Matrix3000 Mystery-Welten (Sonderheft 16) (Vorschau)

Als die zehnjährige Fae Jackson
aus ihrem Schlafzimmer stürzte
und die Treppe hinunter zu ihrer
Mutter rannte, zitterte sie vor Angst.
Gerade hatte sie das schemenhafte
Bild einer Person gesehen, und diese
Gestalt hatte ihr ins Ohr geflüstert:
„Kannst du mich hören?“ Es war die
erste von Hunderten von Begegnungen
des Mädchens mit Wesen aus einer
anderen Dimension. Faes Mutter
Lynn begann diese Berichte spätestens
dann ernst zu nehmen, als auch
Faes jüngerer Bruder Ashley von ähnlichen
Begegnungen zu erzählen begann,
obwohl er von den Erlebnissen
seiner Schwester nachweislich nichts
wusste.
Heute ist Lynn Jackson überzeugt
– ihre Kinder können Verstorbene sehen.
Die 39jährige aus Waltham Cross,
Hertshire (England) ist überzeugt,
dass dies für die Kinder weniger eine
Begabung als eine Belastung ist. „Es
fühlt sich an, als ob jemand die Kinder
belästigt, und ich kann nichts dagegen
tun.“ Und sie fügt hinzu: „Fae hat
sich mittlerweile daran gewöhnt und
genießt es, diese Fähigkeit zu haben.
Aber Ashley hasst es.“
Umfragen haben ergeben, dass
jeder fünfte Brite erklärt, bereits einen
Geist gesehen oder seine Anwesenheit
gespürt zu haben. 53 Prozent
der Bevölkerung glauben daran, dass
Menschen solche Fähigkeiten haben
können.
Fae Jackson hat die Begegnungen
mit den unsichtbaren Freunden fast
täglich – und es sind durchaus nicht
immer „Freunde“. Einmal wurde ihr
Bett nachts durchgeschüttelt – von einer
offensichtlich genervten „Geistin“.
Als Fae unter der Dusche war, spürte
sie, wie die Energie einer alten Frau ihren
Rücken streifte. Manchmal spielen
die unsichtbaren Besucher sogar mit
ihren Haaren. Ein regelmäßiger Gast
bei Fae ist der „Betrunkene“ mit seinen
triefenden Augen, der hinter Fae in
ihr Zimmer schlurft.
Lynn macht sich Gedanken: „Das
Kind war verängstigt. Ich hatte
ursprünglich gedacht, dass sie
vielleicht nur Aufmerksamkeit sucht.
Aber Fae ist im Grunde ein schüchternes
Kind, das sich keine Geschichten
ausdenkt.“ Eine der gruseligsten
Erfahrungen war, als Fae einmal aus
ihrem Zimmer auf den Korridor trat.
Am anderen Ende war ein Spiegel. Als
sie ihr Spiegelbild betrachtete, sah sie
über ihrer Schulter ein Gesicht, das
ganz rot aussah. Fae erschrak fast zu
Tode. Dann erkannte sie, dass es das
Gesicht ihres Großvaters war, und sie
ist überzeugt, dass er sie beschützen
will. Das Kind beschreibt im Detail, wie
es diese Begegnungen erlebt. „Es ist
nicht so, als ob man einen massiven
Gegenstand wie einen Stuhl sieht. Es
ist eher wie ein flüchtiger Blick auf die
Person. Meist kann ich etwas spüren,
oder ich fühle die Energie, und das
Bild und die Details manifestieren sich
dann in meinem Kopf. Zum Beispiel
der Name der Person oder wie sie gestorben
ist. Ich schließe meine Augen,
und dann sehe ich, wie sich das Bild
aufbaut. Es geschieht sehr schnell. Ich
erhalte alle Informationen innerhalb
von Sekunden.“
„Anfangs hatte ich wirklich Angst.“,
fährt Fae fort, „Ich mochte keine Dunkelheit,
und ich mochte es nicht, in den
Spiegel zu schauen, weil ich fürchtete,
dort etwas zu sehen.“
Aber der Knalleffekt kam, als ihr
Bruder Ashley plötzlich anfing,
die Verstorbenen auch zu sehen.
Er weigert sich, auch nur über
die Möglichkeit zu sprechen, dass er
außersinnliche Begabungen haben
könnte. Seine Mutter sagt: „Wir achteten
wirklich sehr sorgfältig darauf, alles,
was mit Fae vor sich ging, von ihm
fernzuhalten. Ich wollte nicht, dass er
sich ängstigt. Aber dann weigerte er
sich plötzlich, in den Wintergarten zu
gehen, und er wollte auch nicht allein
auf der Toilette sein. Ich fragte ihn,
was los sei, und er sagte mir, da sei ein
Kopf, der ihm überall hin folgt. Mein
Blut wurde eiskalt. Wie sagt man es
einem Siebenjährigen, dass es Men-
schen gibt, die Verstorbene sehen
können?“ Lynns Mann David ist auch
besorgt, hält sich aber ebenso wie sein
Sohn von Diskussionen darüber fern.
Im Grunde scheinen diese Fähigkeiten
jedoch in den beiderseitigen Familien
zu liegen. Sowohl Davids Vater als
auch Lynns Großmutter hatten über
derartige Begegnungen berichtet.
„Fae versuchte Ashley zu helfen,“, sagt
Lynn, „indem sie ihm sagte, das ist OK
und passiert ihr auch, aber er glaubt
ihr nicht.“
Die Geschichte erinnert an den
bekannten Hollywood-Film „The
Sixth Sense“. Darin kommt der
neunjährige Cole Sear in Therapie
bei dem Psychologen Malcolm Crowe
(gespielt von Bruce Willis), weil er Verstorbene
sehen kann und große Angst
davor hat. Der weitere Verlauf des
Films ist dann jedoch vollkommen anders.
Crowe erkennt, dass Cole selbst
tot ist und deshalb Kontakt zu anderen
Verstorbenen hat. Es geht also in
Wahrheit um seine, Crowes, Fähigkeit,
Verstorbene zu sehen. Am Ende wird
ihm jedoch klar, dass auch er nicht
mehr am Leben ist, sondern von einem
seiner Patienten erschossen worden
war (er hatte die ganze Zeit geglaubt,
die Schußverletzung überlebt zu haben).
Insofern beschäftigt sich „The
Sixth Sense“ mit der etwas anderen
Thematik von Menschen, die nicht wissen,
dass sie tot sind, oder mit ihrer
neuen Daseinsform nicht zurechtkommen.
Ähnlich ist auch die Handlung im
Film „Ghost“ mit Patrick Swayze und
Bruce Willis‘ Ex-Frau Demi Moore.
Faes und Ashleys Erlebnisse wurden
dagegen eher von Clint Eastwood im
Film „Hereafter“ („Das Leben danach“)
mit Matt Damon in der Hauptrolle thematisiert.
Dort geht es allerdings um
Erwachsene, die mit Verstorbenen
kommunizieren können.
Fae Jackson hat inzwischen auch
mit anderen außersinnlich begabten
Menschen gesprochen
und dadurch gelernt, mit ihrer Fähigkeit
fertigzuwerden, während Ashley
immer noch im Abwehrmodus ist. Seit
einiger Zeit hat Fae damit begonnen,
sich mit Reiki zu beschäftigen, und
DIE SCHEMENHAFTE GESTALT
FLÜSTERTE FAE INS OHR:
"Kannst du mich hören?"
sie lernte, sich auf die Energiezentren
ihres Körpers (Chakren) zu konzen-
trieren. „Ich kann jetzt bewusst meine
Chakren schließen.“, sagt sie und zeigt
dabei vom Kopf bis hinunter zu den Füßen.
Sie stellte fest, dass dadurch die
Begegnungen mit den unsichtbaren
Gästen seltener wurden. Ihren Schulkameraden
erzählt sie allerdings von
ihren Erlebnissen nichts – mit Ausnahme
einer Freundin, die es akzeptiert.
Sie möchte nicht von den anderen
Kindern als „Hexe“ tituliert werden. ■
Mystery-Welten 2012 MATRIX 3000 37