Interview Heidi! (Vorschau)
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Früher dachte ich immer, ich würde<br />
die Schauspielerei nur so lange machen,<br />
bis ich jemand Geeigneteren finde,<br />
der mich ersetzt<br />
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Lena Dunham<br />
Mir ist erst kürzlich bewusst geworden, wie viel Spaß<br />
mir die Schauspielerei eigentlich macht. Früher dachte<br />
ich immer, ich würde es nur so lange machen, bis<br />
ich jemand Geeigneteren finde, der mich ersetzt. Mir<br />
selbst einzugestehen, dass mir das Spielen gefällt, dass<br />
es mir wichtig ist, fühlte sich falsch an, als hätte ich<br />
ein fürchterliches Ego. Zumal ich früher schon immer<br />
von diesen zwei unterschiedlichen Gefühlsrichtungen<br />
getrieben wurde: Zu Hause wurde ich respektiert und<br />
fühlte mich verstanden – während in der Schule nichts<br />
klappte. Die anderen Kids begriffen einfach nicht, wer<br />
ich eigentlich bin. Das wiederum regte mich erst total<br />
auf, dann langweilte es mich, gleichzeitig fand ich<br />
die anderen unaussteh lich. Es war letztendlich meine<br />
Schuld. Ich musste sogar die Schule wechseln, weil ich<br />
einfach keine Freunde hatte, und kann mich sehr gut<br />
daran erinnern, wie meine Eltern meinten: „Sie wird<br />
zum Opfer gemacht. Deshalb wechselt sie jetzt die<br />
Schule.“ Ich dachte jedoch: Ich wechsle die Schule,<br />
weil ich mich wie ein Arsch verhalten habe (July lacht).<br />
Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich wurde von<br />
meinen Eltern nicht übersehen, sondern stand viel zu<br />
sehr im Mittelpunkt.<br />
July: Im Gegensatz zur Schule.<br />
dunham: Ja, beispielsweise wenn es um die<br />
Theater aufführungen dort ging. Ich bereitete mich<br />
wie eine Irre vor, las alle Bücher, lernte Sätze, lag<br />
fanta sierend in der Badewanne und bekam am Ende<br />
die Rolle eines Springballs, eines dicken Mannes oder<br />
die eines Wachbeamten.<br />
July: Wobei ich mir beim Springball den Daniel-<br />
Day-Lewis-Ansatz sehr gut vorstellen kann.<br />
dunham: Klar, deshalb habe ich die Rolle auch<br />
mit großem Ernst gespielt, was allerdings nie funktionierte.<br />
Und dann meine Eltern … Die liefen einfach<br />
raus, wenn ihnen das Stück nicht gefiel. Was<br />
nichts mit meiner Rolle zu tun hatte. Sie sagten dann:<br />
„Wir haben deine Stelle abgewartet, aber das Stück<br />
war einfach nicht gut, die Hauptrollen schlecht besetzt,<br />
deshalb sind wir früher abgehauen.“<br />
July: Genau wie mein Vater auch! Er behauptet,<br />
alles andere sei nicht ehrlich.<br />
dunham: Als ich meinen ersten Kurzfilm fertig<br />
hatte, meinte mein Dad: „Es ist großartig, dass du es<br />
versucht hast, und ich denke, das Medium könnte dir<br />
liegen. Aber du solltest den Film wirklich niemandem<br />
zeigen.“ Dabei ist der Film genau das, was mich zu<br />
der Person hat werden lassen, die ich heute bin. Wenn<br />
ich den Film nicht bei einem Festival eingereicht und<br />
darüber Leute kennengelernt hätte, die ihn mögen,<br />
würde ich heute vermutlich nichts mit Film und Fernsehen<br />
zu tun haben. Das war damals übrigens ein großer<br />
Schritt für mich: Mein Vater mag den Film nicht,<br />
aber ich reiche ihn trotzdem ein.<br />
July: Eine Frage, die mich sehr beschäftigt hat,<br />
nachdem ich deinen ersten Film gesehen hatte, war:<br />
Wieso schämt sich dieses Mädchen, das diesen Film<br />
gemacht hat, nicht dafür, wie speziell sie doch aufgewachsen<br />
ist? Versteh mich bitte nicht falsch: Die<br />
Art, wie du aufgewachsen bist, bietet ebenso viel oder<br />
ebenso wenig einen Grund, sich zu schämen, wie<br />
jede andere Form des Aufwachsens. Dennoch denke<br />
ich, dass es eigentlich total normal ist, sich davon zu<br />
distan zieren, damit abzurechnen. Du hast dieses Anliegen<br />
jedoch erstaunlich schnell hinter dir gelassen.<br />
dunham: Eine interessante Frage. Und ich weiß<br />
nicht, ob Geschwindigkeit da von Vorteil, ob sie gut<br />
oder schlecht ist. Gleichzeitig finde ich es komisch,<br />
wenn man von einem Typen liest, der in der Playboy<br />
Mansion oder sonst wo Wildes aufgewachsen ist und<br />
der sagt: „Ich kenne nichts anderes und dachte immer,<br />
so sei das Leben eben.“ So fühlte ich mich nie.<br />
Ich wusste, dass unser Leben speziell ist, dass meine<br />
Künstlereltern etwas Besonderes sind. Mit einem<br />
speziellen Lebensentwurf, der sich nun mal in einem<br />
großen Loft abspielte … wobei das Loft nicht so groß<br />
war, ich war nur sehr klein. Ich fand all das gut, wusste,<br />
wie besonders es ist, und musste nicht dagegen aufbegehren.<br />
Wobei ich andere Fälle kenne: Meine beiden<br />
besten Freunde aus Kindheitstagen haben ebenfalls<br />
Künstlereltern. Und die fanden es schrecklich.<br />
Die eine wollte selbst Künstlerin werden, studierte<br />
Kunst, arbeitete fleißig – doch die Leute interessierten<br />
sich nur für sie wegen ihrer verrückten Kindheit.<br />
Sie fühlte sich plötzlich wie ein Spektakel. Das konnte<br />
ich bis vor Kurzem nie wirklich verstehen. Erst seit<br />
ich vorsichtig darüber nachgedacht habe, wie es wohl<br />
wäre, meine Tochter zu sein, dämmert es mir langsam.<br />
July: Du hast darüber nachgedacht, wie es wäre,<br />
deine Tochter zu sein?<br />
dunham: Ja. Als ich dich mit Hopper gesehen<br />
habe. Du bist so cool als Mutter. Du versuchst es<br />
nicht, du bist es. Es ist ganz normal für dich.<br />
July: Mutter zu sein ist wahrscheinlich das Normalste,<br />
was ich je gemacht habe.<br />
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dunham: Du scheinst auch eine gute Balance<br />
gefunden zu haben. Ich weiß noch, wie du Hopper erklärt<br />
hast: „Das ist eine Orange, und sie ist orange. Sie<br />
ist auf diese Weise einzigartig.“ Ich könnte mir vorstellen,<br />
so einen Satz auch in deinen Texten zu lesen.<br />
July: Wenn du nicht da gewesen wärst, hätte ich<br />
den Satz vielleicht nicht gesagt, da er an Hopper total<br />
verschwendet ist. Hopper versteht das noch nicht.<br />
dunham: Er spricht eben noch kein Englisch.<br />
July: Dennoch vergleiche ich meinen zehn Monate<br />
alten Sohn gerne mit dir. Einfach, weil du ein gutes<br />
Beispiel für ein wohlgeratenes Künstlerkind bist.<br />
dunham: Wobei ich von den Tagebüchern meiner<br />
Mutter besessen bin. Darin beschreibt sie die<br />
unfassbar romantische Liebesbeziehung zu meinem<br />
Vater, die ich auch in Tiny Furniture verarbeite.<br />
July: Romantisch ist ein gutes Stichwort: Du hast<br />
dich vor nicht allzu langer Zeit unsterblich verliebt<br />
und mir davon erzählt. Würdest du auch seinen ganzen<br />
Namen öffentlich nennen?<br />
dunham: Klar, er heißt Jack Antonoff. Ich weiß<br />
sehr wohl von der Regel, dass man Privates und Öffentliches<br />
trennen und niemals den Namen seines<br />
Boyfriends verraten sollte. Aber ich verstehe dieses