Interview Heidi! (Vorschau)
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<strong>Interview</strong>. Eine schöne Idee. Menschen unterhalten<br />
sich miteinander. Ohne die lauernden Blicke eines<br />
Journalisten, der vor allem auf den Satz wartet, den<br />
er zum Promoten des Gespräches schon vorab in den<br />
Umlauferhitzer der öffentlichen Erregungsspirale<br />
ein speisen kann. Also, die Gottschalks machen mit den Klums<br />
ungestört ein gemütliches Dinner “bei uns oder bei euch”,<br />
und wenn <strong>Heidi</strong>s Martin dann was sagt, was er lieber nicht<br />
gesagt hätte (was weiß man schon als Neuer über die Tretminen<br />
in diesem Geschäft), dann lassen wir’s halt am Ende<br />
weg. <strong>Heidi</strong>s Terminkalender und meine Frau, die nicht so neu<br />
ist in diesem Geschäft, machen diesen Plan zunichte: “Also,<br />
ich sag da nix!” So wird aus dem Dinner<br />
“<br />
zu viert, das wir<br />
demnächst “bei uns oder bei euch” nachholen, ein Besuch<br />
von mir in <strong>Heidi</strong>s Trailer auf dem Set von Germany’s next<br />
Top model am kalifornischen Venice Beach. <strong>Heidi</strong> freut sich:<br />
“Hättest du gedacht, dass ich mal in deine Fußstapfen<br />
treten würde? Als ich da vor 20 Jahren<br />
bei dir auf dem Sofa saß, wäre es mir<br />
nicht im Traum eingefallen, dass ich selber<br />
mal im Fernsehen moderieren würde.<br />
Obwohl mich bei den großen Shows dieser<br />
Teleprompter immer noch verrückt<br />
macht. Ich hab jedes Mal Herzklopfen<br />
und keine Spucke mehr im Mund, bevor<br />
es losgeht!”<br />
Nein, das hätte ich nicht gedacht.<br />
Und schon gar nicht, dass <strong>Heidi</strong> Klums<br />
Biografie eine der wenigen Chancen ist,<br />
mich selbst im amerikanischen TV zu<br />
sehen. Ich werde dort, völlig zu Recht,<br />
als der Mensch interviewt, der sie entdeckt<br />
hat. Vor allen Castingformaten<br />
hatte ich, Anfang der Neunziger, in meiner<br />
Fernsehshow sozusagen “Germany’s<br />
first Topmodel” gesucht und <strong>Heidi</strong> Klum<br />
gefunden.<br />
“Mein Gott, war das alles aufregend. Und ein Raketenstart<br />
war das keineswegs. Der Einstieg war eher holprig<br />
und der Weg von Bergisch Gladbach nach New York keine<br />
Schnellstraße. Ich versuche, das den Mädchen in meiner<br />
Show auch immer klarzumachen, wenn ich sehe, was die für<br />
lange Gesichter machen, wenn’s mal nicht so läuft, wie sie<br />
sich das vorstellen. Die gucken sich alle Staffeln an und denken<br />
dann, es wird immer ein bisschen leichter. Das Gegenteil<br />
ist der Fall. Im Modelgeschäft wird niemand auf Rosen gebettet.<br />
Aber die Mädchen begreifen nicht, dass das hier nur<br />
der erste Schritt ist. Ich kann sie nur auf einen Weg stellen,<br />
den sie dann alleine weitergehen müssen. Trotzdem fragen<br />
einige immer wieder, wann’s denn mal wieder was geschenkt<br />
gibt, oder beschweren sich, wie schlimm das alles ist, wenn<br />
sie interviewt werden.”<br />
Trotzdem merke<br />
ich, dass der Gegenwind,<br />
vor allem in<br />
Deutschland, stärker<br />
wird. Vor vielen<br />
Jahren konnte ich<br />
dort nichts falsch<br />
machen, inzwischen<br />
hat sich das Blatt<br />
gewendet<br />
98<br />
Das <strong>Interview</strong> als Beschwerdestelle. Seit ich gemerkt<br />
habe, dass das nicht funktioniert, habe ich aufgehört, welche<br />
zu geben. Der Versuch, sich einem Menschen zu erklären, damit<br />
dieser dann dem Rest der Welt vermittelt, wie großartig<br />
man ist, muss scheitern. Warum sollte ein Journalist sich<br />
selbst zum Fanclubleiter degradieren? Und das hauptberuflich<br />
und immer wieder für jemand anderen? Also lässt man<br />
es irgendwann bleiben. Jedes <strong>Interview</strong>, das ich gebe, ist definitiv<br />
mein letztes. Und wie weit ist <strong>Heidi</strong> auf diesem Weg?<br />
“Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben. <strong>Interview</strong>s<br />
zu geben gehört ja auch zu unserer Arbeit, und deswegen<br />
ist das Ganze irgendwie ein Teufelskreis. Ich nutze solche<br />
Gespräche dazu, ein Bild von mir in die Öffentlichkeit zu<br />
bringen, das den Tatsachen entspricht. Leider sind die wenigsten<br />
Journalisten an Fakten interessiert. Die haben ihre<br />
Geschichte schon geschrieben, bevor sie dich treffen. Und<br />
manchmal merkst du ihnen sogar die Enttäuschung an,<br />
wenn du ihnen ihre schöne Story kaputtmachst,<br />
weil deine Geschichte eine andere<br />
ist als die, die sie wollen.”<br />
Die Geschichte ist immer eine andere<br />
als die, die man über sich lesen möchte,<br />
und man lebt im öffentlichen Dienst in<br />
ständiger Besorgnis, dass die letzte Story<br />
über privates oder öffentliches Versagen<br />
einem beim Publikum nun endgültig das<br />
Genick brechen könnte, wo doch die vorletzte<br />
gerade mal erst in Vergessenheit<br />
geraten ist. Hat man aber genügend dieser<br />
Panikattacken überlebt und begriffen,<br />
dass sich die Menschen ihr Weltbild<br />
doch nicht nur aus dem Internet und<br />
den Zeitungen zusammenklauben, ist die<br />
Gefahr groß, dass man darüber zur misslaunigen<br />
oder misstrauischen Diva verkommen<br />
ist. Aber wir beide doch nicht.<br />
Wir sind unerschütterliche Frohnaturen<br />
und obendrein blond …<br />
“… aber ich bin nicht blauäugig, auch wenn das mit der<br />
Frohnatur stimmt, das ist Teil meiner Persönlichkeit. Deswegen<br />
suche ich auch, wo es geht, den direkten Kontakt zu den<br />
Menschen. Ich bin immer gerne ,live‘. Da stehe ich dann auch<br />
Rede und Antwort, und jeder kann sich selber ein Bild von<br />
mir und dem, was ich sage, machen. Ich habe keine Leichen<br />
im Keller, es gibt keine Fragen, vor denen ich mich fürchte,<br />
und ich muss mich vor niemandem verstecken. Trotzdem<br />
merke ich natürlich, dass der Gegenwind, vor allem in<br />
Deutschland, stärker wird. Vor vielen Jahren konnte ich dort<br />
nichts falsch machen, inzwischen hat sich das Blatt gewendet.<br />
Manchmal werde ich da total zerfleischt!”<br />
Vorsicht! Es gibt keine größere Gefahr für mehr oder weniger<br />
beliebte Deutsche, als sich unter kalifornischer Sonne<br />
”<br />
– <strong>Heidi</strong> Klum<br />
kleid<br />
roberto cAvAlli<br />
armreife (links)<br />
cArA croninger<br />
manschette (rechts)<br />
delfinA delettrez