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Eigentlich hätte dies hier der überaus brillante zweite Teil des POETICA-Interviews werden sollen ... und, was soll ich sagen ...<br />
es war tatsächlich auch über die Maßen fabelhaft. Geradezu atemberaubend brillant sogar. Ein literarisches Meisterwerk erster<br />
Güte, das alles bisher Dagewesene locker in den Schatten gestellt hätte. Doch dann ...<br />
... nun, lassen Sie es mich so formulieren: FUCK THIS PIECE OF SHIT COMPUTER.<br />
Meine sämtlichen Antworten waren weg, der Abgabetermin nur ein paar Stunden entfernt, und die Vorstellung, noch einmal ganz<br />
von vorne zu beginnen, komplett abwegig. Unsagbar griesgrämig, entschied ich mich stattdessen für einen postmitternächtlichen<br />
Spaziergang ... in der vagen Hoffnung, dass mir, dank frischer Luft und vielleicht durch ein kleines Wunder, irgendetwas<br />
halbwegs Lesbares zugeflogen kommen möge.<br />
Irgendwann ... so auf halber Strecke ... im<br />
abnehmenden Mondlicht, mitten zwischen<br />
den frisch gemähten, nebelverhangenen<br />
Feldern, brummte plötzlich mein schlaues<br />
cleverPhone in meiner Tasche. Ein Freund<br />
aus Amerikaland hatte mir eine Nachricht<br />
geschickt und wollte sich kurz unterhalten.<br />
Da ich immer noch zutiefst schlechter Laune<br />
war, klagte ich ihm kurzerhand mein Leid.<br />
Typisch amerikanischer Geschäftssinn, war<br />
sein prompter Ratschlag, doch einfach nur<br />
das neue Album ausgiebig zu promoten.<br />
Klasse, dachte ich ... und WIE GENAU soll<br />
ich das anstellen? Etwa 500 Mal „POETICA<br />
ist ein wirklich fabelhaftes Album, so<br />
unglaublich gut, das Beste, was die Welt<br />
je gehört hat“ tippen? Ich meine, schließlich<br />
muss ich am Ende ja irgendwie zwei DIN A4-<br />
Seiten halbwegs sinnvoll füllen! Daraufhin<br />
er: „Dass das neue Album phantastisch<br />
ist, versteht sich bei Dir ja sowieso von<br />
selbst. Jetzt musst Du den Leuten nur noch<br />
klarmachen, warum es um Längen besser ist als<br />
die Alben aller anderen Bands.“<br />
Urgh. OK ...<br />
Eine halbe Stunde später klingelt erneut das<br />
Telefon. Diesmal war es ein Chatpartner<br />
aus England. Da ich einer Lösung meines<br />
Problems immer noch keinen Deut näher<br />
war und nach wie vor nicht die geringste<br />
Lust verspürte, alles noch ein zweites Mal<br />
durchzukauen, erzählte ich auch ihm von<br />
meiner Lage ...<br />
Er: Wenn Du willst, kann ich Dir helfen.<br />
Wie viele Fragen müssen es denn sein?<br />
Ich: Ach, völlig egal. Am Ende müssen<br />
einfach nur zwei Seiten gefüllt werden.<br />
Er: A4-Seiten?<br />
Ich: Ja.<br />
Er: Umm, OK. Sollen die Fragen von Fans<br />
kommen, oder soll es so aussehen, als ob das<br />
Magazin die Fragen selbst geschrieben hätte?<br />
Ich: Völlig egal.<br />
Er: OK, sag’ mir, wenn die Fragen scheiße<br />
sind ... oder sie Dir schon mal gestellt<br />
wurden.<br />
Ich: Definitiv!<br />
Er: (überlegt kurz) OK ... stimmt es, dass<br />
Du in einem Schloss mitten im Nirgendwo<br />
in Deutschland lebst?<br />
Ich: Fuck, die Frage ist nicht nur TOTAL<br />
scheiße, die gab’s auch schon ungefähr<br />
tausend Mal.<br />
Er: Autsch.<br />
Ich: Abgesehen davon ... soweit ich mich<br />
erinnere, lautete das beknackte Gerücht<br />
damals immer, ich würde in einer Höhle in<br />
Frankreich hausen.<br />
Er: Also, als ich vor 16 Jahren das erste<br />
Mal von SOPOR hörte, hieß es, es wäre ein<br />
Schloss in Deutschland.<br />
Ich: Und vermutlich wohnte ich dort<br />
zusammen mit meinem Diener Holger, der<br />
mich jeden Morgen ankleiden musste, da ich<br />
das mit meinen langen Fingernägeln selbst<br />
nicht mehr bewerkstelligen konnte?<br />
Er: Ja, den Teil habe ich auch gehört. Und<br />
irgendwas von einem Käfig und Ratten.<br />
Ich: Was für ein Käfig mit Ratten??? Das ist<br />
mir neu.<br />
Er: Ich weiß nicht mehr genau. Ich hatte<br />
damals einen Bericht gelesen, in dem<br />
behauptet wurde, Du würdest in einem Käfig<br />
gehalten, und Holger würde Dich mit Ratten<br />
füttern.<br />
Ich: Hahaha, das ist ja wohl völlig<br />
bescheuert!<br />
Er: Hehe. OK, wie wär’s mit dem Thema<br />
„Geschlecht und soziale Geschlechterrolle“,<br />
beziehungsweise wie Du selbige definieren<br />
würdest.<br />
Ich: G-ä-ä-ä-ä-ä-h-n.<br />
Er: Ernsthaft?<br />
Ich: Mann, rutsch mir bloß den Buckel<br />
runter mit dem ganzen kleinkarierten<br />
Geschlechterscheiß. Davon hab’ ich echt die<br />
Nase voll.<br />
Er: Wie wär’s hiermit: Gestern hatte ich<br />
zufällig wieder Shave, if you love me gehört.<br />
Bedauerst Du es heute nicht, dieses Lied<br />
geschrieben zu haben? Ich meine, in<br />
Anbetracht der Tatsache, dass Du ja so auf<br />
Bären stehst.<br />
Ich: Haha ... OK ... die ist gut.<br />
Er: Hurra!<br />
Ich: Aber, weißt Du ... wie stark er behaart<br />
ist, war mir eigentlich immer ziemlich egal.<br />
Der Punkt ist, wenn er anfangen würde,<br />
sich zu rasieren und besonders zu pflegen,<br />
nur um mir zu gefallen ... also aus dem<br />
eigenen Bedürfnis heraus, für mich attraktiv<br />
erscheinen zu wollen ... und das alles, ohne<br />
dass ich dies irgendwie auch nur ansatzweise<br />
erwähne ... also, you know ... darum geht es<br />
insgeheim eigentlich in dem Stück.<br />
Er: Aaah. Und ich dachte immer, es ginge<br />
bloß um den Abscheu vor Körperbehaarung.<br />
Ich: Nein, das wäre ja viel zu eindimensional.<br />
Zugegeben, ich mag zwar meine eigene<br />
Körperbehaarung nicht, aber das ist eine<br />
andere Geschichte.<br />
Er: Ich vermute, Du wirst auch oft zum<br />
Thema „Seitenprojekte“ angesprochen.<br />
Ich: Hmm.<br />
Er: OK, Lieblingsbands oder -filme?<br />
Ich: Wen interessiert’s?! Abgesehen<br />
davon, kann ich mit diesem ganzen<br />
Lieblingsfragengedöns nichts anfangen. Ich<br />
hatte auch nie irgendwelche Lieblingsbands.<br />
Es gab Stücke, die ich gerne mochte, oder<br />
auch ganze Alben ... aber die Bands an sich<br />
waren mir eher gleichgültig.<br />
Er: Vergleichen Dich Leute oft mit Mortiis?<br />
76 - <strong>Orkus</strong>!