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Céline<br />
chanel<br />
„Hab ich dir schon mal meine Handtaschentheorie erzählt?“<br />
„Du lenkst ab.“<br />
„Also, meine Handtaschentheorie geht so: Frauen, die eine<br />
Handtasche in der Armbeuge tragen, sind unbedingt zu<br />
meiden. Über die Schulter ist prima, solange die Tasche<br />
nicht direkt unter der Achsel klemmt. Aber Armbeuge,<br />
besonders in Kombination mit Handy-in-der-Hand und<br />
Stiefeln-an-den-Füßen: total stumpf.“<br />
„Wieso?“<br />
„Bin mir nicht sicher, ob das große Armbeugen schon mit<br />
,Sex in the City’ losging. Oder erst mit ,Gossip Girl’. Oder ob<br />
es von den ganzen Hollywood-Paparazzi-Bildern kommt,<br />
vom unironisch ,Gala’-Lesen, wobei ironisch ,Gala’-Lesen<br />
möglicherweise noch schlimmer ist. Handtasche in der<br />
Armebeuge ist jedenfalls ein sicheres Zeichen für Dummheit.<br />
Mindestens dafür, dass eine Frau anstrengend ist.“<br />
„Tussi?“<br />
„Nagelstudiokundin, auf jeden Fall. Schlimmstenfalls<br />
Aufklebenägel mit Strasssternchen.“<br />
„Angesichts der Waxing-Stempelkarte würde ich nicht<br />
so groß tönen.“<br />
„Nur Rücken und, äh: Schultergürtel! Oder wie die das<br />
nennen. Außerdem kann man da super lauschen. Frauengespräche<br />
in den Nebenkabinen. Auf eure Klos kommt<br />
man ja als Mann nicht drauf.“<br />
„Und, was reden die Frauen da so, wenn denen eine andere<br />
Frau, die sie überhaupt nicht kennen, zwischen den Beinen<br />
rumfuhrwerkt?“<br />
„Wo sie als nächstes in Urlaub fahren mit ihrem Boyfriend<br />
zum Beispiel, klar, die sind doch alle wegen der Bikinizone da.<br />
Und irgendwann fällt ein verräterischer Halbsatz. Oder<br />
ihnen verrutscht die Betonung: Wie sie ,Kho Samui’ hinten<br />
langziehen, mit so einem kleinen, genervten Stöhnen.<br />
Man weiß sofort: Deren Typ ist auf Bewährung. Sie haben<br />
sich noch nicht entschieden, ihn endgültig abzuschießen,<br />
aber ihre zwei bis sechs besten Freundinnen haben sie schon<br />
einmal zu oft gefragt, wie es eigentlich so läuft mit dem Typen.“<br />
„Du fantasierst.“<br />
„Nein, ich schärfe meine Sinne.“<br />
„Dir ist aber schon mal in den Sinn gekommen, dass da lauter<br />
Armbeugen-Frauen in den Kabinen neben dir liegen könnten, die sich<br />
danach noch schnell vor dem Abflug Strasssternchen auf ihre<br />
künstlichen Nägel kleben lassen?“<br />
„Da, wo ich hingehe, sind die nicht. Sonst würde ich da ja nicht<br />
hingehen. Da sind eher so junge Mütter, das Kind ist gerade in der<br />
Kita, der Mann bei der Geliebten oder in einer Kundenpräsentation.<br />
Und Kulturwissenschaftsstudentinnen sind da, drittes bis fünftes<br />
Semester.“<br />
„Eigentlich suchst du da also eine Freundin. Oder eine Affäre. Aber<br />
dir ist schon klar, dass die dich alle für schwul halten? Sonst würdest<br />
du ja nicht zum Waxing gehen.“<br />
„Rücken! Und Schultergürtel! Außerdem: Wäre das denn so<br />
schlimm?“<br />
„Das willst du lieber nicht wissen. Als du vorhin gefragt hast, ob ich<br />
dir meine Handtasche zeigen kann, von innen, da hast du also so eine<br />
Art abschließende Feindaufklärung betrieben? Sie hat einen<br />
Lederbeutel: check. Sie trägt ihn über der Schulter: check. Jetzt darf<br />
sie bloß keine ,Gala’ in dem Beutel haben.“<br />
111<br />
„Quatsch.“<br />
„Sondern?“<br />
„Man kann sich doch schon mal fragen, warum eine Frau mit<br />
Handtasche tanzen geht.“<br />
„Man kann sich auch schon mal fragen, warum ein Mann im Sakko<br />
tanzen geht. Was ihr überhaupt mit diesen Sakkos und Anzügen<br />
habt.“<br />
„Anzüge sind für uns vermutlich das, was Handtaschen für euch<br />
sind: Symbole des Erwachsenseins.“<br />
„Nein, eine Handtasche ist eine Verlängerung meines Zuhauses. Da<br />
ist der mobile Teil meines Lebens drin. Was man halt davon so<br />
mitschleppen kann.“<br />
„Aber wäre dein Leben, gemessen am Inhalt deiner Tasche, dann<br />
nicht bisschen, nun ja: gewöhnlich? Bisschen trist? Und wäre der<br />
Widerwillen von Frauen, den Inhalt ihrer Taschen vorzuzeigen, dann<br />
womöglich vor allem dadurch begründet, dass ihre Handtaschen<br />
eben überhaupt kein Geheimnis bergen? Und wäre also die einzige<br />
Furcht der Frauen vorm Taschenausleeren, dass Männer sie ab<br />
diesem Augenblick geheimnislos finden könnten, gewöhnlich?“<br />
„Puh.“<br />
„Sollen wir vielleicht doch mal das Gummi aus meinem Portemonnaie<br />
ausprobieren? Nur eine Idee. Wenn ich dich so anschaue gerade.“ Ende