Dissertation_M_Fischer.pdf - OPUS - Universität Augsburg
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5.2.2 Röntgentexturuntersuchungen zum heteroepitaktischen Wachstum<br />
(001)-orientierter Diamantschichten auf Ir/YSZ/Si(001) 63<br />
sich zwischen beiden Werten signifikante Abweichungen, für die es bisher keine schlüssige Erklärung<br />
gibt. Am wahrscheinlichsten sind Prozesse beim Wachstum der Diamantschichten. So wurde<br />
bereits in früheren Arbeiten von Gsell et al. [Gse04a] gezeigt, dass zwischen der Orientierung des<br />
Diamantgitters und der des Iridium- und damit auch des Si-Substrats ein Winkelunterschied von<br />
1−2 ◦ vorliegt. Bei einer Variation der Wachstumsbedingungen zu den Rändern der Probe hin ist<br />
nicht auszuschließen, dass es zu einer geringfügigen lokal unterschiedlichen Veränderung des Winkels<br />
zwischen Diamant und Substratgitter kommt, was insbesondere bei geringer Krümmung (große<br />
Radien) zu überproportional großen Abweichungen führen kann.<br />
Die folgende Analyse beschränkt sich deshalb auf die Diskussion der für das Si-Substrat ermittelten<br />
Krümmungen. Wie Abb. 5.21 b) zeigt, liegt bei der 34.6 µm dicken Probe der experimentell<br />
ermittelte Wert um einen Faktor ∼6 über der Krümmung, die sich aufgrund der röntgenographisch<br />
ermittelten Spannungen bei elastischer Verbiegung einstellen sollte. Hier haben zweifelsfrei bereits<br />
massive plastische Relaxationsprozesse stattgefunden. Bei den beiden dünnen Proben findet man<br />
dagegen nur geringe Unterschiede in den Krümmungsradien.<br />
Wie in Kap. 5.2.3.7 noch im Einzelnen diskutiert werden wird, sind für eine plastische Deformation<br />
von Diamant Temperaturen von deutlich über 1000 ◦ C und enorme Spannungen nötig. Silizium<br />
dagegen durchläuft bereits bei ∼540 ◦ C einen Übergang von spröde zu duktil [Sam89]. Seine Fließgrenze<br />
nimmt bei hohen Temperaturen weiter stark ab. Nach [Sie99, Rab00, Stu06] setzen bei einer<br />
Temperatur von 1100 ◦ C bereits bei einer Spannung von ∼ 2 MPa plastische Prozesse ein. Entscheidend<br />
für das Auftreten von plastischer Deformation sind Betrag und Richtung der Spannungen im<br />
Silizium an der Grenzfläche zu den darauf abgeschiedenen Schichten. Nach Einsetzen der Deformation<br />
und mit zunehmender Krümmung sollten sich die kritischen Spannungen weiter erniedrigen,<br />
was das Fortschreiten der Verformung begünstigt. Zusätzliche Information über die Art der Verformung<br />
erhält man aus der Detailanalyse der Peakprofile der Silizium (004)-Rockingkurven, die<br />
bei dicken Diamantschichten neben einer signifikanten Verbreiterung auch Aufspaltung in mehrere<br />
überlappende Einzelpeaks zeigen. Für eine ausführliche Diskussion sei auf analoge Messergebnisse<br />
bei 850 ◦ C im nächsten Kapitel verwiesen.<br />
5.2.2.2.2 Einsetzen plastischer Prozesse beim Wachstum auf Ir/YSZ/Si(001) bei niedriger<br />
Abscheidetemperatur (850 ◦ C)<br />
Die Fließgrenze von Silizium steigt bei Reduzierung der Prozesstemperatur von 2 MPa bei 1100 ◦ C<br />
auf 5 MPa bei 850 ◦ C an. Für die kritische Schichtdicke, bei der eine Spannungsrelaxation durch<br />
plastische Deformation einhergehend mit einer Verbiegung des Substrats einsetzt, sollte man bei<br />
850 ◦ C einen höheren Wert erwarten, sofern dieser Effekt nicht durch höhere intrinsische Spannungen<br />
überkompensiert wird. Da Letzteres nicht auszuschließen ist, wurde analog zu den vorherigen<br />
Experimenten eine Variation der Schichtdicken zwischen 2.5−25 µm durchgeführt.<br />
Wie Abb. 5.22 zu entnehmen ist, weisen die beiden 2.5 µm und 5 µm dicken Schichten ähnliche<br />
Druckspannungen von −3.0 GPa bzw. −3.1 GPa auf. Bei der 10 µm dicken Schicht sind die<br />
Spannungen bereits auf −1.9 GPa gesunken. Bei 25 µm verbleiben noch −1.2 GPa. Gegenüber den<br />
Werten der dünnen Schichten hat damit einer Relaxation der intrinsischen Spannungen um ca. 60%<br />
stattgefunden.<br />
Für diesen Verlauf gibt es a priori keine eindeutige Erklärung. Prinzipiell möglich wäre ein Mechanismus,<br />
der nur in der Koaleszenz und Kornvergröberungsphase während der ersten Mikrometer<br />
zum Aufbau von Druckspannungen im Bereich mehrer GPa und im nachfolgenden Wachstum wieder<br />
zu einer teilweisen Relaxation der Gesamtspannungen in der wachsenden Diamantschicht führt. Als<br />
weitere Erklärung ist wiederum die Spannungsrelaxation in der Schicht durch plastische Verformung<br />
des Substrats anzuführen. Eine Entscheidung zwischen den beiden Alternativen erlaubt der Vergleich<br />
der real gemessenen mit den theoretisch aus den röntgenographisch ermittelten Eigenspannungen