Berlin.Friedrichstraße Ausgabe 01/2014 (Vorschau)
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culture | historiE<br />
Das Kaiserliche Postamt in der<br />
Französischen Straße 9 – 12<br />
wurde von 1908 bis 1912 erbaut.<br />
Damals und Heute<br />
Historische Gebäude in ihrem Wandel – Teil 1<br />
W<br />
er weiß heute noch, dass in der<br />
Französischen Straße 9–12 ehemals<br />
das Kaiserliche Postamt<br />
untergebracht und das Gebäude 1908 –12<br />
von Baurat Wilhelm Walter und Postbauinspektor<br />
Ludwig Meyer errichtet wurde? Unser<br />
Autor Harald Neckelmann hat zu interessanten<br />
Gebäude in Mitte recherchiert und<br />
stellt sie in unserer neuen Serie »Damals<br />
und Heute« gegenüber.<br />
Französische Straße 9 – 12<br />
Die Fassade aus rotem Backstein und Muschelkalk<br />
zeigt mit einer Mischung aus Neorenaissance-<br />
und Neobarockelementen die<br />
typisch konservative Architektur repräsentativer<br />
Postgebäude der Kaiserzeit. Im Vergleich<br />
dazu ist das Innere mit der in einem zentralen<br />
Lichthof liegenden Schalterhalle modern<br />
gegliedert. Beim Bau musste berücksichtigt<br />
werden, dass das Postamt 8 in einem Großbankenviertel<br />
und im Zentrum des Fremdenverkehrs<br />
liegt und in der Geschäftsgegend<br />
zahlreiche Pakte aufgegeben werden. Deshalb<br />
wurden die Annahmestellen für Brief- und<br />
Geldsendungen, Pakete und Wertpakete getrennt.<br />
Die große Briefschalterhalle mit 25<br />
Schaltern befand sich in der Gebäudemitte<br />
unter einem Glasdach. Sie war sowohl von<br />
der Französischen als auch von der dahinter<br />
liegenden Jägerstraße erreichbar. Links vom<br />
Eingang kam die Rohrpost an, dort hatten<br />
auch die Rohrpostboten ihre Station. Auf der<br />
rechten Seite befand sich für die Kunden ein<br />
Schreibzimmer. Östlich von der Briefschalterhalle<br />
lag die Paketannahme. Neu war hier<br />
ein Transportband, das die angenommenen<br />
Pakete zur Packkammer beförderte. Eine besondere<br />
Geldannahmestelle für Großbanken<br />
war im 1. Stock vorhanden. Im Postamtgebäude<br />
gab es nur zwei Wohnungen: für den<br />
Amtsvorsteher und den Hauswart. Heute<br />
residieren hier mehrere Anwalts- und Notarkanzleien,<br />
Immobilienverwaltungen, die Ber-<br />
liner Vertretung des Bankhauses BHF sowie<br />
der Bund der Steuerzahler. Dieser hat eine<br />
»Schuldenuhr« an der Fassade angebracht,<br />
die öffentlich die aktuelle deutsche Staatsverschuldung<br />
anzeigt. Durch die sekundenweise<br />
Aktualisierung wird das Fortschreiten der<br />
Verschuldung visualisiert. Gezeigt wird auch<br />
die Wirkung von Zins und Zinseszins und damit<br />
das Anwachsen der Staatsverschuldung.<br />
Die Werte werden vom Steuerzahler-Bund<br />
geschätzt, indem zur Staatsverschuldung des<br />
vergangenen Jahres eine geschätzte voraussichtliche<br />
Kreditaufnahme für das laufende<br />
Jahr addiert wird.<br />
Heute residiert hier u. a. der Bund der Steuerzahler.<br />
Foto: aus Blätter für Architektur und Kunsthandwerk 25.1912, Tafel 98<br />
44 <strong>Berlin</strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 1 2<strong>01</strong>4