälligkeiten an<br />
dem Ausweis bemerkt, die die Authen<br />
tizität in Frage stellten. Ein Gut -<br />
ach ten über die Echtheit habe es seinerzeit<br />
vom BKA aber nicht gegeben.<br />
Rosenbaum sagte, der Ausweis sei in<br />
den USA und in israel vielfach forensisch<br />
geprüft, mit anderen Dokumen -<br />
ten verglichen und von allen Exper ten<br />
für echt befunden worden. Der Spre -<br />
cher der Staatsanwaltschaft i in mün -<br />
chen, Anton Winkler, sagte der AP, der<br />
Ausweis sei noch nicht eingetroffen,<br />
aber es gebe ein entsprechendes An -<br />
ge bot der US-Behörde. Die Staatsan -<br />
walt schaft wolle noch Beweismittel<br />
prüfen und einen Zeugen befragen,<br />
be vor sie über die Anklageerhebung<br />
entscheide.<br />
APA<br />
Demjanjuk<br />
Demjanjuk wurde in der Ukraine<br />
ge bo ren und 1941 <strong>als</strong> Soldat zur<br />
Roten Armee eingezogen. 1942 geriet<br />
er in deutsche Kriegsgefangen schaft.<br />
Dann absolvierte er eine Aus bil dung<br />
zum Wach mann im SS-Lager Traw ni -<br />
ki in der nähe der polnischen Stadt<br />
Lub lin. Von Ende märz bis mit te Sep -<br />
tem ber 1943 habe er im Vernich tungs -<br />
lager So bibor seinen Dienst verrichtet.<br />
in dieser Zeit soll er an der Er mor -<br />
dung von mindestens 25.000 Juden<br />
aus Hol land, Po len und Deutschland<br />
beteiligt ge we sen sein.<br />
Demjanjuk kam 1952 in die USA und<br />
erhielt 1958 die amerikanische Staats -<br />
bür gerschaft. 1981 wurde sie ihm erst -<br />
m<strong>als</strong> aberkannt. Als Demjanjuks mit -<br />
wirkung am Holocaust Ende der 70er<br />
Jahre bekanntwurde, lieferten ihn die<br />
USA 1986 an israel aus. Dort wurde er<br />
wegen seiner angeblichen Tätig keit <strong>als</strong><br />
be sonders grausamer Wachmann „Iwan<br />
der Schreckliche“ im Ver nich tungs la ger<br />
Treblinka angeklagt und 1988 zum To -<br />
de verurteilt. Der Oberste Gerichtshof<br />
israels sprach Dem janjuk aber 1993<br />
vom Vor wurf, „iwan der Schreck li -<br />
che“ in Treblinka gewesen zu sein, frei,<br />
da seine iden ti tät nicht si cher geklärt<br />
werden konnte. nach dem Pro zess<br />
kehrte Demjanjuk in die USA zu rück.<br />
Verschiedene Ge richts verfah ren führten<br />
zur erneuten Aber ken nung der<br />
ame rikanischen Staats bür ger schaft. red<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 19
POLITIK • VATIKAN<br />
Beziehungen Vatikan-Israel - Eine Chronologie<br />
Papst Benedikt XVI. könnte <strong>2009</strong> in das<br />
Heilige Land reisen und einer of fi ziellen<br />
Einladung der israelischen Re gierung Fol -<br />
ge leisten. Einige historische Kernda ten<br />
des schwierigen Verhältnisses:<br />
❚ 1904: Theodor Herzl versucht ohne<br />
Erfolg, Papst Pius X. für den Plan ei -<br />
ner Heimstatt der Juden in Palästina<br />
(das Teil des Osmanischen Reiches ist)<br />
zu gewinnen. Pius X. erklärt: „Sank-<br />
tio nieren können wir das niem<strong>als</strong>“.<br />
❚1917: nach der „Balfour-Deklara ti on“<br />
(Zusage des britischen Außen mi nis ters<br />
James Balfour einer Unterstützung<br />
für die Errichtung einer jüdischen<br />
„nationalen Heimstätte“ in Palästina)<br />
warnt Papst Benedikt XV. davor, den<br />
Juden im Heiligen Land eine „ihnen<br />
nicht zukommende Vorrangstellung“<br />
einzuräumen. Der Heilige Stuhl be -<br />
streitet ein aus der Bibel ableitbares<br />
Recht der Juden auf einen Staat.<br />
❚1947/48: Der UnO-Teilungsbe -<br />
schluss für das britische mandat<br />
Palästina sieht einen jüdischen und<br />
einen arabischen Staat sowie die<br />
internationalisierung von Jerusalem<br />
vor. Papst Pius Xii. fordert in seiner<br />
Enzyklika „in multiplicibus“ einen<br />
internationalen Status für Jerusalem.<br />
❚1958: nach seiner Wahl streckt<br />
Papst Johannes XXiii. den Juden die<br />
Hand zur Versöhnung aus. Strei -<br />
chung der Formulierung von den<br />
„treulosen Juden“ (Perfidis Judaeis)<br />
aus der Karfreitagsliturgie.<br />
❚1962-65: Das Zweite Vatikanische<br />
Kon zil betont das „gemeinsame Erbe“<br />
von Juden und Christen. Die Erklä -<br />
rung „Nostra Aetate“ beklagt „alle<br />
Hassausbrüche, Verfolgungen und Mani -<br />
fes tationen des Antisemitismus“.<br />
❚ 1964: Papst Paul Vi. besucht das<br />
Hei lige Land. Er wird in Jordanien und<br />
israel empfangen. Der Vatikan spricht<br />
aber offiziell nicht vom Staat israel.<br />
❚1967: Der Papst fordert nach dem<br />
Sechstagekrieg einen international ga -<br />
rantierten Sonderstatus für Jerusa lem<br />
(dessen Ostteil von israel erobert<br />
wird.)<br />
❚1973: israels ministerpräsidentin<br />
Gol da meir wird vom Papst empfangen.<br />
❚1977: Der Papst bittet israel in ei -<br />
nem offiziellen Briefwechsel um Frei -<br />
las sung des wegen Waffenschmug gels<br />
für die Palästinenser inhaftierten melkitisch-katholischen<br />
Erzbischofs Hila -<br />
rion Capucci. Beobachter sehen darin<br />
eine De-facto-Anerkennung des Staa -<br />
tes israel durch den Heiligen Stuhl.<br />
❚1978: An der Amtseinführung von<br />
Papst Johannes Paul ii. nimmt eine<br />
offizielle israelische Delegation teil.<br />
❚1979: Der Papst bezeichnet bei ei -<br />
nem Besuch in Auschwitz das einstige<br />
KZ <strong>als</strong> „Golgotha unserer Zeit“.<br />
❚1980: Der Vatikan protestiert gegen<br />
ein israelisches Gesetz, das „ganz Je ru -<br />
salem“ zur „Hauptstadt israels“ er -<br />
klärt.<br />
❚1982: Der Vorsitzende der Pa läs ti -<br />
nen sischen Befreiungsorganisation<br />
(PLO), Yasser Arafat, wird erstm<strong>als</strong><br />
vom Papst empfangen.<br />
❚1984: in dem Apostolischen Schrei -<br />
ben „Redemptoris anno“ spricht Jo han -<br />
nes Paul ii. erstm<strong>als</strong> in einem Do ku -<br />
ment vom „Staat israel“.<br />
❚1985: israels Premier Shimon Peres<br />
wird vom Papst empfangen.<br />
❚1986: Als erster Papst besucht Jo han -<br />
nes Paul ii. offiziell eine Syna go ge.<br />
Bei dem Synagogen-Besuch in Rom<br />
be zeichnet er die Juden <strong>als</strong> „ältere<br />
Brüder im Glauben“.<br />
❚1987: Der Papst ernennt den Paläs -<br />
ti nenser Michel Sabbah zum Lateini -<br />
schen Patriarchen von Jerusalem.<br />
❚1993: israels aschkenasischer Groß -<br />
rab biner israel meir Lau besucht den<br />
Papst in Castel Gandolfo.<br />
❚1994: Der Heilige Stuhl nimmt di plo -<br />
matische Beziehungen mit dem Staat<br />
israel und offizielle Beziehungen mit<br />
der PLO auf.<br />
❚1998: Der Papst erlässt das Do ku -<br />
ment „Wir gedenken: Eine Reflexion über<br />
die Shoah“. „Wir bedauern zutiefst die Irr -<br />
tümer und Fehler der Söhne und Töchter<br />
der Kirche“, heißt es in dem Text.<br />
❚2000: Der Vatikan schließt einen<br />
Grund lagenvertrag mit der palästinensischen<br />
Regierung und bekräftigt die<br />
Forderung nach einem international<br />
ga rantierten Sonderstatus für Jerusa -<br />
lem. Der Papst spricht eine historische<br />
Vergebungsbitte für die Verfeh -<br />
lun gen der Christen in der Geschichte<br />
aus. Dabei werden auch die „Sün den“<br />
genannt, die nicht wenige Christen<br />
„gegen das Volk des Bundes und der Selig -<br />
preisungen begangen haben“. Der Papst<br />
reist ins Heilige Land und betet an<br />
der Klagemauer in Jerusalem.<br />
❚2002: Schwerer Konflikt um die Be -<br />
la gerung der Bethlehemer Geburts -<br />
kir che durch die israelische Armee.<br />
Dis sonanzen beim Besuch des israelischen<br />
Präsidenten moshe Katzav im<br />
Vatikan.<br />
❚2003: Johannes Paul ii. verurteilt den<br />
Bau der israelischen Sperranlage im<br />
Westjordanland scharf; man brauche<br />
für einen Frieden „Brücken und keine<br />
Mauern oder Zäune“. Premier Ariel<br />
Sharon trifft bei einem Rom-Besuch<br />
nicht mit dem Papst zusammen.<br />
❚2004: Der Vatikan verurteilt erneut<br />
den Sperrwall: Die Palästinenser steck -<br />
ten in einem „riesigen Gefängnis“.<br />
❚2005: israelische Angriffe auf Papst<br />
Benedikt XVi. werden vom Vatikan<br />
scharf zurückgewiesen. Die beiden<br />
Groß rabbiner laden den Papst nach<br />
Jerusalem ein. Der Papst empfängt<br />
Katzav. Der neue palästinensische<br />
Präsident mahmoud Abbas wird vom<br />
Papst empfangen.<br />
❚2008: Der Apostolische nuntius in<br />
israel, Antonio Franco, betont, ein Be -<br />
such des Kirchenoberhauptes im Hei -<br />
ligen Land sei erst dann möglich, wenn<br />
es große Fortschritte im Friedens pro -<br />
zess zwischen israelis und Palästi nen -<br />
sern geben würde. Auch müsse sich<br />
die Situation der Christen in israel<br />
deutlich verbessern. irritationen we -<br />
gen Karfreitagsfürbitte in dem vom<br />
Papst wieder zugelassenen vorkonziliaren<br />
„alten Usus“ („Lasset uns auch<br />
beten für die Juden, auf dass Gott unser<br />
Herr ihre Herzen erleuchtet, damit sie<br />
Jesus Christus erkennen, den Retter aller<br />
Menschen“) und Würdigung von Papst<br />
Pius Xii. anlässlich seines 50. To des -<br />
tages durch Benedikt XVi.<br />
APA<br />
20 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • VATIKAN<br />
Papst Benedikt XVi. hat jede Leug -<br />
nung des Holocausts zurückgewiesen.<br />
Das gelte insbesondere dann,<br />
wenn der millionenfache mord der<br />
na zis an den Juden von Geistlichen<br />
bestritten oder in seinen Ausmaßen<br />
kleingeredet werde, so das Kirchen -<br />
ober haupt laut Reuters in Anspielung<br />
auf Holocaust-Leugner Bischof Ri -<br />
chard Williamson. Bei dem Treffen<br />
mit den Präsidenten der größten jü di -<br />
schen Organisationen der USA bat<br />
der Papst nach den Worten seines<br />
Vorgängers Johannes Paul ii. außerdem<br />
um „Verzeihung“ für diejenigen,<br />
die in der Geschichte dem jüdischen<br />
Volk großes Leid zugefügt haben, wie<br />
im Falls des Holocausts. Der Papst<br />
kündigte auch öffentlich an, dass er<br />
eine Reise nach israel plane.<br />
Der Papst betonte, er bereite sich auf<br />
einen Besuch ins Heilige Land, vor,<br />
weil für die Christen, sowie für die<br />
Juden die Wurzeln ihres Glaubens dort<br />
liegen. Der Papst nannte jedoch kein<br />
Datum für die Reise. Laut Kathpress<br />
wird erwartet, dass der Besuch in is -<br />
rael und den Palästinensergebieten<br />
vom 11. bis 15. mai stattfindet. Unbe -<br />
stä tigten informationen zufolge will<br />
sich der Papst zuvor in Jordanien aufhalten.<br />
Eine Reise des Papstes ins Hei -<br />
lige Land war nach Einschätzung von<br />
Rabbiner David Rosen „noch wichtiger<br />
für die jüdisch-christlichen Beziehun gen“<br />
geworden.<br />
„Die Shoah war ein Verbrechen gegen<br />
Gott und die Menschheit“, und die Sho -<br />
ah ist „ein schreckliches Kapitel unserer<br />
Geschichte, das nie vergessen werden darf,<br />
weil sie eine Mah nung für unsere Zu kunft<br />
ist“, sagte der Papst. Dies sollte jedem<br />
klar sein, vor allem denjenigen, die die<br />
Tradi ti on der Heiligen Schriften anerkennen<br />
und der Ansicht sind, dass je -<br />
des mensch liche Wesen nach dem Bild<br />
Got tes ge schaf fen wurde, sagte der<br />
Papst bei der Au dienz mit der Dele ga -<br />
tion der ‘Con ference of Presidents of<br />
the major Ame rican Jewish Orga ni za -<br />
tions’. „Jeg li che Form von Negierung,<br />
oder Minimierung dieses schrecklichen<br />
Verbrechens ist unerträglich und unannehmbar“,<br />
erklärte der Papst.<br />
Die historische Vergebungsbitte Jo -<br />
hannes Pauls ii. im Jahr 2000 an der<br />
Klagemauer in Jerusalem sei ein Leit -<br />
bild für die Beziehungen der katholischen<br />
Kirche zum Judentum, erklärte<br />
© L'Osseravtore Romano<br />
Papst verurteilte Holocaust-Leugnung:<br />
„Shoah war ein Verbrechen“<br />
Benedikt XVi. laut Kathpress. Er ma -<br />
che sich die Worte seines Vorgän gers<br />
zu eigen, mit denen dieser um Ver zei -<br />
hung gebeten und die „tiefe Brü der lich -<br />
keit mit dem Volk des Bundes“ un ter stri -<br />
chen habe, so der Papst. Er be kräf tig te,<br />
die Kirche müsse sich entschieden je -<br />
der Juden feind lich keit wi der setzen.<br />
Die Kirche sei zu tiefst in der Be kämp -<br />
fung jeglicher Form von Antisemi tis -<br />
mus engagiert. „Die Kirche verpflichtet<br />
sich zutiefst und unaufgebbar, jeden An ti -<br />
semitismus zu rück zuweisen, und den Auf -<br />
bau guter und dauerhafter Bezie hun gen<br />
zwischen unseren beiden Gemein schaf ten<br />
voranzubringen“, sagte Benedikt XVi.<br />
Die Shoah dürfe nie vergessen werden.<br />
„Es steht außer Frage, dass jede Leug -<br />
nung oder Verharmlosung dieses schrecklichen<br />
Verbrechens untolerierbar und völlig<br />
unannehmbar ist“, so der Papst. Der<br />
Papst bezeichnete den Zwei ten Va ti -<br />
ka nischen Konzil <strong>als</strong> „mei lenstein“ in<br />
den Beziehung zwischen Juden und<br />
Katholiken. „2000 Jahre Geschichte der<br />
12.02.09 - Mitglieder der „Conference of President<br />
of Major Amercan Jewish Organozations“ im Vatikan<br />
Beziehungen zwischen Kirche und Juden -<br />
tum haben unterschiedliche Phasen<br />
erlebt, einige davon schmerzhaft zu erinnern.<br />
Jetzt, wo wir in der Lage sind, uns<br />
in einem versöhnlichen Klima zu treffen,<br />
dürften wir den Schwierigkeiten der Ver -<br />
gangenheit nicht erlauben, uns da ran zu<br />
hindern, uns gegenseitlich die Hand der<br />
Freundschaft zu geben“, so Benedikt XVi.<br />
nach dem Entsetzen in der jüdischen<br />
Gemeinde über die Rücknahme der<br />
Exkommunikation Williamsons hatte<br />
der Vatikan in den vergangenen Ta gen<br />
wiederholt Vertreter der jüdischen Ge -<br />
meinde empfangen.<br />
Am 12. Fe bruar gab es einen Empfang<br />
für eine 50-köp fige Delegation jüdischer<br />
Ge mein de vor steher aus den USA.<br />
neben dem Vorsitzenden Alan Solow<br />
und dessen Vertreter Malcolm Hoen lein<br />
begrüßte Benedikt XVi. dabei laut<br />
Kath press auch den new Yorker Rab -<br />
bi ner und Ho locaust-Über le ben den<br />
Arthur Schnei er, ein gebürtiger Wie ner.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 21
POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />
Sitzverteilung in der Knesset<br />
Die 18. Knesset<br />
Mit 3,416.587 Wählern lag die Wahlbeteiligung bei 65%. Die<br />
Mindestprozenthürde von 2% entsprach 67.470 Stim men.<br />
Insgesamt gingen etwa 104.000 Stimmen durch die Wahl<br />
klei ner Parteien verloren.<br />
Ein Knesset-Mandat entspricht 27.246 Stimmen. Fünf Überhangmandate<br />
wurden an die fünf größten Parteien verteilt.<br />
+15 -1 -5 +4 -1 -2 -1 -2 +1 0 0 +2<br />
Likud Kadima Avoda Israel Schas Meretz Yahadut Habeit Hadash Raam Balad Ha’eichud<br />
Beiteinu Hatorah Hayehudi Ta’al Haleumi<br />
Mehr Frauen, weniger Religiöse<br />
in der neu gewählten Knesset werden<br />
nach dem gegenwärtigen Stand der<br />
Aus zählung 21 Frauen angehören – so<br />
viel wie noch nie. in der letzten Le gis -<br />
laturperiode saßen lediglich 18 Frau en<br />
in israels Parlament.<br />
Den größten Frauenanteil (sieben Ab -<br />
geordnete) kann dabei die derzeitige<br />
Regierungspartei Kadima für sich ver -<br />
buchen (Knesset-Sprecherin Dalia Itzik,<br />
Außenministerin Tzipi Livni, Tou ris -<br />
mus ministerin Ruhama Avra ham, Ma ri -<br />
na Solodkin, Ronit Tirosh, Rachel Adato<br />
und Orit Suarez).<br />
Über die Liste des Likud werden fünf<br />
Frauen in die Knesset einrücken (Lea<br />
Nass, Limor Livnat, Tzipi Hotobali, Gila<br />
Gamliel und Miri Regev).<br />
Israel Beiteinu wartet mit vier Frauen<br />
auf (Sofa Landver, Orly Levi, Anastasia<br />
Mi chaeli, Faina Kir schen baum und Lia<br />
Shemtov). Daneben stellt die Avoda<br />
drei weibliche Abgeordnete (Sheli<br />
Yachimovitz, Yuli Tamir und Orit No ked).<br />
Erstm<strong>als</strong>: Frau repräsentiert israelischarabische<br />
Partei<br />
Erstm<strong>als</strong> in der Ge schich te des Staa tes<br />
schickt eine arabische Partei, Balad,<br />
eine Frau in die Knesset – Chanin Suavi<br />
aus nazareth. Gefragt nach ihren<br />
Plänen, sagte die israelische Araberin:<br />
„Ich habe es noch nicht ganz verdaut, dass<br />
ich eine Knesset-Ab ge ordnete werden<br />
soll. Ich habe noch nicht entschieden, ob<br />
ich nach Jerusalem ziehe oder jeden Tag<br />
von meinem Haus in Na za reth hinfahre.<br />
Auf jeden Fall besteht kein Zweifel, dass<br />
aus es aus meiner Sicht eines der wichtigsten<br />
Din ge ist, sich um eine För derung<br />
der Frau en rechte zu kümmern.“ Ferner<br />
seien ihr die Stellung der pa läs ti nen -<br />
si schen Journalisten in israel und die<br />
Verstärkung der arabischen Pres se<br />
wich tig.<br />
Zahl der Religiösen gesunken<br />
im Gegensatz zur Zahl der Frauen ist<br />
die Zahl der Religiösen gesunken.<br />
Während in der 17. Knesset noch 34<br />
saßen, sind es diesmal nur noch 28.<br />
Wiederum gestiegen ist die Zahl von<br />
arabischen Abgeordneten (von 12 auf<br />
13). Davon werden zehn von arabischen<br />
Parteien gestellt, jeweils einer<br />
steht auf der Liste von Kadima, Likud<br />
und israel Beiteinu.<br />
Außerdem werden vier Professoren<br />
(Avi shai Breverman und Yuli Tamir von<br />
der Avoda, Daniel Hershkovitz von Ha -<br />
beit Hayehudi sowie Arieh Eldad von<br />
Ha’eichud Hale’umi) und drei ehemalige<br />
Gener<strong>als</strong>tabschefs (Ehud Barak<br />
von der Avoda, Moshe Yaalon vom Li -<br />
kud und Shaul Mofaz von Kadima) in<br />
der neuen Knesset vertreten sein.<br />
22 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />
Das verwirrende Wahlergebnis<br />
in israel lässt auf den ersten<br />
Blick nicht erkennen, was der israelische<br />
Wähler wirklich will. Erst ein Ver -<br />
gleich der früheren Zusammen set -<br />
zungen der Knesset läßt klare Trends<br />
erkennen.<br />
Die Kadima-Partei wurde von Ariel<br />
Scharon aus dem nichts geschaffen,<br />
um 2005 den Rückzug aus Gaza<br />
durch zusetzen. Scharon ist nicht aus<br />
dem Likud Block ausgetreten, sondern<br />
hat eigentlich seine Partei vor<br />
die Tür gesetzt. in die Kadima-Partei<br />
wechselten im Gefolge Scharons Po li -<br />
ti ker wie Zipi Livni, Zachi Ha neg bi und<br />
Andere aus dem rechtskonservativen<br />
Lagers. Ebenso gab es eine Abwan de -<br />
rung aus dem sozialistischen Lager<br />
der Arbeitspartei in Scharons neue<br />
Rück zugspartei. Der prominenteste<br />
war Schimon Peres. Vom Likud abgespalten<br />
hatte sich letztlich auch Avig -<br />
dor Liberman, der mit seiner „israel –<br />
Beiteinu“ Partei jetzt mit 15 man -<br />
daten in die Knesset einzieht.<br />
Wenn man Kadima, Likud und is -<br />
rael Beiteinu <strong>als</strong> nicht-religiöse Partei -<br />
en mit nationalistisch jüdischer Aus -<br />
rich tung definiert, hat es zwar wegen<br />
der Abspaltungen innerhalb dieses<br />
Blocks interne Verschiebungen gegeben,<br />
insgesamt aber einer gewaltiges<br />
Anwachsen. in der 16. Knesset 2003<br />
wa ren diese drei Parteien nur mit 45<br />
Ab geordneten vertreten, 52 im Jahr<br />
2006, und wuchsen jetzt zur gewaltigen<br />
mehrheit von 70 Abgeordneten<br />
in der neuen Knesset. Der Likud war<br />
2003, vor Scharons Weggang, mit 27<br />
Abgeordneten in der Knesset, sank<br />
we gen der Entstehung von Kadima<br />
auf 12, und hat sich jetzt wieder auf<br />
27 Abgeordnete erholt. Einen steten<br />
Aufwärtstrend erlebte Avigdor Liber -<br />
mann, von 4 auf 15 mandate.<br />
Der gewaltige Aufwärtstrend des<br />
na tionalen Lagers der mitte ging auf<br />
Kosten des sogenannten linken Frie -<br />
denslagers. Die Arbeitspartei bewegte<br />
sich bei den letzten drei Parla ments -<br />
wahlen stetig in Richtung Abgrund,<br />
von 21 Abgeordneten auf nur noch<br />
11. israels Linkspartei meretz halbierte<br />
ihren Einfluss von 6 auf 3 Abge ord -<br />
nete. Dabei war es meretz, die die be -<br />
rühmte „Genfer Friedensinitiative“ ins<br />
Leben gerufen hatte. Diesem antireligiösen<br />
„liberalen“ Lager könnte man<br />
auch noch die weltlich ausgerichtete<br />
Schinui-Partei hinzurechnen, die 2003<br />
Ein Trend zum<br />
Pragmatismus<br />
von Ulrich W. Sahm<br />
mit 12 Abgeordneten in der Knesset<br />
vertreten war und 2006 in Luft auflös -<br />
te. ihre (Protest-) Wähler stimmten für<br />
die Rentner, die 2006 wie ein Phönix<br />
aus der Asche aufstiegen und mit 7 Ab -<br />
geordneten in die Knesset einzogen.<br />
in der Wahlnacht am Dienstag er litten<br />
sie ihrerseits die totale Bruch landung<br />
und kratzten nicht einmal von unten<br />
die 2 Prozent Hürde, wie es ein Kom -<br />
men tator ausdrückte. Dies mal haben<br />
die Wähler nur für „ernsthafte“ Par -<br />
teien ge stimmt. Die Befürwor ter des<br />
Hanfge nus ses, die Gegner ho her Bank -<br />
ge büh ren und et was weltfremde<br />
„Grü ne“ blieben außen vor.<br />
So wie das rechtskonservative La ger<br />
steten Zulauf von 45 auf 70 Ab ge ord -<br />
ne te verzeichnete, entwickelte sich der<br />
stete Abwärtstrend des linken La gers<br />
von 39 auf nur noch 16 man da te. Vom<br />
Untergang gezeichnet waren auch die<br />
klassischen Siedler parteien, die na tio -<br />
nalreligiöse Partei und ihre Abspal -<br />
tun gen. Sie halbierten sich von 14 auf<br />
nur noch 7 man date. im religiösen<br />
Block gab es ein auf und ab von 29 auf<br />
37 und jetzt 30.<br />
Das Schlusslicht bilden drei arabische<br />
Parteien mit kommunistischer<br />
oder islamistischer Ausrichtung. Sie<br />
erhielten jeweils drei oder vier man da -<br />
te. Doch Zusammengenommen wuch -<br />
sen sie stetig von 8 auf 11 Ara ber sind<br />
durchaus auch mitglieder in jüdischzionistischen<br />
Parteien, sogar im Li kud,<br />
doch ihr Zuwachs ging vor Allem auf<br />
Kosten der Arbeitspartei.<br />
Aus diesen Zahlen lassen sich mehrere<br />
Trends in der israelischen Ge sell -<br />
schaft ablesen. Der jüdische wie der<br />
arabische Sektor wählt mit nationalistischer<br />
Ausrichtung, wobei beide<br />
Volks gruppen auseinander driften.<br />
Von den rund 7 mio. Einwoh nern sind<br />
etwa ein Fünftel, 1,2 mio. nicht-Ju den:<br />
Beduinen, Christen, mos lems, Drusen<br />
und Andere. Ein merk mal der gesellschaftlichen<br />
Spal tung ist jüdischer Zu -<br />
lauf zu Liber mans anti-arabischer Par -<br />
tei und arabischer Zu lauf zu den „an-<br />
ti-zionistischen“ arabischen Parteien,<br />
während sich die „versöhnliche“ is ra e -<br />
lische Linke seit fünf Jahren auf einem<br />
absteigenden Ast befindet. Dazu beigetragen<br />
haben die blutige intifada<br />
und die Suche der Ara ber nach einer<br />
eigenen identität. Da mit einher geht<br />
auch der nieder gang der ideologischen<br />
Siedlerpar tei en, deren Kraft<br />
sich seit 2003 halbiert hat.<br />
Der israelische Patriotismus drückt<br />
sich bei den Juden <strong>als</strong> pragmatische<br />
Rück besinnung auf die jüdische iden -<br />
tität ihres Staates aus und nicht <strong>als</strong><br />
Sied lungsbegeisterung in biblische Ge -<br />
filden im Westjordanland. Die 1,2 mio.<br />
Araber hingegen kritisieren im mer<br />
lau ter den Zionismus und lehnen jü di -<br />
sche Symbole ihres Staates ab. Spie gel -<br />
bildlich zu dem jüdischen Pa tri otis mus<br />
entwickelte sich so ein ara bischer Pa -<br />
trio tismus, was sich durch das Wach -<br />
sen der arabischen Parteien ausdrückt.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 23
POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />
Jerusalem will ‘Bibi’ -<br />
Tel Aviv stimmte für Livni<br />
Bei den Wahlen in Israel zeichneten sich<br />
deut liche regionale Unterschiede ab: Wäh -<br />
rend in Jerusalem der Likud-Block von Ben -<br />
jamin ‘Bibi’ Netanjahu die meisten Stim -<br />
men erhielt, ging in Tel Aviv die Ka di ma<br />
von Außen mi nis terin Zippi Livni <strong>als</strong> Sie ger<br />
hervor.<br />
Demnach stimmten in Jerusalem 24% für<br />
den rechts-konservativen Li kud-Block. Die<br />
ultra-orthodoxe Partei Ver ei nig tes Torah-<br />
Judentum erhielt 19%, die sefardisch-or -<br />
tho doxe Schas 15% und die Kadi ma 11%<br />
der Stim men. Für die Arbeitspartei von Ver -<br />
teidi gungs mi nis ter Ehud Barak und die<br />
rechts-nationale Par tei von Avigdor Lie ber -<br />
man, Israel Bei tei nu, stimmten jeweils 6%<br />
der Wäh ler.<br />
Ganz anders sah das Ergebnis in Tel Aviv<br />
aus. Dort konnte die Kadima mit 34% der<br />
Stimmen einen klaren Sieg verbuchen. Der<br />
Likud-Block erhielt 19%, die Ar beitspartei<br />
15% und die links-li be rale Me retz 8% der<br />
Stimmen. Für die Schas und Is ra el Beiteinu<br />
stimm ten jeweils 6%.<br />
Die Einwohner der unter jahrelangem pa -<br />
läs tinensischem Raketenbeschuss stehenden<br />
Stadt Sderot unterstützten überwiegend<br />
den Likud-Block. Dieser erhielt 33%<br />
der Stim men. Israel Beiteinu wähl ten 23%<br />
der Be rechtigten, die Schas 13% und die<br />
Kadima lediglich 12%. Die nationalreligiöse<br />
Partei Natio na le Union konn te hier 7% der<br />
Wähler für sich ge win nen.<br />
In der arabischen Stadt Umm el-Fahm ge -<br />
wann die kommunistische Hadasch mit<br />
54%, gefolgt von der israelisch-ara bi schen<br />
Balad (24%) und der Ver ein ten Ara bischen<br />
Liste (19%). Letz tere konnte in der Be dui -<br />
nen-Stadt Rahat die meisten Stim men ge -<br />
winnen. Dort stimm ten 68% der Wäh ler für<br />
die Vereinte Ara bische Liste, 11% für Balad,<br />
9% für Kadima, 5% für den Likud-Block, 2%<br />
für die Arbeitspartei und je weils 1% für Is -<br />
rael Beiteinu und die Schas-Par tei.<br />
In der Kleinstadt Katzrin in den Golan-<br />
Hö hen ging Israel Beiteinu mit 28% der<br />
Stim men <strong>als</strong> Sieger hervor. Knapp gefolgt<br />
von Kadima, die 26% der Stimmen er hielt.<br />
Für den Likud-Block stimmten 22% der Wäh -<br />
ler. Die Pa rtei en Schas, Na tio na le Uni on<br />
und die Arbeitspartei er hielten je weils 5 %.<br />
Auch in Lieber mans Heimatort, der Sied -<br />
lung Nokdim im Westjordanland, siegte Is -<br />
rael Bei teinu - hier erhielt sie 32% der Stim -<br />
men. Knapp dahinter lag die Nationale<br />
Union mit 31% der Stimmen. Den Li kud-<br />
Block wählten 22%, gefolgt von der na tio -<br />
nal re ligiösen Liste HaBait HaJehudi mit<br />
8% (ohne Soldaten, der im Ausland arbeitenden<br />
Diplomaten, der Seeleute und der<br />
Gefangenen).<br />
inn<br />
Internationale Pressestimmen zu den Wahlen<br />
La Stampa (Rom) - „Sie bestehen alle<br />
weiter, die Zweifel und die Un ge wiss -<br />
heiten, mit denen das israelische Wahl -<br />
ergebnis erwartet wurde - auch am Tag<br />
nach dem Ur nen gang, der zwei Wahl -<br />
sieger hervorgebracht zu haben<br />
scheint. Die Zer split te rung der israelischen<br />
Wählerschaft ist beispiellos für<br />
eine Demokratie. Ob nun Kadima-<br />
Par tei oder Likud, jeder braucht jetzt<br />
die Stimmen anderer Par teien, um er -<br />
folgreich eine Regie rungs koalition<br />
bil den zu können. Die vorherrschende<br />
meinung ist zwar, dass der Likud mit<br />
netanyahu größere Chan cen habe, die -<br />
ses Ziel zu erreichen, wenn er sich auf<br />
die religiöse und nationale Rechte stüt -<br />
zen kann. Es ist aber nicht sicher, dass<br />
es so kommen wird. Das Feil schen kann<br />
jedenfalls be ginnen. in ei nem solchen<br />
Au gen blick ist man versucht, Vor her -<br />
sagen zurückzudrängen und mehr das<br />
in teresse israels an einem Frieden mit<br />
den Palästinensern und der ganzen<br />
arabischen Welt hervorzuheben.“<br />
Le Monde (Paris) - „Der Schwer punkt<br />
der neuen Koali tions regierung wird<br />
rechtslastig sein. Und der Rechts rutsch<br />
der Wäh ler schaft dürfte sich im güns -<br />
tigsten Fall durch einen Sta tus quo im<br />
Konflikt mit den Paläs ti nen ser widerspiegeln.<br />
Gleich wer der mi nis ter prä si -<br />
dent sein wird, er wird kei ne illegal<br />
er richtete Siedlung im West jor dan land<br />
auflösen (...) können, ohne die im rechten<br />
La ger verankerte Koalition zu ge -<br />
fährden. Die Hoffnung wird aus Wa -<br />
shington kommen müssen. Es kommt<br />
immer häufiger vor, dass man auf weit -<br />
sichtige is ra e lis trifft, die ei nen Ver mitt -<br />
ler zur Wie der aufnahme der Verhand -<br />
lungen verlangen, die zu der einzigen<br />
mögli chen Lösung führen: Der Grün -<br />
dung ei nes Palästinen ser staa tes an der<br />
Sei te israels.“<br />
Dagens Nyheter (Stockholm) - „in is ra el<br />
hat die Rechte jetzt die besten Kar ten.<br />
mit größter Wahr schein lich keit wird<br />
Benjamin netanyahu nächs ter Re gie -<br />
rungschef. Er ist an Ver hand lun gen mit<br />
den Palästinensern nicht in te ressiert,<br />
will Jerusalem nicht teilen und findet,<br />
dass der Krieg in Gaza viel zu schnell<br />
beendet wurde. Kurz ge sagt ist er einfach<br />
eine schlechte nach richt für alle,<br />
die auf die Wie der auf nah me des Frie -<br />
densprozesses gehofft haben. (...) Es<br />
könnte schon sein, dass netanjahu vor -<br />
sich ti ger agiert, wenn er an die macht<br />
kommt, auch wenn sein früheres Agie -<br />
ren <strong>als</strong> minis ter präsident ei gent lich<br />
nicht da rauf hindeutet.“<br />
The Independent (London) - „Die zu -<br />
neh mende Unterstützung der Par tei<br />
von Avigdor Lieberman hat zwei fel los<br />
gezeigt, dass eine ansehnliche min der -<br />
heit von israelis gegen den Frie dens -<br />
pro zess ist oder dagegen, wie er sich<br />
entwickeln könnte, jetzt, wo Obama<br />
US-Präsident ist. Die Position Lieber -<br />
mans <strong>als</strong> ‘Kö nigs ma cher’ könn te jegliche<br />
Politik is raels zur Geisel einer ul -<br />
tra-nationalen min derheit ma chen. in<br />
dieser Hin sicht stellt das Er gebnis das<br />
schlimmste al ler Ergeb niss e dar. Wenn<br />
die Wah len et was gezeigt ha ben, dann<br />
das, dass das israelische Wahl sys tem<br />
keine stabile Regierun gen fördert. Wer<br />
auch immer die nächste Re gierung bil -<br />
den wird, sollte daraus ein vorrangiges<br />
Thema machen.“<br />
de Volkskrant (Amsterdam) - „in der is -<br />
raelischen Politik kommen manchmal<br />
die seltsamsten Kombi na ti o nen vor,<br />
da her sollte man nichts aus schließen.<br />
Das rechte Lager kann sich auf eine<br />
deutliche mehrheit in der Knesset stüt -<br />
zen. Das größte Problem für netan ya -<br />
hu ist aber, dass diese mehr heit steht<br />
und fällt mit der Un ter stützung kleinerer<br />
Parteien, die alle ih re eigenen<br />
Wunschvorstellun gen ha ben. Liv ni hat<br />
nur eine Chance, wenn sie das rechte<br />
Spektrum noch aufbrechen kann oder<br />
wenn netan ya hu sich doch noch mit<br />
der idee einer Regie rung der nationalen<br />
Einheit an freundet. Wahrschein lich<br />
ist das nicht. Aber es wäre immerhin<br />
einer uneingeschränkt rechten Re gie -<br />
rung vorzuziehen, die wenig oder gar<br />
kein in ter esse an Ver hand lungen mit<br />
Palästi nen ser präsi dent Abbas hat.“<br />
El Periodico de Catalunya (Barcelona) -<br />
„Das Wahlergebnis stellt israel vor<br />
das denkbar schlechteste Szenario. im<br />
Land herrscht Konfusion, die Par tei en -<br />
landschaft ist zersplittert, die ex tre me<br />
Rechte befindet sich im Auf wind, und<br />
nun steht ein langer und quä lender<br />
Pro zess der Regierungsbildung be vor.<br />
nach dem Schwenk zur extremen<br />
Rech ten in israel zeichnet sich für den<br />
nahen Osten eine neue Periode von<br />
Kriegen und internationalen Span nun -<br />
gen ab. (..) nur eine Koalition des Li -<br />
kud mit der Kadi ma- und der Ar beits -<br />
par tei könnte den Vormarsch des<br />
rechts radikalen und fremdenfeindli -<br />
chen Popu listen Avigdor Lieberman<br />
aufhalten.“<br />
24 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
POLITIK • WAHLEN IN ISRAEL<br />
Liebermann Forderungen<br />
Avigdor Lieber man, dessen Partei<br />
Israel Bei teinu (Israel-Unser Haus) mit 15<br />
Ab ge ord neten in die Knesset einzieht,<br />
gilt <strong>als</strong> „Königsmacher“, ohne den<br />
kei ne Par tei eine regierungsfähige<br />
mehr heit im Parlament erhalten könn -<br />
te. Er hat den beiden Haupt kandi da ten<br />
für eine Regie rungsbildung in israel,<br />
Zipi Livni von Kadima und Benjamin<br />
netanyahu vom Likud, laut Rund -<br />
funk berichten bereits seine Forde run -<br />
gen vorgelegt:<br />
• Besiegen des Ter rors<br />
• Absetzung der Ha mas im Ga za strei -<br />
fen<br />
• Unterbindung jeglicher Ver hand -<br />
lungen mit Ter ror or ga nisa ti o nen.<br />
• Einführung einer Loyalitätsprü fung<br />
per Gesetz für alle Bürger des Staa tes<br />
(gilt <strong>als</strong> anti-arabische ini tia ti ve).<br />
• Einführung eines „Bund für Paa re“, -<br />
quasi eine standesamtlichen Hoch -<br />
zeit - für jene Paa re, die man gels eindeutiger<br />
Religi ons zu ehö rig keit in<br />
is rael nicht heiraten und ih ren Le -<br />
Tom Segev: „Lieberman<br />
mit Haider vergleichbar“<br />
Der israelische Historiker und Jour -<br />
na list Tom Segev hat die politische<br />
Linke in seinem Land für „bedeutungslos“<br />
erklärt. Gleichzeitig äußerte<br />
er sich besorgt über den Rechtsruck<br />
in israel und erinnerte an den Abzug<br />
des israelischen Botschafters aus Wien,<br />
nachdem der Populist Jörg Haider dort<br />
an die macht gekommen war.<br />
„Nach den Ergebnissen ist es Benjamin<br />
Netanjahu möglich, eine Regierung mit<br />
dem Rechtspolitiker Avigdor Lieberman<br />
zu formen“, sagte Segev nach Be kannt -<br />
gabe der vorläufigen Wahlergebnisse<br />
gegenüber „Spiegel Online“. „Das ist<br />
abstoßend. Schon in den vergangenen Jah -<br />
ren ist Israel nach rechts gerückt. Doch<br />
jetzt haben wir es mit der extremen Rech -<br />
ten zu tun. Das ist etwas ganz Neues und<br />
sehr alarmierend. Als in Österreich mit<br />
Jörg Haider ein ähnlich rechter Politiker<br />
wie Lieberman an die Macht kam, berief<br />
Israel seinen Botschafter ab. Jetzt wird<br />
ein Mann vom Schlage Haiders Königs -<br />
ma cher in der israelischen Knesset sein.“<br />
Dabei ging der Journalist nicht darauf<br />
ein, dass Lieberman bereits in der<br />
Ver gangenheit mehrere minister pos -<br />
bens bund nicht offiziell registrieren<br />
lassen können.<br />
• Für Absolventen des militärdiens tes<br />
soll höchste Priorität beim Ein -<br />
schrei ben zum Universitäts stu di um<br />
eingeräumt werden (was die meisten<br />
Araber und Ultra ortho do xen<br />
ausschließt, weil sie nicht zum<br />
militärdienst eingezogen wer den).<br />
• Ein notprogramm, damit der jü di -<br />
sche Staat für die Aufnahme ei ner<br />
massen einwanderung aus Eu ro pa<br />
und den USA bereit sei (der an stei -<br />
gende Antisemitismus, könn te viele<br />
Juden nach israel bringen). red<br />
ten innegehabt hatte. So war er unter<br />
Ariel Scharon von märz 2001 bis<br />
märz 2002 infrastrukturminister. An -<br />
schließend fungierte er bis Juni 2004<br />
<strong>als</strong> Verkehrsminister. Unter Ehud Ol -<br />
mert war er vom 30. Oktober 2006 bis<br />
zum 18. Januar 2008 stellvertretender<br />
Regierungschef und minis ter für Stra -<br />
tegische Angelegenheiten. Da m<strong>als</strong><br />
trat Liebermans Partei „israel Bei tei -<br />
nu“ aus der Regierung aus. Sie protestierte<br />
dagegen, dass mit den Pa läs ti -<br />
nensern Verhandlungen über Kern fra -<br />
gen wie Grenzen und Jerusa lem er -<br />
öffnet worden waren.<br />
Zur Stellung der linksgerichteten Par -<br />
tei en sagte Segev: „Die israelische Lin ke<br />
ist bedeutungslos geworden, es gibt sie<br />
ein fach nicht mehr. Das ist schon er staun -<br />
lich: Dieses Land wurde praktisch von der<br />
Arbeitspartei gegründet, sie hat die Poli -<br />
tik von Jahrzehnten dominiert. Und jetzt<br />
ist sie auf einmal von der Bild flä che ver -<br />
schwun den. Dahinter steckt ein Wandel<br />
in der Mentalität der Israelis. Früher wa -<br />
ren die Menschen solidarisch, sogar sozialistisch.<br />
Heute sind Konsum und Si cher -<br />
heit die beherrschenden Themen.“ APA<br />
Wahltag kostet 1,3 Mrd. Schekel<br />
Der bezahlte Feiertag für den Wahl tag kos -<br />
tete - laut israelischem Ge wer be ver bandden<br />
Arbeitgebern 1,3 Mrd. Sche kel (250<br />
Mio. Euro). Hersteller werden etwa 225<br />
Mio. Schekel in Löhnen für den 10 Fe bru ar<br />
aushändigen müssen. Die Zahl nimmt<br />
lediglich die aktuelle Zahlung von Löh nen<br />
in Betracht, und nicht etwa den positiven<br />
Effekt eines Ferientags auf den Handel und<br />
geleistete Dienste. Arbeiter in handwerklichen<br />
Bereichen und in der Landwirt schaft<br />
können am Wahltag wie gewohnt arbeiten,<br />
aber sie müssen ihren Lohn gemäß Überstundentarif<br />
bekommen. Dies sorgt für die<br />
Berechnung der höheren Ziffern. Arutz 7<br />
Bemühen um hohe Wahlbeteiligung<br />
Die israelischen Parteien bemühten sich,<br />
möglichst viele Bürger an die Wahlurnen<br />
zu bringen. Einige von ihnen haben aufgrund<br />
der Wettervorhersage Regen schir -<br />
me besorgt. Außerdem kümmern sie sich<br />
um Fahrgelegenheiten für die Wähler.<br />
Der Vorsitzende des Stabes für den Wahl -<br />
tag beim Likud, Reuven Rivlin, sagte vor<br />
der Öffnung der Wahllokale gegenüber<br />
der Zeitung ‘Jediot Aharonot’: „Es handelt<br />
sich nicht nur um Regen, sondern auch um<br />
Winde. Wir sind bereit, was die Trans por te<br />
angeht. Kein Mensch, der um Beförde rung<br />
bit tet, wird ohne Lösung wieder ge hen müssen.<br />
Wir haben zusätzlich zu den Schirmen<br />
30.000 Capes bestellt, weil uns klar wurde, dass<br />
die Schirme im Wind wegfliegen können.“<br />
Die linksgerichtete Meretz hat die Ge gend<br />
um die Wahllokale nach Mög lich keiten<br />
zum Unterstellen abgesucht, falls es<br />
plötzlich stürmisch und regnerisch werden<br />
sollte. Zudem stellt sie Schirme mit dem<br />
Parteilogo zur Verfügung.<br />
Die Grünen haben 200 grün-weiße Schir -<br />
me bestellt, die mit ihrem Emblem versehen<br />
sind. Besondere Fahrzeuge gibt es<br />
hingegen nicht. Die Partei hofft, dass die<br />
Wähler auf umweltfreundliche Weise in die<br />
Lokale gelangen.<br />
Die rechtsgerichtete Einwandererpartei<br />
Israel Beiteinu stellte freiwillige Chauf feu re<br />
für die Wahlberechtigten zur Verfügung.<br />
Die arabischen Parteien waren darauf aus,<br />
dass ihre Wähler möglichst früh zu den<br />
Urnen gehen, bevor das vorhergesagte<br />
stürmische Wetter beginnen sollte.<br />
Die religiösen zionistischen Gruppierungen<br />
freuten sich über den angekündigten Re -<br />
gen, für den es höchste Zeit sei.<br />
Die or tho doxen jüdischen Parteien sorgten<br />
für mehr Fahrgelegenheiten <strong>als</strong> geplant.<br />
Schokoküsse - Auch ein israelischer Soldat<br />
hat sich Ge dan ken über die Erhöhung der<br />
Wahl be teiligung gemacht: Ge mein sam mit<br />
der Organisation „Jehiam“ sendete er eine<br />
hal be Million SMS an Bürger um sie zum<br />
Wählen auf zurufen. Außerdem wollten sie<br />
den Is raelis die Ab stimmung versüßen und<br />
verteilten Scho koküsse an die Wähler.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 25
POLITIK • ISRAEL<br />
Eine Region, zwei Staaten<br />
Von Shimon Peres<br />
Es besteht kein mangel an meinun gen,<br />
wenn es um Fragen des nahen Os tens<br />
geht, und die jüngsten Ereig nisse in<br />
Gaza haben sie nicht ge dämpft. Eine<br />
minderheit von nahost-Experten ist<br />
kürzlich <strong>als</strong> Anwalt für eine Ein-Staa -<br />
ten-Lösung hervorgetreten. Eine solche<br />
würde israels Legiti mi tät und sein<br />
international anerkanntes Existenz -<br />
recht <strong>als</strong> souveräner jüdischer Staat im<br />
Land meiner Vorväter untergraben.<br />
ich selbst habe persönlich dem er -<br />
staun lichen Fort schritt beigewohnt, den<br />
wir in den ver gangenen Jahren mit der<br />
Paläs ti nensischen Autonomie behör-de<br />
ge macht haben, und ich glaube, dass<br />
eine Zwei-Staaten-Lösung nicht nur<br />
die beste Lösung für diesen uralten<br />
Konflikt ist, sondern auch, dass sie in<br />
unserer Reichweite liegt.<br />
Der Ein-Staaten-Lösung sind so<br />
viele Schwachstellen zu Eigen, dass sie<br />
überhaupt gar keine Lösung ist. Aus<br />
israels Perspektive ist es dem jüdischen<br />
Volk unmöglich, eine Regelung<br />
zu akzeptieren, die das Ende der Exis -<br />
tenz eines jüdischen Staates bezeichnet.<br />
Was die Perspektive der Paläs ti -<br />
nenser angeht, so darf ihnen nicht die<br />
Gelegenheit genommen werden, ihr<br />
nationales Schicksal in die eigene<br />
Hand zu nehmen.<br />
Gegner der Zwei-Staaten-Lösung<br />
be haupten – nicht ohne Grund -, dass<br />
Gaza und das Westjordanland zu klein<br />
sind, um die palästinensischen Flücht -<br />
linge aufzunehmen. Das wäre freilich<br />
auch der Fall unter dem Ein-Staaten-<br />
Schema; sie würde in einem Staat re -<br />
sul tieren, der gerade einmal 24.000<br />
Qua dratkilometer umfasst und be reits<br />
jetzt mit einer Bevölkerung von mehr<br />
<strong>als</strong> 10 mio. (5.5 mio. Juden und 4.5<br />
mio. Arabern) am Überlaufen ist. Wäh -<br />
rend Zyniker die Größe des Westjor -<br />
danlands und Gazas zur Debatte stellen,<br />
brauchen die Optimisten zu ihrer<br />
Beruhigung nicht weiter <strong>als</strong> nach<br />
Singapur zu blicken.<br />
Das Gebiet des Westjordanlandes<br />
und des Gaza-Streifens ist neunmal<br />
größer <strong>als</strong> das Singapurs, die palästinensische<br />
Bevölkerung in beiden Re -<br />
gionen hingegen kleiner <strong>als</strong> die Sing a -<br />
purs. Das südostasiatische Land er -<br />
freut sich eines der höchsten Lebens -<br />
standards auf der Welt. Wir glauben<br />
daran, dass die Palästinenser zum<br />
Erzielen eines ähnlichen Erfolgs fähig<br />
sind, und wir werden weiter unermüdlich<br />
mit unseren Partnern am Ver -<br />
handlungstisch auf die Gründung<br />
eines autonomen palästinensischen<br />
Staates hinarbeiten, in dem die men -<br />
schen eine moderne Wirtschaft auf der<br />
Grundlage von Wissenschaft, Tech -<br />
nologie und den Wohltaten des Frie -<br />
dens in Gang setzen werden.<br />
Die Schaffung eines einzelnen multinationalen<br />
Landes ist ein dürftiger<br />
Pfad, der nichts Gutes für den Frie -<br />
den verheißt, sondern vielmehr die<br />
Per petuierung des Konflikts fördert.<br />
Der von Blutvergießen und instabi li -<br />
tät heimgesuchte Libanon ist nur ei -<br />
nes von vielen Beispielen eines nicht<br />
zu wünschenden Sumpfes dieser Art.<br />
Die Schwierigkeiten einer Zwei-<br />
Staa ten-Lösung sind zahllos, aber sie<br />
bleibt das einzige realistische und mo -<br />
ralische Rezept für die Been di gung<br />
des israelisch-palästinensischen Kon -<br />
flikts. Diejenigen, die sich dieser Lö -<br />
sung nicht verpflichtet fühlen, argumentieren,<br />
dass israels Taille nach der<br />
Schaffung eines palästinensischen<br />
Staa tes - mit etwa zehn Kilometern -<br />
zu schmal wäre, um die Sicherheit für<br />
seine Bürger zu gewährleisten.<br />
in der Tat, zehn Kilometer werden<br />
für eine volle Sicherheitsgarantie zu<br />
schmal sein, was nur unsere Überzeugung<br />
bestätigt, dass israels Sicherheit<br />
nicht nur auf territorialer Verteidi -<br />
gung, sondern auf Frieden beruht.<br />
Der Frieden verleiht weite Flügel.<br />
Selbst wenn die Taille schmal ist.<br />
im vergangenen monat hat der li -<br />
bysche Staatschef muammar Gaddafi<br />
seine Vorschläge für eine Ein-Staaten-<br />
Lösung erläutert. Obwohl ich mit seiner<br />
Rezeptur nicht übereinstimme,<br />
er mutigt mich die Art und Weise, in<br />
der er sich erklärt und seine Sache<br />
vertritt.<br />
Am meisten springt dies bei seiner<br />
fundamentalen und zentralen Prä mis -<br />
se ins Auge, dass „das jüdische Volk<br />
sein Heimatland will und verdient“. Die<br />
Resonanz dieser Worte ist entscheidend,<br />
denn sie entsprechen diametral<br />
den radikal-muslimischen Elemen ten,<br />
die dem jüdischen Volk das Recht auf<br />
eine Heimat im Land ihrer Vorväter<br />
absprechen und auf dieser Grundlage<br />
einem mörderischen Jihad das Wort<br />
re den, dessen Ziel die Zerstörung is -<br />
ra els ist.<br />
Das jüdische Volk will in Frieden in<br />
seiner rechtmäßigen, historischen<br />
Hei mat leben, und verdient dies. Das<br />
palästinensische Volk will in seinem<br />
eigenen Land mit seinen eigenen po -<br />
litischen institutionen und seinem<br />
Recht auf Selbstbestimmung leben und<br />
verdient dies. Es ist unerlässlich, dass<br />
man diese Angelegenheit auf der Aus -<br />
sicht auf Koexistenz zwischen Ju den<br />
und Arabern begründet, die in Berei -<br />
chen wie Wirtschaft, Tourismus, Um -<br />
welt schutz und Verteidigung zur Ko -<br />
operation wird. All dies wird nur da -<br />
durch zu erreichen sein, dass man<br />
jedem Volk seinen eigenen Staat und<br />
seine eigenen Grenzen zugesteht, auf<br />
dass die jeweiligen Bürger ihrem<br />
Glau ben gemäß beten, ihre Kulturen<br />
pflegen, ihre Sprachen sprechen und<br />
ihr Erbe bewahren können.<br />
Lassen Sie uns unsere größten An -<br />
strengungen darauf richten, diese zwei<br />
Staaten zum Blühen zu bringen. Viel -<br />
leicht werden israelis und Palästi nen -<br />
ser eines Tages, wie in Europa, be -<br />
schließen, Grenzen nicht länger die<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit be -<br />
hin dern und einen Vorwand zum<br />
Krieg bieten zu lassen.<br />
Shimon Peres ist Präsident des Staa -<br />
tes israel. The Washington Post, 10.02.09<br />
26 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
Hamas in Verruf<br />
von Ulrich W. Sahm<br />
„Wael Issam berichtet nicht gemäß den<br />
Vorstellungen der Hamas-Organisa tion.“<br />
mit dieser Begründung und „um sein<br />
Leben zu schützen“ wurde der 31 Jahre<br />
alte Reporter des arabischen Fernseh -<br />
sen ders Al-Arabija des Gazastreifens<br />
verwiesen. Er war der erste Reporter<br />
beim Versteck des Hamas-innen mi -<br />
nis ters Siad Siam, nachdem der von<br />
einer israelischen Rakete gezielt getötet<br />
worden war.<br />
Der erneute Verstoß der Hamas ge -<br />
gen die Pressefreiheit ist ein Element<br />
von vielen, das die Hamas zunehmend<br />
in Diskredit bringt. Ägypten entdeckte<br />
in Koffern des Hamas-Sprechers Ay -<br />
man Taha am Rafah-Grenzübergang<br />
US$ 9 mio. und 2 mio. Euro. Das Geld<br />
stammte angeblich aus iran und sollte<br />
zur radikalislamischen Hamas ge -<br />
schmug gelt werden. Die palästinensische<br />
Autonomiebehörde bezichtigt die<br />
Hamas, Krankenhäuser in Folter und<br />
Verhörzentren verwandelt zu haben.<br />
israels Koordinator für humanitäre<br />
Hil fe in den Gazastreifen, minister<br />
Jitzhak Herzog, jubelt schon, dass die<br />
Hamas der Welt ihre wahre Fratze <strong>als</strong><br />
menschenverachtende Terroror ga ni sa -<br />
tion gezeigt habe, nachdem die UnO-<br />
Flüchtlingshil feor ganisation ihre Hil -<br />
fe an die Zivilbevölkerung eingestellt<br />
habe wegen des Diebstahls tausender<br />
Decken und hunderter Tonnen mehl.<br />
„Das waren alles nur Missverständ nis se“,<br />
sagt Hamas-Sprecher Ahmad Jusuf<br />
zu der Plünderung des Beach-Camp<br />
Lagerhauses der UnWRA. Ebenso<br />
war die Beschlagnahme von Un W RA<br />
Lastwagen mit zweihundert Tonnen<br />
Reis und hundert Ton nen mehl ein<br />
„irrtum“. Da israel die Hamas nicht<br />
anerkenne, die Hilfsgüter durch den<br />
Kerem Schalom Übergang nach Gaza<br />
rollen, habe sich ein Fahrer ganz einfach<br />
„geirrt“. Er glaubte, seine Fracht<br />
sei für das Hamas-geführte Wohl -<br />
fahrts ministerium bestimmt und<br />
nicht für die UnWRA.<br />
israel hat allein in der ersten Fe bru -<br />
ar woche 27.522 Tonnen humanitäre<br />
Güter in den Gazastreifen durchgelassen.<br />
787 Tonnen Kochgas wurden<br />
über den Terminal nahal Oz ge -<br />
pumpt. 423 Lastwagen internationaler<br />
Hilfsorganisationen brachten nah -<br />
rungs mittel. Seit Beginn des Waffen -<br />
POLITIK • ISRAEL<br />
still standes habe israel fast fünf mil li -<br />
onen Dieselöl für das Kraftwerk in<br />
Gaza geliefert. „Wegen eines palästinensischen<br />
Beschlusses wurde kein Benzin in<br />
den Gazastreifen geliefert“, veröffentlichte<br />
das israelische Verteidi gungs mi -<br />
nisterium. Die UnRWA habe „bis auf<br />
weiteres“ alle Lieferungen eingestellt.<br />
Die über israel gelieferten mengen<br />
decken nach Angaben der UnWRA<br />
an geblich nur etwa zwanzig Prozent<br />
des Bedarfs. Die Diebstähle der Ha mas<br />
könnten dazu dienen, die mit glieder<br />
der international geächteten und deshalb<br />
von Hilfe ausgeschlossenen Or -<br />
ganisation zu versorgen. Ebenso ist<br />
aber die Hamas bemüht, sich nach<br />
den Zerstörungen des israelischen<br />
Feld zugs <strong>als</strong> Wohltäter der Bevöl ke -<br />
rung zu präsentieren.<br />
Die UnWRA reagiert zunehmend<br />
allergisch auf Attacken. Während des<br />
22-tägigen Krieges zwischen israel und<br />
der Hamas hatte die Organisation<br />
schon einmal die Versorgung von et wa<br />
800.000 der insgesamt rund 1,5 mio.<br />
Einwohner des Gazastreifens aus ge -<br />
setzt. Die UnWRA protestierte so ge -<br />
gen den Tod eines Last wa gen fah rers<br />
durch Schüsse eines israelischen<br />
Scharf schützen. israel dementierte<br />
und behauptete, dass der Fahrer von<br />
Hamas-Kämpfern getötet worden sei.<br />
Auch jetzt wieder setzte die UnWRA<br />
die Verteilung von mehl, Öl, Zucker<br />
und Kichererbsen an die Flüchtlinge<br />
aus, nachdem die Hamas innerhalb<br />
von drei Tagen zweimal Hilfsgüter be -<br />
schlagnahmt oder gestohlen habe.<br />
Für Hamas ist diese offene Schuld zu -<br />
wei sung höchst peinlich. Sie bemüht<br />
sich um Schadensbegrenzung und<br />
will „klärende Gespräche“. Sie habe<br />
der UnRWA mitgeteilt, die vermeintlich<br />
gestohlenen Decken und nah -<br />
rungs mittel „abholen zu können“.<br />
Doch niemand sei gekommen.<br />
Solange der Krieg andauerte, hatte<br />
die UnWRA ungeprüft allein israel<br />
für dramatische Vorfälle verantwortlich<br />
gemacht, darunter dem Beschuss<br />
der UnWRA-Schule beim Flücht -<br />
lings lager Sadschaije, wo mindestens<br />
41 men schen umkamen. UnO-Gene -<br />
ral se kretär Ban Ki moon verurteilte is -<br />
ra el scharf. inzwischen stellt sich heraus,<br />
dass die Schule gar nicht getroffen<br />
wurde. israelische Granaten ex plo -<br />
dierten außerhalb des Geländes, weil<br />
angeblich israelische Truppen be schos -<br />
sen worden seien. Ein palästinensischer<br />
Taxifahrer, der westliche Jour -<br />
nalisten herumfährt und interviews<br />
organisiert sagte: „Es ist doch völlig<br />
über flüssig, diese Schule zu besuchen, weil<br />
längst erwiesen ist, dass sie von den Is ra -<br />
elis nicht beschossen wurde.“<br />
Auch die Behauptungen der Un R -<br />
WA und der Hamas, dass die israelische<br />
Armee ein Versorgungslager der<br />
UnWRA beschossen habe, wobei vie le<br />
Tonnen nicht verteilter Versor gungs -<br />
güter verbrannt seien, wurden längst<br />
von einem UnWRA-Sprecher relativiert.<br />
Sollten die israelischen Soldaten<br />
aus dem Lager heraus beschossen<br />
worden seien, hätten sich die Hamas-<br />
Kämpfer eines Kriegsverbrechens<br />
schuldig gemacht. Doch müssten die<br />
israelis dafür den Beweis erbringen,<br />
sagte UnWRA-Sprecher Christopher<br />
Gunnes.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 27
POLITIK • ISRAEL<br />
Aus arabischen Medien:<br />
Unmut über die Hamas<br />
in der arabischen Welt mehren sich<br />
die Stimmen gegen die Hamas. Auch<br />
in den medien wird sie zunehmend<br />
kritisiert.<br />
So hat bspw. der libanesische Kom -<br />
men tator Charbel Barkat in der kuwaitischen<br />
Dar-Al-Seyassah der palästinensischen<br />
Terrororga nisa tion vorgeworfen,<br />
nach ihrem vermeintlichen<br />
„Sieg“ in Gaza nicht selbst mit sich<br />
ins Ge richt gegangen zu sein, nachdem<br />
sie die Bevölkerung in Gaza in<br />
einen Krieg mit israel gezerrt und<br />
damit ins Unglück gestürzt habe.<br />
Charbel zeigt auch sein Unver ständ -<br />
nis über das Schweigen der arabischen<br />
medien angesichts des Leids,<br />
das die Hamas über ihr Volk gebracht<br />
habe. Sie und andere Terrororga nisa -<br />
ti onen würden die palästinensischen<br />
Zivilisten <strong>als</strong> neue Waffe betrachten<br />
und sich dabei nicht um den Tod von<br />
Frauen und Kindern scheren.<br />
Eindringlich ruft der Libanese die<br />
Pa lästinenser dazu auf, mit sich und<br />
ihrer Führung ins Gericht zu gehen.<br />
Was dies angeht, könnten sie viel von<br />
den israelis lernen.<br />
Dar-Al-Seyassah, 28.01.09<br />
Auch der kuwaitische Kommentator<br />
Khalil Ali Haidar konstatiert in<br />
einem Kommentar in der in den Ver -<br />
einigten Arabischen Emiraten er schei -<br />
nenden Ta geszeitung Al-itthi had,<br />
dass die Ha mas den Palästi nensern<br />
und den Ara bern insgesamt nur<br />
Unglück bringe. Al-Itthihad, 02.02.09<br />
Einer aktuellen Umfrage nach unterstützen<br />
dei Hamas nur noch 27.8%<br />
der Bevöl ke rung; im no vem ber wa -<br />
ren es noch 51.5% gewesen. 56% sind<br />
der Überzeugung, dass die Terroror -<br />
ga nisation in die f<strong>als</strong>che Rich tung<br />
führe. The Jerusalem Post, 09.02.09<br />
Gewinnbringende Bewirtschaftung seit 1959<br />
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Antilopen im Einsatz<br />
an Israels Nordgrenze<br />
Um israels Grenze zum Libanon zu si chern,<br />
greift die Armee auf tierische Unterstützung<br />
zurück: Zwischen dem Sicherheitszaun und<br />
der internationalen Grenze „stationierte“ sie<br />
acht Eland-Antilopen. Diese fressen dort das<br />
problematische Blattwerk ab, das den is raelis<br />
die Sicht auf die libanesische Seite der Grenze<br />
verdeckt.<br />
Jedes der Tiere wiegt über 500 Kilo gramm.<br />
Die Antilopen seien bekannt für ihre scharfen<br />
Schneidezähne, mit denen sie sich rasch durch<br />
große men gen von Blättern fressen, heißt es in<br />
ei nem Bericht der Tageszeitung ‘Ha´a retz’. Die Tiere fressen das Unkraut, das<br />
etwa alle zwei Jahre nachwächst. Sie säubern die problematischen Gegenden,<br />
setzten Trampelpfade frei, eröffnen die Sicht und verhindern Feuer, teilte<br />
Hagai Ilan von der „israelischen na tur schutz- und Parkbehörde“ mit. Zudem<br />
seien sie umweltfreundlich und ihre Aufsicht verursache wenige Kosten.<br />
Eland-Antilopen wurden erstm<strong>als</strong> vor mehr <strong>als</strong> 30 Jahren nach israel ge bracht.<br />
Dort sollten sie in Zoos aufgezogen werden, bevor sie nach Europa ge sandt<br />
wurden. Die Tiere sind die größten Antilopen. Sie können bis zu 1.000 Kilo -<br />
gramm schwer werden.<br />
Bewohner von Gaza berichten von Missbrauch<br />
<strong>als</strong> menschliche Schilde durch die Hamas<br />
Von Itamar Marcus und Barbara Crook, Palestinian Media Watch<br />
Wie eine Familie aus Gaza der offiziellen<br />
Tageszeitung der Palästinen ser be -<br />
hörde, Al-Hayat Al-Jadida, berich te te,<br />
wurde ihre Farm von der Hamas <strong>als</strong><br />
„Festung“ und sie selbst <strong>als</strong> mensch -<br />
liche Schutzschilde missbraucht. Für<br />
die Familie selbst sei es unmöglich<br />
ge wesen, etwas dagegen zu tun.<br />
Schon seit Jahren hätte die Hamas<br />
ihren Besitz gegen ihren Willen für<br />
militärische Aktionen genützt, Ra keten<br />
auf israel von dort abgefeuert,<br />
Tun nel gegraben und Waffen gelagert.<br />
Wer sich dagegen wehren wollte,<br />
wurde von den Hamaskämpfern in<br />
die Beine geschossen.<br />
im Folgenden sind Auszüge aus dem<br />
Artikel in der Zeitung Al-Hayat Al<br />
Jadida vom 27.01.09 zu lesen:<br />
„Familie Abd Rabbo verhielt sich ru -<br />
hig, <strong>als</strong> die Hamaskämpfer ihre Farm<br />
im Gazastreifen in eine Festung verwandelten.<br />
nun wartet sie auf die<br />
dafür von der (Hamas-)Bewegung ver -<br />
sprochenen Hilfsleistungen, nachdem<br />
israel die Farm bombardiert und in<br />
Schutt und Asche gelegt hat...<br />
Vom Hügel aus, auf dem Familie Abd<br />
Rabbo lebt, kann man auf die israelische<br />
Stadt Sderot blicken – dieses Fak -<br />
tum hatte die Farm zum idealen militärischen<br />
Stützpunkt für die palästinensischen<br />
Kämpfer gemacht. Von dort<br />
hatten sie in den vergangenen Jahren<br />
hunderte Raketen auf das südliche<br />
israel abgefeuert. Einige Familienmit -<br />
glie der beschrieben auch, wie die Ha -<br />
mas unter ihren Häusern Tunnel grub,<br />
auf den Feldern Waffen lagerte und in<br />
der nacht vom Hof der Farm aus<br />
Raketen zündete.<br />
Familie Abd Rabbo betont, dass sie<br />
keine (Hamas-)Aktivisten und der Fa -<br />
tah-Bewegung gegenüber noch im mer<br />
loyal seien, aber keine möglich keit ge -<br />
habt hätten, die bewaffnete Gruppie -<br />
rung vom nächtlichen Ein drin gen auf<br />
ihr Land abzuhalten. Eines der Fami -<br />
li enmitglieder, Hadi, 22, meinte dazu:<br />
‚Du kannst nichts gegen die Wider stands -<br />
kämpfer sagen, sonst beschuldigen sie dich<br />
der Kollaboration (mit Israel) und schießen<br />
dich in die Beine.’“<br />
28 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
Im Stadttempel ist nicht nur zu Purim viel los<br />
Auf den aufbauenden Rat unserer besorgten Freun de<br />
hin wird der Tempel zu einem gutgehenden Kaffee -<br />
haus und George Clooney kredenzt nach der megi lat<br />
Ester nuEspresso.<br />
Erev Purim - Montag, 9. März 009<br />
18.15 Uhr G´ttesdienst im Stadttempel<br />
18.30 Uhr megila mit akustischen Haman effek ten<br />
ca 19.30 Uhr Kaffeehaus und<br />
Grosses Purim-Carlebach-Konzert<br />
mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg<br />
und seiner neuen<br />
Kuppert O Malovitzki Preuschl O Tockner-Band<br />
ich freue mich auf<br />
einen schönen Abend<br />
mit Euch!<br />
Oberrabbiner Chaim Eisenberg<br />
STATE OF ISRAEL BONDS<br />
Staatsanleihe Israel<br />
WIEN<br />
kündigt bereits jetzt die geplante<br />
Solidaritätsreise an:<br />
Berlin-Israel<br />
20. April – 01. Mai 09<br />
Dieses Jahr führt uns unsere Reise in das<br />
Jüdische Berlin und dann weiter nach Israel,<br />
mit Schwerpunkt Eilat und Negev Wüste.<br />
Festivitäten aber wie immer in<br />
Tel Aviv und Jerusalem.<br />
Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist,<br />
bitten wir Sie um rasche Buchung.<br />
Nähere Informationen bei: Tel. 513 77 55<br />
E- mail: bonds.wien@aon.at<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 29
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Abschied vom Toten Meer<br />
Von Reinhard Engel<br />
australische Produzenten bieten den<br />
Chinesen die Stirn.<br />
Ob iCL das Werk weiter betreiben<br />
wird, ist offen. innerhalb des Kon -<br />
zerns spielt es nur eine kleine Rolle,<br />
die größten mengen der chemischen<br />
Substanzen, die iCL aus dem Toten<br />
meer sowie aus seinen minen in Spa -<br />
nien und Großbritannien gewinnt,<br />
werden zu Dünger weiterverarbeitet<br />
oder zu industrie-Chemikalien.<br />
WIRTSCHAFT<br />
©Reuters/Baz Ratner<br />
Der deutsche Volkswagen-Konzern kündigt<br />
ein Joint-venture mit Israel Che mi c<strong>als</strong> zur<br />
Magnesium-Her stel lung auf.<br />
Es war noch kurz vor der Jahres -<br />
wen de. Per Brief kündigte der deutsche<br />
Automobilkonzern Volkswagen<br />
ein großes industrie-Joint-venture mit<br />
israel Chemic<strong>als</strong> (iCL) auf: die ge mein -<br />
same Erzeugung von magnesi um am<br />
Toten meer. Eli Amit, der Vor stands -<br />
vorsitzende von Dead Sea magne si -<br />
um, der gleichzeitig Vize prä sident<br />
von iCL ist, reagierte empört: „Die<br />
unilaterale Auflösung ist in hohem Maß<br />
fragwürdig, umso mehr, <strong>als</strong> dieser überraschende<br />
Schritt zu einem sensiblen<br />
Zeit punkt des globalen Konjunkturrück -<br />
gan ges kam und Dead Sea Magnesium<br />
mitten in Verhandlungen mit Banken zu<br />
Kreditverlängerungen steht.“<br />
iCL betonte, Volkswagen habe da -<br />
mit Verträge gebrochen und dürfe<br />
diesen Vertrag nicht einseitig auflösen.<br />
„Der Bruch des Joint-ventures durch<br />
Volkswagen gefährdet die anstehende<br />
Rück zahlung laufender Kredite und in<br />
Folge mehrere Hundert Arbeitsplätze in<br />
der ohnehin strukturschwachen Negev<br />
Wüste in Israel“, so Amit weiter. iCL<br />
drohte, mit einer Klage gegen Volks -<br />
wa gen vorzugehen, die Schadener -<br />
satz ansprüche bis zu US$ 80 mio.<br />
um fassen könnte, <strong>als</strong> Deadline wurde<br />
der 3. <strong>Februar</strong> genannt.<br />
„Bis jetzt habe ich nicht gehört, dass<br />
eine Klage eingebracht worden wäre“, sagt<br />
Michael Brendel, ein VW-Sprecher in<br />
Wolfsburg. „Volkswagen hat sich an sei ne<br />
vertraglichen Pflichten gehalten und bricht<br />
keine Vereinbarungen.“ Auf die Frage,<br />
warum sich VW jetzt zurückziehe, er -<br />
klärt Brendel: „Volkswagen hat Dead Sea<br />
Magnesium in den vergangenen 12 Jah ren<br />
unterstützt, aber jetzt konzentrieren wir<br />
uns auf unser Kerngeschäft.“ VW besitze<br />
auch keine Stahlwerke.<br />
Das Joint-venture war im Jahr 1995<br />
vom damaligen Volkswagen-Gene ral -<br />
direktor Ferdinand Piech unterzeichnet<br />
worden, an der Zeremonie nahmen<br />
höchste politische Vertreter teil:<br />
Premierminister Yitzhak Rabin und<br />
Bundeskanzler Helmut Kohl. Es galt<br />
<strong>als</strong> Vorzeige-Großprojekt und Symbol<br />
einer zukunftsträchtigen wirt -<br />
schaftlichen Zusammenarbeit.<br />
magnesium wird in der Auto mobil -<br />
pro duktion sowohl für Leichtbauteile<br />
im motor und an verschiedenen Ag -<br />
gre gaten verwendet, <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> Zu -<br />
satz bei der Aluminium erzeugung.<br />
Dead Sea miner<strong>als</strong> entwickelte sich<br />
zu einem Produzenten von 30.000 bis<br />
35.000 Tonnen pro Jahr, zuletzt arbeiteten<br />
380 mitarbeiter für das Unter -<br />
neh men. Die Anteile waren 65 zu 35<br />
Pro zent zwischen iCL und Volkswagen<br />
aufgeteilt.<br />
Aber schon ab 1996 begannen chinesische<br />
Hersteller, die Weltmärkte mit<br />
billigem magnesium systematisch zu<br />
überschwemmen und ihren marktanteil<br />
schrittweise enorm auszubauen.<br />
Das führte nicht nur zu wiederholten<br />
Verlusten bei Dead Sea magnesium,<br />
sondern auch dazu, dass mehrere nam -<br />
hafte Konzerne die Erzeugung des<br />
Roh stoffes reduzierten oder gar einstellten,<br />
etwa norsk Hydro in Kanada<br />
oder der US-Konzern Alcoa mit einer<br />
Werksschließung in den nordwestli -<br />
chen Vereinigten Staaten. Lediglich<br />
Außer DSm gibt es in israel eine<br />
Rei he von Unternehmen, die für die<br />
internationale Automobilindustrie Zu -<br />
lieferteile herstellen. in diesem Be reich<br />
werden mehrere Dutzend, zumeist<br />
klei nere Firmen gezählt, ein kleinerer<br />
Pro zentsatz der Erzeugnisse ist für<br />
den lokalen Ersatzteilmarkt be stimmt,<br />
der überwiegende Teil wird exportiert.<br />
nach Berechnungen von Germany<br />
Trade and invest in Köln lagen die<br />
Ausfuhren von Kfz-Teilen aus israel<br />
im Jahr 2007 bei rund US$ 800 mio.,<br />
fast ein Viertel mehr <strong>als</strong> im Jahr da -<br />
vor. Zugleich sind israelische Her stel -<br />
ler um die Kooperation mit ausländischen<br />
Partnern und um den Aufbau<br />
von Produktionen im Ausland be müht,<br />
vor allem in mittel- und Ost eu ro pa.<br />
Zu den bedeutenderen Zulieferern<br />
gehören unter anderem die Firmen<br />
Deutsch-Dagan (Teile und Bau grup -<br />
pen sowie elektrische Teile), Tadir-<br />
Gan (Hochpräzisionskomponenten),<br />
Omen-Hatzor (Druckgussprodukte),<br />
mAG (mechanische und elektromechanische<br />
Baugruppen) und Ortal<br />
(Druck gussprodukte aus Zink und ma -<br />
g nesium). im Bereich der Ersatz teil -<br />
fertigung ist eine größere Anzahl von<br />
mittleren und kleineren Un ter neh men<br />
tätig. Eine wichtige Rolle spielt der Au -<br />
tobatterienfabrikant E. Schnapp & Co.<br />
Gleichzeitig, so die deutschen Ex -<br />
perten, entwickeln israelische Unter -<br />
neh men, die oft Elektronikfirmen und<br />
keine „klassischen“ Hersteller von<br />
Kfz-Teilen sind, Zubehör und Fah rer -<br />
hilfssysteme. mehrere ausländische<br />
Kfz-Hersteller haben 2007 in diesem<br />
Be reich Kooperationsabkommen mit<br />
israelischen Unternehmen beziehungsweise<br />
dem industrieminis teri um un -<br />
terzeichnet oder möglichkeiten des<br />
Tech nologiezukaufs in israel ausgelotet.<br />
Wie weit diese geplanten Koope ra -<br />
tio nen von der globalen Autokrise be -<br />
droht sind, ist noch nicht abzusehen.<br />
30 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Verkehr in Tel Aviv<br />
Japan vor Deutschland<br />
Der israelische Automarkt erlebte im Vorjahr einen Boom, dann folgte der Absturz.<br />
Der Neuwagenmarkt in Israel erreichte im Jahr 2008 mit 200.000 Verkäufen sein bestes Jahr in der Geschichte, er zählt<br />
Tomer Hader, Auto-Redakteur des Wirtschaftsblattes Calcalist. „Im heurigen Januar sind dann nur 11.500 Autos verkauft worden,<br />
das war ein Einbruch von 50 Prozent,“ weiß er. „Für das Gesamtjahr <strong>2009</strong> rechnen wir mit einem Volumen von 140.000<br />
bis 150.000 Neuwagen.“<br />
In Österreich, einem Land mit ähnlicher Bevölkerungszahl aber höherem Bruttonationalprodukt pro Kopf, pendelte der<br />
Neu wagenmarkt meist zwischen 270.000 und 300.000 Autos. Auch hier wird für heuer ein schwaches bis dramatisch<br />
schlechtes Jahr erwartet.<br />
Vergleicht man die erfolgreichsten Typen und Marken, so unterscheiden sich die Märkte äußerst stark. In Österreich liegt<br />
seit Jahren der VW Golf an der Spitze der Statistik, die Verfolger wechseln, im Vorjahr waren dies etwa zeitweise Audi A4<br />
und Seat Ibiza. In Israel lag der Mazda 3 an der Spitze, gefolgt von Toyota Corolla und Ford Focus.<br />
Was die Marktanteile angeht, so dominiert in Österreich Volkswagen <strong>als</strong> Einzelmarke wie <strong>als</strong> Gruppe: Mit VW, Audi, Seat<br />
und Skoda kumuliert diese einen Anteil von knapp 30 Prozent. In Israel hat VW eine etwas bescheidenere Position, <strong>als</strong><br />
Einzelmarke Rang acht, hinter Mazda, Toyota, Hyundai, Chevrolet, Honda, Ford und Mitsubishi. Addiert man die Marken<br />
der Volkswagen-Group, so erreichte der Konzern im Vorjahr immerhin Rang fünf. „Die Führung der Japaner hat unter anderem<br />
mit der Kaufkraft und den hohen Einfuhr-Abgaben von 70 Prozent zu tun,“ erklärt Auto-Redakteur Hadar, „Der Anfangspreis<br />
von einem Golf liegt immerhin bei 22.000 Euro. Das ist ziemlich teuer.“<br />
Noch teurer sind Autos aus österreichischer, sprich Grazer Produktion. Christian Lassnig, Österreichs Handelsdelegierter in<br />
Tel Aviv erklärt: „Der in Österreich gebaute BMW X3 wird hier kaum verkauft, reiche Israelis greifen gleich zum BMW X5. Die<br />
Chrysler und Jeep-Modelle kommen großteils aus den USA, der eine oder andere Mercedes (Puch) G hat sicherlich den Weg nach<br />
Israel gefunden und die Wahrscheinlichkeit, dass der eine Saab, der 2008 in Israel verkauft wurde, ein Cabriolet aus österreichischer<br />
Produktion ist, steht angesichts des sonnigen Wetters hier gar nicht so schlecht.“ Insgesamt schätzen die Experten der Wirt -<br />
schaftskammer den Exportwert von in Österreich für Israel produzierten PKW und SUV für das Jahr 2008 auf ca. 2,5 Mio. EUR.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 31
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Vom Ballonmantel<br />
zum Badeanzug<br />
Von Marta S. Halpert<br />
Wie die Ungarin Lea Gottlieb<br />
eine Weltmarke schuf<br />
Gottex-Badeanzüge <strong>als</strong> Synonym<br />
für israelischen Design-Erfolg<br />
©Reuters<br />
Trotz Rollkragenpullis und festen<br />
Jeans frösteln die zwei Einkäufe rin -<br />
nen im Showroom. Ein stämmiger<br />
mann mit Glatzkopf weist mit der<br />
Hand auf eine schlanke, groß ge -<br />
wach sene Zwanzigjährige, die nur<br />
mit einem Hauch von buntem Bikini<br />
bekleidet vor ihm steht. Die junge<br />
Frau dreht und wendet sich auf ihren<br />
hochhackigen Schuhen und lächelt –<br />
Energiebündel Lea Gottlieb<br />
mit Enkel Danny Shir (2008)<br />
© EPA/Jim Hollander<br />
etwas verkrampft. Es ist Winter in Tel<br />
Aviv, aber die Bademoden-Einkäufe -<br />
rin nen müssen die begehrte Ware<br />
schon bestellen, sonst haben sie das<br />
nachsehen. Sie kommen aus dem<br />
nor den von israel, die Gottex-Vertre -<br />
tungen weltweit haben ihre Bestel -<br />
lun gen bereits getätigt.<br />
Von weltweiter Finanzkrise ist hier<br />
nichts zu merken. Das neue Gottex-<br />
Hauptquartier nördlich von Tel Aviv<br />
wird gerade umgebaut und erweitert.<br />
in der näherei, wo die Entwürfe realisiert<br />
werden, herrscht Emsigkeit:<br />
Bunte Stoffballen werden ausgebreitet<br />
und gustiert, muster aufgelegt,<br />
etwa 30 nähmaschinen surren. Hier<br />
wird nur die Verkaufskollektion ge -<br />
fertigt, denn die umfangreiche Pro -<br />
duk tion für die mehr <strong>als</strong> 60 Vertriebs-<br />
Länder findet in der Türkei und in<br />
China statt. Die insgesamt sieben verschiedenen<br />
Gottex-Bademoden-Li -<br />
nien (Gottex, Gideon Oberson, Gottex<br />
Silver, Gottex Blue, Profile by Gottex,<br />
Turkiz und Pilpel) haben zuletzt ei -<br />
nen weltweiten Umsatz von 100 mil -<br />
lio nen US-Dollar überschritten.<br />
Von der Chemikerin zur Designerin<br />
Doch von diesem Umsatz profitiert<br />
die legendäre Gottex-Firmen grün de -<br />
rin nicht mehr. Denn Lea Gottlieb, die<br />
mit der marke Gottex ein Synonym<br />
für einen israelischen Welterfolg ge -<br />
schaffen hat, musste 1997 ihre Anteile<br />
an die Africa-Israel Investments von<br />
Großinvestor Lev Leviev verkaufen.<br />
Bis 2001 blieb sie noch <strong>als</strong> Designerin<br />
in der Firma, dann sei sie in die Pen -<br />
sion gedrängt worden, besagen Bran -<br />
chen-Gerüchte.<br />
Aber dem atemberaubenden Auf -<br />
stieg und dem Ruhm der Flüchtlinge<br />
aus Ungarn kann auch diese Wen -<br />
dung nichts anhaben. 1948 entflohen<br />
32 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Lea und Armin Gottlieb dem Kom -<br />
mu nismus nach Tel Aviv. Angeblich<br />
verkaufte Lea sogar ihren Ehering,<br />
um Startkapital zu haben. ihr mann<br />
war Regenmantelfabrikant gewesen,<br />
sie studierte Chemikerin. in einer win -<br />
zigen Werkstatt in der King George-<br />
Street in Tel Aviv versuchten sie mit<br />
Ballonmänteln ihr Glück. Sehr bald<br />
wurde ihnen klar, dass das Ge schäft<br />
mit Klei dern für verregnete Tage nicht<br />
lohnen würde. Die Gott liebs stiegen<br />
auf Bade mo de um und gründeten<br />
1956 die Firma Gottex. „Wir hatten es<br />
wirklich schwer. Wir schufteten von sechs<br />
Uhr früh bis weit nach Mitter nacht“,<br />
erinnerte sie sich später.<br />
Doch die An stren gung sollte sich lohnen,<br />
die Pro duktion ex pan dierte<br />
schnell und bald gab Gottex mehr <strong>als</strong><br />
tausend men schen Arbeit.<br />
Lea Gottlieb war aber nicht nur im<br />
Design höchst kreativ, sie entdeckte<br />
auch neue materialien für ihre eleganten,<br />
nicht gerade billigen modelle.<br />
Sie wechselte von der Baumwolle zur<br />
Kunstfaser: in den 1960ern entwickelte<br />
sie zuerst das Patent „Spandex“<br />
exklusiv und etwas später das ultraleichte<br />
und stark modellierende Ly cramaterial.<br />
„Gottex steht für hochwertige Desi gner -<br />
bademode made in Israel. Seit mehr <strong>als</strong> 50<br />
Jahren im internationalen Markt tätig,<br />
kommt Gottex in diesem Sommer erstm<strong>als</strong><br />
nach Leip zig“, schrieben die Orga ni sa -<br />
to ren der Leip ziger messe kürzlich<br />
stolz in ihrer An kündigung. „Die Kol -<br />
lektio nen ‘Gottex Silver’ und ‘Gottex<br />
Gold’ richten sich an Frauen mit höchsten<br />
An sprüchen an Mode, Passform und Ma -<br />
terial. Die Kollektionen wurden durch kul -<br />
turelle Einflüsse inspiriert“, heißt es da<br />
weiter, „die junge Linie ‘Gottex Silver’<br />
besticht mit afrikanischen Drucken.“<br />
Lea Gottlieb wurde in den letzten<br />
50 Jahren zur Perfektionistin nicht nur<br />
für Badeanzüge. Denn sie erkannte<br />
bald, dass das Spektrum der Strand -<br />
mode vom Bi ki ni bis zum Abend kleid<br />
reicht. Koor diniert mit Wickel klei dern,<br />
Röc ken, Ho sen aller Art, Sa rongs, Djel -<br />
labahs, Kafta nen und netz män teln ist<br />
aus dem simplen Ba deanzug der eleganteste<br />
Ferien-Out fit für alle Strände<br />
der Welt ge worden. Gottex heimste<br />
international zahlreiche re nom mierte<br />
Preise ein: Den Designer of the Year in<br />
Düsseldorf, den modepreis in Dallas,<br />
den mode-Festival-Preis in Cannes,<br />
den indus trie-Preis in mila no und<br />
den Textil preis in Paris.<br />
Prinzessin Dia na besuchte nur sechs<br />
monate vor ihrem Tod einen Gottex<br />
Showroom in London, um sich für ih re<br />
Rei se nach Austra lien mit passender<br />
Ba de mode auszustatten. „Sie hat mir<br />
nicht nur einen reizenden Dan kes brief<br />
geschickt, sondern auch ein Foto beigelegt,<br />
das sie im Gottex outfit beim Tau chen<br />
zeigt,“ er zählt Lea Gott lieb, die sich<br />
täglich auf ihrer Tel Aviv Terrasse mit<br />
Tai Chi fit hält. Über die Jahre zählten<br />
viele be rühmte Frauen zu den Got tex-<br />
Kun din nen, unter an de rem nan cy<br />
Kissinger, Jackie Ken ne dy-Onassis,<br />
ihre Schwes ter Lee Rad zi wil, Barbara<br />
Walters und Elizabeth Taylor.<br />
©Reinhard Engel<br />
Firmengründung mit 87 Jahren<br />
Einen schweren Rückschlag erlitt die<br />
israelische Designerin vor wenigen<br />
Jah ren: „Zwei Dinge waren unendlich<br />
schwer in meinem Leben. Der Tod von Ju -<br />
dith, sie war mein Liebling - und der Ab -<br />
schied von Gottex.“ Während ihre ältere<br />
Tochter miriam (60) den Gottex Vertrieb<br />
in den USA von new York aus<br />
erfolgreich managt, starb die Jüngere<br />
mit 57 Jahren an Krebs. Obwohl Lea<br />
Gottlieb nach dem Verkauf ihrer Fir -<br />
menanteile an Lev Leviev noch im kre -<br />
ativen Bereich tätig war, kam das end -<br />
gültige Aus mit dem Einstieg der beiden<br />
kanadischen Ge schäftsleute Joey<br />
Schwebel und Chanan Elituv, die heu -<br />
te 50% an Gottex halten.<br />
Doch die Grande Dame der Bade -<br />
mode ließ sich nicht unterkriegen. mit<br />
87 Jahren gründete sie ihr neues La -<br />
bel „Lea Gottlieb“, und ihre neue Kol -<br />
lektion <strong>2009</strong> kann sogar im internet<br />
bewundert werden. Gottliebs neuer<br />
Partner ist Ronny Grundland, inha ber<br />
von Tefron in new York und macro<br />
Clothing Ltd. in israel. „Lea ist ein<br />
nationaler Schatz – und sie ist ein Ar beits -<br />
tier, sie kann nicht aufhören!“<br />
Grundland, der zehn Jahre für Gottex<br />
gearbeitet hatte, gibt sich glücklich<br />
über die Kreativität seiner Partnerin,<br />
die selbst meint: „Meine positive Ener -<br />
gie fließt noch immer, und ich nehme alle<br />
Einflüsse in meine Arbeit auf, sei es die<br />
Na tur in Israel oder die amerikanische Flag -<br />
ge mit den Farben rot, weiß und blau.“<br />
„Uns gefällt besonders die Raffinesse dieses<br />
Modells: Ein verführerisches Schwarz-<br />
Weiß-Modell, das dank sanfter Taupe-Tö -<br />
ne und weicher Blumenaufdrucke nicht<br />
hart sondern unendlich weiblich wirkt.<br />
Das raffiniert geschnittene Oberteil im<br />
originellen Triangel-Stil und der seitlich<br />
geknotete Low-Cut-Slip verleihen dem<br />
En semble einen herrlich eleganten Haute<br />
Couture-Touch“, schreibt das deutsche<br />
Online ma ga zine ‘GOfeminin.de’.<br />
Marketingchefin<br />
Daphne Olinsky<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 33
ISRAEL • WIRTSCHAFT<br />
Hauptmarkt immer noch die USA<br />
„Unser stärkster Markt bleibt die USA,<br />
auch wenn wir sehr schöne Er folge in<br />
Süd- und Mit teleuropa erringen konnten“,<br />
erzählt Daphna Olinsky, verantwortlich<br />
für den internationalen Ver -<br />
kauf und das marketing von Gottex.<br />
„Neunzig Pro zent unserer Ware ist für<br />
den Export bestimmt, erhältlich ist sie<br />
weltweit an 5.000 Ver kaufs stellen“, so<br />
die erfahrene marke ting l eiterin. Von<br />
Argentinien bis neu seeland, von<br />
Ägypten bis nach Russland und Sin -<br />
ga pore reicht die Palette. „In Japan sind<br />
wir ebenso po pu lär wie in Kasachs tan und<br />
der Ukraine“, be rich tet Olins ky. Ein -<br />
hundert mit ar beiter sind heu te für<br />
Gottex tätig, um die di ver sen mo de -<br />
wün sche zu erfüllen: „Die ‘Gold-<br />
Kollektion’ ist eindeutig in den ehemaligen<br />
russischen Republiken stärker nachgefragt,<br />
während wir mit der ‘Gottex<br />
Silver Line’ eher ein sehr junges Pu bli -<br />
kum in Nord- und Mitteleuropa ansprechen<br />
können.“<br />
Gideon Oberson –<br />
der israelische Lagerfeld<br />
Ein wenig Wehmut schwingt auch<br />
bei der jungen mar ke ting chefin mit,<br />
wenn sie zur Firmen grün derin<br />
Gottlieb be fragt wird. Aber neue<br />
Chefs bringen eben ihr eigenes kreatives<br />
Team mit. neu, aber nicht un -<br />
bedingt sehr jung ist der Kreativ-<br />
Direktor von Got tex. Gideon<br />
Oberson ist eine Art israelischer Karl<br />
La ger feld: Er zählt zu den be -<br />
kanntesten De signern is raels, arbeitete<br />
viele Jahre nur unter seinem eigenen<br />
namen. Seit 1976 entwirft er<br />
auch Bademode, für das Got tex Label<br />
macht er das erst ab 2003. Er ist ein<br />
Allround-Künstler, dessen einteilige<br />
Badeanzüge nichts weniger sind <strong>als</strong><br />
beeindruckende Kunst wer ke: Ober son<br />
orientiert sich bei jeder Kre a tion dreidimensional,<br />
an der mu sik, dem Tanz<br />
und nicht selten mischt sich sogar Ar -<br />
chi tek tur in seinen kre ativen Pro zess.<br />
Geboren in italien, ausgebildet<br />
in Frank reich,<br />
lebt Oberson seit vielen<br />
Jahren in israel.<br />
„Unser nächstes<br />
großes Ziel ist, die Mar ke<br />
Got tex in Chi na einzuführen“,<br />
plau dert<br />
Daph na Olinsky<br />
aus der Schule.<br />
Lea Gott lieb holt<br />
sich auch reichlich<br />
in spi ra ti on<br />
aus dem Reich<br />
der mitte, das<br />
sie immer wieder<br />
be sucht. Viel leicht begegnet sie<br />
bald der marke Got tex in Schang hai.<br />
Falls ja, wird sie sofort mit ‘Lea Gott lieb<br />
swimwear <strong>2009</strong>’ kontern.<br />
Kollektionsbesprechung<br />
©Reinhard Engel<br />
Werkstattbetrieb<br />
©Reinhard Engel<br />
34 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
WISSENSCHAFT<br />
„Die Geheimnistuerei israelischer Fir men<br />
macht es schwer, deren patentierte Er fin -<br />
dungen trotz Nachfrage in aller Welt zu<br />
verkaufen“, klagt ein deutsch-israelischer<br />
Geschäftsmann. Auf Achse zwischen<br />
indien, Aserbeidschan und new<br />
York verkauft er eine in israel entwickelte<br />
„Tapete gegen Bomben“. Die<br />
Wandverkleidung kann mit Blüm -<br />
chen muster übermalt werden und bie -<br />
tet handfesten Schutz gegen Auto -<br />
bomben oder Raketeneinschlag.<br />
in einem schmucklosen Büro in Pe -<br />
tach Tikwa stehen mit Schutzwesten<br />
bekleidete Schaufensterpuppen he -<br />
rum. Drei israelis bieten erstm<strong>als</strong><br />
einem Journalisten einen Blick auf<br />
ihre Produkte. „Alles was wir verkaufen,<br />
wird vom Verteidigungsministerium ge -<br />
neh migt. An Iran oder an die Hisbollah<br />
würden wir niem<strong>als</strong> liefern“, versichert<br />
Amos Zuaretz. Dan Zarchin wirft eine<br />
unübersichtliche Präsentation auf die<br />
weiße Wand. neben der israelischen<br />
Armee werden da die Bundeswehr, die<br />
UnO und Südafrika <strong>als</strong> Kunden an -<br />
ge geben. Deren Firma hatte ihre erste<br />
Fabrik ausgerechnet am Erez-Grenz -<br />
über gang zum Gazastreifen. 130 Pa läs -<br />
tinenser verdienten da ihren Lebens -<br />
un terhalt, bis das industriege biet we -<br />
gen Raketenbeschuss der Hamas und<br />
der Explosion einer von Ha mas-Chef<br />
Scheich Jassin ausgesandten Selbst -<br />
mord attentäterin geschlossen wurde.<br />
„Wir hatten kurz zuvor der Ar mee angeboten,<br />
auf unsere Kosten die Zimmer des<br />
Kontrollpunktes zu tapezieren. Dann hät te<br />
es keine Toten gegeben. Aber die Bü ro kra -<br />
tie verhinderte es“, erzählt Beno Dvir.<br />
Auf dem Tisch liegt zwischen Kaf fee -<br />
tassen und salzigem Gebäck ein grü -<br />
nes Paket mit einer Schuhhalterung.<br />
Stolz öffnet Zarchin das Stoffpaket.<br />
Wir sehen zwei Luftkissen und Schläu -<br />
Tapeten<br />
gegen<br />
Bomben<br />
Von Ulrich W. Sahm<br />
Ran Naor legt letzte Hand an im frisch tapezierten Kindergarten von Kibbuz Miflasim<br />
che zum Aufblasen. „Das sind Spezial -<br />
schu he für Minensucher.“ in langer<br />
Forschungsarbeit wurde der Sonder -<br />
schuh entwickelt, mit dem Feuerwer -<br />
ker gefahrlos minenfelder betreten<br />
können. Die nach Vorschrift aufgeblasenen<br />
Luftkissen verteilen das Ge wicht<br />
des Soldaten. Der Schuh gibt an keiner<br />
Stelle mehr <strong>als</strong> 5 Kilo an den Druck -<br />
zün der einer vergrabenen mine ab.<br />
Der Feuerwerker kann sogar einen<br />
ver letzten Kollegen aus dem minen -<br />
feld tragen, ohne wegen erhöhten Ge -<br />
wichts in die Luft zu fliegen. Oberst -<br />
leut nant a.D. Beno Dvir schwärmt:<br />
„Dachdecker könnten damit auf einem<br />
abschüssigen Dach gehen, ohne die Ziegel<br />
zu zerbrechen.“ Das Paar kostet 1.500<br />
Euro im militärischen Spezialhandel.<br />
Eine Stunde später treffen wir Ran<br />
naor. Am Himmel schwebt ein weißer<br />
Zeppelin und beobachtet das Gesche -<br />
hen im Gazastreifen. Das Gebiet liegt<br />
in Reichweite der Raketen der Ha mas.<br />
naor erklärt die Funktion der Anti-<br />
Bomben-Tapete, wie sie schon weltweit<br />
in israelischen Botschaften und geheimen<br />
militärischen Einrich tun gen an<br />
die Wände geklebt worden sei. Ein<br />
Spe zi<strong>als</strong>toff, wie ihn nur eine in Ös -<br />
terreich produzierte maschine weben<br />
kann, wird in eine feuerfeste Farbe<br />
getunkt und mit einer anderen Spe zial -<br />
maschine genau nach maß mit „bom-<br />
bensicheren“ nähten zusam men -<br />
gesetzt. Am Boden und an der Decke<br />
wird die zwei millimeter dicke Ta -<br />
pete mit metallleisten verankert und<br />
an die Wände geklebt.<br />
in verlassenen Steinbrüchen habe<br />
die israelische Armee mit Auto bom ben<br />
und nachgebauten Kassamra ke ten<br />
tapezierte mauern getestet. Während<br />
die Betonmauern durch die Druck -<br />
wel le zerbröselten, hielt die Spezial ta -<br />
pete. Weder Splitter der Bombe noch<br />
Steine der einbrechenden mauern trafen<br />
menschen im innern der ge schütz -<br />
ten Räume. Der Discovery Channel<br />
berichtete, wie Wände im Pentagon<br />
standhielten, <strong>als</strong> am 11. September 2001<br />
ein Passagierflugzeug in das Ge bäu de<br />
flog. So erfuhren die israelis zufällig,<br />
dass ihre amerikanischen Partner<br />
heim lich das Pentagon „tapeziert“<br />
hat ten.<br />
im Kibbuz miflasim geht naor auf<br />
den Kindergarten zu. Er ist angeblich<br />
„der“ Experte für Zivilschutz. „Hier gab<br />
es Opfer durch eingeschlagene Kas sam -<br />
raketen.“ Über dem alten Kinder gar -<br />
ten mit billigem Asbest-Dach steht<br />
auf Säulen ein dickes Betondach mit<br />
Waben aus Querbalken, <strong>als</strong> Schutz<br />
gegen Direkttreffer. Wenn aber eine<br />
Rakete neben dem Fertighaus einschlüge,<br />
wären die Kleinkinder des<br />
Kibbuz den Splittern schutzlos ausgeliefert.<br />
Das Verteidigungsministerium<br />
finanziert deshalb das „Tapezieren“.<br />
Kindergarten mit Waben-Schutzdach<br />
© U.W.Sahm<br />
Die Fenster aus Panzerglas werden in<br />
die Tapete eingenäht und mit fingerdicken<br />
Stahlröhren zusätzlich verankert,<br />
um bei einer Explosion nicht wie<br />
ein tödliches Geschoss in den Raum zu<br />
fliegen. „In Kiew hatten örtliche Hilfs -<br />
kräfte nur vier statt der vorgeschriebenen<br />
sechs Schrauben verwendet. Bei einem<br />
Bombenanschlag auf die israelische Bot -<br />
schaft flog eines tonnenschweres Fenster<br />
aus der Verankerung und tötete einen<br />
ukrainischen Wachmann. Dank unserer<br />
Tapete gab es beim Botschaftspersonal we -<br />
der Verletzte noch Tote“, erzählt Dvir.<br />
Rund um den Gazastreifen werden<br />
Privathäuser und öffentliche Gebäu de<br />
gegen Raketenbeschuss abgesichert.<br />
Es geht um millionenaufträge an isra -<br />
e lische Spezialfirmen. Jeder Quadrat -<br />
me ter „Tapete“ kostet über 100 Euro.<br />
Wenn auch noch Stahltüren und<br />
Fenster aus Panzerglas eingebaut werden<br />
müssen, liegen die Kosten pro<br />
Klas senzimmer oder Wohn zim mer<br />
weit höher.<br />
WISSENSCHAFT<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 35
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Ivers“, war der Beginn einer Pa ra de -<br />
kar riere in Hollywoods goldener Ära.<br />
Vom harten Boxer midge Kelly in<br />
„Zwi schen Frauen und Seilen“ (1949) bis<br />
zum gepeinigten Künstlergenie Vin -<br />
cent van Gogh in „Vincent van Gogh –<br />
Ein Leben in Leidenschaft“ (1956), verkörperte<br />
Douglas eine enorme Band -<br />
brei te an Charaktären in Filmen wie<br />
„Spar tacus“ (1960), „Stadt der Illusio nen“<br />
(1953), „20.000 Meilen unter dem Meer“<br />
(1954) oder „Wege zum Ruhm“ (1957).<br />
im Laufe seiner langen Karriere war<br />
er zwei mal für den Oscar nominiert<br />
worden und letztendlich erhielt der<br />
den Ehren-Oscar für sein Lebens werk.<br />
1996 erlitt einen Schlaganfall, der<br />
sein Sprachvermögen beeinträchtigte,<br />
doch er blieb auch danach aktiv <strong>als</strong><br />
Philan trop, Autor – und <strong>als</strong> Jude.<br />
in diesem interview erzählte der<br />
Grand Seigneur von Hollywood was<br />
ihn im Laufe seines Lebens immer<br />
näher zu seinem eigenen Judentum<br />
führte.<br />
JÜDISCHE WELT<br />
Kirk Douglas -<br />
Die Weisheit der Jahre<br />
Im Dezember 2008 wurde Kirk Doug las<br />
92. Jede Woche bekommt er auf seinem An -<br />
we sen in Beverly Hills Besuch von sei nem<br />
Rabbiner, Rabbi David Wolpe von der<br />
Sinai Synagoge in Los Angeles, um mit<br />
ihm über das Judentum und das Leben im<br />
Allge meinen zu sprechen.<br />
An einer dieser interessanten Kon ver sa -<br />
tionen dürfen wir nun im folgenden Text<br />
teilhaben. In ihr lernen wir einen Mann<br />
kennen, der das orthodoxe Ju dentum seiner<br />
Jugend hinter sich ließ, um Schau -<br />
spie ler zu werden und „die bösen Jungs“<br />
zu spielen.<br />
Kirk Douglas wurde am 9. De zem -<br />
Interview von Rabbi David Wolpe<br />
(Quelle: Moment, 9/10 2008)<br />
ber 1916 <strong>als</strong> issur Danielo witsch<br />
Demsky geboren und wuchs im amerikanischen<br />
Amsterdam, new York,<br />
in ärmlichen Verhältnissen auf.<br />
Blond, blauäugig, mit der Statur ei -<br />
nes Ringers und seinem marken zei -<br />
chen, dem zerfurchten Kinn, machte<br />
er in new York seine ersten Schritte<br />
auf den Brettern, die die Welt bedeuten.<br />
Der große Durchbruch kam dann<br />
in Hollywood, <strong>als</strong> seine ehemalige<br />
Klas sen kameradin und Freundin Lau -<br />
ren Bacall den Regisseur Hal B. Wallis<br />
auf ihn aufmerksam machte. Sein<br />
Film de büt, 1946 neben Barbara Stan -<br />
wyck in „Die seltsame Liebe der Martha<br />
David Wolpe: Was bedeutete es für Ihre<br />
Eltern, Juden zu sein, und wie war es, in<br />
einem kleinen New Yorker Städtchen aufzuwachsen?<br />
Kirk Douglas: meine Eltern waren<br />
rus sische immigranten. mein Vater<br />
war nicht besonders religiös, meine<br />
mutter dafür umso mehr. ich erinnere<br />
mich, wie sie zu Schabbat stets gesessen<br />
ist – das war die einzige Zeit, wo<br />
ich sie nur sitzen und nicht arbeiten<br />
sah. Wie die meisten jüdischen Jun gen<br />
ging ich zum cheder, was zu dieser<br />
Zeit gar nicht einfach war. ich musste<br />
auf dem Weg dorthin an einer Reihe<br />
von Gangs vorbei, die mir immer<br />
„dreckiger Jude“ nachschrien. Ein<br />
wahrer Spießrutenlauf.<br />
War dies Ihr erster Kontakt mit Antise mi -<br />
tis mus?<br />
Ja, ich denke schon. Aber ich habe<br />
mich gewehrt.<br />
Sind Sie deshalb Ringer geworden?<br />
ich wurde Ringer, weil ich immer wie<br />
mein Vater sein wollte, sehr stark und<br />
kampflustig. Er hat sich stets selbst<br />
verteidigt und gewehrt.<br />
Wodurch entfernten Sie sich vom Ju den -<br />
tum?<br />
36 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Während des cheder hatte ich eine<br />
ernste Auseinandersetzung mit G´tt,<br />
denn ich war wütend auf ihn wegen<br />
isaak. ich stellte mir vor, wie schreck -<br />
lich es für isaak gewesen sein musste,<br />
<strong>als</strong> er Holz für seine eigene Opferung<br />
sammelte. Als Kind hat mich das<br />
zutiefst berührt.<br />
Wie war es für Sie, <strong>als</strong> Sie im Jiddischen<br />
Theater vorsprachen?<br />
Die blickten mich dort an und sagten:<br />
„Hören Sie, wenn wir jemanden für eine<br />
Nazirolle brauchen, rufen wir Sie an.“<br />
Sie dachten wohl nicht, dass ich jü -<br />
disch genug aussehe.<br />
Hat Sie das entmutigt oder verärgert?<br />
nicht wirklich, ich habe danach bald<br />
ei nen Job am Broadway bekommen<br />
und alles war wieder in Ordnung.<br />
Wie war das Leben für jüdische Schau spie -<br />
ler in Hollywood, <strong>als</strong> Sie dort ankamen?<br />
naja, alle Studios wurden von Juden<br />
geführt. Zu Beginn der Filmindustrie<br />
hatte man noch auf sie herabgesehen.<br />
Durchwegs in der Geschichte haben<br />
die Juden immer eine Lücke gefüllt,<br />
wenn sie eine gefunden haben. Wie<br />
schon im Bankenwesen, so erkannten<br />
die Juden auch das Potenzial des<br />
Filmbusiness.<br />
Gab es Solidarität unter den jüdischen<br />
Schau spielern?<br />
nicht wirklich. Und es änderten ja<br />
auch alle ihre namen. nicht nur die<br />
Juden, alle habe es getan. Als meine<br />
Eltern aus Russland kamen hießen sie<br />
Danielovitch. Der Bruder meines Va -<br />
ters nannte sich Demsky, <strong>als</strong>o nahmen<br />
auch sie den namen Demsky an. ich<br />
habe dann meinen namen in Kirk<br />
Douglas geändert.<br />
Sie haben mir erzählt, dass Sie zu Yom<br />
Kippur immer gefastet haben. Warum?<br />
Wissen Sie, der Versöhnungstag hat<br />
mich stets ein wenig geängstigt. im<br />
Buch des Lebens geht es darum, wer<br />
leben und wer sterben soll. Auch<br />
wenn ich am Yom Kippur gearbeitet<br />
habe – was ich heute nicht mehr tun<br />
würde – so habe ich zumindest nichts<br />
gegessen. Aber natürlich litt meine<br />
Aufmerksamkeit darunter... Versu chen<br />
Sie einmal mit Lana Turner Zärtlich -<br />
kei ten auszutauschen, wenn Sie einen<br />
leeren magen haben!<br />
Ich denke, dass viele es zumindest versuchen<br />
würden... (Beide lachen.) Wie er -<br />
lebten Sie den Hubschrau berab sturz 1991?<br />
ich schrieb gerade an einem Buch in<br />
Fill more, Kalifornien, wo mein He raus -<br />
geber beheimatet war. Ein Freund von<br />
mir, noel Blanc, der Sohn von mel<br />
Blanc, meinte, er hätte eine Hub schrau -<br />
ber-Flugstunde und würde mich mitnehmen.<br />
naja, ich hielt das dam<strong>als</strong> für<br />
eine großartige idee. Bis heute habe<br />
ich Schuldgefühle, weil in dem Klein -<br />
flugzeug, mit dem wir zusammenstießen<br />
zwei junge menschen getötet<br />
würden. ich hatte immer das Gefühl,<br />
dass es unser Fehler gewesen ist,<br />
auch wenn ich nur auf dem Rücksitz<br />
mitgeflogen bin.<br />
Ich habe einmal mit einem Chirurgen<br />
gesprochen, der anwesend war <strong>als</strong> Sie<br />
nach dem Absturz ins Krankenhaus eingeliefert<br />
wurden, und er meinte, Sie hätten<br />
überall am Körper schwere Verbren nun -<br />
gen gehabt und seien in wirklich ernster<br />
Verfassung gewesen.<br />
Sehen Sie, an das kann ich mich gar<br />
nicht mehr erinnern. ich weiß nur, dass<br />
mein lieber Freund Jack Valenti, der<br />
erst vor Kurzem gestorben ist, mir ge -<br />
sagt hat, ich wäre ganz schwarz ge we -<br />
sen. ich erinnere mich, dass ich mir den<br />
Kopf angeschlagen habe und dann<br />
dass ich in einem Helikopter abtransportiert<br />
worden bin. Die Ärztin an<br />
Board war eine junge Frau ich weiß<br />
noch, dass ich dachte: „Sie ist ziemlich<br />
hübsch.“ Also war ich der mei nung,<br />
dass ich wohl ok sein muss.<br />
Ja, so sind die Männer! Sogar bei einem<br />
Herzinfarkt flirten sie noch mit der<br />
Krankenschwester. Hat der Absturz Ihr<br />
Verhältnis zum Judentum geändert?<br />
Zuerst dachte ich: „Ich habe ganz schön<br />
viel durchgemacht. Kann es sein, dass<br />
G´tt irgendwie sauer auf mich ist?“ Aber<br />
dann hatte ich so eine Ahnung, dass<br />
G´tt vielleicht will, dass ich noch länger<br />
hier bin, vielleicht weil er noch et -<br />
was mit mir vorhat, eine Aufgabe. Al so<br />
begann ich mich für das Judentum zu<br />
interessieren. ich bin mir meines Ju -<br />
dentums und meines Glaubens nun<br />
viel bewusster. Das Entzünden der<br />
Ker zen am Schabbat ist eine wunderschöne<br />
Zeremonie. Es ist die Zeit, G´tt<br />
für all das zu danken, was er dir ge -<br />
schenkt hat und um einmal in der<br />
Wo che eine Art von Selbstinventur<br />
durchzuführen. meine Frau Anne ist<br />
zum Judentum konvertiert und ihre<br />
Frau hat sie das Gebet mündlich ge -<br />
lehrt, deshalb kennt sie nun das<br />
hebräische Gebet, das zum Kerzen -<br />
zün den am Shabbat gesprochen wird.<br />
Mit 83 feierten Sie eine zweite Bar Mitz -<br />
wah. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen?<br />
Das ist eine Gute Frage. ich habe mich<br />
immer mit den Außenseitern identifiziert.<br />
Was ich an den Juden so mag<br />
ist, dass wir immer die Außenseiter<br />
waren und trotzdem über die all die<br />
Jahrtausende überleben konnten. Aber<br />
was mir Sorgen bereitet, sind die im -<br />
merwährenden Konflikte untereinander,<br />
so wie die fünf verrückten Rab bi -<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 37
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
ner, die die Aussagen des iranischen<br />
Prä sidenten befürworteten. ich glaube<br />
ja nicht, dass viele Juden damit<br />
kon form gehen. Es gibt auch immer<br />
noch Juden, die (wie auch einige<br />
mus ime) der alten Theorie anhängen,<br />
dass Frauen und männer nicht gleichgestellt<br />
sind. Aber die Zeiten haben<br />
sich geändert; die meisten progressiven<br />
jüdischen Bewegungen behandeln<br />
die Frauen völlig gleichwertig.<br />
männer und Frauen sitzen zusammen<br />
in der Synagoge, Frauen können<br />
Rabbiner werden und die Gleichbe -<br />
hand lung ist Realität geworden.<br />
Als ich einmal an einem Film in<br />
Frank reich arbeitete, habe ich auch<br />
Fran zösisch gelernt und mich gar nicht<br />
so schlecht angestellt. Dann fragte<br />
man mich: „Was für ein Landsmann bist<br />
du?“ Und ich antwortete: „Ich bin ein<br />
amerikanischer Jude.“ meine Frau sagte<br />
darauf: „Sie haben dich gar nicht nach<br />
deiner Religion gefragt!“ naja, ich weiß<br />
auch nicht. ich sage immer „amerikanischer<br />
Jude“, dann gibt es auch kei -<br />
ne missverständnisse.<br />
Gab es auch nette Geschenke zu Ihrer<br />
zweiten Bar Mitzwah?<br />
Das schönste Geschenk war, dass<br />
meine Söhne und viele Freunde dabei<br />
waren. Und Sie, Rabbi Wolpe, waren<br />
wunderbar, Sie sind ja stets Teil von<br />
wichtigen Anlässen – den zweiten...<br />
Ja, immer bei den zweiten Anläufen!<br />
Die zweite Hochzeit, die zweite Bar<br />
mitzwah.<br />
Und bald auch das zweite Jahrhundert.<br />
Welche Geschichte aus der Torah ist<br />
Ihnen die liebste?<br />
Die Geschichte von David hat mich<br />
im mer fasziniert. Er wurde zu so<br />
einer wichtigen Figur und meinte<br />
auch „Der Herr ist mein Hirte“, aber<br />
in Wahrheit war er ein Bastard! Er sah<br />
die nackte Bathsheba und schlief mit<br />
ihr. Als sie schwanger wurde, ver -<br />
such te er, ihren Ehemann aus der Ar -<br />
mee nach Hause zu holen. Und <strong>als</strong><br />
dieser sagte: „Nein, ich will bei meinen<br />
Männern bleiben!“, schickte David ihn<br />
an die Front, wo er getötet wurde.<br />
Auch die Erzählung von Joseph, be -<br />
vor er von seinen Brüdern nach Ägypten<br />
verkauft wurde, fasziniert mich.<br />
Aber ich würde ihm gern eine scheu -<br />
ern, weil er immer der Lieb lings sohn<br />
seines Vaters war und dann auch<br />
noch seinen Brüdern von seinem<br />
Traum erzählte, in dem sich alle vor<br />
ihm verneigen. Also wirklich...<br />
Es wäre sicher wesentlich besser gewesen,<br />
ihm eine zu scheuern, <strong>als</strong> ihn in die<br />
Sklaverei zu verkaufen.<br />
Aber dann in Ägypten empfing er<br />
seine Brüder dennoch mit Wohl wol -<br />
len. Es kümmert mich nicht, ob die<br />
Geschichten in der Bibel wahr sind<br />
oder nicht. ich glaube, dass es vielmehr<br />
darum geht, etwas daraus zu<br />
lernen. man kann im Leben Böses<br />
oder Gutes tun, das ist die Botschaft.<br />
Das Leben ist eine mischung und<br />
dann kannst du die Verhältnisse ab -<br />
wägen.<br />
Wie haben Sie es geschafft, über den Ver -<br />
lust Ihres Sohnes Eric im Jahr 2004 hinweg<br />
zu kommen und welchen Rat würden<br />
Sie anderen Menschen geben, die Ähnliches<br />
erleben mussten?<br />
Leider finden solche Tragödien sehr<br />
oft statt – jemand stirbt an einer Überdosis.<br />
Die erste Reaktion darauf ist:<br />
Was habe ich f<strong>als</strong>ch gemacht? Und<br />
die Therapeuten versuchen dich mit<br />
drei Antworten zufrieden zu stellen –<br />
du hast es nicht verursacht; du kannst<br />
es nicht kontrollieren; du kannst es<br />
nicht wieder gut machen. Die Leute<br />
wollen dir helfen und meinen, du<br />
sollst irgendwelche Tabletten nehmen.<br />
Aber damit kann man nicht<br />
abschließen. ich glaube, dass ist et -<br />
was, mit dem man einfach lernen<br />
muss zu leben und es <strong>als</strong> Teil des<br />
Lebens zu akzeptieren.<br />
Denken Sie, dass die heutigen Filme jüdische<br />
Themen besser behandeln <strong>als</strong> früher?<br />
ich denke eher, dass man heute vor<br />
jüdischen Themen eher zurückscheut<br />
<strong>als</strong> dam<strong>als</strong>. Außer Steven Spielberg<br />
natürlich.<br />
Was würden Sie gerne noch erreichen, was<br />
Ihnen bis jetzt noch nicht gelungen ist?<br />
ich bin jetzt 92 und würde gerne noch<br />
eine One-man-Show machen. mein<br />
Schlaganfall hat die Sache sehr schwie -<br />
rig gemacht und mein erster Gedanke<br />
war, dass ich nie wieder ei nen Film<br />
würde machen können. ich dachte:<br />
Was macht ein Schauspieler, der nicht<br />
sprechen kann? Er wartet darauf,<br />
dass der Stummfilm wieder in mode<br />
kommt. Also das würde ich gerne<br />
noch machen bevor ich sterbe.<br />
Mit 92 Jahren noch manche Pläne<br />
Möchten Sie unseren Lesern noch etwas<br />
Abschließendes sagen?<br />
Für mich ist es fast traumatisch, ein<br />
Jude zu sein, und ich fühle mich mit<br />
allen Juden verbunden. ich schätze<br />
alles, was das jüdische Volk erreicht<br />
hat, all die Beiträge, die sie geleistet<br />
haben. ich bin stolz darauf, Jude zu<br />
sein. Es ist wichtig, etwas von dem,<br />
was man bekommen hat, an die<br />
menschheit zurück zu geben. in den<br />
letzten paar Jahren habe ich nach<br />
dem Grundsatz gelebt: „Du weißt erst,<br />
was es heißt, zu leben, wenn du das<br />
Geben lernst.“ Jeder, der so viel Glück<br />
hatte wie ich, sollte etwas davon zu -<br />
rückgeben. Und genau das versuche<br />
ich.<br />
Täglich<br />
aktualisiert!<br />
www. ikg-wien.at<br />
news<br />
events<br />
@ pinwand<br />
38 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
Haifa soll schöner werden<br />
Die Stadt Haifa will ihren Bürgern<br />
nach 60 Jahren wieder einen leichteren<br />
Zugang zum meer verschaffen.<br />
Dies ist einer der zentralen Aspekte<br />
eines groß angelegten Vorhabens, mit<br />
der die nordisraelische Küsten metro -<br />
pole sich selbst zu verschönern ge -<br />
denkt. Dafür sollen umfangreiche<br />
städtebauliche Änderungen vorgenommen<br />
werden.<br />
Die britische mandatsverwaltung<br />
hatte Haifa ein zwiespältiges Erbe<br />
hinterlassen. Einerseits wurde die<br />
Stellung der Stadt durch den Bau des<br />
größten Hafens im Lande und eines<br />
in dustriegebiets, die vielen men schen<br />
Arbeit verschaffte, eindeutig aufgewertet.<br />
Andererseits wurden die Bür -<br />
ger durch die Verlegung der Eisen -<br />
bahn schienen entlang der Küste vom<br />
mittelmeer abgeschnitten. Ein Übriges<br />
tat der große marinestützpunkt,<br />
der danach eingerichtet wurde.<br />
Dem Willen der Stadtverwaltung<br />
nach wird anstelle der marine-Basis<br />
und des zivilen Hafens, die verlegt<br />
werden sollen, nun ein neues Stadt -<br />
viertel mit Yachthafen, Cafés, Restau -<br />
rants und Vergnügungsstätten entstehen.<br />
Auch über eine unterirdische<br />
neu verlegung der Bahntrasse wird<br />
intensiv verhandelt.<br />
nach Ansicht von Bürgermeister<br />
Yonah Yahav bedeutet das Projekt eine<br />
„Revolution im urbanen Leben Hai -<br />
fas“ und wird die lokale Wirtschaft<br />
ankurbeln.<br />
Haaretz<br />
Deutschland fördert<br />
israelisches Traumazentrum<br />
Das Auswärtige Amt unterstützt ein<br />
Zentrum für traumatisierte Kinder in<br />
der südisraelischen Stadt Sderot. Der<br />
deutsche Botschafter in Tel Aviv,<br />
Harald Kindermann, wird am 17. im<br />
Rathaus von Sderot einen Scheck in<br />
Höhe von 200.000 Euro an nATAL<br />
überreichen, dem israelischen „Trau-<br />
mazentrum für Opfer von Terror und<br />
Krieg“, hieß es in einer Presse mit tei -<br />
lung der deutschen Botschaft.<br />
Die Kleinstadt Sderot nahe der Gren ze<br />
zum Gazastreifen war in den letzten<br />
Jahren Ziel tausender Raketen der<br />
Ha mas und anderer palästinensischer<br />
Organisation.<br />
UWS<br />
JÜDISCHE WELT • ISRAEL<br />
Israelische Skisaison<br />
eröffnet<br />
Auf dem Hermon in nordostisrael hat<br />
die diesjährige Skisaison begonnen.<br />
Zum Auftakt besuchten etwa 1.500<br />
Schneefans den höchsten Berg israels<br />
im Golan. Der Hermon ist 2.814 me -<br />
ter hoch und das einzige Skigebiet in<br />
israel.<br />
„In diesem Jahr soll es sechs Skipisten<br />
ge ben“, sagte der manager des Skige -<br />
bie tes, menachem Baruch, der Zei -<br />
tung ‘Jediot Aharonot’. „Ein Teil ist für<br />
Fort geschrittene vorgesehen, ein anderer<br />
für Anfänger.“ Zudem solle ein Snow -<br />
board park mit Sprungschanzen eingerichtet<br />
werden.<br />
Auch die Skischule wird ihren Un -<br />
ter richt wieder aufnehmen. Seit ihrer<br />
Gründung haben rund 100.000 Schü -<br />
ler dort das Skifahren gelernt.<br />
nach Baruchs Angaben liegen an<br />
der unteren Station etwa 40 Zen ti -<br />
meter Schnee. An der oberen Lift<br />
seien es ungefähr 60 Zentimeter. inn<br />
War Pablo Picasso Jude?<br />
Jeder fünfte Spanier und Portugiese<br />
ist in Wirklichkeit ein Jude. Zu diesem<br />
Ergebnis kamen amerikanische Ge ne -<br />
tikforscher. Wie die israelische Zei tung<br />
‘Jedijot Achronot’ berichtete, sei das<br />
Ergebnis der amerikanischen For scher<br />
in der Vierteljahresschrift für menschliche<br />
Genetik veröffentlicht worden.<br />
Wintersport<br />
in Israel<br />
Die Forscher verglichen die das Y<br />
Chro mosom von jüdischen männern<br />
aus Gemeinden, die nach der Vertrei -<br />
bung der Juden aus Spanien 1942 entstanden<br />
sind. Die Juden flüchteten<br />
über marokko nach Ägypten, und<br />
gründeten in Amsterdam, Hamburg,<br />
italien und in der Türkei „sephardische“<br />
Gemeinden. Die Untersuchung<br />
ergab, dass jeder fünfte Spanier oder<br />
Portugiese jüdische Vorfahren gehabt<br />
haben müsse. nach Angaben der For -<br />
scher bezeuge diese Erkenntnis, dass<br />
weit mehr Juden <strong>als</strong> bisher angenommen<br />
auf der iberischen Halbinsel es<br />
vor zogen „Anusim“ (Vergewaltigte) zu<br />
werden, indem sie sich taufen ließen,<br />
anstatt nach einem Ultimatum der<br />
ka tholischen Kirche 1492 das Land zu<br />
verlassen. Besonders in Portugal, wo<br />
angeblich bis zu 30 Prozent der Bür ger<br />
jüdischer Abstammung sind, gibt es<br />
Gemeinden, in denen bis heute heimlich<br />
am Freitag Abend zwei Kerzen<br />
angezündet und andere typisch jüdische<br />
Gebräuche eingehalten werden.<br />
Der israelische Genetiker Professor<br />
Mordechai Schochat kommentierte die -<br />
se Forschungsarbeit <strong>als</strong> „sehr interessant“.<br />
Ähnliche DnS Proben, die<br />
einen „individuellen Stempel“ der<br />
menschen und seiner Vorfahren zeigen,<br />
wären an Juden gemacht worden,<br />
die „Cohen“ heißen und deshalb<br />
zum biblischen Priestergeschlecht ge -<br />
hören. Auch bei ihnen habe man auffällige<br />
Gemeinsamkeiten bei Y-Chro -<br />
mo som gefunden.<br />
UWS<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 39
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
Panorama<br />
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt<br />
Quelle: JTA/Guysen u.a.; Übersetzung: Karin Fasching/Foto:©JTA u.a.<br />
©Yossi Zamir/Flash 90<br />
livni-wahlplakate zerstört<br />
in ganz Jerusalem haben Vandalen je -<br />
ne Wahlplakate, auf denen die<br />
Spitzenkandidatin der Kadima Par -<br />
tei, Tzipi Livni, zu sehen ist, zerstört<br />
und übermalt. Die Polizei verdächtigt<br />
streng orthodoxe Extremisten, da<br />
diese dafür bekannt sind, gegen die<br />
öffentliche Darstellung von Frauen<br />
vorzugehen. Vor einigen Wochen<br />
waren auch schon Plakate mit Ge -<br />
sichtern anderer Politikerinnen übermalt<br />
worden, berichtet die Polizei.<br />
Black hebrew wird israelischer<br />
staatsbürger<br />
Wie Ynet berichtet, erhielt der 62-jährige<br />
Elyakim Ben-israel nun <strong>als</strong> erstes<br />
mitglied der Black Hebrew Ge mein -<br />
de die israelische Staatsbürgerschaft.<br />
Die ersten Black Hebrews, die sich<br />
selbst <strong>als</strong> nachkommen des Stammes<br />
von Judah bezeichnen, kamen vor<br />
etwa 40 Jahren aus den USA und<br />
Liberia nach israel.<br />
neue ukrainische shoahdatenbank<br />
erstellt<br />
Eine Datensammlung ukrainischer<br />
Holocaustopfer und –überlebender<br />
wurde am 30. Januar an Vertreter von<br />
Yad Vashem übergeben. Erlebnis be -<br />
richte von Überlebenden oder Ange -<br />
hö rigen von Opfern, eine Liste von<br />
Holocaustopfern mit mehr <strong>als</strong> 3.000<br />
zum ersten mal identifizierten und<br />
veröffentlichen namen, Orte von mas -<br />
sakern und Fotos sind dort zu finden<br />
und werden vom Jüdischen Rat der<br />
Ukraine sowie der Gedenkstätte Yad<br />
Vashem für ihr gemeinsames Pro jekt<br />
zur Erfassung und dem Ge denken an<br />
die namen der Shoah-Opfer verwendet.<br />
Es handelt sich hier vor allem um<br />
Personen aus den Regionen Charkas sy<br />
und Chernigovskaya.<br />
Brasiliens Präsident ehrt<br />
holocaustopfer<br />
Der brasilianische Präsident Luis<br />
inacio Lula da Silva nahm, gemeinsam<br />
mit vielen anderen staatlichen<br />
und lokalen Regierungsmitgliedern,<br />
anlässlich des Holocaust-Gedenk ta ges<br />
an zwei Zeremonien zu Ehren der<br />
Shoah-Opfer in Rio de Janeiro und<br />
Sao Paulo teil.<br />
„Ich fühle mich diesem Datum persönlich<br />
verbunden. Wir müssen die Erinnerung<br />
aufrecht halten, um zu verhindern, dass<br />
so ein Massenmord jem<strong>als</strong> wieder ge -<br />
schieht“, sagte Lula in der Beit Yaacov<br />
Synagoge in Sao Paulo nach dem<br />
Entzünden der menorah.<br />
Paris begeht holocaust-gedenktag<br />
Anlässlich der Feiern zum zweiten all -<br />
jährlichen, von der UnESCO initiierten<br />
Holocaust-Gedenktages in Pa ris<br />
un terstrich der französische Un ter -<br />
richts minister Xavier Darcos die<br />
Wichtigkeit der Weiterführung einer<br />
umfassenden Holocaustbildung für<br />
französische Kinder.<br />
Diese Aussagen haben angesichts der<br />
seit israels Krieg in Gaza verschärften<br />
antiisraelischen und antijüdischen<br />
Stimmung eine noch stärkere Be deu -<br />
tung. Unter den Rednern waren auch<br />
Yuli Tamir, die israelische Unter richts -<br />
mi nisterin, und Simone Veil, Holo -<br />
caust überlebende und Ehrenpräsi den -<br />
tin der „Foundation for the me mo ry<br />
of the Shoah“.<br />
hunderte bei holocaustgedenken<br />
in london<br />
Unter dem motto „Widerstand gegen<br />
den Hass“ wurde in Großbritannien<br />
der Holocaustgedenktag begangen.<br />
mehrere hundert Personen kamen<br />
zusammen, um unter der Schirm herr -<br />
schaft von Londons Bürgermeister<br />
Boris Johnson der Shoah-Opfer zu ge -<br />
denken. Der Überlebende Rody<br />
Openheimer sprach über seine Erleb -<br />
nisse und un ter strich die notwen -<br />
digkeit des „niem<strong>als</strong> Vergessens“.<br />
Seit dem Jahr 2001 begeht Groß bri -<br />
tannien den Holocaustgedenktag,<br />
indem es nicht nur an die sechs mil -<br />
lionen ermordeten Juden während<br />
des Zweiten Weltkriegs, sondern auch<br />
an andere Opfer von Genoziden in<br />
aller Welt erinnert.<br />
Der muslimische Rat Großbritan niens<br />
boykottierte allerdings in diesem Jahr<br />
die Gedenkveranstaltungen, um so<br />
ge gen israels militäraktion im Gaza -<br />
streifen zu protestieren.<br />
Großbritanniens Oberrabbiner Jona than<br />
Sacks betonte in seiner Ansprache die<br />
Bedeutung, die ein Vorgehen gehen<br />
Hass und Vorurteile für die Welt hat:<br />
„Wir alle müssen dagegen ankämpfen,<br />
wenn wir Hass und Vorurteile in jegli -<br />
cher Form beobachten, denn jeder einzelne<br />
von uns kann einen Unterschied ausmachen.<br />
Wenn mir Antisemitismus be geg net<br />
protestiere ich – aber protestiere auch,<br />
wenn Moslems oder Hindus oder Sikhs<br />
das Ziel von Ungerechtigkeiten sind, oder<br />
welche Gruppierung unserer Ge sell schaft<br />
auch immer, denn Hass ist gefährlich.“<br />
umfrage: 45 % der italiener<br />
antijüdisch eingestellt<br />
Eine Umfrage des Zentrums für Zeit -<br />
genössische Jüdische Dokumentation<br />
in mailand ergab bei insgesamt 45 %<br />
der Befragten antijüdische Tenden zen.<br />
Drei Formen antijüdischer Stereo ty pe,<br />
die in italien koexistieren, aber nicht<br />
unbedingt überlappen, wurden identifiziert:<br />
Etwa 10% der Befragten spra -<br />
chen nur auf „klassische“ Stereotype<br />
an, wie „Juden fühlen sich nicht wirklich<br />
<strong>als</strong> Italiener“ oder „Juden kann man nicht<br />
trauen“, während 11% nur zu „mo der -<br />
nen“ Stereotypen wie „Juden kontrollieren<br />
Politik und Medien“ oder „Juden sind<br />
loyaler gegenüber Israel <strong>als</strong> zu ihren Hei -<br />
matländern“ tendierten. Weitere 12%<br />
40 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
JÜDISCHE WELT • AUSLAND<br />
der Befragten gaben „gelegentliche“<br />
antisemitische Stereotype von sich,<br />
die großteils mit pro-palästinensischen<br />
oder antizionistischen Blick -<br />
winkeln in Verbindung stehen.<br />
Allen drei Arten von Stereotypen<br />
sprachen wiederum 12% zu und<br />
konnten damit <strong>als</strong> „echte Antise mi -<br />
ten“ identifiziert werden.<br />
55 % wiesen dafür keinerlei antisemitische<br />
Tendenzen auf oder waren<br />
„gleichgültig“.<br />
Die größte Zahl der „echten Antise -<br />
miten“ ist in den extrem linken und<br />
extrem rechten Bevölkerungsgrup pen<br />
zu finden.<br />
führung des lateinamerikanischen<br />
Judentums wiedergewählt<br />
in einer anonymen Abstimmung<br />
wurde der brasilianische Präsident<br />
des Lateinamerikanischen Jüdischen<br />
Kongresses Jack Terpins, 61, in seinem<br />
Amt bestätigt. Der langjährige<br />
brasilianische Aktivist beendete erst<br />
kürzlich seine Tätigkeit <strong>als</strong> Präsident<br />
der Brasilianisch-israelitischen Kon -<br />
fö deration, Brasiliens jüdischer Dach -<br />
organisation.<br />
everest-Besteigerin erhält<br />
australische ehren<br />
Eine der höchsten australischen Aus -<br />
zeichnungen wurde nun der jüdischen<br />
mount Everest-Besteigerin Che ryl Bart<br />
zuteil, die den höchsten Berg der Welt<br />
gemeinsam mit ihrer Tochter erklommen<br />
und dort die israelische Fahne<br />
ge hisst hatte. Sie widmete die Aus zeich -<br />
nung ihrem Vater, dem Holo caust-<br />
Überlebenden Eric Klinghoffer, der nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn<br />
nach Australien gekommen war.<br />
Bart wurde für ihren Beitrag zum<br />
australischen Sportwesen und der<br />
öko nomischen und kulturellen Ent -<br />
wick lung des südlichen Australiens<br />
geehrt.<br />
Unter den anderen jüdischen Aus ge -<br />
zeich neten befanden sich der Richter<br />
Ronald Sackville; Michael Naphtali, der<br />
Präsident des Jüdischen national -<br />
fonds und Dr. Philip Opas.<br />
aish hatorah-gründer<br />
rabbi noah weinberg gestorben<br />
Rabbi noah Weinberg gründete im<br />
Jahr 1974 die Bewegung Aish Hato -<br />
rah, die heute mit 27 Zweigen in der<br />
ganzen Welt vertreten ist. An der Kla -<br />
gemauer in Jerusalem führt Aish Ha -<br />
to rah eine Rabbinerschule sowie eine<br />
Hesder Yeshiva, wo die Studenten<br />
ihren militärdienst mit dem Torahstu -<br />
dium kombinieren können.<br />
„Rabbi Weinberg widmete sein Leben der<br />
Renaissance des jüdischen Volkes, er<br />
wand te sich an jeden Juden, um ihn wieder<br />
mit der Tiefe und der Bedeutung un -<br />
seres Erbe in Verbindung zu bringen“,<br />
heißt es in einem Schreiben der Be we -<br />
gung. „Das jüdische Volk soll ein Licht für<br />
alle Nationen darstellen; Rabbi Weinberg<br />
wollte das jüdische Volk wachrütteln und<br />
uns dazu inspirieren, unsere Mission zu<br />
le ben und Kiddush Hashem zu sein –<br />
G´ttes Namen in dieser Welt zu heiligen.“<br />
Rabbi noah Weinberg starb im Alter<br />
von 78 Jahren.<br />
lauder <strong>als</strong> wJc Präsident<br />
wiedergewählt<br />
Bei der 13. Plenarversammlung des<br />
World Jewish Congress in Jerusalem<br />
wurde Präsident Ronald Lauder in sei -<br />
nem Amt bestätigt. Eduardo Elsztain<br />
aus Argentinien löste Matthew Bronf man<br />
<strong>als</strong> Vorsitzender des WJC Ver wal tungs -<br />
rates ab.<br />
Lauder betonte die unverbrüchliche<br />
Un terstützung des Diasporajuden -<br />
tums für den jüdischen Staat und kritisierte,<br />
dass internationale Organisa -<br />
tionen wie die UnO oftm<strong>als</strong> mit<br />
„zweierlei maß“ messen würden,<br />
was israel betrifft.<br />
israelische scheidungsrate<br />
steigt über 10.000<br />
im Jahr 2008 stieg die israelische Schei -<br />
dungsrate um 5% auf 10.225 Schei -<br />
dun gen an, die meisten davon (817) in<br />
Tel Aviv, was einem Anstieg von 7%<br />
entspricht.<br />
73 Personen wurden für die Ver wei -<br />
ge rung einer Scheidung gegenüber<br />
ihrem Ehepartner sanktioniert.<br />
neues zentrum soll<br />
schoah-Überlebenden helfen<br />
Der scheidende Premierminister Ehud<br />
Olmert hat das erste Zentrum für die<br />
Rechte von Holocaust-Überlebenden<br />
in israel eingeweiht. Es soll die<br />
250.000 menschen im Land unterstützen,<br />
welche die Judenverfolgung der<br />
nS-Zeit überstanden haben.<br />
Wie die Tageszeitung "ma´ariv" be -<br />
richtet, soll das Zentrum für 2.200<br />
Überlebende eine monatliche Versor -<br />
gung zur Verfügung stellen. Jeder<br />
von ihnen soll jährlich Dienste im<br />
Wert von umgerechnet 460.540 Euro<br />
erhalten. Zudem ist vorgesehen, dass<br />
Lager- und Ghetto-Überlebende alle<br />
ein bis zwei Jahre rund 767.566 Euro<br />
be kommen.<br />
Das Büro des israelischen Regie rungs -<br />
chefs hat mit weiteren Behör den eine<br />
Kampagne gestartet. Sie steht unter<br />
dem Titel: "Wir schaffen historische und<br />
gesellschaftliche Gerechtigkeit<br />
Von den Überlebenden in israel gelten<br />
etwa 60.000 <strong>als</strong> bedürftig.<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 41
KULTUR<br />
Ehrung für<br />
Wehrmachtsoffizier<br />
aus „Der Pianist“<br />
in Jerusalem<br />
Szene aus dem FIlm<br />
KULTUR<br />
in Roman Polanskis Film „Der Pia -<br />
nist“ rettet ein deutscher Wehr machts -<br />
offizier einem entkommenden Juden<br />
das Leben. Der Offizier, Wilhelm<br />
„Wilm“ Hosenfeld, (1895 – 1952) aus<br />
Hosenfeld bei Fulda wurde jetzt posthum<br />
von der Jerusalemer Holocaust -<br />
ge denkbehörde Jad Vaschem zum<br />
„Gerechten der Völker“ ernannt. Das<br />
ist die höchste Ehrung, die das jüdische<br />
Volk ausschließlich nichtjuden<br />
erteilt, wenn durch jüdische Zeugen<br />
nachgewiesen worden ist, dass sie<br />
unter dem Einsatz ihres Lebens Juden<br />
gerettet haben.<br />
Leon Wurm hatte bezeugt, dass Ho -<br />
sen feld ihn in seinem Sportzentrum<br />
beschäftigt hatte, nachdem es ihm<br />
gelungen war, aus dem Zug zum Ver -<br />
nichtungslager Treblinka zu fliehen.<br />
Wladyslaw Szpilman hatte Jad Va schem<br />
geschrieben und in seinen Tagebü -<br />
chern festgehalten, wie Hosenfeld ihm<br />
im november 1944 geholfen habe,<br />
ein Versteck zu finden. Danach habe<br />
Ho senfeld dem “Pianisten” Szpilman<br />
Decken und nahrungsmittel ge bracht<br />
und ihn moralisch gestützt. Diese<br />
Tagebücher dienten dem Regisseur<br />
Po lanski <strong>als</strong> Quelle für das Drehbuch<br />
seines Films.<br />
Der Gedenkbehörde waren diese<br />
Zeug nisse auch schon vor dem Dre -<br />
hen des Films bekannt. Doch sah man<br />
davon ab, Hosenfeld die Ehrung auszusprechen,<br />
solange nicht geklärt war,<br />
ob er während des Aufstandes im War -<br />
schauer Ghetto 1944 Kriegs verbre -<br />
chen begangen habe.<br />
Hosenfeld, ein überzeugter Katho -<br />
lik und von Beruf Volksschullehrer,<br />
war kurz vor dem Krieg eingezogen<br />
worden und hatte während des<br />
Krieges in Polen gedient, ab 1940 in<br />
Warschau <strong>als</strong> Sport- und Kulturoffi -<br />
zier. Während des Aufstandes verhörte<br />
er Gefangene. nach dem Krieg<br />
verhafteten ihn die Sowjets und verurteilten<br />
ihn zu einer lebenslängli -<br />
chen Strafe. Er starb 1952 in einem<br />
sow jetischen Gefängnis. Angeblich<br />
plädierten viele menschen für seine<br />
Frei lassung. Aber die Sowjets konnten<br />
sich nicht vorstellen, dass ein Wehr -<br />
machtsoffizier im Rang eines Haupt -<br />
manns der Reserve nicht in Kriegs -<br />
ver brechen verwickelt gewesen sein<br />
könnte.<br />
in jüngster Zeit seien neue Doku -<br />
men te aufgetaucht, darunter Briefe<br />
Hosenfelds an seine Frau und Tage -<br />
bü cher. Aus ihnen ging hervor, dass er<br />
an einer Ablehnung gegen die Ju den -<br />
politik der nazis festhielt, obgleich er<br />
zunächst die nazi-Partei unterstützt<br />
hatte. 1933 trat er in die SA ein, 1935<br />
in die nS-Partei. im Frühjahr 1941 las<br />
Hosenfeld "mein Kampf", und verstand,<br />
dass Hitler nur ausführte, was<br />
er angekündigt hatte. Hosenfeld folgerte,<br />
dass Hitler die Sowjetunion<br />
angreifen und die Juden vernichten<br />
werde. „Nach Hitler wird es in Europa<br />
keine Juden mehr geben," schrieb Ho -<br />
sen feld in sein Tagebuch. Ein prägendes<br />
Element, so „Die Welt“ in einem<br />
Ar tikel über ihn, „war sein tief verwurzelter<br />
katholischer Glauben, der vor allem<br />
im Gefühl begründet war. Und eben dieses<br />
Gefühl - die Fähigkeit zum Mitleid - hinderte<br />
ihn, zum hundertprozentigen Na tio -<br />
n<strong>als</strong>ozialisten zu werden, und aus diesem<br />
elementaren Mitgefühl heraus wurde er<br />
auch, <strong>als</strong> es möglich und nötig wurde,<br />
zum Retter.“<br />
Hosenfelds hat mehreren Juden das<br />
Leben gerettet, die im Versteck lebten.<br />
Er hat mehreren Polen eine schützende<br />
Anstellung, f<strong>als</strong>che Papiere oder<br />
Lebensmittel verschafft, darunter<br />
einem polnischen Priester und einem<br />
deutschen Kommunisten, der Jahre<br />
im KZ hinter sich hatte und an die<br />
Front geschickt worden war.<br />
Sehr spät kam Hosenfeld nach An ga -<br />
ben der „Welt“ zu der Einsicht: „Die<br />
Gräuel hier im Osten ... sind nur die ge rad -<br />
linige Fortsetzung dessen, was anfangs<br />
mit den politischen Gegnern in Deutsch -<br />
land geschah." Den Judenmord be -<br />
zeichnet er <strong>als</strong> "untilgbare Schande" und<br />
"unauslöschlichen Fluch". Weiter<br />
schrieb er: „Wir verdienen keine Gnade,<br />
wir sind alle mitschuldig.“ Und: „Ich<br />
kann nicht verstehen, wie wir zu derartigen<br />
Verbrechen gegen schutzlose Zivilis -<br />
ten, gegen Juden, begehen konnten. Ich<br />
frage mich immer wieder, wie war das<br />
möglich?“<br />
Friedel Hosenfeld hat auf seiner Ho -<br />
mepage im internet Bilder und Texte<br />
über seinen Groß vater ge sammelt.<br />
in Deutschland leben zwei Söhne und<br />
zwei Töchter des posthum geehrten<br />
Wehrmachtsoffiziers. ihnen soll an<br />
einem noch nicht festgelegten Termin<br />
die Ehrung der Gedenkbehörde überreicht<br />
werden.<br />
UWS<br />
buch-tipp<br />
42 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
KULTUR<br />
Israelischer<br />
Popsong<br />
feiert<br />
Erfolge<br />
in China<br />
Seit einigen Wo -<br />
chen erobert ein israelischer Pop-Hit<br />
die Charts in China und Hong-Kong.<br />
Es handelt sich um die die chinesische<br />
Version des Songs ‚In der Hitze<br />
Tel Avivs’ der israelischen Pop -<br />
sängerin Sarit Ha dad. ihre chinesische<br />
Kollegin Yumiko Cheng ist damit in den<br />
Diskotheken des meist bevölkerten<br />
Landes der Erde allgegenwärtig.<br />
Die in Hong-Kong lebende Cheng<br />
gehört in ihrer Heimat zu den erfolgreichsten<br />
Popstars überhaupt. Als sie<br />
an ihrem letzten Album arbeitete,<br />
wandten ihre Produzenten sich an<br />
einige internationale Plattenfirmen,<br />
um an interessantes material zu<br />
gelangen. Emi schickte ihnen daraufhin<br />
Hadads israelischen Hit, der so -<br />
fort Gefallen bei den Chinesen fand.<br />
Ivri Lider, der den Originaltext ge -<br />
schrieben hat, findet die chinesische<br />
Version „süß und lustig“. Hadad<br />
selbst träumt bereits von einem ge -<br />
mein sam Auftritt mit Cheng in China.<br />
Das israelische Original gibt es unter<br />
dem folgenden Link: http://www.<br />
youtube.com/watch?v=PMcveFmv66c&<br />
feature=related<br />
Die chinesische Version gibt es un -<br />
ter dem folgenden Link: http://www.<br />
56.com/u26/v_Mzk3NzEwODc.html<br />
Anne-Frank-Beschützerin<br />
Miep Gies wurde 100 Jahre alt<br />
Die Amsterdamerin miep Gies, die<br />
während des Zweiten Weltkriegs half,<br />
das jüdische mädchen Anne Frank<br />
und ihre Familie vor den nazis zu<br />
ver stecken, beging ihren 100. Ge burts -<br />
tag. Wie das Anne-Frank-Haus in<br />
Am sterdam mitteilte, erfreut sich die<br />
Jubilarin einer „ziemlich guten Ge -<br />
sundheit“ und verfolgt nach wie vor<br />
aufmerksam alles, was mit ihrem<br />
1944 entdeckten und deportierten<br />
Schützling zu tun hat. Sie sei „keine<br />
Heldin“, sondern habe lediglich ge -<br />
tan, was sie habe tun können, um zu<br />
helfen, heißt es in der mittei lung.<br />
Die am 15. <strong>Februar</strong> 1909 in Wien ge -<br />
borene Gies war <strong>als</strong> Elfjährige in die<br />
niederlande gekommen. Seit 1942<br />
kümmerte sie sich um die vier in ih -<br />
rem Hinterhaus in der Prinsengracht<br />
versteckten mitglieder der Frank-Fa -<br />
milie und vier weitere Unterge tauch -<br />
te. Die von ihr nach der Deportation<br />
gefundenen Aufzeichnungen Anne<br />
Franks übergab sie 1947 an deren Va -<br />
ter Otto Frank, dem einzigen Überlebenden<br />
der acht Untergetauchten.<br />
Un ter dem Titel „Das Tagebuch der<br />
Anne Frank“ wurden die Auf zeich -<br />
nungen in zahlreiche Sprachen übersetzt<br />
und weltweit berühmt. Anne<br />
Frank war nach dem machtantritt der<br />
nation<strong>als</strong>ozialisten mit ihrer Familie<br />
aus Deutschland nach Amsterdam ge -<br />
flüchtet. Sie starb im märz 1945, we -<br />
nige Tage vor Ende des Krieges, im<br />
Konzentrationslager Bergen-Bel sen.<br />
buch-tipp<br />
Der Milena Verlag und die IKG-Kulturkommission<br />
laden zur Buchpräsentation und Lesung:<br />
Alexia Weiss<br />
HASCHEMS LASSO<br />
Roman<br />
Wien - new York - israel. Ein unterhaltsamer<br />
und packender Einblick in<br />
das vielfältige jüdische Leben der Ge -<br />
gen wart.<br />
Alexia Weiss entführt das Publikum in<br />
die Lebenswelten von sie ben Jüdin nen<br />
in Wien, 60 Jahre nach dem Holo caust.<br />
in ih rem Roman erzählt sie davon, wie<br />
Desirée, Jekaterina, Clau dia, Ruth, Jen -<br />
nifer, Hanni und Rachel hier und heu -<br />
te leben, denken, lieben und handeln.<br />
HASCHEMS LASSO<br />
Milena Verlag<br />
ISBN 978-3 85286 175 3<br />
248 Seiten - EUR 19,90<br />
Lesung: Alexia Weiss<br />
DJ: Paul Divjak (Konkord)<br />
5. März <strong>2009</strong>, 19.30 Uhr<br />
Gemeindezentrum der IKG<br />
Seitenstettengasse 2, 1010 Wien<br />
Einlass ab 19 Uhr - für die Sicherheitskontrolle bit te<br />
einen Ausweis und etwas Geduld mitbringen.<br />
Die einen tragen den Scheitel und<br />
interessieren sich dafür, ob Coke Zero<br />
auf der Koscher-Liste steht, die anderen<br />
gehen nicht einmal mehr zu Jom<br />
Kippur in den Tempel. Was die Frau en<br />
ver bindet ist die Frage nach ihrer iden -<br />
tität und die Sehnsucht nach Glück.<br />
Sieben Frauen, sieben Leben und sieben<br />
Mal wissen wollen, wie die Geschichten<br />
weitergehen.<br />
erhÄltlich aB 5. mÄrz<br />
in Jeder Buchhandlung<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 43
KULTUR<br />
Das Wiener Konzerthaus<br />
präsentiert in seiner neuen Reihe<br />
Tänzerin Stella Mann in London geehrt<br />
© Aarin Seligman<br />
„Im Loth“:<br />
«klezmer vibes & funky beats»<br />
mit Socalled<br />
Montag, 16. März, 20.00 Uhr<br />
Konzerthaus, Neuer Saal<br />
SoCalled, MPC-Sampler, Klavier, Akkordeon, Gesang<br />
Katie Moore, Gesang<br />
Michael Winograd, Klarinette<br />
Allen Watsky, Gitarre<br />
Fred Liebert, Bass<br />
mit seinen Samples aus Hip-Hop- und al -<br />
ten Klezmeraufnahmen macht der kanadische<br />
mC Socalled szeneweit Fu ro re. Josh<br />
Dolgin, wie der vielseitige musiker mit bürgerlichem<br />
namen heißt, geht bei seiner Ar -<br />
beit recht un dogmatisch vor: Sampler und<br />
Beat ma chine zählen ebenso zu seiner mu si -<br />
kalischen Grund aus stattung wie Ak kor de on<br />
und Klavier, dazu eine mehrköpfige Live-<br />
Band, die diese ge ballte La dung Stilfusion<br />
erst so richtig rocken lässt. Socalled ist nichts<br />
für sanfte Gemüter, hier treffen Funk und<br />
Hip-Hop-infusionen auf alte jiddische Sy -<br />
na gogengesänge und Volksme lo dien – und<br />
eine äußerst sympathische Prise Selbst iro nie.<br />
mC Socalled trat im Laufe seiner Karriere <strong>als</strong><br />
Rapper, Ak kor deonist, Pianist, Song schrei -<br />
ber und Pro duzent in Erscheinung und hat<br />
mit so unterschiedlichen musikern wie dem<br />
Rap per Killah Priest, den Klezmerstars Frank<br />
London und Da vid Krakauer, dem le gen dären<br />
Ca lypso-interpreten Mighty Sparrow und<br />
dem US-Folksänger und Schau spie ler Theo -<br />
do re Bikel zusammengearbeitet. mit seinem<br />
jüngsten Album „Ghet to blaster“ feiert er<br />
so wohl in nordamerika <strong>als</strong> auch in Eu ro pa<br />
große Erfolge.<br />
Tickets und Infos: Preis: Euro 13,<br />
- 50% Ermäßigung für Jugendliche bis 26 Jahre<br />
www.konzerthaus.at<br />
Rechtzeitig zum 97. Geburtstag (!) ver -<br />
lieh Wiens Kulturstadtrat Andreas<br />
mailath-Pokorny im Rahmen seines<br />
Lon don-Besuchs der Choreographin<br />
und Tänzerin Stella mann das „Gol-<br />
de ne Verdienstzeichen des Lan des<br />
Wien“.<br />
„Stella Mann zählt zu den Pionie rin nen<br />
des modernen Ausdruckstanzes und ist<br />
Vorbild für Generationen von Tänze rin -<br />
nen“, betonte mailath, der in seiner<br />
Ansprache auch an die Verfolgung<br />
Stella manns durch den nation<strong>als</strong>o -<br />
zia lis mus und an ihre 1938 erfolgte<br />
Flucht aus Wien erinnerte. Die Zere -<br />
monie fand in der österreichischen<br />
Botschaft in Anwesenheit von Bot -<br />
schaf terin Gabriele Matzner-Holzer und<br />
zahlreichen Gästen statt.<br />
Stella mann wurde am 24. Jänner<br />
1912 in Wien geboren. Sie studierte<br />
modernen Tanz bei Gertrud Boden -<br />
wieser an der Staatsakademie Wien<br />
und trat solistisch <strong>als</strong> auch mit En -<br />
semb les auf zahlreichen Bühnen Wiens<br />
auf, wie den Wie ner Kammerspielen,<br />
der Urania und anderen Volks bil -<br />
dungs häusern.<br />
1938 floh die Künstlerin aus Wien<br />
und gelangte über Belgien und Hol -<br />
land nach Großbritannien, wo sie sich<br />
1946 mit der Gründung ihrer eigenen<br />
Tanz schule, dem Stella Mann College,<br />
eine neue Existenz aufbaute. Stella<br />
mann unterrichtete im Laufe ihres<br />
jahrzehntelangen tanzpädagogischen<br />
Wirkens viele bekannt ge wordene<br />
Tänzerinnen und Choreographinnen.<br />
Heute lebt Stella mann in London<br />
und geht ihren vielfältigen in teressen<br />
in Kunst, Poesie, Französischer Kon -<br />
ver sation und Bridge nach.<br />
Sotheby's bietet einzigartige Sammlung hebräischer Texte an<br />
Eine Sammlung mit 13.000 hebräischen Büchern und Manuskripten wird vom Auktions haus<br />
Sotheby's in New York zum Kauf angeboten. Die nach einer Stadt in Italien benannte Val -<br />
ma donna Trust Library wurde von dem 1924 in Antwerpen geborenen Diamanten händ ler<br />
Jack V. Lunzer zusammengestellt. Ihre Schriften wurden in Städten wie Amsterdam, Bag dad,<br />
Jerusalem, Kalkutta und Shanghai verfasst und gedruckt und reflektieren die Ge schichte florierender<br />
jüdischer Gemeinden in aller Welt. Die ältesten Dokumente sind über tausend<br />
Jahre alt.<br />
Sotheby's preist die Sammlung <strong>als</strong> „beste Bibliothek hebräischer Texte weltweit“und beziffert<br />
den Wert auf etwa 40 Milo. Dollar (31 Mio. Euro). Zu den besonderen Kostbarkeiten<br />
gehört eine handgeschriebene hebräische Bibel aus England vom Jahr 1189. Nach Angaben<br />
der ‘New York Times’ handelt es sich bei ihr um den einzigen datierten Text in hebräischer<br />
Spra che, der in England zu Papier gebracht wurde, bevor König Eward I. alle Juden 1290<br />
des Landes verwies.<br />
44 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
Neues Online-Portal<br />
www.zwangsarbeit-archiv.de vorgestellt<br />
600 ehemalige Zwangsarbeiterinnen und<br />
Zwangsarbeiter aus 26 Ländern erinnern sich<br />
Eine Kooperation der Stiftung „Erinnerung, Verantwor tung und<br />
Zu kunft" mit der Freien Universität Berlin und dem Deutschen<br />
Historischen Museum.<br />
KULTUR<br />
Das Online-Archiv zum Thema Zwangsarbeit im nation<strong>als</strong>ozialistischen<br />
Deutschland wurde der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt. Das Portal "Zwangsarbeit 1939-1945" trägt zur<br />
Erinnerung an die über zwölf millionen menschen, die<br />
für das nation<strong>als</strong>ozialistische Deutschland Zwangsarbeit<br />
geleistet haben, bei.<br />
590 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus 26 Ländern er -<br />
zählen ihre Lebensgeschichten in 398 Audio- und 192 Vi deointerviews.<br />
„Viele Überlebende aus Mittel- und Osteuropa ha -<br />
ben in den nun vorliegenden Interviews erstm<strong>als</strong> über das Er -<br />
littene und die oftm<strong>als</strong> schwere Zeit nach 1945 berichtet. Die<br />
Stiftung EVZ will mit dem von ihr geförderten Online-Archiv<br />
zur Zwangsarbeit die Erinnerungen dieser NS-Opfer wach halten<br />
und sie zugleich jungen Menschen und Wissenschaftlern für<br />
die politische Bildung und Forschung nutzbar machen.", er -<br />
klärte der Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwor -<br />
tung und Zukunft“ (EVZ), Günter Saathoff, auf einer Pres -<br />
sekonfe renz in Berlin.<br />
Abrufbar sind Erinnerungen jüdischer und nichtjüdischer<br />
KZ-Häftlinge, von Sinti und Roma, von Zwangsar bei tern,<br />
die im Bergbau, der industrie oder der Land wirtschaft<br />
arbeiten mussten, von italienischen militärinternierten<br />
und von sowjetischen Kriegsgefan genen.<br />
Das Online-Archiv wurde seit 2004 vorbereitet. 32 Teams<br />
internationaler institutionen nahmen insgesamt 2.000<br />
Bänder mit den Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiter<br />
auf. 2007 konnte die Kooperation zwischen der Stiftung<br />
EVZ und der Freien Universität Berlin zur Erschließung<br />
der interviews unterzeichnet werden. Seitdem werden<br />
von einem wissenschaftlichen Team unter der Leitung von<br />
Prof. Dr. Gertrud Pickhan und Prof. Dr. Nicolas Aposto lo -<br />
poulos die Audio- und Videobänder verschlagwortet, digital<br />
archiviert und das Online-Archiv realisiert.<br />
Palais schönburg:<br />
Die neue resiDenz für events<br />
Das barocke Palais Schönburg befindet sich im Zentrum Wiens<br />
und ist von einer 15.000 m 2 großen Gartenanlage umgeben.<br />
Es wurde in den Jahren 1700-1706 im Auftrag von Gundaker<br />
Graf Starhemberg errichtet und - ebenso wie das Schloss Bel -<br />
vedere - von Johann Lukas von Hildebrandt gebaut. Erst vor<br />
kurzem sind das Gebäude und die Gartenanlage umfassend<br />
renoviert worden.<br />
Die einzigartige Akustik des Festsa<strong>als</strong> führte bereits in den 60erund<br />
70er-Jahren des 20. Jahrhunderts weltbekannte Musiker<br />
für Konzerte und Aufnahmen ins Palais, so etwa Leonard<br />
Bern stein, Nikolaus Harnoncourt und Alfred Brendel.<br />
Die wunderschöne Location kann nunmehr <strong>als</strong> ‚Residenz für<br />
Ihre Events’ gemietet werden.<br />
Der private Charakter des Hauses bietet den idealen Rahmen<br />
für Veranstaltungen von bis zu 350 Personen: Hochzeiten,<br />
Jubi lä ums feiern, Geburtstagsfeste, aber auch Konzerte, Le -<br />
sun gen u.v.m.<br />
Gäste gelangen durch den vorderen Teil der Parkanlage zum<br />
Palais. Das Gebäude selbst wird durch ein fast neun Meter<br />
hohes Vestibul betreten. Von dort erreicht man das Souterrain<br />
und über zwei Feststiegen die Räumlichkeiten der Beletage. In<br />
der Beletage befinden sich prachtvolle Festräume mit insgesamt<br />
ca. 335 m 2 - darunter die historische Bibliothek, die auch<br />
separat angemietet werden kann. Weiters steht im Sou ter rain<br />
eine moderne Lounge (84 m 2 ) zur Verfügung. Das Palais ist<br />
mit Klimaanlage, Aufzug, W-LAN, Audio-/Vi deo anschlussen<br />
und vielem mehr ausgestattet und eignet sich somit auch hervorragend<br />
für Seminare, Konferenzen, Work shops etc.<br />
Eine der wenigen Gelegenheiten in Wien in einem Garten zu<br />
feiern, bietet die unmittelbar an den rückwärtigen Teil des Ge -<br />
bäudes anschließende Rasenfläche mit 1.600 m 2 , die von<br />
zahlreichen alten Bäumen eingesäumt ist. Sie ist für Festzelte<br />
mit bis zu 500 Personen geeignet. Wien, <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong><br />
Ausführliche Informationen finden Sie<br />
unter www.palais-schoenburg.at<br />
Kontakt:<br />
Palais Schönburg Eventmanagement<br />
Mag. Leon Widecki<br />
Tel. + 43 1 588 10 27<br />
widecki@gertnergroup.com<br />
Bezahlte Anzeige<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 45
KULTUR<br />
Jüdischer Filmclub Wien<br />
Neu und provokativ, vertraut aber<br />
nichtinVergessenheitgeraten,bewegteBilderjüdischerLebensweltenvon<br />
SydneybisNewYork:SosinddieFilme,dieimRahmendesneugegründeten<br />
JüdischenFilmclubsWienvorgestellt<br />
wurden.EristeineInitiativevonBella<br />
Makagon(Moadon–Clubjungerjüdischer<br />
Erwachsener), Prof. Frank<br />
Stern (Visuelle Zeit- und KulturgeschichteamInstitutfürZeitgeschichte)<br />
undProf.KlausDavidowicz(Institut<br />
fürJudaistik,beideUniversitätWien).<br />
mit der initiative zur Gründung eines<br />
Jüdischen Filmclubs in Wien gehen<br />
langwierige Bemühungen von Frank<br />
Stern und Klaus Davidowicz nun endlich<br />
in Erfüllung. Versuche, geeignete<br />
Die internationale jüdische<br />
EHE-PARTNER-VERMITTLUNG<br />
Weber José<br />
PF 180182<br />
D-60082 Frankfurt a.M.<br />
Telefon +49/69-597 34 57<br />
+49/17/267 14940<br />
Fax +49/69-55 75 95<br />
eMail: weber@simantov.de<br />
www.simantov.de<br />
Kooperationspartner für einen Film -<br />
club zu finden, waren zunächst leider<br />
wenig erfolgreich. Doch schließlich ist<br />
es gemeinsam mit moadon und dem<br />
metro Kino des Filmarchivs Austria<br />
ge lungen, das Vorhaben umzusetzen.<br />
Und damit wird nicht nur ein Beitrag<br />
zur Wahrung und Stärkung der jüdischen<br />
identität, sondern auch für die<br />
Filmkultur der Stadt Wien insgesamt<br />
geleistet.<br />
„Wir machen Ausflüge zu jüdischen Se -<br />
hens würdigkeiten, organisieren jüdische<br />
Events, feiern gemeinsam jüdische Feste,<br />
gehen zusammen ins Theater und ins<br />
Kino. Der Jüdische Filmclub hat hervorragend<br />
in unser Konzept gepasst“ er zählt<br />
Bella Makagon, Vorstand von moadon.<br />
Am institut für Zeitgeschichte und an<br />
der Judaistik der Universität Wien gibt<br />
es bereits eine langjährige Tra di tion jü -<br />
discher Filmretrospektiven mit Un ter -<br />
stützung der Jüdischen Hochschü ler -<br />
innenschaft. Diese initiativen sollen<br />
nun zusammengeführt und mit dem<br />
Jüdischen Filmclub wie nichtjüdischen<br />
Publikum, näher gebracht werden.<br />
Sechs mal pro Jahr gibt es wieder<br />
Filme aus aller Welt, die sich mit der<br />
jüdischen Kultur und Tradition, mit<br />
Geschichte und Religion beschäftigen:<br />
Komödien, Dramen, Krimis, His to ri enund<br />
Dokumentarfilme, die in Österreich<br />
überhaupt nicht oder nur kurz<br />
in den Kinos oder auf Festiv<strong>als</strong> ge zeigt<br />
werden. Großes Augenmerk wird<br />
dabei auch auf Filme junger Regis -<br />
seur innen gelegt. Themen, die die<br />
Schoa berühren, religiös-säkulare und<br />
jüdisch- nichtjüdische Beziehungen<br />
werden auf der Leinwand zu sehen<br />
sein. nach den Filmvorführungen<br />
gibt es jedes mal die möglichkeit, bei<br />
einem Glas Wein, einem Kaffee über<br />
den Film zu diskutieren.<br />
Der erste Filmnachmittag war vielver -<br />
sprechend: ein mit Zuschauern bis zum<br />
Bersten gefüllter Kinosaal, ein spannender<br />
Film und ein kulinarischer<br />
Aus klang mit koscherem Buffet von<br />
Bernholtz Catering sowie Wein von<br />
Hafner. Bei den Sponsoren, insbesondere<br />
beim Kooperationspartner Film ar -<br />
chiv Austria, die den Erfolg ermöglicht<br />
haben, möchten sich die Organisa to -<br />
ren herzlich be dan ken.<br />
Gemeinsam nachdenken und La chen,<br />
neue Freundschaften knüpfen und<br />
alte zu erhalten, die jüdische identität<br />
zu bewahren und sie weiter zu entwickeln<br />
ist das Ziel des Jüdischen Film -<br />
clubs Wien.<br />
(OVA)<br />
office@juedischer-filmclub.at/<br />
Spenden & Schenken<br />
MISCHLOACH MANOT<br />
<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />
Bestellschein auf der Umschlagseite!<br />
46 <strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769
KULTUR<br />
Bal Paré<br />
7. März <strong>2009</strong><br />
einlass 21.15 • beginn 22.00<br />
rathaus Wien<br />
eingang lichtenfelsgasse<br />
Karten: erwachsene euro 85,-<br />
studenten und schüler euro 40,-<br />
inkl. 1 Welcome-Drink, 1 sabre-teller<br />
infos: tel. +43 1 968 72 66,<br />
e-Mail: info@milli.segal.at<br />
Karten- und tischreservierung:<br />
Jewish Welcome service<br />
tel.: 5332730,<br />
Mo - Do 9.00 - 16.00 und fr 9.00 - 14.00<br />
Der reinertrag dieser veranstaltung kommt<br />
dem Wizo Projekt „Kindertagesstätte in<br />
rechovot“ zugute.<br />
ehrenschutz: bürgermeister der stadt Wien Dr. Michael häupl,<br />
botschafter des staates israel Dan ashbel und frau zahava<br />
<strong>Februar</strong> <strong>2009</strong>/Schwat 5769 47
Fax-Bestellung<br />
an Fax: +43 1/53104-279<br />
oder fundraising@ikg-wien.at<br />
Telefonische Anfragen: 0676/844 512 601<br />
Spenden & Schenken<br />
MISCHLOACH MANOT<br />
<strong>als</strong> Zeichen für soziales Engagement!<br />
Geschenkkorb mit verschiedenen<br />
Früchten, vielen Nasche -<br />
reien und einem oder mehreren<br />
Getränken(je nach Größe)<br />
EINZAHLUNG:<br />
KtoNr. 02010724000 -<br />
BLZ 14000<br />
Kennwort „Mischloach Manot“<br />
Der Reinerlös dient der<br />
Unterstützung bedürftiger<br />
Familien mit Kindern<br />
NAME<br />
ADRESSE<br />
TEL.<br />
E-MAIL<br />
ABSENDER<br />
BESTELLUNG FÜR<br />
Name<br />
Tel.<br />
Adresse<br />
Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Adresse<br />
Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Adresse<br />
Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Adresse<br />
Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Tel.<br />
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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
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Tel.<br />
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Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-<br />
Name<br />
Tel.<br />
Adresse<br />
Anzahl Körbe à 15.- Anzahl Körbe à 20.- Anzahl Körbe à 30.-
EIN HISTORISCHES DOKUMENT: Ein Brief<br />
von (Elias) Eliyahu Sasson, einem leitenden<br />
israelischen Diplomaten, an Azzam Pasha,<br />
dem Gener<strong>als</strong>ekretär der Ara bi schen Liga,<br />
vom 5.12.1947<br />
3. Dezember 1947<br />
Lieber Azzam Pasha,<br />
Ich habe Ihnen bereits in der Vergangenheit seit einiger<br />
Zeit schreiben wollen, aber ich habe damit gezögert,<br />
weil ich erst die Entscheidung der Verein ten<br />
Nationen zu Palästina abwarten wollte. Jetzt, nachdem<br />
der Schritt vollzogen worden ist und ein neues<br />
Kapitel beginnt, will ich dies nicht länger auf die<br />
lange Bank schieben, vor allem im Licht von dem,<br />
was in der Presse in den ver gangenen wenigen Tagen<br />
geschrieben worden ist, und was sich auf Ihre kürz -<br />
lichen Äuße rungen über Palästina und die<br />
Entscheidung der Ver samm lung der Verein ten<br />
Nationen bezieht.<br />
Wir sind nicht vom Siegeswillen vergiftet, lieber Azzam<br />
Pasha, trotz der Tat sa che, dass wir nach dem anstrengendsten<br />
politischen Kampf, den wir je m<strong>als</strong> er tragen<br />
mussten, nach der ausführlichsten Untersuchung unseres<br />
Proble mes, der wir uns gegenüber gestellt sahen, die<br />
Mehrheit der zivilisierten Mensch heit die Recht -<br />
mäßigkeit unserer Sache anerkannt hat. Wir wissen,<br />
dass vor uns noch eine aussergewöhnliche Aufgabe<br />
liegt. Diese besteht in dem Be mü hen, eine Nation zu<br />
formen, wofür es in der Geschichte der Menschheit kein<br />
Bei spiel gibt.<br />
Wir müssen Hindernisse überwinden, denen sich kein<br />
Quelle: State of Israel and World Zionist Organization, politis<br />
c h e<br />
Paul Dean (StoneColdCrazy), in September 2007,<br />
and shows the Kindertransport memorial, by<br />
Frank Meisler, which stands outside Liverpool<br />
Street Station.<br />
I give permission for this image to be shared and<br />
used under the terms of the Creative Commons<br />
license (ie, please credit me as author, but no pay-<br />
Buchtipp<br />
UNO<br />
„Das Primärgefühl der<br />
Fassungslosigkeit bewahren“<br />
Saul Friedländer beschreibt den<br />
Holocaust<br />
Von L. Joseph Heid<br />
In seinem im Herbst 2006 erschienenen<br />
Opus magnum Die Jahre der<br />
Vernichtung (<strong>als</strong> 2. Bd. von „Das<br />
Dritte Reich und die Juden“, C.H.<br />
Beck, München 1998/2006) - ein<br />
For-schungsprojekt, an dem er sechzehn<br />
Jahre arbeitete - hat er eine<br />
ganz neue Erzählform gefunden: Er<br />
warf einen mikroskopisch genauen<br />
Blick auf die Mordhandlungen, die<br />
sich in sämtlichen besetzten und mit<br />
Deutschland verbündeten Ländern<br />
gleichzeitig voll zogen, und rückte sie<br />
in einen großen internationalen<br />
Kontext. Das war der wohl<br />
anspruchsvollste Versuch, den<br />
Judenmord zu verstehen. Nie zuvor<br />
sind die Perspektiven von Täter- und<br />
Op fergeschichte historiographisch so<br />
integral zusammengeknüpft worden.<br />
Und <strong>als</strong> dritte Seite gilt sein Blick der<br />
Ebene der Kollaborateure – die Bevöl -<br />
kerung, die Eliten und selbstverständ -<br />
lich die Kirchen. Vieles in seinem<br />
Haupt werk Dargestellte integriert der<br />
Apostrophierte in sein jüngstes Werk,<br />
in dem er sich ein weiteres Mal<br />
bemüht, den Holocaust zu erklären.<br />
Der Holocaust lässt ihn seit seinen<br />
Kindheitstagen nicht in Ruhe. Wie<br />
sollte er auch? Er selbst, dessen Eltern<br />
1942 aus Vichy-Frankreich verschleppt<br />
und in Auschwitz ermordet<br />
wurden, überlebte, streng katholisch<br />
erzogen, in einem französischen<br />
Internat.<br />
Pavel Friedländer, wie er dam<strong>als</strong><br />
hieß, war während des Krieges<br />
Priester schü ler, doch nach seiner<br />
Befreiung spürte er in sich Jüdischkeit<br />
und aus dem christkatholischen<br />
Paulus wurde der zionistische Jude<br />
Saulus.<br />
Forscher und Überlebender<br />
EU<br />
Als David Ben-Gurion vor 60 Jahren Is -<br />
raels Unabhängigkeit erklärte, be stand dessen<br />
Armee aus lediglich 29.000 Sol daten,<br />
verfügte über keinerlei Pan zer und nur<br />
vier Messerschmitt Kampf flugzeuge. Als<br />
sieben arabische Heere sich auf den<br />
Einmarsch vorbereiteten,<br />
sagte der an gesehene britische<br />
General Ber nard<br />
Montgomery voraus,<br />
dass die Juden dem keinesfalls<br />
länger <strong>als</strong> ein paar Wochen würden<br />
standhalten können. Ben-Gurions ei -<br />
ge ne Generäle bezifferten Israels Über -<br />
lebenschancen mit 50:50.<br />
Heute hat der jüdische Staat eine stehende<br />
Streitmacht von 187.000 Mann und<br />
geschätzte 450.000 Reservisten, hun derte<br />
Panzer und modernste Kampf flugzeuge,<br />
was Israels militärische Kraft größer <strong>als</strong><br />
die Großbritan ni ens macht und von den<br />
meisten Ex per ten <strong>als</strong> die stärkstes<br />
Potential im gesamten Mittleren Osten<br />
angesehen wird. Auch von einem Nuklear -<br />
Wie kann Israel seine Zukunft sichern?<br />
von Leslie Susser, JTA; Übersetzung: Karin Fasching<br />
waf fen arsenal ist inoffiziell die Rede.<br />
Gravierende existenzielle Bedrohungen<br />
Natürlich kann man Israels Militär von<br />
einst und jetzt nicht vergleichen. Aber ist<br />
jener Staat, der <strong>als</strong> der sichere Hafen für<br />
das jüdische Volk gedacht war, heute tatsächlich<br />
sicherer <strong>als</strong> noch am 14. Mai<br />
1948, <strong>als</strong> Ben-Gurion Is ra els<br />
Unabhängigkeitserklärung in Tel Aviv<br />
verlas? Trotz seines enormen Auf gebotes<br />
an Waf fen, diplomatischen sowie wirtschaftlichen<br />
Errun gen schaf ten, sieht sich<br />
der Staat auch<br />
heute noch gravierenden<br />
existenziellen<br />
Be drohungen<br />
gegenüber.<br />
Die offensichtlichste Bedrohung stellt der<br />
Iran dar. Ein mit Nuklearwaffen ausgestattetes<br />
radikales schiitisches Re gime in<br />
Teheran wäre eine größere Gefahr für<br />
Israel, <strong>als</strong> alle anderen Fein de, gegen die<br />
der jüdische Staat sich in seiner 60jährigen<br />
Geschichte be haup ten musste.<br />
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